Читать книгу Der Gaslight-Effekt - Робин Стерн - Страница 8

Оглавление

Kapitel 1

WAS IST GASLIGHTING?

Katie ist freundlich und optimistisch. Wer sie trifft, dem schenkt sie ein Lächeln. Als Außendienstmitarbeiterin hat sie oft mit fremden Menschen zu tun, was ihr sehr gefällt. Sie ist eine attraktive Endzwanzigerin, die ihren jetzigen Freund Brian erst nach langem Suchen gefunden hat.

Brian kann der liebe, rücksichtsvolle Beschützer sein, aber er ist auch ein ängstlicher, besorgter Mann, der Unbekannten mit Argwohn begegnet. Wenn beide zusammen ausgehen, gibt Katie sich offen und kontaktfreudig. Sie kommt schnell ins Gespräch, ob mit dem Mann, der nach dem Weg fragt, oder der Frau, deren Hund ihr vor die Füße läuft. Brian aber spart nicht mit Kritik. Sieht sie denn nicht, dass die Leute über sie lachen? Sie denkt, anderen gefallen diese Plaudereien, aber die verdrehen bloß die Augen und fragen sich, warum Katie so geschwätzig ist. Und der Kerl, der nach dem Weg gefragt hat? Der wollte sie doch bloß anbaggern – sie hätte mal sehen sollen, wie er ihr hinterhergegafft hat, kaum hatte sie sich umgedreht. Außerdem ist ein solches Verhalten total respektlos ihm gegenüber. Er ist schließlich ihr Freund. Was glaubt sie denn, wie er sich fühlt, wenn sie jedem Typ, der vorbeikommt, schöne Augen macht?

Anfangs lacht Katie noch über Brians Gejammer. Sie ist doch schon immer so, sagt sie ihm, und sie ist einfach gern freundlich. Aber nach Wochen unerbittlicher Kritik beginnt sie, an sich zu zweifeln. Vielleicht lachen und gaffen die Leute ja wirklich hinter ihrem Rücken. Vielleicht flirtet sie ja wirklich dreist vor den Augen ihres Freundes – wie gemein, den Mann, der sie liebt, so zu behandeln!

Irgendwann weiß Katie nicht mehr, wie sie sich verhalten soll. Sie will nicht auf ihre offene, freundliche Art gegenüber anderen verzichten – aber jedes Mal, wenn sie jetzt einem Fremden zulächelt, fragt sie sich, was Brian wohl denken würde.

Liz arbeitet in einer Spitzenposition in der Werbung. Eine elegante Frau Ende 40, die seit 20 Jahren glücklich verheiratet ist und keine Kinder hat. Sie hat hart für ihre Karriere gearbeitet. Jetzt scheint sie ihrem Ziel nahe zu sein, denn sie steht kurz davor, das New Yorker Büro der Firma zu übernehmen.

In letzter Minute bekommt jedoch ein anderer den Job. Liz schluckt ihren Stolz herunter und bietet sich an, ihm beizustehen. Zuerst scheint der neue Chef auch charmant und dankbar zu sein. Doch bald merkt Liz, dass sie bei wichtigen Entscheidungen außen vor gelassen und nicht mehr zu den wichtigen Meetings eingeladen wird. Gerüchten zufolge wird den Kunden erzählt, sie wolle nicht mehr mit ihnen zusammenarbeiten. Man solle sich lieber direkt an den neuen Chef wenden. Als sie sich bei den Kollegen beschwert, schauen die sie nur befremdet an. »Aber er lobt dich immer in den Himmel«, heißt es. »Warum sollte er so was Nettes sagen, wenn er dich auf dem Kicker hat?«

Schließlich stellt Liz ihren Chef zur Rede, der eine plausible Erklärung für jeden Vorfall hat. »Hör mal«, sagt er am Ende des Treffens, »ich glaube, du nimmst dir das viel zu sehr zu Herzen – das ist ja fast schon paranoid. Willst du dir ein paar Tage freinehmen, um den Stress abzubauen?«

Liz kommt sich total unfähig vor. Sie weiß, dass sie sabotiert wird – aber warum ist sie die Einzige, die das zu merken scheint?

Mitchell ist Mitte 20 und studiert Elektrotechnik. Er ist groß, schlaksig und obendrein schüchtern. Er ist seit Langem auf Partnersuche, aber endlich hat er eine Frau kennengelernt, die er wirklich mag. Eines Tages weist seine Freundin dezent darauf hin, dass Mitchell sich immer noch wie ein kleiner Junge kleidet. Mitchell ist gekränkt, doch er versteht, was sie meint. Schon ist er im nächsten Kaufhaus, wo er sich von einem Personal Shopper eine komplette Garderobe zusammenstellen lässt. In dieser Kleidung fühlt er sich wie ein neuer Mensch – weltgewandt und attraktiv –, und er genießt die bewundernden Blicke der Frauen auf der Busfahrt nach Hause.

Doch als er die neuen Kleider zum sonntäglichen Abendessen bei seinen Eltern trägt, platzt seine Mutter fast vor Lachen. »Ach, Mitchell, das ist ja gar nichts für dich – du siehst lächerlich aus«, sagt sie. »Wenn du das nächste Mal einkaufen gehst, Kind, dann sag mir bitte Bescheid.« Als Mitchell verletzt reagiert und eine Entschuldigung verlangt, schüttelt sie traurig den Kopf. »Ich wollte dir nur helfen«, sagt sie. »Und ich finde, du solltest dich entschuldigen für diesen Tonfall.«

Mitchell ist verwirrt. Ihm gefällt seine neue Kleidung – aber vielleicht sieht er wirklich lächerlich aus. Und war er tatsächlich grob zu seiner Mutter?

Den Gaslight-Effekt verstehen

Katie, Liz und Mitchell haben eins gemeinsam. Sie alle leiden unter dem Gaslight-Effekt. Zu diesem Effekt kommt es zwischen zwei Menschen: einem Gaslighter, also »Gasanzünder«, der einwandfrei funktionieren muss, um den Sinn für sein eigenes Selbst zu bewahren und sich weiter seiner Macht über andere zu versichern. Und dem Gaslightee, also »Angezündeten«, der dem Gaslighter erlaubt, Einfluss auf seine Wirklichkeitswahrnehmung zu nehmen, weil er ihn verklärt und seine Zustimmung sucht. Diese zwei können beiden Geschlechtern angehören, und Gaslighting kann in jeder Art Beziehung vorkommen. Aber ich werde den Gaslighter mit »er« bezeichnen und den Gaslightee mit »sie«, weil ich diese Konstellation am häufigsten in meinem Berufsleben antreffe. Wir werden eine ganze Reihe von Beziehungen näher betrachten – zu Freunden, Familie und Kollegen. Aber im Zentrum wird doch die Beziehung zwischen Mann und Frau stehen.

So besteht Katies Freund zum Beispiel darauf, dass es auf der Welt gefährlich zugeht und dass Katies Verhalten unangemessen und taktlos ist. Wenn er gestresst ist oder sich bedroht fühlt, dann muss er in diesen Punkten recht haben, und er muss Katie dazu bringen, ihm zuzustimmen. Katie legt Wert auf ihre Beziehung und will Brian nicht verlieren. Also fängt sie an, die Dinge von seinem Standpunkt aus zu betrachten. Vielleicht lachen die Leute ja wirklich über sie. Vielleicht flirtet sie wirklich zu gern. So fängt es an mit dem Gaslighting.

Auch Liz’ Chef beharrt darauf, dass er ihr wirklich zugetan ist. Bedenken habe sie nur, weil sie paranoid ist. Liz möchte, dass ihr Chef eine gute Meinung von ihr hat. Schließlich geht es um ihre Karriere. Also zweifelt sie allmählich an ihrer eigenen Wahrnehmung und versucht, sich seine zu eigen zu machen. Aber die Ansichten ihres Chefs ergeben für Liz keinen Sinn. Wenn er wirklich nicht versucht, sie zu sabotieren, warum verpasst sie dann all die Meetings? Warum rufen ihre Kunden sie dann nicht mehr zurück? Warum ist sie dann so verwirrt und besorgt? Liz ist so treuherzig, dass sie sich einfach niemanden vorstellen kann, der so offenkundig manipuliert, wie ihr Chef es anscheinend tut. Es muss also an ihr liegen, denn was sonst könnte eine solch fürchterliche Behandlung rechtfertigen? Sie wünscht sich verzweifelt, ihr Chef möge recht haben. Eigentlich aber weiß sie, dass es nicht so ist. Liz ist völlig verunsichert darüber, was sie sieht und zu wissen meint. Bei ihr ist das Gaslighting in vollem Gang.

Mitchells Mutter beharrt auf dem Recht, ihrem Sohn alles sagen zu dürfen, was sie will. Und wenn er widerspricht, ist das unhöflich. Mitchell möchte in seiner Mutter gern einen guten, liebevollen Menschen sehen und nicht jemanden, der gemeine Sachen zu ihm sagt. Wenn sie ihn verletzt, dann gibt er sich die Schuld daran, nicht ihr. Mutter und Sohn sind sich einig: Die Mutter hat recht, Mitchell hat unrecht. Zusammen arbeiten sie so am Gaslight-Effekt.

Natürlich hätten Katie, Liz und Mitchell andere Möglichkeiten. Katie könnte die negativen Kommentare ihres Freundes einfach überhören oder ihn bitten, sie zu unterlassen. Als letzte Möglichkeit könnte sie auch mit ihm Schluss machen. Liz könnte sich sagen: »O Mann, der neue Chef ist ein hartes Stück Arbeit. Mit seinem Geschleime hat er vielleicht alle anderen hier hinters Licht geführt – aber nicht mich!« Mitchell könnte seelenruhig verlangen, »Sorry, Mom, aber du schuldest mir eine Entschuldigung.« Alle drei könnten beschließen, dass sie im Grunde bereit wären, mit dem Missfallen der Gaslighter zu leben. Selbst wissen sie schließlich, dass sie gute, tüchtige und liebenswerte Menschen sind, und das ist ja wohl entscheidend.

