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3 Der Auftrag

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Exakt um 16.00 Uhr, dem Zeitpunkt, den er auf seinem Anrufbeantworter als Rückkehrtermin angegeben hatte, läutete das Telefon. Strickmann meldete sich.

"Guten Tag, Herr Strickmann. Ich sehe, Sie sind pünktlich zurück. Ich würde Sie gerne sprechen. Könnten wir uns …"

"Wer sind Sie denn?"

"Mein Name tut im Moment noch nichts zur Sache. Könnten wir uns in einer Stunde …"

Strickmann legte wortlos auf und stellte Wasser für einen Kaffee auf den Herd. Von vier Sätzen hatte der Anrufer – ein Mann – zwei mit ich begonnen. Entweder war er sehr egozentrisch oder gewohnt, Anweisungen zu erteilen. Weiter verschwendete Strickmann keinen Gedanken an diesen Anruf. Er war gerade dabei, warmes Wasser für ein Bad einlaufen zu lassen, legte sein Telefon, ein Buch und eine Tasse Kaffee griffbereit auf sein Badebrett und stieg mit sichtlicher Vorfreude in die Wanne.

Nach zehn Minuten kam ein neuer Anruf. Dieses Mal war es eine Frau, die Baseldeutsch mit einem französischen Akzent sprach und sich wegen eines Auftrages spät abends in einer Bar in der Stadt mit ihm treffen wollte. Sie verabredeten sich für den folgenden Abend. Strickmann hatte von dieser Bar schon gehört, aber der Zeitpunkt der Verabredung – 23.00 Uhr – erschien ihm seltsam. Nachdem er sein Bad beendet hatte und sich zu Hause angekommen fühlte, recherchierte er den Namen der Frau – Isabelle Tschudy – im Internet. Unter diesem Namen fand er einen Personalvorstand bei der HOSANTIS AG, einem Pharma-Multi in Basel. Das schien ihm etwas hoch gegriffen und er verzichtete darauf, sich die Geschäftszahlen dieser HOSANTIS anzusehen, würde vorsichtshalber aber lieber nicht in Jeans zu diesem Termin erscheinen.

Zunächst wollte er jetzt seine Reisetasche auspacken und die eingelaufenen Informationen verarbeiten – Anrufbeantworter, E-Mails und Post. Nachdem er auf dem Anrufbeantworter einige interessante Anfragen gefunden hatte, änderte er den Ansagetext und wandte sich der Schneckenpost zu. Später wollte er noch eine Kollegin besuchen, die krank geworden war. Vielleicht würde er ein paar ihrer Kurierfahrten übernehmen, damit ihr keine Kunden absprangen. Ob er danach noch auf ein panaché in den Wilden Mann ging, würde sich zeigen. Eigentlich mochte er die Atmosphäre an diesem zentralen Ort, der im Sommer Schauplatz von Rockkonzerten war. Um die Ecke waren der Wochenmarkt und ein Italiener mit hervorragendem Eis. Dort war er schon lange nicht mehr gewesen.

Mit seiner Reisetasche ließ er sich wie immer viel Zeit. Er wollte die Dinge, die er wegräumte, schnell wiederfinden können und er packte sofort neu. Außerdem wollte er für die mitgebrachten afrikanischen Masken in aller Ruhe einen passenden Platz an einer Wand aussuchen. Ihre Ästhetik hatte ihn unmittelbar angesprochen und er wusste, dass Picasso – einer seiner Helden – auf berühmten Gemälden afrikanische Stilmittel verwendet hatte. Strickmann kannte die Verwendung von Masken im antiken Theater und war fasziniert von der Vorstellung, damit soziale Identität symbolisieren zu können. Dabei fiel ihm die bevorstehende Fastnacht ein, die im Markgräflerland noch eine starke Tradition hat. Diese Art von erzwungener Fröhlichkeit und allgemeinem Dauerbesäufnis war seine Sache allerdings nicht, er mochte mehr das Differenzierte und Subtile.

Das Läuten des Telefons unterbrach ihn in seinen Gedanken und er nahm ab:

"Strickmann."

"Guten Abend. Mein Name ist Dr. Daniel Cuviella. Spreche ich mit Herrn Wolf Strickmann?"

Strickmann erkannte die Stimme wieder. Es war derselbe Mann, der schon am Nachmittag angerufen hatte.

"Ja. Guten Abend, Herr Dr. Cuviella."

"Herr Strickmann, ich vertrete die HOSANTIS AG und möchte mich mit Ihnen über einen Auftrag unterhalten. Hätten Sie jetzt Zeit?"

"Ich habe Zeit, ja."

"Könnten wir uns im Laguna in Weil treffen? Um 21.00 Uhr?"

"Ja, das ist möglich. Wie erkenne ich Sie?"

