Читать книгу Wien 2078: Manche träumen vom Weltende Dorner und Vance - Vienna Cops - Roland Heller - Страница 9

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Claudia Dorner und Francis Vance, die beiden Vienna Cops, kletterten aus ihrer Individual-Gondel, die sie auf das Dach des Wohnblocks gebracht hatte, in dem der Mord passiert war. Sie schickten die Gondel weiter. Die Cable-Car-Station war nur klein. Sie verfügte über keine individuelle Warteschleife, wo sie ihre Gondel parken konnten. Ehe sie den öffentlichen Zugang zu dem Haus betraten, blickten sie an der Fassade in die Tiefe. Der Wohnblock war an die vierzig Stockwerke hoch und machte einen recht soliden Eindruck. Es war eine moderne, sachliche Fassade, die Visitenkarte eines Apartmenthauses der gehobenen Mietklasse.

Der Lift brachte sie in die achte Etage. Vor der Wohnung mit dem Namensschild Ramsauer drängten sich Reporter und Neugierige. Sie zückten ihre Polizei-Ausweise. Die uniformierten Polizeibeamten ließen sie ein.

Im Wohnzimmer begrüßten sie Inspektor Perscheid von der Mordkommission und Dr. Herman, der Polizeiarzt. Außer zwei Assistenten war noch ein Mann namens Gustav Schiller da.

Francis und Dorner kannten Schiller flüchtig. Gelegentlich hatten sie mit ihm zu tun. Er war ein wichtiger Mann und tauchte immer dort und dann auf, wenn es um Dinge von staatspolitischem Interesse ging.

Schiller war hochgewachsen und gut, aber unauffällig gekleidet. Er hatte etwas von einem Gelehrten an sich. Seine schmalen Hände wirkten beinahe feminin. Er hatte graue freundliche Augen, die im Moment nachdenklich und verwirrt aussahen. Schiller war ein Spitzenagent des militärischen Abschirmdienstes.

Hiroshi Nimol, ihr Chef, hatte Dorner und Vance erklärt, was geschehen war. In einer Wohnung, die von General Hager gelegentlich benutzt worden war und in der er aus Sicherheitsgründen unter dem angenommenen Namen Ramsauer gelebt hatte, war ein Toter gefunden worden, ein Mann namens Daniel Masters, ein alter Bekannter der Polizei und der Vienna Cops.

„Sein Tod dürfte gestern gegen achtzehn Uhr eingetreten sein“, meinte der Arzt. „Genaues wird die Obduktion ergeben. Beide Kugeln müssen binnen weniger Sekunden tödlich gewirkt haben. Sie wurden aus einer Entfernung von etwa zwei Meter abgefeuert.“

„Kugeln des Kalibers 7,65“, sagte Inspektor Perscheid bedeutsam.

„Ein Allerweltskaliber“, meinte Vance.

„Inspektor Perscheid versucht auszudrücken, dass der General eine Dienstwaffe dieses Kalibers besaß und dass die Waffe, die er in dieser Wohnung aufbewahrte, verschwunden ist“, meinte Gustav Schiller stirnrunzelnd und mit einem Unterton zurechtweisenden Spottes. „Offenbar zieht der Inspektor daraus den Schluss, dass der General den Eindringling beim Durchwühlen der Wohnung ertappte und einfach niederschoss. Der Inspektor folgert weiter, dass General Hager, geschockt von der tödlichen Wirkung der beiden Schüsse, die Wohnung verließ und seither verschollen ist.“

„So habe ich es nicht ausgedrückt“, erklärte Perscheid.

„Aber so meinten Sie es doch, nicht wahr?“, fragte Gustav Schiller. „Machen wir uns doch nichts vor, mein Lieber. Sie ziehen aus General Hagers Verschwinden den Schluss, er könnte wegen des getöteten Einbrechers eine Kurzschlusshandlung begangen haben. General Hager ist ein alter Soldat und kein Schwächling. Er ist ein Mann, der zu seinen Handlungen steht. Ohne diese Fähigkeit wäre er niemals auf seinen verantwortungsvollen Posten berufen worden.“

„Ich verstehe noch immer nicht, warum er sich gelegentlich als anonymer Bürger in diese Wohnung zurückzog“, meinte der Inspektor.

„Ich verrate Ihnen jetzt ein Geheimnis. Ich muss nicht betonen, dass das unter uns bleibt. Offiziell ist der General in Pension. In Wirklichkeit steht er natürlich noch in Amt und Würden.“

„Das heißt, er hat den berühmten Knopf jederzeit bei sich“, vermutete Dorner.