Wären unsere drei Betroffenen in der Lage, diese Haltung einzunehmen, dann gäbe es kein Gaslighting. Die Gaslighter würden vielleicht immer noch schlecht handeln, doch ihr Verhalten hätte nicht länger solch schädliche Auswirkungen. Gaslighting funktioniert nur, wenn man glaubt, was der Gaslighter sagt, und wenn man will, dass er gut von einem denkt.

Aber Gaslighting ist heimtückisch. Es spielt mit unseren schlimmsten Ängsten, unseren furchtsamsten Gedanken, unserem sehnlichen Wunsch danach, verstanden, geschätzt und geliebt zu werden. Wenn jemand, den wir respektieren oder lieben, sehr sicher in seinen Aussagen ist – insbesondere wenn ein Körnchen Wahrheit in seinen Worten steckt oder wenn er einen wunden Punkt bei uns trifft, dann kann es sehr schwer sein, ihm nicht zu glauben. Und wenn wir den Gaslighter auch noch verklären – wenn wir in ihm die Liebe unseres Lebens, einen bewundernswerten Chef oder ein wunderbares Elternteil sehen wollen –, dann fällt es noch schwerer, am eigenen Sinn für die Wirklichkeit festzuhalten. Der Gaslighter muss einfach recht haben, und wir wollen seine Anerkennung erlangen. Und so geht das Gaslighting immer weiter.

Es kann durchaus sein, dass keiner von beiden sich bewusst ist, was da abläuft. Der Gaslighter mag aufrichtig jedes Wort glauben, das er an sein Opfer richtet, oder ernsthaft überzeugt sein, es vor sich selbst zu schützen. Vergessen Sie nicht, dass er von seinen eigenen Bedürfnissen angetrieben wird. Der Gaslighter mag wie ein starker, mächtiger Mann erscheinen, oder er wirkt wie ein unsicherer kleiner Junge, der einen Trotzanfall kriegt. Auf jeden Fall fühlt er sich schwach und machtlos. Um sich stark und sicher zu fühlen, muss er beweisen, dass er recht hat. Er muss sein Gegenüber dazu bringen, ihm zuzustimmen.

Das Opfer dagegen hat ihn längst verklärt und sehnt sich nach seiner Anerkennung, obwohl ihm das vielleicht gar nicht bewusst ist. Aber wenn auch nur ein kleiner Zweifel daran besteht, für sich genommen nicht gut genug zu sein – wenn nur ein klitzekleiner Teil des Opfers den Eindruck hat, es brauche die Liebe und die Anerkennung des Gaslighters, um glücklich zu sein, dann ist es empfänglich für das Gaslighting. Und ein Gaslighter wird diese Verletzlichkeit ausnützen, damit man an sich zweifelt, immer und immer wieder.

SIND SIE OPFER VON GASLIGHTING?

Schalten Sie Ihr Frühwarnsystem ein. Achten Sie auf diese 20 verräterischen Anzeichen. Um von Gaslighting sprechen zu können, müssen nicht all diese Erfahrungen oder Gefühle zutreffen. Aber wenn Sie sich in einem der Punkte wiederfinden, schauen Sie genauer hin.

1. Sie kritisieren sich ständig im Nachhinein selbst.

2. Sie fragen sich ein Dutzend Mal am Tag: »Bin ich zu empfindlich?«

3. Bei der Arbeit sind Sie oft konfus oder überdreht.

4. Sie entschuldigen sich ständig bei anderen, ob Mutter, Vater, Freund oder Chef.

5. Sie fragen sich oft, ob Sie als Partnerin, Ehefrau, Mitarbeiterin, Freundin oder Tochter »gut genug« sind.

6. Sie können nicht verstehen, warum Sie nicht glücklicher sind, obwohl Ihr Leben doch eigentlich gut läuft.

7. Sie kaufen sich Kleidung, Möbel oder andere Dinge für den persönlichen Gebrauch, denken dabei ständig an Ihren Partner und fragen sich, was ihm wohl gefallen würde, statt zu fragen, was Sie selbst toll finden.

8. Sie entschuldigen das Verhalten Ihres Partners ständig gegenüber Freunden und Familie.

9. Sie halten Neuigkeiten vor Freunden und Familie zurück, damit Sie nichts erklären oder sich entschuldigen müssen.

10. Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht, das wissen Sie. Aber Sie können es nicht benennen, auch nicht vor sich selbst.

11. Lieber lügen Sie, als Sticheleien und verdrehte Wirklichkeit zu ertragen.

12. Es fällt Ihnen schwer, einfache Entscheidungen zu treffen.

13. Sie denken zweimal nach, bevor Sie bestimmte, scheinbar harmlose Gesprächsthemen anschneiden.

14. Bevor Ihr Partner nach Hause kommt, checken Sie in Gedanken eine Liste, ob Sie an diesem Tag etwas falsch gemacht haben.

15. Sie haben das Gefühl, früher ein anderer Mensch gewesen zu sein – zuversichtlicher, lebenslustiger, entspannter.

16. Sie sprechen lieber mit der Sekretärin als mit Ihrem Mann, damit Sie ihm nicht Sachen sagen müssen, die ihn aufregen könnten.

17. Sie haben das Gefühl, nichts richtig zu machen.

18. Ihre Kinder versuchen, Sie vor Ihrem Partner zu schützen.

19. Sie sind plötzlich wütend auf Leute, mit denen Sie immer gut ausgekommen sind.

20. Sie sind verzweifelt und deprimiert.

Wie ich den Gaslight-Effekt entdeckte

Als Therapeutin betreibe ich seit 20 Jahren eine Privatpraxis. Außerdem bin ich in der Lehre tätig, coache Führungskräfte, arbeite als Beraterin und bin Mitglied des Woodhull Institute for Ethical Leadership. Dort entwickle ich Förderprogramme für Frauen jeden Alters. In allen Bereichen treffe ich ständig Frauen, die stark, klug und erfolgreich sind. Aber immer wieder die gleiche Geschichte: Irgendwie steckten viele dieser selbstbewussten, leistungsorientierten Frauen in zermürbenden und destruktiven Beziehungen fest. Kollegen und Freunde fanden sie tüchtig, doch sie hielten sich irgendwann für inkompetent – sie trauten ihren Fähigkeiten und ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr.

Diese Geschichten hatten etwas unangenehm Vertrautes. Nach und nach merkte ich, dass sie mich nicht nur beruflich betrafen. Sie waren auch das Echo von Erfahrungen, die meine Freundinnen und ich gemacht hatten. Dabei ging es immer um die Beziehung einer anscheinend starken Frau zu einem anderen Menschen, ob Partner, Ehemann, Freundin, Kollege, Chef oder Familienmitglied. Der oder die andere brachte sie dazu, ihren Sinn für die Realität infrage zu stellen. Und das ängstigte, verwirrte und deprimierte die Frauen. Diese Beziehungen waren umso auffälliger, als die Frauen ihr Leben eigentlich im Griff zu haben schienen. Aber immer gab es da einen bestimmten Menschen – Partner, Chef oder Verwandten –, dessen Anerkennung sie zu erlangen versuchten, auch wenn er sie schlecht und schlechter behandelte. Irgendwann fand ich eine passende Bezeichnung für diesen schmerzlichen Zustand: Gaslight-Effekt, nach dem Film Das Haus der Lady Alquist, der im Original Gaslight heißt.

In dem Filmklassiker von 1944 geht es um Paula, eine junge Opernsängerin (gespielt von Ingrid Bergmann). Sie heiratet Gregory, einen charismatischen, geheimnisvollen älteren Mann (gespielt von Charles Boyer). Ohne dass Paula es merkt, versucht ihr Ehemann, sie in den Wahnsinn zu treiben, damit er an ihr Erbe kommt. Ständig redet er ihr ein, sie sei krank und schwach. Er verändert Dinge im Haushalt und gibt ihr die Schuld daran. Besonders hinterhältig ist, dass er die Gaszufuhr manipuliert, woraufhin das Gaslicht ohne erkennbaren Grund flackert. Unter dem Bann dieses teuflischen Plans glaubt Paula allmählich, sie sei verrückt. Aus Verwirrung und Angst reagiert sie hysterisch und wird damit genau zu der zerbrechlichen und orientierungslosen Person, die sie laut ihres Mannes ist. Eine tückische Abwärtsspirale: Je stärker sie an sich zweifelt, desto verwirrter und hysterischer wird sie. Sie will unbedingt, dass ihr Mann ihr glaubt und ihr sagt, dass er sie liebt. Doch er weigert sich und beharrt darauf, sie sei wahnsinnig. Sie erlangt ihre Durchsetzungskraft erst wieder, als ein Inspector von Scotland Yard ihr versichert, dass auch er das Flackern des Gaslichts sieht.

Wie der Film zeigt, sind beim Gaslighting immer zwei Personen involviert. Gregory muss Paula verführen, um Macht und Kontrolle über sie zu haben. Aber Paula will auch verführt werden. Sie verklärt diesen starken, gut aussehenden Mann, und sie versucht krampfhaft zu glauben, er werde sie umsorgen und beschützen. Anfangs will sie seine Bosheit nicht wahrhaben. Sie will lieber das romantische Bild des perfekten Ehemanns behalten. Ihre Unsicherheit und ihr Wunsch, ihn zu verklären, sind der perfekte Nährboden für seine Manipulationen.

