Читать книгу Schnee am Strand - Rohan de Rijk - Страница 4

Kapitel 2

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Der Stoff rieb wie grober Sand über die Schleimhaut, brannte ein wenig, um dann zu betäuben. Ashley Rutherford legte den zusammengerollten Dollarschein beiseite und ließ sich, genau wie Damian es getan hatte, tief in das Sofa sinken.

Der Kick kam. Er kam auf den sanften Pfoten eines Rausches heran, so dass man ihn nur langsam bemerkte. Er schlich sich in den Geist und zog ihn in seinen Bann. Die Welt um Ashley herum schien sich zu verlangsamen. Alles hatte eine Bedeutung, neue Perspektiven eröffneten sich und flossen mit altbekannten zusammen, vermischten sich und waren im selben Moment wieder uninteressant, weil der Geist eine neue Fährte entdeckte, an der er sich entlanghangeln konnte.

»Verdammt guter Stoff«, murmelte sie.

»Speed.«

Ashley hob den Kopf. Damian McLoy saß entrückt in dem alten, zerschlissenen Sessel. Das gefärbte Sonnenlicht umspielte seine braunen Haare und ließ es wie flüssige Schokolade glänzen.

»Speed?«

Das Wort fühlte sich komisch in Ashleys Mund an. Sie wiederholte es noch ein paar Mal. Leise, so dass Damian sie nicht hören konnte. Jedes Mal hatte es einen anderen Geschmack und einen anderen Klang.

»Woher hast du das Speed?«, jetzt musste Ashley anfangen zu lachen. Laut klang das Wort wie Kaugummi, das sich als Blase zäh über das billige Motelzimmer spannte.

»Von meinem Vater. Geklaut.« Damian saß noch immer mit geschlossenen Augen im Sessel. Hätte Ashley nicht gerade die Worte aus seinem Mund vernommen, wäre sie fest davon überzeugt gewesen, dass er schlief.

»Wow, dein Vater nimmt Speed?«, Bilder von Traver McLoy, Damians Vater, zogen vor ihrem geistigen Auge vorbei. Sie hatte ihn nicht allzu oft gesehen. Eigentlich immer nur schemenhaft. Aristokratische scharfgeschnittene Gesichtszüge, mit einem gewissen Hang zum Sarkasmus und graue mittellange Haare. Genau so stellte sie sich Damian in dreißig Jahren vor. Der Gedanke ließ einen leichten Schauer über ihren Rücken jagen, der sich kurzfristig zwischen ihren Beinen einzunisten versuchte, bevor er sich langsam auflöste, ließ Ashley jedoch mit einem Bedürfnis zurück, das im Moment nicht erfüllt werden konnte.

Damian hatte mittlerweile die Augen geöffnet, als ob durch den seidigen Schleier des Kicks Ashleys Gefühle zu ihm herübergeschwappt waren. Langsam kam er zu Ashley herüber. Staubpartikel tanzten im Licht der Sonne, die nun hoch am Horizont stand, als Damian sich erhob und sich neben Ashley auf das Sofa setzte. Sanft strichen seine Finger über Ashleys sanft gelocktes rotes Haar. Seine Lippen berührten ihr Ohr, die drei kleinen silbernen Ohrringe schmeckten kühl und metallisch, als Damian mit seiner Zunge darüberstrich. Ashley stöhnte. Leise, aber auf eine Art und Weise, dass Damian wusste, dass er hier nicht mehr stoppen durfte. Nicht so lange Ashley es zuließ. Ihre alabasterfarbene Haut schimmerte seidig weich. Knopf für Knopf öffnete Damian Ashleys Bluse und als der Stoff wie von Geisterhand auseinanderklaffte, sprangen Ashleys Brüste mit den zart rosa Vorhöfen ins Freie. Kein BH.

Damians Hose wurde unter Spannung gesetzt. Ashleys Finger klammerten sich um den morschen Stoff des Sessels und rissen ihn entzwei, so dass der bröcklige, alte Schaumstoff aus ihm herausquoll, wie aus einem zertretenen Insekt.

Damian riss sich die Hose runter. Das Speed hatte seine Durchblutung ins Unermessliche gesteigert, so dass er meinte zu platzen.

Ashley bog den Rücken durch, als er in sie eindrang. Er schmeckte ihre verschwitzte Haut und ihren Schweiß. Jede Pore schrie nimm mich und er nahm sie.

Die Luft war alt und abgestanden, als die beiden sie mit aller Kraft in ihre Lungen pumpten. Das Speed hatte ein wenig von seiner Kraft verloren, war aber immer noch stark genug, dass Damian und Ashley auf den Wolken ihrer Gefühle ritten. Bewusst, nicht allein in dieser Absteige zu sein, aber noch auf der Welle der Hormone surfend, die wie kleine geile Aliens im Blut zirkulierten. Ein Gefühl, als ob die Zellen einen frenetischen Tanz aufführten.

»Das war gut«, unterbrach Damian die Stille.

»Ja, das war es«, Ashleys Hände streichelten unter der dünnen Decke Damians Penis, der schlaff und noch ein wenig feucht von Ashleys Vagina war.