Gustav Schiller nickte, seufzte und steckte sich eine Narko-Zigarette an. „Ich will Ihnen das gern erklären“, wandte er sich an Perscheid. „General Hager muss in der Stunde X darüber entscheiden, ob er den roten Knopf drückt oder ob er die Finger davonlässt. Immerhin könnte, eine Situation eintreten, wo nicht einmal der Präsident dazu imstande wäre, ihm diese Entscheidung abzunehmen. Die Vorwarnzeit bei einem Raketenangriff ist, wie Sie wissen dürften, auf wenige Minuten zusammengeschmolzen.“

Schiller machte eine kurze Pause. Perscheid warf den Vienna Cops einen kurzen Blick zu. Der Blick war leicht zu deuten. Er sagte: Dieser Neunmalkluge aus der militärischen Zentrale hat mir gerade noch gefehlt. Ich brauche keine Belehrungen dieser Art, ich muss herausfinden, wer Masters tötete. Dieser General interessiert mich nur im Zusammenhang mit dem Mord.

Schiller räusperte sich. „Die Gewissenslast, die sich damit verbindet, für das Wohl und Wehe ganzer Nationen verantwortlich zu sein“, fuhr er fort, „braucht einen Ausgleich. Kein Mensch kann in einem Dauerzustand der Hochspannung leben. Für den General bedeutet diese Wohnung den notwendigen Ausgleich. Hier ist er Privatmann, hier geht er seinen Hobbys nach, hier schöpft er für seinen harten Job neue Reserven.“

„Als Herr Ramsauer“, sagte Perscheid spöttisch.

Schiller hob die Augenbrauen. „Warum nicht? Er hat Anspruch auf Ruhe, auf Ausspannung. Wenn er vor neugierigen Reportern sicher sein will, kann er nicht als General Hager hier absteigen.“

„Okay“, meinte Perscheid. Er war nicht gerade bester Laune. Gustav Schiller ging ihm sichtlich auf die Nerven. „Hager trägt also eine Riesenverantwortung, aber er weiß glücklicherweise, wie er sie kompensiert. Er sammelt Briefmarken und schlüpft gelegentlich in die Rolle eines geruhsamen Bürgers. Schön und gut, ich sage nichts dagegen, aber ich frage mich, wie die Öffentlichkeit darauf reagieren wird. Hager ist Ihren Worten zufolge ein alter Soldat, ein kühler, furchtloser Kopf ohne Fehl und Tadel. Wollen Sie mir bitte erklären, wieso und weshalb er dann nach Masters Tod so plötzlich verschwunden ist?“

„Wir haben es hier nicht nur mit einem simplen Mord zu tun, das ist klar“, stellte Schiller fest. „Haben Sie schon einmal die Möglichkeit erwogen, dass man Masters nur in die Wohnung gelockt haben könnte, um die Abwehr und die Polizei auf eine falsche Fährte zu lenken?“

„Sie sehen doch, wie Masters hier gehaust hat!“, sagte der Inspektor und deutete auf den Inhalt der Schubladen, der auf dem Boden herumlag.

„Ich habe mir sein Vorstrafenregister angesehen“, warf Dorner ein. „Einbrüche hat er seit Jahren nicht mehr begangen.“

„Er hat aber damit begonnen“, meinte Perscheid. „Warum sollte er nicht rückfällig geworden sein?“

„Wann wurde der General zuletzt gesehen?“, erkundigte sich Vance.

„Gestern gegen vierzehn Uhr“, erwiderte Perscheid, „also etwa zwei Stunden vor Masters Tod. Sein Fahrer brachte ihn her. Der General war in Zivil. Der General ist ein schweigsamer Mann. Er sprach weder mit seinem Fahrer darüber, ob er Besuch erwartete, noch war seinem Verhalten zu entnehmen, ob er bedrückt, besorgt oder ganz normal aufgelegt war.“

Gustav Schiller blickte Dorner an. „Wir müssen ihn finden! Er gehört zu unseren höchsten Geheimnisträgern. Die Gegenseite kann erkannt haben, dass er hier als Ramsauer lebte. Falls er entführt wurde, ist zu befürchten, dass man ihn mit einem Wahrheitsserum zum Sprechen zwingen wird.“

„Das stößt mich wirklich aus den Socken“, knurrte Perscheid. „Da werden Millionen für Abwehrmaßnahmen verplempert, und dann lässt man einen Mann wie General Hager in einem riesigen Mietshaus ganz gelassen privatisieren! Er müsste doch schärfer bewacht werden als der Präsident!“

„Er wurde bewacht“, sagte Schiller ruhig. „Einer unserer Leute hielt den Vordereingang im Auge, ein anderer die Hofausfahrt. Keiner der beiden sah den General, keiner bemerkte etwas Verdächtiges — bis auf den Schrei.“

„Welchen Schrei?“ fragte Vance.