Im Film ist der Gaslighter auf etwas Konkretes aus. Er will seine Frau bewusst in den Wahnsinn treiben, weil er an ihr Erbe kommen will. Im echten Leben ist kaum ein Gaslighter so diabolisch – obwohl die Folgen seines Verhaltens wirklich schlimm sein können. Aus seiner Sicht geht es jedoch nur darum, sich zu schützen. Ein Gaslighter hat eine solch schadhafte Wahrnehmung seiner selbst, dass er es nicht ertragen kann, wenn man seine Sichtweise infrage stellt. Wie auch immer er die Welt sieht, so müssen auch andere sie sehen – sonst ist er das Opfer unerträglicher Ängste.

Stellen Sie sich vor, Sie lächeln einen anderen auf einer Party an, und dem Gaslighter an Ihrer Seite behagt das nicht. Ein Mann, der nichts mit Gaslighting am Hut hat, würde vielleicht sagen: »Ich bin halt schnell eifersüchtig« oder »Ich weiß, dass du nichts gemacht hast, Liebling, aber ich flippe aus, wenn ich sehe, dass du mit anderen Kerlen flirtest«. Er ist bereit, wenigstens in Betracht zu ziehen, dass sein Unbehagen von der Situation oder seiner eigenen Unsicherheit herrührt. Selbst wenn Sie geflirtet hätten – hemmungslos geflirtet hätten –, könnte ein Nicht-Gaslighter vermutlich erkennen, dass Sie ihn mit Ihrem Verhalten, so anstößig er es auch finden mag, nicht verletzen wollten, auch wenn er Sie vielleicht bitten wird, damit aufzuhören.

Der Gaslighter dagegen wird nie auf die Idee kommen, dass seine Eifersucht, Unsicherheit und Paranoia eine Rolle spielen könnten. Er hält an seiner eigenen Erklärung fest: Er muss darunter leiden, dass Sie einem anderen schöne Augen machen. Es reicht ihm nicht, das erkannt zu haben. Er muss Sie auch dazu bringen, ihm zuzustimmen. Tun Sie das nicht, müssen Sie stundenlang Wut, Kälte, verletzte Gefühle oder auch scheinbar berechtigte Kritik ertragen (»Warum kannst du denn nicht sehen, wie sehr du mich verletzt? Sind dir meine Gefühle etwa total egal?«)

Dennoch bedarf es beim Gaslighting immer eines willigen Opfers. Gebraucht wird jemand, der den Gaslighter verklärt und verzweifelt um seine Anerkennung ringt. Sollten Sie für Gaslighting nicht anfällig sein, tun Sie die Kritik Ihres eifersüchtigen Freundes vermutlich achselzuckend und lachend ab, wenn er Ihnen fälschlicherweise vorwirft, ständig zu flirten. Aber was, wenn Sie es nicht ertragen, dass er Sie in einem so schlechten Licht sieht? Dann fangen Sie vielleicht an, sich zu rechtfertigen, um ihn dazu zu bringen, seine Meinung zu ändern. (»Ich habe nicht geflirtet, Schatz. Das war ein ganz neutrales Lächeln.«) So sehr der Gaslighter will, dass seine Freundin sich entschuldigt, so sehr bemüht sie sich um seine Anerkennung. Irgendwann ist sie vielleicht zu allem bereit, um es ihrem Freund recht zu machen – und akzeptiert dann sogar seine negative, kritische Haltung ihr gegenüber.

Gaslighting: Die Abwärtsspirale

Gaslighting entwickelt sich oft schrittweise. Anfangs ist es meist relativ harmlos – vielleicht bemerkt man es nicht einmal. Angenommen, Ihr Freund wirft Ihnen vor, Sie lassen ihn absichtlich schlecht dastehen, weil Sie zu spät zum Empfang seines Arbeitgebers kommen. Dann führen Sie das auf seine Nervosität zurück oder nehmen an, er meine es nicht ernst. Vielleicht fragen Sie sich auch wirklich, ob Sie versucht haben, ihn schlecht dastehen zu lassen. Aber dabei belassen Sie es.

Irgendwann aber nimmt das Gaslighting einen größeren Raum in Ihrem Leben ein. Es beschäftigt Sie gedanklich und bestimmt Ihre Gefühle. Schließlich stecken Sie in einer tiefen Depression und sind unfähig, sich an den Menschen zu erinnern, der Sie einst waren und der eigene Standpunkte und Ansichten hatte.

Natürlich müssen Sie nicht zwangsweise alle drei Phasen durchlaufen. Aber viele Frauen erleben das Gaslighting als eine Abwärtsspirale.

Phase 1: Unglaube

In dieser ersten Phase will man es nicht wahrhaben. Der Gaslighter sagt etwas Ungeheuerliches: »Dieser Typ, der nach dem Weg gefragt hat, wollte dich nur ins Bett kriegen!« Sie trauen Ihren Ohren nicht. Haben Sie ihn falsch verstanden? Oder vielleicht er Sie? Oder hat er nur einen Witz gemacht? Die Bemerkung ist so lächerlich, dass Sie sie vielleicht einfach ignorieren. Oder aber Sie versuchen, den Fehler richtigzustellen, aber ohne großen Elan. Oder Sie verwickeln sich in einen langen Streit, sind sich aber Ihres eigenen Standpunkts nach wie vor sicher. Obwohl Sie gern hätten, dass der Gaslighter Ihnen zustimmt, sehnen Sie sich noch nicht verzweifelt danach.

Katie befindet sich wochenlang in dieser Phase. Sie versucht immer wieder, ihren Freund davon zu überzeugen, dass er falschliegt mit seinem Urteil über sie und andere, dass sie mit niemandem flirtet und niemand mit ihr flirtet. Manchmal hat Katie das Gefühl, ihn fast so weit zu haben, sie zu verstehen – aber so richtig tut er es nie. Sie macht sich Sorgen: War er es? War sie es? Er kann so lieb sein, wenn alles gut läuft. Warum ist er dann manchmal so komisch? Sie sehen, dass diese relativ leichte Form des Gaslightings verwirren, frustrieren und verunsichern kann.

Phase 2: Abwehr

In der zweiten Phase überwiegt das Bedürfnis, sich zu verteidigen. Sie suchen nach Beweisen, um dem Gaslighter zu zeigen, dass er falsch liegt. Sie streiten wie besessen mit ihm, oft in Gedanken. Sie versuchen verzweifelt, seine Anerkennung zu erlangen.

Liz befindet sich in dieser Phase 2. Sie kann nur an eins denken: Ihr Chef soll die Dinge so sehen wie sie. Nach dem Meeting geht sie jedes Gespräch mit dem Chef immer wieder durch – auf dem Weg zur Arbeit, beim Mittagessen mit Freunden, vor dem Einschlafen. Sie muss einen Weg finden, um ihn zu überzeugen. Vielleicht hält er dann mehr von ihr, und alles wird wieder gut.

Auch Mitchell ist in Phase 2. Weil er seine Mutter so verklärt, will ein Teil von ihm wirklich, dass sie recht hat. Also gut, denkt Mitchell sich nach der Auseinandersetzung mit der Mutter. Ich war wohl wirklich ein bisschen grob. Er fühlt sich elend, weil er so ein schlechter Sohn ist. Aber wenigstens muss er sich nicht elend fühlen, weil er eine schlechte Mutter hat. Er kann weiter versuchen, ihre Zustimmung zu erlangen, ohne sich ihr gemeines Verhalten eingestehen zu müssen.

Dass man die zweite Phase erreicht hat, erkennt man, wenn man sich häufig wie besessen fühlt, manchmal auch verzweifelt. Man ist sich nicht länger sicher, die Zustimmung des Gaslighters erlangen zu können – aber man hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Phase 3: Depression

Gaslighting der Phase 3, also Gaslighting dritten Grades, ist am schwierigsten, hier herrscht die Depression. Man versucht mit aller Macht zu beweisen, dass der Gaslighter richtig liegt. Dann kann man es ihm vielleicht recht machen und endlich seine Anerkennung gewinnen. Allerdings ist Phase 3 anstrengend, weshalb man oft zu erschöpft zum Streiten ist.

Meine Patientin Melanie steckte tief in Phase 3. Melanie war eine hinreißende Frau von etwa 35 Jahren, die Marktanalysen für ein großes New Yorker Unternehmen erstellte. Als sie das erste Mal zu mir kam, hätte ich sie jedoch kaum für eine leitende Angestellte gehalten. In einem sackartigen Pulli kauerte sie auf der Sofakante und schluchzte unkontrollierbar.

Der Vorfall, der zu ihrem Besuch bei mir geführt hatte, war ein Einkauf im Supermarkt. Sie war die Gänge entlanggehastet und hatte Lebensmittel für die Dinnerparty kaufen wollen, die sie am Abend für ihren Mann und seine Kollegen geben wollte. Jordan hatte sie gebeten, ihre Spezialität zuzubereiten, gegrillte Lachssteaks. Er hatte betont, dass seine Freunde gesundheitsbewusst seien und Wildlachs erwarten würden. Doch als Melanie zur Fischtheke kam, gab es dort nur Lachs aus Aquakulturen. Sie hatte zwei Möglichkeiten: den minderwertigen Fisch kaufen oder einen anderen Hauptgang planen.

