Читать книгу Erfolgreiche Gespräche durch aktives Zuhören - Rolf H. Bay - Страница 9
1.2.1 Die Sachebene und die Beziehungsebene
ОглавлениеIn der scheinbar so rational beherrschten Welt der Wirtschaft spielt die Sachinformation eine große Rolle. Mitunter hat es den Anschein, als ob der Mensch im Arbeitsleben dann besonders geschätzt wird, wenn er sich möglichst sachlich gibt.
Und bezeichnenderweise versucht man, auftretende Störungen in der Kommunikation bevorzugt auf eben dieser Sachebene zu beheben (und die Betonung liegt hier auf versucht!).
Wie das geht? Meist so: Man versucht, Widerstände mit noch rationaleren Argumenten zu widerlegen. Man versucht, sich noch präziser, ja vielleicht sogar hochgestochener auszudrücken.
Die Kommunikationspsychologie lehrt uns, dass die Sachebene nicht allein ausschlaggebend ist. Wenn wir mit einer Person kommunizieren, beziehen wir automatisch immer auch eine persönliche Stellungnahme zum anderen.
Der Sender drückt mit jeder Kommunikation also auf zwei Ebenen gleichzeitig etwas aus. Auf der Sachebene wird der sachliche Inhalt der Aussage transportiert. Auf der Beziehungsebene wird das persönliche Verhältnis der Partner zueinander bestimmt.
Sie werden sich jetzt wahrscheinlich fragen, ob man denn in der Kommunikation immer so genau diese beiden Ebenen unterscheiden kann. Die Antwort lautet: „Wenn Sie wissen, woran man die Ebenen erkennen kann, können Sie sie auseinanderhalten.“
Es sind vor allem die Kommunikationsreize aus dem nicht-sprachlichen Bereich, die die Beziehungsebene bestimmen. Dazu gehören: Tonfall, Sprechtempo, Gesichtsausdruck, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt und so weiter.
Es sei noch hinzugefügt, dass die Beziehungsebene viel weniger auffällig in der Kommunikation in Erscheinung tritt als die Sachebene. Und in einer gesunden Beziehung zwischen zwei Gesprächspartnern rückt die Beziehungsebene auch stärker in den Hintergrund. Sie gewinnt aber umso mehr an Bedeutung, je konfliktträchtiger die Beziehung ist.
Was beispielsweise auf den ersten Blick auf der Sachebene wie ein Ringen um eine zutreffende Formulierung aussieht, entpuppt sich auf den zweiten Blick als ein versteckter Kampf um die Definition der Beziehung zwischen den Gesprächspartnern. Es geht um die Frage: „Wer ist der Bessere von uns?“
Das bedeutet für die Kommunikation: Je konfliktträchtiger die Beziehung zwischen zwei Gesprächspartnern ist, desto stärker bestimmt die Beziehungsebene die Leseart der Sachaussage.
Generell gilt der Satz: „Die Qualität der Beziehungsebene bestimmt, wie die Aussage auf der Sachebene aufgefasst wird.“
Welche Beziehungsdefinitionen überhaupt denkbar sind, wollen wir jetzt eingehender behandeln.
Im Kommunikationsprozess nehmen die Beteiligten – meist unbewusst – eine sogenannte Grundposition ein. Diese Grundposition bestimmt ihr Verhalten. Sie kann während eines Gesprächs mehrfach wechseln. In den entscheidenden, weichenstellenden Gesprächsmomenten aber nimmt man bevorzugt eine Grundposition ein.
Wir unterscheiden insgesamt vier solcher Grundpositionen.
ICH + / DU + = | Ich bin okay, und beim näheren Hinsehen gibt es keinen Grund, dich nicht auch als okay zu sehen. Es ist auch in Ordnung, dass du anderer Meinung bist als ich. Wir wollen gemeinsam Probleme lösen, zum beiderseitigen Wohl. |
ICH + / DU – = | Ich bin okay, du bist nicht okay. Ich werde dir sagen, wo dein Platz ist. Probleme sind deine Schuld, nicht meine. Wenn du nicht wärst, hätte ich keine Probleme. Ich werde also versuchen, dich loszuwerden. |
ICH – / DU + = | Ich bin nicht okay, du bist okay. Ich sehe, dass du der Stärkere bist, und mache, was du sagst. Es wird das Beste sein, wenn ich mich zurückziehe. Sag du mir doch, was ich tun soll. Ich halte mich erst mal mit meinen Forderungen, Ansprüchen, Wünschen usw. zurück. |
ICH – / DU – = | Ich bin nicht okay, du bist nicht okay. Und weil das so ist, will ich mit dir nichts erreichen. Es ist mir egal, was bei unserem Gespräch herauskommt. Wofür soll man sich noch anstrengen? Es hat ja alles sowieso keinen Sinn. |
Wir schauen uns jetzt einmal an, wie denn diese Grundpositionen in einem konkreten Beispiel die Sachaussage färben können.