„Oh, er kam aus einem der offenen Fenster in den oberen Etagen“, sagte Schiller. Er zog die Luft durch die Nase. „Beide Männer hörten ihn, aber sie dachten nicht einmal im Traum daran, dass der Schrei von General Hager stammen könnte. Das halte ich gleichfalls für ausgeschlossen. Der General schreit nicht wie ein hysterisches Weib, nicht einmal dann, wenn er Grund zur Todesangst hat. Die beiden Männer glaubten, der Schrei sei aus einem Lautsprecher gekommen, sie dachten an ein Hörspiel oder etwas Ähnliches.“

„Wann war das?“, fragte Vance.

„Gegen achtzehn Uhr“, sagte Gustav Schiller. „Es liegt im Nachhinein natürlich nahe, zu vermuten, dass Masters geschrien hat.“

„Dann hätten auch die Schüsse gehört werden müssen“, wandte Vance ein.

Perscheid schüttelte den Kopf. „Einen schrillen Schrei hört man weiter als eine Waffe mit Geräuschdämpfer. Die Frage ist nur, ob der General tatsächlich geschossen hat, und falls ja, weshalb er einen Schalldämpfer verwendete.“

Dorner schaute sich in dem Zimmer um und zog den Papierkorb unter dem Schreibtisch hervor. Der Behälter war leer bis auf einige Papierschnitzel.

„Sehen Sie mal“, sagte Vance plötzlich. „Unter Masters Fingernägeln ist verkrustetes Blut.“

„Tatsächlich“, meinte Perscheid, der sich über die Hände des Toten beugte. „Ich lasse es im Labor untersuchen und die Blutgruppe feststellen. Übrigens muss Masters Schwester bald hier sein. Ich habe sie her gebeten, damit sie den Toten identifiziert. Außerdem möchte ich einige Fragen an sie richten.“

Dorner holte die Papierschnitzel aus dem Korb und setzte sie wie ein Puzzlespiel auf der mit Leder bezogenen Schreibtischplatte zusammen.

„Was treiben Sie denn da?“, erkundigte sich Perscheid interessiert.

„Sehen Sie sich das einmal an“, sagte sie. „Eine Wettquittung, natürlich ohne Firmenkopf. Demzufolge wurde sie von einem illegalen Buchmacher ausgestellt. Zufällig kenne ich die Unterschrift. Sie stammt von Kurt Biel.“

„Zweihundert Einheiten“, meinte Perscheid, der neben sie getreten war. „Ein hübsches Sümmchen.“ Er blickte Gustav Schiller an. „Haben Sie eine Erklärung dafür? Kann es sein, dass der General nicht nur Briefmarken sammelt, sondern sein gutes Geld auch auf schnelle Pferdchen setzt?“, fragte er.

„Bei einem illegalen Buchmacher?“, meinte Gustav Schiller und schüttelte energisch den Kopf. „Völlig ausgeschlossen.“

„Die Quittung könnte von dem toten Masters stammen“, sagte Dorner nachdenklich.

Perscheid hob seine Augenbrauen. „Er kam her und wurde niedergeschossen, als er die Wohnung zu plündern versuchte. Wann und warum sollte er die Quittung zerrissen und in den Papierkorb geworfen haben?“

Schiller pfiff durch die geschlossenen Zähne. „Die Quittung trägt das Datum von gestern“, stellte er fest. „Gestern war kein Rennen, jedenfalls nicht in Wien.“

„Masters wird die Quittung in seinen Taschen gehabt haben“, vermutete Dorner. „Seine Mörder fanden und zerrissen sie, damit die Quittung der Polizei nicht in die Hände fällt. Immerhin macht die Quittung deutlich, dass Masters zweihundert Einheiten zum Verwetten übrig hatte. Da er nicht gerade seinen letzten Cent auf das Pferd seiner Wahl gesetzt haben dürfte, ist anzunehmen, dass er noch mehr Geld besaß. Aber ein Mann mit vollem Portemonnaie verübt keine Einbrüche.“

„Es sei denn“, meinte der Inspektor, „man hat ihm das Geld für den Einbruch gegeben, gewissermaßen als Vorauszahlung. Wir wissen schließlich nicht, was Masters hier suchte oder finden wollte.“

„Ich spreche mit Biel“, sagte Dorner und scharrte die Papierschnitzel zusammen.