»Ich fing einfach an zu zittern«, erzählte sie mir, als das Schluchzen nachließ. »Ich konnte nur daran denken, wie enttäuscht Jordan sein würde. Sein Gesicht, wenn ich ihm erzählen würde, dass ich keinen Wildlachs finden konnte, dass es einfach keinen gab. Die vorwurfsvollen Fragen: ›Warst du mal wieder zu spät dran, Melanie? Du hast das doch schon mal gekocht, du weißt doch, welche Zutaten man braucht. Ist dir dieser Abend so egal? Ich hab dir doch gesagt, wie wichtig er für mich ist. Was war dir denn wieder so wichtig, dass du dich nicht richtig um das Essen kümmern konntest? Das würde ich wirklich gern wissen.‹«

Melanie atmete tief ein und griff sich ein Kleenex. »Diese Fragerei hört einfach nicht auf. Ich habe versucht, darüber zu lachen, alles zu erklären, ich habe mich sogar entschuldigt. Ich habe versucht zu beweisen, dass es manchmal anders kommt – aber er glaubt mir einfach nicht.« Sie sank noch tiefer in sich zusammen und zog den Pulli fest um sich. »Wahrscheinlich hat er recht. Ich war immer so organisiert und so souverän. Aber selbst ich kann sehen, was für ein Chaos ich immer anrichte. Ich weiß nicht, warum ich nichts mehr auf die Reihe kriege. Nichts klappt mehr!«

Melanie war ein extremes Beispiel für den Gaslight-Effekt – sie hatte den negativen Blick des Gaslighters auf sie so vollständig übernommen, dass sie keinen Zugang mehr zu ihrem wahren Selbst hatte. In gewisser Weise hatte Melanie recht: Sie war wirklich zu der hilflosen, inkompetenten Frau geworden, die ihr Mann in ihr sah. Sie hatte ihn zu sehr verklärt und zu sehr versucht, seine Anerkennung zu gewinnen. Sie ergriff nun sogar für ihn Partei, wenn er ihr etwas vorwarf, das definitiv nicht stimmte – im vorliegenden Fall, bei den Vorbereitungen geschlampt zu haben. Es war leichter, nachzugeben und Jordan beizupflichten, als der Tatsache ins Auge zu sehen, dass er mies war und sie seine uneingeschränkte Anerkennung wohl nie erlangen würde. Dabei brauchte sie die doch für ihr Selbstwertgefühl – oder meinte, sie zu brauchen.

Die drei Phasen beim Gaslighting: Ein verschlungener Pfad

Die drei Etappen sind keineswegs obligatorisch. Es gibt Menschen, die ihr Leben lang in Phase 1 verweilen. Entweder tun sie das in einer einzigen Beziehung oder in einer Reihe frustrierender Freundschaften, Beziehungen oder Arbeitsverhältnisse. Sie erleben immer und immer wieder die gleiche Art Auseinandersetzung. Und wenn eine Beziehung zu unerträglich wird, beenden sie sie einfach. Und schon geht die Suche nach einem anderen Gaslighter los, um das Ritual von Neuem zu beginnen.

Andere Menschen ringen dauerhaft mit den Dämonen der zweiten Phase. Sie funktionieren vielleicht noch, aber gedanklich und emotional sind sie durch das Gaslighting ausgebrannt. Wir haben vermutlich alle mindestens eine Freundin, die über nichts anderes reden kann als ihren durchgeknallten Chef, ihre nervige Mutter oder ihren gefühllosen Freund. Wenn sie in Phase 2 feststeckt, kann sie diese Gespräche immer und immer wieder führen. Selbst wenn all ihre anderen Beziehungen großartig sind, wirkt das Gaslighting doch wie ein stetes Gift.

Manchmal alterniert eine Beziehung – insbesondere in Phase 2. Die Partner wechseln sich in der Rolle des Gaslighters ab oder tauschen die Rollen ganz. Dann hat der eine vielleicht die »Erlaubnis«, den Partner im emotionalen Bereich unter Druck zu setzen. Er legt dann beispielsweise fest, was der Partner »wirklich meint«, wenn er etwas sagt oder tut, was Ersterem nicht passt. Der andere darf dafür vielleicht über das soziale Verhalten bestimmen und Ersterem vorwerfen, er rede zu viel auf Partys oder berühre die Gäste unangenehm mit seinen politischen Ansichten. Beide versuchen ständig, recht zu behalten oder die Zustimmung des jeweils anderen zu erlangen – aber in verschiedenen Bereichen.

Manchmal läuft eine Partnerschaft auch monate- oder jahrelang gut, bevor das Gaslighting einsetzt. Oder es kommt nur gelegentlich zum Gaslighting. Es mag auch die eine oder andere Krise geben, aber im Grunde ist die Beziehung stabil. Dann verliert der Mann seinen Job, der Freund lässt sich scheiden oder die Mutter leidet unter dem Älterwerden. Jetzt setzt das Gaslighting ernsthaft ein, denn jetzt fühlt der Gaslighter sich bedroht und verlegt sich aufs Gaslighting, um Einfluss auszuüben. Vielleicht fühlt man sich aber auch selbst bedroht, weshalb man sich plötzlich noch verzweifelter nach der Zustimmung des Gaslighters sehnt. Diese Verzweiflung gibt dem Gaslighter aber das Gefühl, machtlos zu sein. Also unterstreicht er seinen Machtanspruch, indem er Sie als sein Opfer zwingt einzusehen, dass er recht hat und Sie unrecht – mit was auch immer. Und so fängt das Gaslighting an.

Vielleicht haben Sie eine Freundin, die ihren Mann, ihr Kind oder eine andere Freundin jahrelang durch Gaslighting drangsaliert hat, nicht aber Sie. Da Sie nicht bemerkt haben, was in dieser anderen Zweierbeziehung vor sich ging, haben Sie womöglich Partei für Ihre Freundin ergriffen und sich ihr verbunden gefühlt, indem Sie ihr zustimmten. Dann verlässt der Ehemann sie, das Kind wächst heran, oder die andere Freundin wird der Sache überdrüssig. Und plötzlich hat Ihre Freundin kein anderes Opfer für das Gaslighting mehr als Sie. Da Sie es gewohnt sind, sich ihren Klagen anzuschließen, vergehen vielleicht Wochen oder sogar Monate, bevor Sie merken, dass dieses neue Verhalten Ihnen gar nicht gefällt.

Wenn das Gaslighting von jemandem ausgeht, dem man seit Jahren vertraut, höhlt einen das noch stärker aus als eine Beziehung, die von Anfang an unter diesen Vorzeichen steht. Wenn das Vertrauen eine solide Basis hat, ist es umso befremdlicher, wenn man plötzlich schlecht behandelt wird – und man wird noch anfälliger für Selbstkritik. Denn wie könnte der oder die andere das Problem sein? Es muss schon an einem selbst liegen.

In jedem Fall kann es beim Gaslighting ersten oder zweiten Grades bleiben. Oder man wechselt zwischen beiden hin und her – was schmerzlich genug ist. Erreicht das Gaslighting aber Phase 3, können die Folgen verheerend sein. An diesem Punkt erscheint alles hoffnungslos. Man ist unfähig, auch nur die kleinste Entscheidung zu treffen, und irrt orientierungslos umher. Man erinnert sich kaum noch, wer man vor Beginn des Gaslightings einmal war. Man weiß nur, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt – vermutlich mit einem selbst. Wäre man nämlich ein guter, ein fähiger Mensch, würde man doch auch die Zustimmung des Gaslighters erlangen.

Nachdem ich Dutzende Frauen behandelt habe, die mit diesem Verhaltensmuster kämpfen, und es auch am eigenen Leib erfahren habe, kann ich bestätigen, dass der Gaslight-Effekt wahrlich selbstzerstörerisch ist. Der schlimmste Moment ist vielleicht der, wenn man erkennt, wie weit man sich entfernt hat von seinem wahren Selbst. Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Perspektiven, Mut – alles dahin. Noch schlimmer: Man verliert seine Lebensfreude. Nur noch eines zählt, die Anerkennung durch den Gaslighter. Und in Phase 3 ahnt man allmählich, dass es die nie geben wird.

Die drei Typen des Gaslighters

Gaslighting hat viele Gesichter. Manchmal sieht es wie ein Missbrauch aus, manchmal aber auch, als sei der Partner ein guter Kerl oder sogar ein romantischer Lover. Deshalb hier ein paar Hinweise darauf, welche Formen das Gaslighting annehmen kann.

1. Der Glamour-Typ erschafft eine Welt nur für Sie

Stellen Sie sich vor, Ihr Freund hat Sie seit zwei Wochen nicht angerufen, obwohl Sie ihm mehrere Nachrichten hinterlassen haben. Dann taucht er auf, im Gepäck Ihre Lieblingsblumen, eine Flasche Champagner und eine Einladung zu einem Wochenende auf dem Land. Sie sind wütend und frustriert. Wo war er? Warum hat er sich nicht gemeldet? Er weigert sich zuzugeben, dass es nicht okay ist, so ganz ohne Erklärung wegzubleiben. Er will, dass Sie sich mit ihm auf das romantische Stelldichein freuen, das er organisiert hat. Wie alle Gaslighter verzerrt er die Wirklichkeit und verlangt, dass Sie mit dieser verzerrten Sichtweise einverstanden sind. Er tut so, als sei nichts Ungewöhnliches vorgefallen, als seien Sie unvernünftig, weil Sie sich so aufregen. Der Glamour und die Romantik verschleiern, wie gemein er sich verhält und wie bekümmert Sie waren.

So jemanden bezeichne ich als »Glamour-Gaslighter«. Manche Männer geben ständig diesen Typ Gaslighter. Andere, wie Katies Freund Brian, versuchen mit dieser Rolle nur gelegentlich zu punkten, zum Beispiel nach einem besonders aufwühlenden Streit. Diese glamouröse Form des Gaslightings ist auf jeden Fall sehr verwirrend – man weiß, dass etwas nicht stimmt, aber wer steht nicht auf Romantik? Und weil er nicht einsehen will, dass es ein Problem gibt, tun halt Sie so, als sei alles in Ordnung.