»Wie sind wir nach dem Abschiedsball hierhergekommen?« Ashleys Erinnerung hatte den vergangenen Tag wie ein Puzzle zusammengesetzt. Einige Teile schienen sich magnetisch anzuziehen, einige Stellen blieben leer. Ihre Party-Amnesie hatte weiße Flecken hinterlassen.

»Du erinnerst dich wirklich nicht mehr? Wir hatten diese Spießer satt. Dieser ganze verlogene Haufen, der uns schon die ganzen Jahre so gehörig angenervt hat. Und dann hast du dein Kleid auf dem Parkplatz von der Schule verbrannt.«

»Scheiße Mann, das habe ich getan, ich habe diesen hässlichen roten Fetzen verbrannt?«

Ashley bekam eine Gänsehaut, als sie an das Kleid dachte. Das Kleid zum Abschlussball. Ein Ereignis, das das Ende der Schulzeit symbolisierte und den Geschmack auf die Welt der Erwachsenen in sich trug. Es sollte etwas Besonderes für sie werden. Etwas, das ihre Persönlichkeit unterstrich und ihr das Gefühl gab, in der Welt der Schleimer, Spießer und Modepüppchen ihr eigenes Ich zu bewahren.

Mit diesem Gefühl war sie mit ihrer Mutter losgezogen.

Dass es anders kommen würde, hatte Ashley schon geahnt. Dass es schlimm werden würde, schon fast vorausgesehen.

Aber die Ablehnung, die ihre Mutter ihr und ihrem Geschmack entgegenbrachte, ließen die jahrelangen Streits zwischen Mutter und Tochter verblassen wie der Nebel, dem die Sonne den Gar ausmacht.

Ashley hatte das Kleid ihrer Träume in einem Laden für Gothic- und Punk-Mode gesehen. Es war schwarz, lang und mit jeder Menge feinster Rüschen besetzt. Bänder in einem dunklen Bordeaux-Ton bildeten die Schnürung der Korsage, deren Stäbe ihre Brüste hoben und ihnen eine fast ordinäre Fülle verleihen würden. Ihre blasse Haut, die roten Haare, alles wirkte wie eine Komposition aus einer anderen Zeit. Dunkel und mysteriös, genauso wie sich Ashley sah und wie sie sich in ihrem Innersten fühlte.

Das schrille Glöckchen der Ladentür war noch nicht ganz verstummt, da schlugen die negativen Schwingungen ihrer Mutter alle Hoffnungen in den Wind, dieses Kleid zu besitzen. Die Bemerkungen, für einen Außenstehenden wohlgemeint, trafen Ashleys Seele wie vergiftete kleine Nadelstiche. In einer penetrierenden Art, wie es nur manche Mütter schaffen, die scheinbar mit der Welt ihrer Töchter nicht klarkommen, spitzte sich die Situation immer weiter zu, bis Ashley tränenaufgelöst den Laden verließ. Das kleine Glöckchen bimmelte den Totengesang ihres Traumkleides hinter ihr her, bis auch dieses verklang.

Das Kleid hatte begierig die Flamme des Feuerzeugs in sich aufgesogen. Ein petrochemischer Gestank wehte über dem Parkplatz und brannte sich mit seinen fettigen Molekülen in die Nasenschleimhaut von Damian und Ashley ein. Den Geruch würden sie noch stundenlang mit sich herumgetragen. Immer wenn sich eine dieser olfaktorischen Minibomben löste, kamen die Gedanken an das Kleid hoch. Eine ekelhaft schmerzliche Erinnerung an ihre Mutter, die Ashley nicht mit einem Feuer aus ihrem Hirn brennen konnte.

Sie tanzte nackt um das brennende Kleid. Ihre helle Haut schimmerte im fahlen Lichte des Mondes, der in dieser Nacht einen weichgezeichneten Schleier trug. Damian saß auf der Motorhaube seines Camaro und schaute Ashley zu.

Je mehr sich Ashley in Ekstase tanzte, umso härter wurde die Erektion in Damians Hose. Der animalisch okkulte Tanz, die alabasterfarbene Haut mit dem roten Haar verliehen Ashley eine mittelalterliche Vorstellung einer Banshee und erregte ihn in einem Maße, das er vorher nur sehr selten erlebt hatte. Aber Damian vermutete mehr hinter der surrealistischen Situation, dabei schaffte er es für einen kurzen Moment, seinen gut durchbluteten Penis zu vergessen. Ashley war entrückt, tanzte durch eine Parallelwelt, die das Vergessen in sich trug, wenn man sich ihr nur lange genug anvertrauen würde. Der Schmerz, den Ashley in den nächtlichen Asphalt tanzte, hatte eine so große Strahlkraft, dass Damian dies am eigenen Leib spürte.

Harte, dumpfe Schläge ließen die Tür erzittern und rissen Ashley und Damian aus ihrem Gedanken.

Damian schwang sich aus dem Bett und schlang sich das Laken provisorisch um die Hüften.