„Wie sieht es mit den Angehörigen des Generals aus?“, fragte Vance.

„Er hat eine Tochter und ist geschieden“, antwortete Schiller. „Hager unterstützte die beiden in sehr großzügiger Weise, aber eine echte Bindung hat er weder zu seiner Tochter noch zu seiner geschiedenen Frau. Die Frau hat übrigens wieder geheiratet und heißt jetzt Kröber. Ihr Mann hat, mit Ein-Verständnis des Generals, die Tochter adoptiert.“

„Haben Sie schon bei der Frau angerufen?“, wollte Perscheid wissen.

„Gewiss“, nickte Schiller, „wenn auch nur, um keine Möglichkeit auszulassen. Frau Kröber war sehr erstaunt, dass wir den General bei ihr suchten. Sie hat ihn seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen.“

Dorner setzte sich auf die Couch und zog eines der Kissen beiseite. Dahinter kam ein blutgetränkter Lappen zum Vorschein.

„He, was ist denn das?“, fragte Perscheid.

„Das Blut des Generals“, sagte Dorner. „Oder zweifeln Sie noch daran? Verdammt, wer hat denn die Wohnung untersucht?“

„Bislang noch niemand. Wir sind nur wenige Minuten vor Ihnen gekommen“, erklärte Perscheid.

„Wie kommen Sie darauf, dass das das Blut des Generals ist? Das müssen Sie uns schon genauer erklären, Vienna Cop“, sagte Schiller.

„Gern“, nickte Dorner. „Wir wissen aus Masters Vorstrafenregister, dass er ein hartgesottener Bursche war. Für Geld machte er alles, Mord inbegriffen. Ich wette, er wurde herbestellt, um den General zu töten. Als er seinen Auftrag erledigt hatte, brachten ihn seine Auftraggeber um. Der Zweck der Aktion ist klar. Damit soll erreicht werden, dass die ermittelnden Behörden eine falsche Spur aufnehmen. Wir sollen General Hager für einen Mann halten, der in einer Kurzschlusshandlung einen Einbrecher tötete, um hinterher durchzudrehen und zu verschwinden. Hager soll uns gewissermaßen als ein Opfer nervlicher Überanstrengung erscheinen.«

Schiller spann den Faden fort: „Der oder die Mörder“, murmelte er mit verkniffenen Augen, „durchsuchten den toten Masters und vernichteten die Wettquittung. Möglicherweise nahmen sie ihm noch andere Dinge ab. Dann transportierten sie den General aus der Wohnung...“ Er unterbrach sich plötzlich und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Die Waschmaschine!“, rief er aus.

„Welche Waschmaschine?“, fragte Vance verständnislos.

„General Hagers Bewacher erinnern sich daran, dass gegen achtzehn Uhr zwei Männer in weißen Overalls eine Waschmaschine aus dem Haus trugen und auf einen Lieferwagen der Notfall-Vereinigung stellten. Die haben immerhin die Lizenz, die Straßen auch außerhalb der Lieferzeiten zu benutzen. Der General könnte darin gewesen sein...“

Vance verließ das Zimmer.

„Eins verstehe ich nicht“, meinte Perscheid. „Was will die Gegenseite mit einem toten General anfangen?“

„Sie schwächt unser Verteidigungspotential“, erklärte Gustav Schiller. „Einen Mann von Hagers Begabung kann man nicht auswechseln wie einen Lehrling in der Registratur.“

Vance kam zurück. „In der Küche gähnt neben der Spüle ein leerer Platz. Der Schlauch und die Armaturen für die Waschmaschine sind noch an der Wand befestigt.“

In diesem Moment klingelte es. Einer der Assistenten ging hinaus und kehrte mit einer hageren, etwa fünfunddreißigjährigen Frau zurück. Die Frau trug einen dünnen grauen Sommermantel. Auf ihrer spitzen Nase saß eine Brille. Mit verkniffenem Mund blieb sie dicht hinter der Schwelle stehen. Ihr Blick fand die mit einem weißen Laken bedeckte Leiche. Sie schnüffelte ein bisschen und meinte grimmig: „Es musste ja so mit ihm kommen“, sagte sie. „Alle haben es ihm prophezeit. Dabei war er nicht mal schlecht. Bloß habgierig und gewissenlos.“

Perscheid verkniff es sich, zu fragen, wie man Gewissenlosigkeit und Habgier denn wohl einstufen sollte. Er zog stattdessen das Laken zur Seite und blickte die Frau fragend an.