Wenn ich rückblickend an die Beziehung denke, die ich einmal mit einem Glamour-Gaslighter hatte, kommt es mir vor, als hätte er mich verzaubert, sodass ich eine verwunschene Welt betrat, in der mein Geliebter und ich das glücklichste Paar der Welt waren. Am Anfang einer Beziehung zeigt der Gaslighter sich häufig von seiner besten, charmantesten Seite. Eben jene Eigenschaften, die später Probleme bereiten, können ihm in diesem frühen Stadium helfen, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Er zeigt deutlich, dass er einen für die bezauberndste Frau der Welt hält, die einzige, die ihn je verstanden hat, die Märchenprinzessin, die sein Leben auf wundersame Weise verändert. Im Gegenzug wird auch er Ihr Leben verändern, lässt er durchblicken, er wird Sie mit Beweisen seiner Zuneigung überschütten, Sie an traumhafte Orte entführen und Sie überwältigen – mit Geschenken, intimen Geständnissen oder sexueller Zuwendung in einer Intensität, die Sie vorher nie erlebt haben. Sie fühlen sich ihm nahe, wundervoll und besonders. Er leuchtet, und Sie leuchten mit ihm. Wer glaubt, dass es etwas Magisches hat, sich zu verlieben – und wer von uns glaubt das nicht manchmal? –, wird den Glamour-Gaslighter für den attraktivsten Mann der Welt halten. Denn diese Magie ist seine Spezialität.

Aber was stimmt nicht mit dieser Vorstellung?

Sicher hat es etwas Magisches, sich zu verlieben, und es liegt mir fern, Sie davon abzuhalten, Ihre neue Liebe zu genießen. Allerdings sind die Männer, die am besten darin sind, diese »Magie« zu entfalten, manchmal auch diejenigen, die sich vorrangig für die Theorie einer Beziehung interessieren. Sie haben viel Übung darin, den richtigen Rahmen für ihre romantischen Dramen zu schaffen – sie brauchen nur die richtige Hauptdarstellerin. Wenn die dann des Weges kommt, wird ihr nur noch das Skript überreicht, und schon geht es los mit der Inszenierung. Das kann eine Zeit lang ganz schön aufregend sein – die schicken Restaurants, die romantischen Gesten, die intimen Momente, der Sex. Diese Art Mann gefällt sich in der Rolle des Hauptdarstellers.

Selbst in dieser frühen, glamourösen Phase gibt es manchmal erste Anzeichen für Probleme. Die lassen Sie lieber außer Acht, weil ja alles andere so toll ist. Als Katie und Brian frisch zusammen waren, war Katie ganz begeistert von Brians romantischen Gesten – er schenkte ihr Blumen oder massierte sie liebevoll. Gleichzeitig störte es sie, dass er ihr regelmäßig vorwarf, so kokett oder naiv zu sein. Weil sie die romantische Seite aber so genoss, redete sie sich ein, die Anschuldigungen seien nicht so ernst gemeint. Die würden verschwinden, sobald Brian sie besser kannte. Vielleicht hatte sie ihn ja auch falsch verstanden.

In anderen Beziehungen dieser Art ist vielleicht tatsächlich alles perfekt, bis die erste Unstimmigkeit auftritt – er wirft ihr zum ersten Mal etwas vor, das sie nicht getan hat, und erwartet ihre Zustimmung. Die Romantik mag noch Wochen oder sogar Monate überwiegen, bevor er wieder mit einer Anschuldigung kommt oder ihr vorwirft, sich darüber aufzuregen, dass er zwei Wochen abgetaucht ist und sich nicht gemeldet hat. Inzwischen genießt man aber die Romantik so sehr, dass man an der Beziehung festhält, obwohl einem das schlechte Benehmen oder das Gaslighting nicht gefallen. Man hofft verzweifelt, die Romantik zurückzubekommen.

Als ich einer Patientin zuhörte, die ihr wachsendes Unwohlsein angesichts ihrer Beziehung zu einem solchen Glamour-Gaslighter beschrieb, sah ich eine dieser Schneekugeln vor mir, die eine zerbrechliche Szenerie umschließen. Die Landschaft ist so schön – bis die Kugel zerbricht. Dann ist die ganze kleine Welt zerstört, und es gibt keine Möglichkeit, sie wieder zusammenzusetzen.

Insbesondere in Phase 1 ist es oft so, dass sich das Gaslighting mit zärtlichen Perioden abwechselt. Deshalb kann man das Problem noch nicht wirklich erkennen. Vielleicht hassen Sie das Gaslighting auch, nehmen es aber in Kauf, weil Sie ja dafür Nähe und menschliche Wärme kriegen. Wenn man wie Katie längere Zeit allein war oder zusammen mit dem Gaslighter Kinder hat, fürchtet man sich vielleicht vor dem Gedanken an eine Trennung – auch wenn die Beziehung schlecht läuft. Diese Dynamik macht die guten Momente natürlich umso kostbarer. »Siehst du«, sagte Katie sich jedes Mal, wenn ihr zunehmend schlecht gelaunter Freund ihr Rosen schenkte, sie massierte oder ihr einen Flakon ihres Lieblingsparfums mitbrachte. »Er liebt mich wirklich. Sicher wird alles andere auch besser.«

Mittlerweile ist Katies Selbstwahrnehmung aber ziemlich ausgehöhlt. Allmählich sieht sie sich mit den Augen ihres Freundes – übereifrig, ständig am Flirten, lächerlich – und verzichtet zunehmend auf ihre so freundliche Art.

Manchmal folgen die schönen Momente direkt im Anschluss an die schlechten. Ein Gaslighter kann Ihnen stundenlang Vorwürfe wegen Ihres falschen Verhaltens machen. Kurz bevor Sie in Tränen ausbrechen, entschuldigt er sich dann überschwänglich. »Bitte verzeih mir – du weißt doch, wie ich manchmal bin«, sagt er dann vielleicht. »Ich kann nur den Gedanken nicht ertragen, dich zu verlieren.« Um die frühere Vertraulichkeit wiederherzustellen, setzt er auf Geschenke, Sex oder andere Aufmerksamkeiten – und Sie reagieren darauf haltlos erleichtert. Das ist nicht falsch – er ist ja toll! Und je aufwühlender das bösartige Verhalten ist, desto willkommener sind die schönen Momente, die anscheinend alles wettmachen und den Zauber der Anfangszeit wiederherstellen. Manche Frauen hoffen Monate, Jahre oder das ganze Leben auf diese Rückkehr in die Vergangenheit.

Glamour und Romantik können auf vielerlei Art eine Rolle in Beziehungen spielen, und nicht immer muss das schlecht sein. Wenn aber Ihr Partner die Romantik nutzt, um Sie von Ihren Gefühlen abzulenken – wenn er Ihnen Blumen schenkt, damit Sie sein Zuspätkommen nicht beanstanden, wenn er Sie vor seinen Freunden beschimpft und sofort ein extravagantes Kompliment hinterherschickt, das Ihnen den Atem raubt und Sie an der Richtigkeit Ihrer eigenen Wahrnehmung zweifeln lässt – dann haben Sie es mit einem Glamour-Gaslighter zu tun.

Ist Ihr Partner ein Glamour-Gaslighter? Sehen Sie selbst, ob Ihnen die Punkte auf der Checkliste bekannt vorkommen.

SIND SIE AN EiNEN GLAMOUR-GASLIGHTER GERATEN?

Einige Punkte auf dieser Liste sind negativ, viele jedoch neutral oder positiv. Hegen Sie aber den Verdacht, Ihr Partner könne Sie mit seinen Aktionen von Ihren Zweifeln ablenken wollen, dann können auch die positiven Punkte ein Hinweis auf Gaslighting sein.

 Kommt es Ihnen oft so vor, als lebten Sie beide in Ihrer eigenen kleinen Welt?

 Würden Sie von Ihrem Partner sagen, er sei «der romantischste Mann, den es je gab«?

 Folgen auf Ihre Auseinandersetzungen üblicherweise Momente großer Nähe oder romantische Gesten, also tolle Geschenke, mehr Intimität, besserer Sex?

 Ist man in Ihrem Freundeskreis beeindruckt davon, wie romantisch Ihr Partner ist?

 Finden Ihre Bekannten diese Romantik komisch?

 Passt Ihr Eindruck von Ihrem Partner nicht zu dem Eindruck, den Ihre Bekannten von ihm haben?

 Verhält er sich privat ganz anders als in der Öffentlichkeit?

 Gehört er zu der Sorte Mann, der einfach jeden Anwesenden umgarnen muss?

 Haben Sie manchmal den Eindruck, dass er über ein ganzes Repertoire an romantischen Ideen verfügt, die nicht unbedingt zu Ihrer Laune, Ihrem Geschmack oder Ihrer gemeinsamen Geschichte passen?

 Besteht er auch auf die Romantik – in sexueller oder anderer Hinsicht wenn Sie nicht in Stimmung sind?

 Sehen Sie eine auffällige Diskrepanz zwischen den Anfangstagen der Beziehung und dem jetzigen Zustand?

PS: Nicht nur Partner mit Hang zur Romantik können Glamour-Gaslighter sein. Viele Chefs, Kollegen oder auch Freunde und Verwandte können uns in eine Traumwelt entführen. Der Preis dafür ist das Gaslighting, was wir aber lieber ignorieren. Handelt es sich beim Gaslighter um einen Mann, und bei Ihnen um eine Frau, setzt er vielleicht in jeder Situation seine sexuelle Ausstrahlung ein, auch wenn sich eine intime Beziehung nie und nimmer ergeben wird. Mit anderen Worten: Hier besteht das Gaslighting in seinem Beharren darauf, dass Sie so tun müssen, als stünden Sie beide am Beginn einer romantischen Beziehung. Dabei wissen Sie bereits, dass diese Beziehung nicht wirklich romantisch ist.

Haben Sie eine Freundin, die zum Typ Glamour-Gaslighter gehört? Dann heißt es vielleicht, Sie beide gegen die ganze Welt. Oder sie kommt mit dem Versprechen »ewiger Freundschaft«. Oder sie schmeichelt Ihnen mit der Behauptung, Sie beide seien etwas ganz besonderes: So werden Sie geködert, um sich mit dem Gaslighting abzufinden. Und wenn Sie dann einmal den üblichen Sonntagsbrunch wegen eines Notfalls in der Familie absagen, wirft sie Ihnen vor, sie absichtlich zu hintergehen und die Freundschaft nicht zu respektieren. Wenn auch Sie das Ideal der »ewigen Freundschaft« hochhalten, dann können ihre Versuche Sie überzeugen. Sie dachten, Sie würden sich einer anderen Sache widmen, aber vielleicht haben Sie sie ja tatsächlich hintergangen.

