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Kapitel 1

PROLOG

April 2012

Wir sind jeden Samstagabend mit den Jungs ausgegangen. Daran änderte auch dieses Spiel nichts.

Es war im April 2012, ich war fast 18 und spielte mit der A-Jugend des VfL Rhede in der Niederrheinliga, also eine Klasse unterhalb der Junioren-Bundesliga. Nicht schlecht, aber auch nichts Außergewöhnliches.

An diesem Sonntag mussten wir zu einem unserer größten Rivalen nach Kleve, eine sehr wichtige Partie. Vor dem Sonntag kam aber erst mal der Samstag. Wie fast immer saßen wir bei einem Mannschaftskollegen im Keller zusammen, tranken für den Abend vor und fuhren anschließend mit dem Fahrrad rüber zum Blues, unserer Dorfdisko. Dieser eine Kilometer konnte schon mal eine Stunde dauern. Die Weg-Mischen waren relativ schwer zu transportieren.

Das Blues muss man sich wie eine überdimensionale Bar vorstellen, in der auch unter der Woche was getrunken wurde. Am Wochenende wurden im Erdgeschoss die Stühle entfernt, um Platz für die Tanzfläche zu schaffen. Rechts führte eine Treppe ins erste Obergeschoss auf die Galerie, von der aus man die ganze Tanzfläche im Blick hatte. Wir waren meistens oben in der Ecke an „unserem“ Tisch und tranken Klassiker wie Jägermeister-Red-Bull oder Korn-Diesel (Korn mit Fanta und Cola), bis wir mutig genug waren, tanzen zu gehen. Normalerweise setzten wir uns immer ein Limit, machten um spätestens vier Uhr morgens Schluss und aßen auf der anderen Straßenseite noch einen Döner. Danach hatten wir wenigstens noch drei Stunden Schlaf, bevor es zum Treffpunkt ging.

Nur an diesem einen Abend klappte das nicht. Die Party war einfach zu gut. Sag doch mal einem betrunkenen Siebzehnjährigen, er soll nach Hause gehen, wenn der DJ um kurz vor fünf „Tage wie diese“ von den Toten Hosen oder „Call me maybe“ von Carly Rae Jepsen auflegt („But here’s my number, so call me maybe …“). Oder „Levels“ von Avicii. Meiner Meinung nach der beste Song, der jemals produziert wurde. Welcher Teenager verlässt dann schon die Tanzfläche?

Machen wir es kurz: Erst um sechs Uhr lag ich im Bett. Und um acht klingelte der Wecker. „Guten Morgen, Robin“, schien er zu sagen. „Hattest du einen schönen Abend? Ja? Schön für dich. Heute wird es ganz schlimm, aber das weißt du natürlich. Trotzdem viel Spaß!“ Mein Zustand bewegte sich irgendwo zwischen „Bitte helft mir“ und „Ich brauche ein Bier“.

In einer Stunde musste ich am Treffpunkt sein, aber das war ja nix Neues für mich oder für uns. In der A-Jugend wird vor Spielen regelmäßig getrunken. Und das hatten wir mal wieder getan. So fanden wir uns also um neun Uhr ziemlich derangiert vor Ort ein. Eben ganz normale Dorfkinder, die am Wochenende für gewöhnlich nichts Besseres zu tun haben als Hausaufgaben, Alkohol und Fußball. (Das mit den Hausaufgaben musste ich hier reinschreiben, Mama liest mit.)

Ich gehörte zu denen, die glaubten, mit drei Atü auf dem Kessel sogar noch etwas besser spielen zu können. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass ich den Alkohol am Vorabend geradezu brauchte, um meine volle Leistung zu bringen. Wir reden natürlich vom 17-jährigen Robin. Mit 17 dachte das wahrscheinlich fast jeder bei uns.

Wir fuhren also zum Topspiel nach Kleve und waren ungeachtet des heftigen Vorabends heiß auf den Anstoß. Unsere Mannschaft war wirklich gut, da ging einiges. Was mich betrifft, spielte ich tatsächlich überragend. Schoss ein Tor, holte einen Elfmeter raus und gab eine Vorlage. Wir gewannen 3:1. Tage wie diese …

Danach wollte ich einfach nur in die Dusche und ab nach Hause, um den Rest des Tages im Bett zu verbringen, als auf einmal ein Typ vor mir stand und in gebrochenem Deutsch zu mir sagte: „Robin, das hört sich vielleicht ein bisschen komisch an, aber ich würde dich gerne zu einem Probetraining bei Vitesse Arnheim einladen.“

Ich kannte den Verein zwar durch die Nähe Emmerichs zur niederländischen Grenze – Arnheim ist nur eine gute halbe Autostunde entfernt –, konnte die Einladung zunächst aber überhaupt nicht ernst nehmen und war total perplex. Der Mann redete einfach weiter: „Ich war eigentlich wegen eines anderen Spielers hier, und zwar von Kleve. Der hat mich in diesem Spiel aber nicht so überzeugt wie du. Deshalb wollte ich dich einfach ansprechen.“

„Okay“, dachte ich, „der Gute meint das ernst. Jetzt muss ich irgendwie versuchen zu kaschieren, dass ich bis sechs Uhr feiern war und noch immer Restalkohol im Blut habe.“ Ich gab mein Bestes und vermied Blickkontakt. Zur Sicherheit atmete ich außerdem in eine andere Richtung. Man kennt das ja. Irgendwie musste ich es tatsächlich geschafft haben, meine Fahne zu verbergen, denn die Einladung zum Probetraining bestand auch nach unserer Verabschiedung.

Zwei Tage nach dem Spiel in Kleve sollte ich mit meinen Eltern auf einen Kaffee beim damaligen A-Jugend-Trainer von Vitesse Arnheim, Marino Pusic, vorbeischauen. Er wollte uns von seinen Plänen erzählen. Es lief alles sehr gut. Nicht nur der Besuch bei Marino, sondern auch das Probetraining.

Ein paar Wochen nach diesem ersten Kennenlernen hatten wir ein Spiel auf unserem Heimatplatz, bei dem auch ein Scout von Twente Enschede am Seitenrand stand. Der nächste niederländische Erstligist, das nächste Angebot zum Probetraining. Diesmal wurde allerdings auch einer meiner besten Kumpel eingeladen. Besser ging es ja wohl nicht. Wir fuhren also gemeinsam nach Enschede, liefen für ein Freundschaftsspiel auf und machten unsere Sache so gut, dass der Jugendleiter anschließend sagte: „Wir wollen euch beide bei Twente haben.“

Das wäre mir auch definitiv lieber gewesen als ein Wechsel zu Vitesse, weil ich die ganze Sache natürlich vorzugsweise an der Seite eines Freundes durchgezogen hätte. „Brudi“, sagte ich, „sollen wir das machen oder nicht?“ Was er dann sagte, werde ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen. „Bruder“, meinte er, „ich würde das wirklich liebend gerne machen, aber das würde bedeuten, dass ich mein jetziges Leben aufgeben müsste. Und mir ist das einfach zu wichtig.“

Ich wäre vor Lachen beinahe geplatzt, wirklich. Da bekam der Mann die Chance seines Lebens auf dem Silbertablett überreicht, und er wollte lieber weiter feiern gehen.

Damit war das Thema Twente auch für mich erledigt. Wenn schon keiner meiner Freunde mit dabei war, wollte ich lieber in der Nähe bleiben. Enschede war doppelt so weit entfernt wie Arnheim. Ich gab Vitesse meine Zusage.

Träumen lohnt sich

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