Читать книгу Der alte Mann und das Haus - Roland Exner - Страница 7
ОглавлениеUnpassender Besuch
Sie schrie, fuhr in die Höhe. Sie war in dem Sessel eingenickt. Sie war auf einem Baumstamm balanciert, Rechts und Links fast schwarzer Sumpf, an dessen Oberfläche Gasblasen zerplatzen. Plötzlich war der Baumstamm eine Riesenschlange...
Sie atmete heftig, lief – Kreise ziehend – in der Wohnung herum, die Dielen knarrten. Der Alte war nicht aufgewacht, er lag unbeweglich im Tiefschlaf. Sie lauschte an der Tür... ob ihr Schrei von den Klübers gehört worden war? Draußen näherte sich das Motorengeräusch eines langsam fahrenden Autos... Sie wusste sofort, das war Jörg... Der Motor wurde ausgestellt, eine Tür knallte. Sie schaute aus dem Fenster, im Hof brannte Licht, da kam er auch schon. Gott sei Dank brannte in ihrer Wohnung kein Licht, weil sie noch bei Tageslicht eingeschlummert war. Sie eilte wieder zur Tür, vergewisserte sich, dass sie abgeschlossen war... Was nun? Er war schon auf der Treppe… Er klopfte ziemlich stark und rief „ Elke!“. Sie stand wie erstarrt. Er hämmerte nun mit der Faust an die Tür und rief: „Mach auf, ich weiß, dass du da bist!“ Er bluffte, das konnte er gar nicht wissen. Sie entschloss sich aber, ihm zu öffnen, weil sie die Klübers möglichst nicht hineinziehen wollte, wenngleich sie den Lärm nun schon gehört haben mussten. Sie entfernte sich leise von der Tür, um dann wieder mit lauten Schritten zur Tür hin zu stampfen, schaltete das Licht an und öffnete, einen schlaftrunkenen Blick spielend. „Bist du wahnsinnig“, sagte sie, und rieb sich die Augen, „so einen Lärm zu machen!“
„Ich muss mit dir reden“, erwiderte er mit etwas gedämpfter Stimme. „Du rufst an und sagst einfach, hast keine Lust mehr, einfach so, ohne Vorwarnung.“ Sie blieb in der Tür stehen, die Klinke in der Hand. „Dass ich zu so einer Beziehung keine Lust mehr habe, hab´ ich schon einige Male gesagt. Du bist nie wirklich drauf eingegangen. Und jetzt kommen noch ein paar Sachen dazu, die ich mit mir alleine austragen muss.“
„Lass mich rein!“ forderte er.
Sie spürte, sie musste nun sehr entschlossen wirken. „Ich kann heut´ nicht“, sagte sie, „ich kann mich nicht hier hinsetzen und mit dir reden.“
„Dann gehen wir spazieren?“ Sie tat, als würde sie zögern.
„Das bringt heute nichts… also, ich verspreche dir, in 14 Tagen, da kannst du wieder herkommen, und wir machen einen Spaziergang, da reden wir noch mal. Da hat sich dann alles etwas gesetzt.“
„Da scheiß ich drauf!“ brüllte er, trat mit dem Fuß gegen die Tür, machte eine Kehrtwendung und polterte die Treppen hinunter. In diese Geräuschkulisse mischte sich nun das Knarren einer Tür. Karl Klüber war in den Flur getreten, hatte das Licht angeschaltet und starrte mit halb geöffnetem Mund dem jungen Mann entgegen. „Die Schlampe hat einen Typen da oben!“ schrie er, ohne Klüber anzusehen; riss die Haustür auf, schlug sie mit einem Knall zu; ein paar Sekunden später folgte der Knall einer Autotür und das Wutgeheul eines scheinbar zum Leben erwachten Autos.
Elke ging drei Stufen die Treppe hinab, blieb stehen und schaute Klüber ruhig an. „Ich habe mit ihm Schluss gemacht“, sagte sie. „Er sollte heute gar nicht mehr kommen.“
Klüber neigte den Kopf etwas nach unten und wandte sich ab als wolle er den Ausdruck seines Gesichts verbergen. Elke drehte sich mit einem Ruck um, ging in ihre Wohnung und verschloss die Tür. Sie lehnte sich an die Wand, schloss die Augen und dachte, eigentlich sei sie nahe an der Katastrophe gewesen. Es war wie ein Seiltanz... nein, viel schlimmer... Wie der Balanceakt auf der Riesenschlange im Sumpf...