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Die Krise der Mission
ОглавлениеDie fünfte ökumenische Weltmissionskonferenz fand vom 5. bis 17. Juli 1952 im deutschen Willingen unter dem Thema „Die missionarische Verpflichtung der Kirche“ statt. Das Thema deutet an, dass es angesichts der Herausforderungen der Zeit um eine theologische Besinnung auf die Grundlagen des Missionsauftrags ging.22 Willingen fand in einer Zeit der Krise der Mission statt.23
Es waren insbesondere zwei Umstände, durch welche die großen Umbrüche im Bereich der Mission sichtbar wurden. Zum einen zeichnete sich das Ende der Kolonialepoche mit ihren überragenden missionarischen Erfolgen ab. Die christliche Mission in der Kolonialzeit war außerordentlich erfolgreich gewesen. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden enorme Kräfte für die Mission freigesetzt. Die Kirche breitete sich aus und veränderte nachhaltig das Gesicht von Kulturen, die bis dahin vom christlichen Glauben unberührt waren. Man konnte sich bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts eines Gefühls der Überlegenheit der westlichen Kultur mit ihren christlichen Wurzeln kaum erwehren. Dieses Gefühl der Überlegenheit der westlichen Kultur und der mit ihr verbundenen Mission schwand. Die jungen Kirchen in den Missionsländern begannen selbstständig Mission zu treiben und traten den Weg in die theologische Mündigkeit an. Das führte zu einer Motivations- und Zielkrise der Mission.24 War die Rede von der „Kirchenpflanzung“ noch angebracht, wenn es immer mehr selbstständige Kirchen in den Missionsländern gab?
Der Westen verlor an allen Fronten seine dominante Stellung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mochte niemand mehr so recht daran glauben, dass die westliche Zivilisation in der Lage wäre, andere Kulturen positiv zu beeinflussen. Die Folge war neben der genannten Motivations- und Zielkrise eine Glaubwürdigkeitskrise der Mission, die eng mit der westlichen Zivilisation verbunden war. Die „Religion des weißen Mannes“ war durch den Krieg, der von einer „christlichen Nation“ ausging, in Misskredit geraten.25 Damit verschärfte sich die Krise der christlichen Mission, die schon mit dem Ersten Weltkrieg eingesetzt hatte:
An den Gräueltaten dieses Krieges [des Ersten Weltkrieges] mit seinem maschinellen Massenmorden, den Giftgaseinsätzen und Millionen von Toten zerbrach der Traum westlicher Überlegenheit. Hatte man sich um die Jahrhundertwende noch als die fortschrittlichste Zivilisation betrachtet, gemessen an rationaler Weltdeutung, wissenschaftlichen Erfindungen, wirtschaftlichem Fortschritt, militärischer Vormachtstellung und religiös-weltanschaulich-ethischer Überlegenheit, so wurde diese Sichtweise Lügen gestraft: Das sich selbst als aufgeklärt und rational verstehende Europa hatte sich durch die Grausamkeiten des Weltkrieges gründlich diskreditiert. Die Ära des Imperialismus ging allmählich ihrem Ende entgegen, ein Neuerwachen des Selbstbewusstseins außereuropäischer Kulturen und Religionen setzte ein.26
Die Erschütterung Europas durch die beiden Weltkriege erschütterte auch die Mission und warf Fragen von großer Tragweite auf: „Das Ende der Kolonialreiche und damit das Ende der Epoche der engen Verbindung von europäischer Expansion und Mission zeichnete sich ab. Was bedeutete das für die Mission? Würde sie als Teil des westlichen Imperialismus mit diesem aus den unabhängig werdenden Kolonien ausgeschlossen werden?“ 27
Zum andern wurde die Missionsarbeit durch die weltweite Ausdehnung des Kommunismus infrage gestellt. Nur gerade vier Jahre vor Willingen waren nach der kommunistischen Machtübernahme in China alle christlichen Missionare des Landes verwiesen worden. Osteuropa war unter den kommunistischen Hammer geraten. Die marxistische Ideologie breitete sich in rasend schnellem Tempo über den Globus aus und brachte einen aggressiven Atheismus hervor. Mehr als ein Drittel der Menschheit blieb so für die christliche Mission verschlossen. War die Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910 noch vom begeisterten Motto „Das Evangelium der Welt in dieser Generation!“ getragen gewesen, rückte jetzt die Durchdringung der Welt mit dem Evangelium in unbestimmte Ferne.