Читать книгу Erfolgreiche Gespräche durch aktives Zuhören - Rolf H. Bay - Страница 7
1.1 Die Verarbeitung von Reizen
ОглавлениеKommunikation ist immer Austauschen und Verarbeiten von Reizen. Wie dieser Austausch- und Verarbeitungsprozess funktioniert und welche einzelnen Schritte er beinhaltet, wollen wir uns jetzt anschauen.
In jeder Kommunikation gibt es einen Sender und einen Empfänger. Der Sender gibt einen Reiz ab, zum Beispiel eine Frage, und der Empfänger zeigt daraufhin eine Reaktion, zum Beispiel antwortet er zustimmend, ablehnend oder gar nicht. Auch das Nicht-Reagieren auf einen Reiz ist eine Reaktion. Denken Sie nur einmal an das Überhören einer Frage, egal ob bewusst oder unbewusst. Wir nennen diesen Vorgang Reiz-Reaktions-Verhalten.
In Bild 1.1 ist dieser Ablauf dargestellt. Was das Fragezeichen zu bedeuten hat, werden wir im Verlauf der weiteren Überlegungen noch klären.
Wir können hier zunächst einmal die Behauptung aufstellen, dass in aller Regel auf einen positiven Reiz eine positive Reaktion folgt, hingegen auf einen negativen Reiz wahrscheinlich eine negative Reaktion.
Bild 1.1:Reiz-Reaktions-Modell
Im Verlauf eines Gesprächs nehmen nun die beteiligten Personen abwechselnd die Sender-Rolle und die Empfänger-Rolle ein. Es entsteht ein Regelkreissystem. Dieses Zusammenspiel von Sender und Empfänger nennen wir Interaktion.
Auf der folgenden Seite ist dieser Kommunikationsablauf in Bild 1.2 modellhaft dargestellt.
Zum besseren Verständnis wollen wir uns die einzelnen Schritte des Kommunikationsmodells etwas genauer ansehen. Wir haben es hier mit einem psychologischen Vorgang zu tun, der objektiv gesehen wie ein nachrichtentechnischer Austauschprozess aussieht.
Der Sender als Informationsquelle (1) verfolgt – bewusst oder unbewusst eine bestimmte Absicht; er hat ein Kommunikationsziel.
Auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur, seines Erfahrungshintergrundes und der subjektiven Einschätzung der momentanen Situation filtert der Sender intern, was er mitzuteilen beabsichtigt (2). Es kann zum Beispiel sein, dass er unangenehme Teile seiner Botschaft nicht durch den Filter lässt oder bestimmte Aspekte färbt.
Was dann durch den Filter gelangt ist, wird verschlüsselt (3), d. h. in Worte, Gesten, Zeichen, Signale und Bewegungen umgesetzt.
Bild 1.2:Der Kommunikationsprozess
Der Sender (4) wählt den Informationskanal (5) aus und übermittelt die Nachricht auf diesem Kanal an den Empfänger (6). Gerade aus der Wahl des Kommunikationskanals ergeben sich unter Umständen nicht unerhebliche Missverständnisse oder kommunikative Schwierigkeiten. Der Sender wählt ja mit dem Kanal sein bevorzugtes Repräsentationssystem für Mitteilungen aus.
Das heißt, er kann zum Beispiel etwas bildhaft, abstrakt oder gefühlsmäßig ausdrücken.
Die Kommunikation wird störungsfreier verlaufen, wenn Sender und Empfänger im Gespräch auf weitgehend gleiche Repräsentationssysteme zurückgreifen.
Der Empfänger entschlüsselt (7) die Informationen mit Hilfe des ihm zur Verfügung stehenden Zeichenvorrats.
Der persönliche Filter (8) sorgt auch hier für eine interne Ausblendung, Aussortierung oder Färbung der entschlüsselten Reize. Was auf diesem Wege zur letzten Station Informationsverarbeitung (9) gelangt, dient dann als Basis für neue Reaktionen seitens des Empfängers, der dadurch in die Sender-Rolle überwechselt.
Anhand dieser Erläuterungen wird deutlich, dass bei den Kommunikationspartnern sehr viel mehr interne als externe Prozesse ablaufen. Gerade deshalb ist in der Kommunikation der Sender die kompetente Interpretationsquelle des abgesandten Reizes. Der Empfänger (Zuhörer) wird seinerseits Vermutungen und Hypothesen über die Bedeutung des Mitgeteilten haben. Letztlich bestätigen kann sie aber nur der Sender.
Die Kommunikation funktioniert also nach dem Regelkreismodell. Das heißt, dass jeder jeden durch sein Verhalten beeinflusst.
Wir haben es mit einem offenen Verhaltenssystem zu tun. Und offen heißt hier: Das Kommunikationssystem ist steuerbar, änderbar, beeinflussbar. Die Steuerungselemente sind dabei die Verhaltensweisen der beteiligten Personen. Diese Tatsache ist außerordentlich wichtig. Machen Sie sich bitte diesen Sachverhalt ganz klar.
Der Kybernetiker Norbert Wiener hat die Systembedingtheit des Verhaltens einmal treffenderweise wie folgt charakterisiert:
„Ich weiß nicht, was ich gesagt habe, solange
ich nicht die Antwort darauf gehört habe.“
Und dem lässt sich hinzufügen:
„Wahr ist nicht, was Sie gesagt haben, sondern
wahr ist auch, was der Partner gehört hat.“
Die Annahme, dass es in der zwischenmenschlichen Kommunikation so etwas wie eine eindeutige Beziehung zwischen einem Reiz und einer Reaktion gäbe, ist falsch und durch die Ergebnisse der Kommunikationsforschung längst widerlegt, aber anscheinend trotzdem unausrottbar.
Je mehr es mir in der Kommunikation gelingt, von der Vorstellung Abschied zu nehmen, dass es eine vorgefertigte Reaktion des anderen auf mich gibt, umso eher nehme ich den Partner ernst und begegne ihm vorurteilsfreier.
Was der Sender ausdrücken will, muss nicht beim Empfänger zum gewünschten Eindruck führen, denn jeder sieht sozusagen durch seine eigene Brille.
Zwischen dem ankommenden Reiz und der abgehenden Reaktion findet eine Verarbeitung des Reizes statt.
Welche Faktoren dabei diesen Verarbeitungsprozess mit beeinflussen, ist in Bild 1.3 dargestellt.
Bild 1.3:Einflussfaktoren bei der Informationsverarbeitung
Wir können also festhalten:
Kommunikationsreize werden beim Empfänger in einem internen, für andere nicht sichtbaren Prozess verarbeitet.
Die Reaktion des Empfängers ist nur das äußerlich sichtbare Resultat des internen Verarbeitungsprozesses, den wir als internen Dialog bezeichnen.
Denken Sie bitte einmal selbst darüber nach, wie oft Sie eine Aussage im internen Dialog umformuliert, verworfen oder abgeschwächt haben, bevor Ihr Gesprächspartner mit dem Endprodukt, nämlich Ihrer konkreten Aussage, konfrontiert wurde.
Und weil der Verarbeitungsprozess individuell verschieden ist, kann ein und derselbe Reiz bei verschiedenen Empfängern auch zu verschiedenen Eindrücken führen.
Natürlich spielt hier auch noch ein anderer, wesentlicher Faktor mit hinein: Die Eindeutigkeit des Reizes. Wer sich unklar, unpräzise, undeutlich ausdrückt, lädt sozusagen den Partner zu nicht gewollten Interpretationen seiner Aussage ein.