Verwandte, die in das Schema des Glamour-Gaslighters passen, verklären möglicherweise die Familie. Man ermuntert Sie, sich als Teil eines besonderen Clans zu fühlen. Gleichzeitig wollen diese Verwandten Sie dazu bringen, sich ihren verqueren Ansichten über Sie anzuschließen. Vielleicht bekommen Sie Aussagen wie die folgenden zu hören: »Musst du immer so einen Wirbel machen!« oder »Ich verstehe nicht, warum du nicht kreativ bist, so wie deine Schwester«. Statt stillschweigend darüber hinwegzugehen oder den Spieß umzudrehen, glauben Sie alles, weil Sie unbedingt zur Familie gehören wollen. Und Ihre Zustimmung scheint der Preis für diese Zugehörigkeit zu sein. Oder Sie sollen sich mit einem Geschwisterteil, Elternteil oder anderem Verwandten gegen den Rest der Familie verbünden, als würden Sie beide eine eigene Welt teilen, die sonst niemand versteht. Auch damit will man Sie ködern. Und wenn der Glamour-Gaslighter dann darauf besteht, dass Sie sich seiner Meinung anschließen, dann lenken Sie ein. »Du bist so ein Schussel«, sagt da die Mutter, Schwester oder Lieblingscousine. Sie teilen diese Einschätzung nicht, sind genau genommen sogar beleidigt. Aber dieses Wirgefühl behagt Ihnen. Also halten Sie sich auch für ein bisschen schusselig, weil dann das Band bestehen bleibt.

Man sieht, dass in allen Beispielen das Gaslighting nach der gleichen Masche abläuft: Jemand anderes besteht darauf, dass Sie sich einer Ansicht anschließen, von der Sie wissen, dass sie nicht wahr ist. Was tun Sie? Sie versuchen, sich vom Gegenteil zu überzeugen, um die Anerkennung Ihres Gegenübers zu erlangen. Sie wollen die Beziehung erhalten, weil es sich gut anfühlt. Sie sind etwas Besonderes, Sie werden geliebt, Sie sind tüchtig. Ihr Verlangen nach Anerkennung von außen lässt Sie in dieser Abhängigkeit ausharren.

2. Der Good-Guy-Gaslighter: Was stimmt bloß nicht?

Meine Patientin Sondra war durcheinander. Sondra war Mitte 30, eine rothaarige Frau mit auffallend grünen Augen. Auf den ersten Blick schien sie die perfekte Ehe und das perfekte Leben zu führen. Sie und ihr »perfekter Ehemann« hatten drei hübsche Kinder. Sie liebte ihren Job als Sozialarbeiterin. Sie war umgeben von Freunden und Kollegen. Obwohl sie und Peter – ebenfalls ein Sozialarbeiter – wie alle berufstätigen Eltern viel um die Ohren hatten, war Sondra immer stolz darauf gewesen, dass sie alles gemeinsam machten, auch den Haushalt und die Kinder.

Aber Sondra war zunehmend unzufrieden – und das ohne ersichtlichen Grund, wie sie mir versicherte. Ihren Gefühlszustand beschrieb sie als »erstarrt«. In den letzten drei Jahren war sie sich immer »kälter und kälter« vorgekommen, als ob nichts mehr wirklich zähle. Auf meine Frage, wann sie das letzte Mal so richtig fröhlich gewesen sei, blickte sie bekümmert drein. Der Ausdruck wich schnell der üblichen, maskenhaften Ruhe. »Ich kann mich wirklich nicht erinnern«, sagte sie mir. »Ist das ein schlechtes Zeichen?«

Im Lauf unserer Gespräche begann Sondra, etwas anders über ihren Mann zu sprechen. Ich bekam mit, dass er sich ihr und den Kindern gegenüber oft nett verhielt. Und in mancherlei Hinsicht konnte man sagen, dass Sondra ihren Willen bekommen hatte. Aber ich erkannte auch, dass Peter aufbrausend war und dass seine Familie sich alle Mühe gab, ihn möglichst nicht zu provozieren. Obwohl Sondra bereit war, ihm Paroli zu bieten, wusste sie nie, wann es zum Streit kommen würde und wann nicht. Aufgrund dieser ständigen Wachsamkeit war sie ausgelaugt, auch wenn Peter einmal nicht austickte. Obwohl sie darauf beharrte, eine gute Ehe zu führen, schienen die Konfrontationen mit Peter sie zu erschöpfen und zu bedrücken.

»Mal angenommen, ich muss abends zu einem Treffen mit Kollegen«, erzählte sie mir. »Peter hat am gleichen Abend ebenfalls einen beruflichen Termin. Und wir haben einfach niemanden für die Kinder. Dann geht es stundenlang hin und her, wessen Treffen wichtiger ist. Und irgendwann fühle ich mich dann nur noch ausgelaugt. Peter sagt dann immer so Sachen wie: ›Bist du sicher, dass du da hinmusst? Du zerbrichst dir doch immer den Kopf wegen irgendwelcher Kleinigkeiten.‹ Oder: ›Denk doch mal an das Treffen neulich. Da dachtest du auch, du musst hin. Musstest du aber gar nicht. Bist du sicher, dass das hier nicht auch so ein Fall ist?‹ Am Ende ›gewinne‹ ich vielleicht sogar und darf gehen. Dann sieht Peter mich an, nach dem Motto: ›Na, zufrieden? Du hast schließlich gewonnen!‹ Aber ich bin dann nie zufrieden. Nur erschöpft.«

Sondra, schien es mir, hatte es mit einem Gaslighter vom Typ »Good Guy« zu tun. Dieser Typ will unbedingt vernünftig und »gut« wirken, ist aber trotzdem zwanghaft darauf angewiesen, seinen Kopf durchzusetzen. Mein alter Freund und Kollege, der Psychotherapeut Lester Lenoff, hat dafür den treffenden Ausdruck »vorgetäuschte Übereinstimmung« geprägt. Nach außen wirkt etwas wie Zustimmung, aber dahinter verbirgt sich Geringschätzung. Es schien, als respektiere Peter Sondra. Aber die ganze Zeit deutete er an, sie wisse vielleicht gar nicht, wovon sie spreche, oder sie mache sich vielleicht einfach zu viele Gedanken. Im Grunde spürte Sondra diesen Mangel an Respekt und Achtung in der Diskussion – und deshalb war sie auch frustriert, ob sie sich nun durchsetzte oder nicht.

Haben Sie es mit einem Typ dieses Kalibers zu tun, wird Sie das oft verwirren. Irgendwie spüren Sie vielleicht, dass Sie abgespeist oder übergangen werden – dass Ihre Wünsche und Bedürfnisse nie wirklich eine Rolle spielen. Aber man kann nie genau benennen, was hier nicht stimmt. Wer hatte nicht schon mit Menschen zu tun, bei denen sich etwas einfach »falsch« anfühlte. Auch wenn wir nicht genau sagen konnten, was. Der Chef, der uns anscheinend eine positive Beurteilung gibt. Trotzdem sind wir völlig verunsichert. Die Freundin, die schon so viel für uns getan hat – aber irgendwie findet man einfach nicht die Zeit, sie zu treffen. Der Partner, den wir »eigentlich« anhimmeln müssten und der theoretisch so toll ist – und doch stört uns etwas an ihm. Die Verwandte, die eine wahre Heilige ist – und doch verlassen wir ihr Haus immer schlecht gelaunt und deprimiert.

Oft sind diese verwirrenden Erfahrungen ein Hinweis auf Gaslighting: Ihr Wirklichkeitssinn wird untergraben oder geleugnet. Dahinter steht ein Gaslighter, der zwanghaft recht haben muss. Aus solch einem Gespräch nehmen Sie keinen positiven Impuls mit, sondern den unterschwelligen Vorwurf »Ich hab recht und du nicht!«. Und dann geben Sie mal wieder nach, ohne genau zu wissen, warum. Oder Sie bekommen, was Sie wollen, sind aber nicht zufrieden. Sie sind sich zwar nicht sicher, worüber Sie sich beschweren sollten, merken aber, dass etwas nicht stimmt. Wie Sondra fühlen Sie sich erstarrt, ohnmächtig und unglücklich. Und das »Warum« nicht zu kennen deprimiert Sie noch mehr.

Die Erklärung ist ganz einfach. Der Gaslighter ist vollauf damit beschäftigt, seine rechthaberische Sicht zu verteidigen. Er muss hier und da nett sein. Aber nicht, weil er Sie mag. Er versucht nur verzweifelt, sich zu beweisen, was für ein guter Kerl er ist – ein »Good Guy«. Deshalb fühlen Sie sich einsam, ohne zu wissen, warum. Aber Sie wollen unbedingt eine gute Meinung von ihm haben, und er soll eine gute Meinung von Ihnen haben. Also ignorieren Sie Ihren Frust. Vielleicht machen Sie es sogar wie Sondra: Wer »erstarrt« ist, fühlt nichts.

SIND SIE AN EINEN GOOD-GUY-GASLIGHTER GERATEN?

 Arbeitet er zielstrebig daran, Ihnen und anderen gefällig zu sein?

 Bietet er Hilfe, Unterstützung oder Kompromisse an, die bei Ihnen irgendwie Frust oder eine vage Unzufriedenheit auslösen?

 Ist er bereit, mit Ihnen Absprachen zu Haushalt, Freizeit und Arbeit zu treffen, und doch haben Sie das Gefühl, nie wirklich »gehört« zu werden (obwohl Sie vermutlich bekommen haben, worum Sie baten?).

 Haben Sie das Gefühl, nie ganz das zu bekommen, was Sie wollen, ohne genau benennen zu können, worüber Sie sich eigentlich beschweren müssten?