„Ich will alles sehen“, meinte sie. „Nicht nur sein Gesicht. Sie brauchen nicht zu befürchten, dass ich gleich umfalle. Ich bin Schwester im Krankenhaus und kann schon was vertragen.“

Perscheid zog das Laken weg. Die Frau trat nach vorn. Ihre Lippen bewegten sich, ohne dass ein Wort hörbar wurde. „Der Gürtel“, sagte sie dann plötzlich. „Was ist mit seinem Gürtel geschehen?“ Perscheid sah verblüfft aus. „Trug er denn einen?“

„Das sehen Sie doch!“, meinte die Frau beinahe verächtlich. „Die Hose ist so weit, dass sie ihm gerutscht wäre, wenn er sie nicht mit einem Gürtel festgehalten hätte. Der Gürtel stammte von mir. Schwarzes Leder mit einer goldenen Schnalle. Er hat ihn stets getragen, das weiß ich.“

„Verdammt“, entfuhr es Perscheid. „Die Hose ist ihm tatsächlich zu weit. Worauf unsereiner bloß achten muss!“

Er breitete das Laken über den Toten.

„Es ist mein Bruder Daniel“, sagte die Frau. In ihren Augen schimmerten plötzlich Tränen. Perscheid bot ihr einen Stuhl an. Die Frau setzte sich. Der Inspektor sah ratlos aus. Ihn beschäftigte die Frage, was aus dem fehlenden Gürtel geworden sein konnte.

„Wann haben Sie Ihren Bruder zuletzt gesehen oder gesprochen?“, fragte er die Frau.

„Vor einer Woche. Es gab wieder mal Ärger mit ihm, aber schließlich brachte ich ihn doch dazu, mit mir das Grab unserer Eltern zu besuchen.“

„Wieso gab es dabei Ärger?“

„Er hasste es, zum Friedhof zu gehen.“ Die Frau bewegte schnüffelnd die Nase. Es war nicht zu erkennen, ob das ihre Gewohnheit war oder ob sie gegen das Weinen ankämpfte. „Nun muss er dorthin“, schloss sie. „Ohne jemals wiederzukommen.“

„In welcher Verfassung fanden Sie ihn vor?“, erkundigte sich der Inspektor.

„Er war knapp bei Kasse und dementsprechend mürrisch. Ich pumpte ihm zwanzig Einheiten, obwohl ich ahnte, dass ich das Geld nicht wiedersehen würde.«

„Kennen Sie seine Freunde?“

„Wenn ich wüsste, wer sie sind, würde ich hingehen und ihnen die Augen auskratzen“, sagte die Frau heftig. „Sie haben Daniel verdorben.“

„Wettete Ihr Bruder gern?“

„Das war eine seiner Schwächen“, meinte die Frau und seufzte resigniert. „Was sind denn seine anderen Schwächen?“

„Daniel war ein Schürzenjäger“, schnüffelte die Frau. „Statt sich ’ne ordentliche Frau zu nehmen und ein ordentliches Leben zu beginnen, rannte er mit diesen blonden Flittchen herum. Immer mussten sie blond sein, echt oder gefärbt, das war meinem Bruder egal. Zuletzt gab er sich mit dieser Curry ab.“

„Curry?“, fragte Perscheid. „Das klingt wie ein Gewürz.“

„Sie nennt sich wohl so, weil sie sich für eine Frau mit gepfeffertem Temperament hält“, meinte die Besucherin. „Und weil ihr Haar currygelb ist. Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls taugt sie nichts. Keine seiner Freundinnen taugte jemals etwas.“

„Wo wohnt denn die Freundin?“, fragte Perscheid.

„Im zehnten Bezirk“, sagte die Frau. „Sie betreibt dort ’ne Bar. In Wahrheit ist es ein drittklassiges Bumslokal. Nennt sich Rendez-vous und liegt gleich neben dem Gürtel“

Dorner gab Vance einen Wink. Die beiden Vienna Cops trabten zur Tür.

„Schon genug erfahren?“, fragte sie Perscheid.

Dorner nickte. „Wir handeln wie gehabt“, schlug sie vor. „Jeder ermittelt nach eigenem Gutdünken. Die Ergebnisse werden sofort koordiniert.“

„Einverstanden“, meinte der Inspektor und wandte sich wieder der Frau zu.

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