Ein Käufer sagt zu einem Verkäufer: „Wie meinen Sie das genau, können Sie mir das erklären?“ Das ist nun die Sachaussage.
Je nach dem, welches ICH-DU-Verhältnis die beiden zueinander haben, liest sich dieser Satz wie folgt:
ICH + / DU + = | Du bist für mich kompetent. Wenn du mir das erklärst, dann weiß ich, dass es stimmt. |
ICH + / DU – = | Jetzt zeig mal. ob du was drauf hast. Ich bin gespannt, was dir jetzt Kluges einfällt. |
ICH – / DU + = | Drück dich doch bitte klarer aus. Ich kann dir nicht folgen. Du bist der Fachmann, ich bin auf dich angewiesen. |
ICH – / DU – = | Ich weiß nicht Bescheid, und so wie du dich ausdrückst, kapier ich das auch nicht. Aber versuchen wir das Unmögliche noch einmal, es wird ja doch nicht klappen. |
Kommunikationsstörungen treten immer dann auf, wenn sich einer der Beteiligten gegen die Beziehungsfestlegung durch den anderen wehrt.
Zu bemerken ist dies an zunehmenden „Missverständnissen“, „So-habe-ich-das-nicht-gemeint-Aussagen“, falschen Interpretationen, Unterstellungen, schneller und lauter werdendem Sprechen, gegenseitigem „Sich-ins-Wort-fallen“, dem Beantworten von Fragen mit Gegenfragen und so weiter.
Woran liegt das? Nun, mit der Beziehungsfestlegung wird unter anderem das Selbstwertgefühl und Selbstbild des Partners angesprochen.
Und fragen Sie sich doch bitte selbst einmal: Möchten Sie gern in die DU-Position gedrängt werden? Bestimmt nicht.
Auch im Geschäftsleben ist die Beziehungsebene von weitreichender Konsequenz für die Qualität des Miteinander. Das hängt mit der einfachen und ebenso bedeutungsvollen Tatsache zusammen, dass jeder Mensch – wie Eric Berne es formuliert hat – einen Hunger nach Anerkennung hat (Spiele der Erwachsenen, 2008, S. 14).
Und durch die Art und Weise, wie wir mit unserem Gesprächspartner reden, teilen wir ihm immer auch mit, wie wir ihn annehmen, welchen Wert wir ihm beimessen. Auf der Beziehungsebene werden die Weichen für die Qualität des Verständigungsprozesses gestellt.
Hierzu einige Beispiele von Suggestivfragen, die ein Gesprächspartner einem anderen stellt:
„Ich gehe doch recht in der Annahme, dass sie eigentlich sagen wollten..., nicht wahr?“
„Sie sind doch ein verantwortungsbewusster Mensch, und denken, bevor Sie handeln – oder nicht?“
„Sie haben doch sicherlich den Artikel über ... in der Zeitung gelesen, so dass wir von einer gemeinsamen Basis ausgehen können, nicht wahr?“
Wer häufig mit solchen Suggestivfragen arbeitet, signalisiert: ICH +/ DU – Im Klartext heißt das nämlich: Ich leg mal für dich fest, was du meinen sollst.
Damit wird über die Beziehungsbotschaft gleich zweierlei ausgedrückt:
1. Wie ich den Partner sehe.
2. Wie unser Verhältnis zueinander ist.
Soweit die Bedeutung der Sachebene und der Beziehungsebene in der Kommunikation. Wir werden gleich feststellen, dass es noch weitere Ebenen gibt, die für die Gestaltung einer partnerorientierten Kommunikation von Wichtigkeit sind.