 Würden Sie Ihre Partnerschaft als richtig gut beschreiben und sich doch im Allgemeinen irgendwie matt, teilnahmslos oder entmutigt finden?

 Fragt er Sie, wie Ihr Tag war, hört Ihnen aufmerksam zu und klingt mitfühlend, und Sie fühlen sich nach den meisten dieser Gespräche trotzdem vage schlechter als vorher?

3. Der »Tyrannisator«: Zuständig für Schikanen, Schuldgefühle und Liebesentzug

Verbirgt sich das Gaslighting hinter viel Glamour oder vorgetäuschter Gutmütigkeit, ist es oft schwer zu erkennen. Denn ein Großteil des zugehörigen Verhaltens wäre unter anderen Umständen ja sehr willkommen. Eine andere Art des Gaslightings ist jedoch eindeutig problematisch: Brüllen, Sticheleien, Ausgrenzung, Mobbing und jede Art von Bestrafung und/oder Einschüchterung. Es mag alle möglichen Gründe geben, ein solch unerfreuliches Verhalten hinzunehmen – Sie halten diesen Mann für Ihren Seelenverwandten, Sie denken, er sei Ihren Kindern ein guter Vater, Sie glauben, seine Kritik an Ihnen sei berechtigt. Aber eigentlich wissen Sie auch, dass Sie so nicht behandelt werden wollen.

Manchmal alterniert dieses problematische Verhalten mit der Glamour-Version oder dem Good Guy. Oder aber es ist so dominant, dass man diese Art Gaslighter als »Tyrannisator« bezeichnen kann. Melanies Mann Jordan ist zum Beispiel ein klassischer Vertreter dieses Typs. Als Melanie den Wildlachs für das Abendessen nicht finden konnte, schrie er sie an und drangsalierte sie mit zahllosen Fragen, auf die sie keine Antwort hatte. Dann sprach er stundenlang kein Wort mit ihr. So reagierte er immer, wenn ihm etwas an ihr nicht gefiel, und inzwischen zermürbten diese Attacken Melanie. Sie versuchte schon lange nicht mehr, sich zu rechtfertigen, wohl aber, seine Liebe zu gewinnen. Sie dachte immer noch, dass Jordans Anerkennung beweisen würde, was für eine starke, kluge, kompetente Frau sie doch war. Diese Frau verdiente ein gutes und schönes Leben. Jordans Zurückweisung dagegen war der ultimative Beweis, dass sie wertlos war.

Haben auch Sie es mit einem Gaslighter vom Typ Tyrannisator zu tun? Sehen Sie selbst, ob Ihnen folgende Situationen bekannt vorkommen.

SIND SIE AN EINEN TYRANNISATOR GERATEN?

 Demütigt er Sie oder behandelt Sie verächtlich, sowohl vor anderen als auch unter vier Augen?

 Nutzt er Schweigen als Waffe, um sich durchzusetzen oder Sie zu bestrafen, wenn ihm etwas missfällt?

 Kriegt er regelmäßig oder gelegentlich Wutanfälle?

 Haben Sie in seiner Gegenwart oder bei dem Gedanken an ihn Angst?

 Haben Sie das Gefühl, er verhöhnt Sie, entweder offen oder mit einem nachgeschobenen »war nur Spaß« oder »kleiner Scherz«?

 Droht er offen damit, Sie zu verlassen, wenn ihm etwas an Ihnen missfällt? Oder deutet er an, dass er Sie verlassen könnte?

 Weckt er regelmäßig oder gelegentlich Ihre schlimmsten Ängste in Bezug auf sich selbst? Nach dem Motto »Jetzt geht das wieder los – dass du immer so fordernd sein musst!« oder »Siehst du – du bist genau wie deine Mutter!«.

An einen Tyrannisator zu geraten kann, gelinde gesagt, eine Herausforderung sein. Damit Ihre Partnerschaft besser wird, müssen Sie beide an zweierlei arbeiten: dem Gaslighting und den Einschüchterungen, die auch ohne das Gaslighting unerfreulich genug sind. Der Tyrannisator müsste seine Einstellung zu Beziehungen ändern – und Sie müssten an Ihrer Fähigkeit arbeiten, seinen Drohungen zu widerstehen. Denn es geht darum, nicht immer gleich nachzugeben, um dem Unerfreulichen aus dem Weg zu gehen.

Gaslighting: Die neue Epidemie

Warum ist das Gaslighting so weitverbreitet? Warum stecken so viele kluge, starke Frauen in lähmenden Beziehungen fest, im Vergleich zu denen Ehen aus Fernsehserien der Fünfziger geradezu fortschrittlich wirken? Warum kämpfen so viele Männer und Frauen damit, sich von eindeutig manipulativen und oft auch grausamen Arbeitgebern, Familienmitgliedern, Ehepartnern und Freundschaften zu lösen? Warum ist es so schwer geworden, die Wahrheit über diese Beziehungen zu erkennen?

Ich glaube, es gibt drei Hauptgründe für grassierendes Gaslighting. Es handelt sich um eine Reihe wichtiger Erkenntnisse, die unsere Kultur betreffen und über unsere persönlichen Gründe hinausreichen, aus denen wir in Gaslighting-Beziehungen ausharren.

Der tief greifende Wandel in der Rolle der Frau – und die Gegenreaktion darauf

Beim Betrachten der Beziehungen zwischen Männern und Frauen – sowohl romantischer als auch beruflicher Natur – darf man nicht vergessen, dass sich die Rolle der Frau rasch und unversehens gewandelt hat. Das letzte Mal hat sich die Rolle der Frau drastisch im Zweiten Weltkrieg verändert, als viele Frauen plötzlich zu Arbeitskräften wurden, um die Stellen der Männer zu besetzen, die zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Die Antwort Hollywoods auf die neue wirtschaftliche Macht der Frauen bestand in der Produktion diverser »Gaslight«-Filme, zu denen eben auch der Film mit diesem Originaltitel zählt, mit Ingrid Bergman und Charles Boyer in den Hauptrollen. Da schaffen es dann kraftstrotzende Charmebolzen, starken, aber verletzlichen Frauen die eigene Perspektive auszureden. Diese Art Beziehung schien die abrupten Veränderungen in den Erwartungen und Erfahrungen beider Geschlechter widerzuspiegeln. In den Vierzigern genauso wie heute hatten Frauen plötzlich privat und beruflich eine neue Unabhängigkeit – ein Rollenwandel, den sie genau wie die Männer bedrohlich finden mochten. Trotz der neuen Freiheit zu arbeiten, ins Büro zu gehen und ganz allgemein am öffentlichen Leben teilzuhaben, wünschten viele Frauen sich bis zu einem gewissen Punkt eine traditionelle Partnerschaft – einen starken Mann, der ihnen Halt und Orientierung bot. Und viele Männer fühlten sich latent bedroht von den neuen Forderungen der Frauen nach Gleichberechtigung in Partnerschaft und Beruf.

Darauf reagierten manche Männer meiner Meinung nach mit dem Versuch, eben die starken, klugen Frauen zu kontrollieren, zu denen sie sich hingezogen fühlten. Und manche Frauen reagierten mit einer gezielten »Umprogrammierung« ihrer selbst. Sie suchten die starke Schulter nicht nur in emotionaler Hinsicht, sondern auch als Hilfe zur Selbstwahrnehmung – »wo ist mein Platz auf dieser Welt?« So entstand eine komplette Generation Gaslighter auf der einen, Gaslighting-Opfer auf der anderen Seite.

Paradoxerweise hat auch die Frauenbewegung, die mehr Freiheiten brachte, den Druck auf viele von uns erhöht, stark, erfolgreich und unabhängig zu sein – die Art Frau also, die theoretisch gegen jede Form des Missbrauchs immun ist. Weshalb sich Frauen doppelt schämen, wenn ihre Beziehung von Gaslighting oder anderen Formen emotionalen Missbrauchs betroffen ist: zum einen, weil sie eine schlechte Beziehung führen, zum anderen, weil sie ihre selbst gesteckten Ziele wie Stärke und Unabhängigkeit nicht erreichen. Welche Ironie: Da sind eben die Ideen, die sie als Frau unterstützen sollten, für viele Frauen der Grund, nicht um Hilfe zu bitten.

Individualismus nimmt zu – und führt zu mehr Isolation

Traditionelle Gesellschaften mochten nicht viele Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung bieten, aber sie versorgten die meisten Menschen mit einem dichten Beziehungsgeflecht. Ich will nicht behaupten, dass Frauen in ihrer Ehe nicht auch isoliert sein konnten. Aber sie hatten tendenziell Zugang zu weitverzweigten Familienkreisen. Und zu sozialen Ritualen, die sie zu einem Teil des großen Ganzen machten. Selbst noch in der modernen Industriegesellschaft hatten sowohl Männer als auch Frauen viel mehr Zugang zu sozialen Netzwerken – Verbände, Vereine, Kirchen, Volksgruppen. Das war noch vor wenigen Jahrzehnten so. Bis zu einem bestimmten Punkt waren Menschen Teil einer größeren Gemeinschaft, in der jeder Einzelne – sogar der Ehepartner oder Arbeitgeber – in einem übergeordneten Zusammenhang gesehen werden konnte.