Lärm brandete in den Raum wie eine akustische Welle, als er die Tür öffnete. Ashley sah ein altes verlebtes Gesicht, das sich an Damian vorbei in den Raum drängen wollte.

»Moment«, Damians scharfe Stimme ließ den Unbekannten stoppen, aber der Ärger, der das aufgedunsene Gesicht verzerrte, blieb.

»Ihr habt das Zimmer nur für eine Nacht gebucht und die ist lange vorbei«, die vom billigen Schnaps gefärbte Stimme bellte Damian die Worte entgegen.

»Kein Problem Mister, dann nehmen wir noch eine.«

In diesem Moment verrutschte das Laken ein wenig und Ashley konnte den, wie sie zugeben musste, knackigen Arsch von Damian sehen.

»Na gut«, raunzte der Unbekannte, der mit großer Wahrscheinlichkeit der Besitzer dieser verabscheuungswürdigen Absteige war.

Noch ehe die Worte des Mannes verklungen waren, schlug Damian die Tür zu und jetzt hatte das Laken jeglichen Halt verloren.

Zum zweiten Mal an diesem Tag war nur das Pumpen der Lungen zu hören. Die Luft hing klebrig zäh im Raum, den die nachmittägliche Sonne zusätzlich aufheizte.

Gehüllt in verschwitzte Laken lagen Damian und Ashley auf den durchgelegenen Matratzen und starrten die blättrige Farbe an der Decke an.

»Ich habe einen Traum«, stieß Damian hervor. Ohne eine Antwort von Ashley abzuwarten, sprach er weiter.

»Ich würde gerne mit dem Auto durch Amerika fahren. Kreuz und quer. Nur halten, wo es einem gefällt. Weißt du, was ich meine? Freiheit. Richtige Freiheit. Keine Tage mit Terminen, keine Wochenenden, wo sich Kumpels nur hirnlos besaufen wollen. Klingt scheiße kitschig, ich weiß das. Aber, das Leben scheint verplant. Die Schule ist jetzt zu Ende. Die Uni wartet (vielleicht, setzte er in Gedanken hinzu), um danach in den Sog von Job und Karriere hineingezogen zu werden.«

»Damian, du siehst das aber ganz schön schwarz, ich dachte, dir sind solche gesellschaftlichen Konventionen scheißegal?«

Damian richtete sich auf und beugt sich über Ashley, bis er die braunen Sprenkel in ihren tief grünen Augen sehen konnte.

»Und du? Willst du nicht auch manchmal abhauen? Weg von dem ganzen Mist? Verlogene Geschäftsfreunde, die es nur auf den Arsch von deiner Mutter abgesehen haben.«

»Ich bin fein raus, meine Mutter hat einen alten, faltigen Arsch, da will keiner ran.«

»Verstehst du, was ich damit sagen will Ashley? Wenn wir es jetzt nicht machen, haben wir vielleicht nie wieder die Gelegenheit dazu. Das macht mir Angst.«

»Moment«, Ashley stieß Damian zur Seite und wälzte sich aus dem Bett. Sie schaute zum Fenster hinaus, sah die Wagen, die auf der endlosen Landstraße nach irgendwo fuhren. Dass sie nackt war, störte sie nicht.

»Dir ist es Ernst Damian und jetzt versuchst du mich zu überreden, dass ich deinen Traum von der temporären Freiheit mitträume?«

»Kommst du mit? Was haben wir zu verlieren. Der Wagen steht draußen und wir können sofort starten.«

Ashley schaute immer noch zum Fenster hinaus. Tat so, als würde sie die ganze Sache überdenken, das Für und Wider auf imaginäre Waagschalen werfen, dabei stand ihr Entschluss fest. Sie würde mit Damian McLoy auf diese Reise gehen. Nicht, dass ihr etwas daran lag, wie Vagabunden durch die Gegend zu ziehen und jede Toilette und Dusche mühsam zu suchen. Sie wollte ihren Eltern, wenn sie ehrlich zu sich war, ihrer Mutter eins auswischen. Sie wollte sich an der Angst laben, die ihre Mutter ausstehen würde. Die Verzweiflung dieser Frau trieb ihr ein Kribbeln der Freude in die Magengegend.

Ihre Eltern hatten nichts Besseres zu tun, als abzusehen war, dass Ashley ihren Abschluss schaffen würde, sich einen amerikanischen Traum zu verwirklichen. Eine Reise nach Europa. Einen Tag nach der Abschlussfeier, also heute, ging ihr Flieger über den Atlantischen Ozean und hinterließ in Ashley das Gefühl, dass ihre Eltern die Schuldigkeit getan hatten und nun wieder das Leben genießen wollten. Ohne den Hemmschuh Ashley.

Langsam drehte sie sich um. Die Sonne spielte mit dem zarten Flaum, der ihre Brüste bedeckte, und ließ sie wie Miniatur-Diamanten aufblitzen.

»Damian, wir haben kein Ziel, wir haben kein Geld, also lass es uns machen. Ich will dieses Abenteuer. Aber ich will es nur, wenn wir hart und schnell leben.«

Schnee am Strand

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