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Vor allem: das Unsterbliche

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Philosophisch führte Immanuel Kant ein Doppelleben: als Sinnenmensch und als Vernunftmensch. Sein Privatleben ist nicht unser Thema. Berühmt wurden seine Pionierleistungen in der Erkenntnistheorie und in der Moralphilosophie. Er entdeckte die übersinnlichen oder »transzendentalen« Bedingungen der Möglichkeit menschlicher Erkenntnis (derjenigen des Raumes, der Zeit und der Kategorien) und erdachte den »kategorischen Imperativ«: das Grundgebot einer Moral, die zur unbedingten Beherrschung der Sinne verpflichtet.

Kants Interesse, ja seine Leidenschaft als Philosoph bezog sich auf beide Bereiche: erkenntnistheoretisch auf die Gesetze der »reinen Vernunft« und moralphilosophisch auf die Gesetze der »Sittlichkeit«. Weil letztere ein Handeln unabhängig von sinnlichen Neigungen gebieten, verlangt seine Philosophie eine systematische Trennung zwischen Sittlichkeit und Sinnlichkeit. Die Folge ist ein Spaltungssyndrom, das den Vernunft- und den Sinnenmenschen entzweit und ein philosophisches Doppelleben erzwingt.

Die schon zu Lebzeiten bestehende Berühmtheit Kants wurde mit seinem Tod im Jahre 1804 durch philosophische Unsterblichkeit geadelt. Dieses Unsterbliche seiner Philosophie war es, was uns vor allem interessierte. Es hat uns motiviert, acht prominenten Persönlichkeiten der europäischen Geistesgeschichte Gelegenheit zu geben, in fingierten Audienzen Anteil an Kants Immortalität zu nehmen. Seine sozusagen konimmortalen Audienzgäste sind: Luther, Rousseau, Darwin, Feuerbach, Nietzsche, Freud, Einstein und Arendt.

So schwer die Themen der Audienzgespräche wiegen mögen, so leicht werden sie präsentiert. Wir lassen die Gespräche im Rahmen virtueller Zeitreisen im Hause »Seiner philosophischen Majestät« in Königsberg stattfinden – allerdings nicht im Raum reiner Fiktion, sondern unter Rückgriff auf Originalzitate. Die Entzweiung des »Philosophenkönigs« bringen wir durch die doppelte Besetzung seiner Rolle zum Ausdruck: Als Mensch der Sinne tritt er unter dem Kürzel »S« auf, als Philosoph der Vernunft unter »V«. Sein Diener Martin Lampe (»L«) klärt die Audienzgäste über Kants doppelte physische Präsenz auf. Er hat die Audienzordnung ausgearbeitet und führt die Aufsicht über die Audienzen. Die Gäste sind anhand ihrer jeweiligen Initialen unschwer identifizierbar. Zur Einführung antworten die beiden Kants auf Fragen eines interessierten Lesers. In der letzten Audienz sprechen sie miteinander über ihre verschiedenen Vorstellungen von Philosophie und arrangieren einen zeit-losen Dialog mit Platon und Aristoteles. »Nach allem« laden wir den Königsberger Philosophen ein, sich gegen unsere »Kritik des Unsterblichen« zu verteidigen.

Kants Doppelleben hat als Thema des vorliegenden Buches den philosophischen Reiz, gleichermaßen Zustimmung wie Widerspruch zu provozieren: pro und contra Sinnlichkeit. Davon profitieren auch die Gesprächspartner. Da sie der Publikation ihrer Gespräche – und der Illustrationen – stillschweigend zugestimmt haben, scheint die Devise »publish or perish« auch für Unsterbliche zu gelten.

Kants Doppelleben

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