Bei dem jetzigen hohen Grad an Mobilität und dem Konsumdenken in der Gesellschaft neigen wir dazu, uns sozial zu isolieren. Wir verbringen viele Stunden in der Arbeit, oft mit wechselnden Kollegen, und unsere Freizeit verbringen wir in der Regel zurückgezogen – mit dem Partner oder einigen wenigen Freunden statt in der Kirchengemeinde, im Verein oder beim Gemeindetreff. In diesem Kontext kann ein Einzelner enormen Einfluss ausüben, denn wir sind abgeschnitten von Informationsquellen und Orientierungshilfen. Da wird der Partner zur anscheinend einzigen Quelle der Zuwendung, der Arbeitgeber scheint fast unbegrenzte Macht über den Zugang zu Wertschätzung zu haben, die Freundin ist vielleicht einer der wenigen Sozialkontakte in einem geschäftigen und isolierten Dasein. Also konzentriert sich unser Bedürfnis nach Anerkennung auf diese Beziehungen. Sie sollen vervollständigen oder definieren, wer oder was wir sind. In traditionellen Gesellschaften hätten wir eine ganze Bandbreite an sozialen Kontakten, die uns helfen würden, uns stabil und verwurzelt zu fühlen. Heutzutage haben wir oft nur einen Menschen – Partner, Freundin oder Familienmitglied – zur Verfügung, wenn wir nach so tiefem Verständnis und Einblick suchen, wie sie eigentlich keine einzelne Beziehung bieten kann. Wir hungern nach der Bestätigung, dass wir gute, tüchtige, liebenswerte Menschen sind, leben aber in wachsender Isolation. Das macht uns überaus anfällig für Gaslighting.

Die Kultur des Gaslightings

Im aktuellen gesellschaftlichen Klima kann sich Gaslighting bestens ausbreiten. Die Menschen sind verunsichert. Wir alle werden ständig mit einer Flut an Nachrichten und Informationen bombardiert. Dass sie nicht korrekt sein könnten, ist uns nur zu bewusst. Es könnte sich jederzeit um »Fake News« oder »alternative Fakten« handeln. In einem solchen Klima ist man schnell verunsichert. Was soll man noch glauben? Deshalb ist jeder ein potenzielles Gaslighting-Opfer.

Ein Zwischenfall vom März 2016 zeigt, welch große Macht Gaslighting haben kann – und wie verbreitet es in unserer Kultur ist. Dem Wahlkampfmanager des damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, Corey Lewandowski, wurde vorgeworfen, die Reporterin Michelle Fields vom Nachrichtenportal Breitbart am Arm gezerrt zu haben, als sie sich Trump näherte, um ihm eine Frage zu stellen. Der Zwischenfall wurde von Ben Terris bezeugt, einem Reporter der Washington Post. Später veröffentlichte die örtliche Polizei ein Video, das seine Aussage bestätigte. Daraufhin wurde Lewandowski wegen Körperverletzung angeklagt. Terris berichtete von dem Zwischenfall, doch die Geschichte sickerte auf Twitter durch, bevor sein Bericht veröffentlicht wurde. Trumps Wahlkampfteam beharrte hartnäckig darauf, dass der Zwischenfall nicht stattgefunden habe, dass die Reporterin »Wahnvorstellungen« habe und dass ein anderes Video die Geschichte widerlege.

Das war klassisches Gaslighting: Sowohl Fields, die angegriffen worden war, als auch Terris, der den Angriff aus nächster Nähe miterlebt und Fields im Anschluss beigestanden hatte, begannen, an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln.

»Als ich letzte Woche mit Michelle Fields sprach«, schrieb Terris im November 2016, »sagte sie mir, dass sie damals sogar selbst angefangen habe, ihre Darstellung infrage zu stellen, trotz der blauen Flecken, die sie davongetragen hatte.« Terris gestand, dass auch er allmählich daran zweifelte, was er gesehen hatte. Sein Bericht über den Vorfall und dessen Nachspiel, veröffentlicht in der Washington Post, trug die Überschrift »Trumps Wahlkampagne führt Krieg gegen die Realität und lässt mich an meiner Wahrnehmung zweifeln«. Im Untertitel heißt es weiter: »Wie ein Vorfall im März zu monatelangem Gaslighting führte.«

Es ist schwierig genug, dem Gaslighting zu widerstehen, wenn es im Privatleben oder in der Beziehung stattfindet. Aber in diesem Fall hatten sich zahlreiche Politiker und einige Journalisten verbündet, um uns alle davon zu überzeugen, dass ein bestimmter Vorfall nie stattgefunden habe – trotz der Aussagen verlässlicher Augenzeugen und des Videos. Ihre Überzeugungskraft war so groß, dass selbst diejenigen, die den Zwischenfall selbst gesehen hatten, an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln begannen – Gaslighting in Reinkultur als erschreckender Machtfaktor und Teil unserer Kultur.

Der Rückgriff auf Gaslighting zum Zweck der Politik ist verstörend genug. Doch das Problem reicht tiefer – es berührt selbst Aspekte unseres Lebens, die sehr persönlich zu sein scheinen. In Wahrheit werden sie aber zutiefst von einer Kultur beeinflusst, die uns ermutigt, an Vorstellungen zu glauben, die offensichtlich falsch sind.

So besteht die Werbung darauf, dass kein Mann eine Frau lieben könne, die nicht Größe 34 trägt und schön geschminkt ist. Aber ich weiß aus Erfahrung und durch Beobachtungen, dass dem nicht so ist. In der Schule wird meinen Kindern erzählt, dass Lernen um des Lernens willen gut sei. Aber man erinnert sie auch ständig daran, dass sie nicht auf das College ihrer Wahl können, wenn sie nicht die erforderlichen Noten haben. Politiker nennen uns einen Grund für ihr Vorgehen, ändern auf halbem Weg den Kurs und nennen uns einen anderen. Nie würden sie zugeben, dass die neue »Parteilinie« nicht die alte ist.

Das meine ich, wenn ich von einer Kultur des Gaslightings spreche. Statt ermutigt zu werden, die eigene Wirklichkeit zu entdecken oder zu erschaffen, bombardiert man uns mit dem zigfach neu formulierten Anspruch, unsere eigenen Erkenntnisse zu ignorieren und lieber das als unsere Meinung zu akzeptieren, was an Bedürfnissen oder Ansichten gerade angesagt ist.

Einen neuen Weg finden

Zum Glück gibt es einen Ausweg aus dem Problem des Gaslightings. Um sich aus diesem lähmenden Zustand zu befreien, gibt es eine einfache Lösung – die aber nicht einfach umzusetzen ist. Man muss erkennen, dass man bereits ein guter, tüchtiger und liebenswerter Mensch ist und gar keinen Partner braucht, der für Anerkennung sorgt. Das ist natürlich leichter gesagt, als getan. Aber wer erkennt, dass man die eigene Selbstwahrnehmung ganz allein definiert – dass man es als Mensch wert ist, geliebt zu werden, und zwar unabhängig von der Meinung eines Gaslighters –, der hat den ersten Schritt in Richtung Freiheit getan.

Hat man einmal erkannt, dass die Selbstwahrnehmung überhaupt nicht vom Gaslighter abhängt, ist man bereit, auf das Ende des Gaslightings zu bestehen. Und wer weiß, dass jeder ein Anrecht auf Liebe und ein gutes Leben hat, der kann auch Stellung beziehen: Entweder behandelt der Gaslighter einen korrekt, oder man geht. Statt Ausflüchte zu machen, sollte man der Wirklichkeit ins Gesicht sehen und sich weigern, der unerbittlichen Kritik des Gaslighters nachzugeben, seinem Verlangen nach Perfektion und seinen Manipulationen.

Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen abschreckend, aber keine Angst. Ich werde Sie Schritt für Schritt durch das Prozedere leiten und Ihnen zeigen, wie man dem Gaslighting ein Ende setzt. Sind Sie einmal bereit, Ihre Beziehung zu beenden, können Sie in Ruhe entscheiden, ob Sie es auch wollen.

Bei Melanie hat es funktioniert. Nach und nach hat sie gelernt, in sich die kluge, freundliche und kompetente Frau zu sehen, die sie wirklich ist. Sie lernte, die verheerenden Auseinandersetzungen zu umgehen, bei denen es für sie nichts zu holen gab. Und sie lernte, die nörgelnde, kritische und verächtliche Stimme Ihres Mannes auszuschalten, sobald sie sie im Geiste hörte.

Als Melanie stärker wurde, begriff sie, wie sehr Jordan auf das Gaslighting fixiert war. Er musste einfach immer recht haben, auch auf Melanies Kosten. Nach einiger Zeit hörte sie auf, ihn zu verklären und Wert auf seine Anerkennung zu legen. Sie erkannte, dass sie viel zu wenig Liebe, Zuneigung und Kameradschaft von Jordan bekam, um eine Ehe lohnenswert zu machen. Sie verließ ihren Mann und ging schließlich eine neue, befriedigendere Beziehung ein.

Sie müssen nicht genauso entscheiden wie Melanie. Vielleicht stellen Sie fest, dass Sie anders mit dem Gaslighter umgehen können, sobald Sie nicht länger auf seine Zustimmung angewiesen sind. Und vielleicht ändert sich sein Verhalten ja im Gegensatz zu Jordans Verhalten auch. Wenn es sich bei dem Gaslighter in Ihrem Leben um ein Familienmitglied oder einen Arbeitgeber handelt, finden Sie vielleicht einen Weg, den Kontakt einzuschränken, ohne ihn ganz abzubrechen – Sie besuchen Ihre Mutter zum Beispiel nur, wenn Sie eine Freundin mitbringen können, oder Sie finden eine Möglichkeit, weniger eng mit dem beleidigenden Chef zu arbeiten. Oder Sie beschließen tatsächlich wie Melanie, dieser Beziehung ein für alle Mal ein Ende zu setzen.

Wie auch immer Ihre Entscheidung ausfällt, Sie haben genug Kraft, um sich von dem Gaslight-Effekt zu befreien. Der erste Schritt besteht darin, sich die eigene Rolle beim Gaslighting bewusst zu machen. Inwiefern führen Ihr Verhalten, Ihre Wünsche und Fantasien dazu, den Gaslighter zu verklären und von ihm anerkannt werden zu wollen? Schlagen wir also das zweite Kapitel auf und sehen uns den Gaslight-Tango genauer an.

Der Gaslight-Effekt

Подняться наверх