"Ich liege mit einem rot eingebundenen Buch in einem der Liegestühle am Sportbecken. Außerdem weiß ich, wie Sie aussehen und kann Sie ansprechen."

"Schön, dann sehen wir uns nachher."

Da Strickmann schon länger nicht mehr in diesem Schwimmbad gewesen war, wollte er etwas früher dort sein und sich mit den Örtlichkeiten vertraut machen. Er glaubte sich auch an einen Zeitungsartikel zu erinnern, in dem von Umbaumaßnahmen die Rede war. Wenn er rechtzeitig dort sein wollte, musste er sofort los.

Auf der Fahrt nach Weil dachte er über diesen Dr. Cuviella nach. Ursprünglich hatte der seine Identität nicht preisgeben wollen. Entweder war er sehr vorsichtig oder es handelte sich wirklich um eine große Sache. Schließlich aber hatte er Strickmanns Bedingung akzeptiert – anonyme Informationen gehören in den Papierkorb. Er wusste jetzt, dass Strickmann nur nach seinen eigenen Regeln mitspielen würde und Strickmann wusste, dass Cuviella diesen Job niemand anderem geben wollte. Das waren keine schlechten Voraussetzungen. Außerdem sollte das Treffen möglichst schnell stattfinden. Wollte er damit Strickmann irgendwelche Absprachen oder Vorbereitungen unmöglich machen? Und schließlich wollte er sich mit ihm in einem Schwimmbad treffen. Jetzt fehlte eigentlich nur noch, dass Strickmann vor dem Gespräch tauchen sollte – dadurch konnte man verhindern, dass der Gesprächspartner ein verstecktes Mikrofon bei sich trug.

Als er zum Sportbecken ging, um noch ein bisschen zu schwimmen, sah er zwischen zwei gelb bespannten Liegen am Beckenrand ein rot eingebundenes Buch am Boden. Die Liegen waren frei. Er stieg ins Wasser und schwamm ein paar Längen, immer darauf bedacht, seine Haare trocken zu halten. Außer ihm schwammen nur drei Männer ihre Strecken. Einer von ihnen war bestimmt schon weit über 70. Strickmann beobachtete die beiden anderen eine Weile und stellte fest, dass einer von ihm überhaupt keine Notiz nahm. Derjenige, der übrig blieb, machte auf Strickmann einen arrivierten Eindruck – erfolgreich, selbstsicher, überlegen. Strickmann fand ihn von seiner ganzen Art her sympathisch.

Zur vereinbarten Zeit sprach dieser Mann ihn an:

"Guten Abend, Herr Strickmann. Ich bin Dr. Cuviella. Schön, dass Sie da sind."

"Guten Abend, Herr Dr. Cuviella. Wollen wir uns auf ein Bier in die Wirtschaft setzen?"

Cuviella strahlte ihn an:

"Ich würde lieber die Liegen am Beckenrand benutzen, da sind wir ungestört. Dürfte ich Sie vorher noch um einen Gefallen bitten? Ich habe meinen Ehering verloren. Das gute Stück liegt dort vorne in vier Meter Tiefe und ich bekomme vom Tauchen sofort Ohrenschmerzen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, ihn aus dem Wasser zu fischen?"

"Wo liegt er denn genau?"

"Ich zeige es Ihnen."

Er schwamm auf eine bestimmte Stelle zu und Strickmann tauchte. Cuviella schien froh zu sein, als er sich seinen Ehering wieder anstecken konnte. Strickmann hatte allerdings den Eindruck, dass er für seinen Ringfinger viel zu groß war. Hier hatte er es mit jemandem zu tun, der vorging wie ein Schachspieler und langsam aber sicher seine Figuren in Stellung brachte. Zunächst ginge es also darum herauszufinden, welche Figuren er schon vor Spielbeginn platziert hatte und wer der gegnerische König war.

Als sie es sich auf ihren Liegestühlen bequem gemacht hatten, eröffnete Cuviella das Gespräch auf eine sehr ungewöhnliche Art:

"Ich habe gesehen, Sie waren auf der Toilette, bevor sie ins Wasser gestiegen sind. Wir können jetzt also völlig ungestört miteinander reden. Es wird wohl eine Stunde dauern."

Es war die Anweisung, sich nicht von der Stelle zu rühren. Cuviella hatte immer noch Angst, Strickmann könnte irgendwo eine Wanze deponiert haben und sie heimlich an sich nehmen.

"Lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass alles im Zusammenhang mit der HOSANTIS absolut vertraulich bleiben muss, auch wenn Sie diesen Auftrag nicht annehmen. Selbst dieses Gespräch hat nicht stattgefunden."

"Aber ich bitte Sie, es gibt hier ungefähr zehn Personen, die unser Gespräch bezeugen können. Was ist das für ein Buch auf dem Boden?"

"Unser vereinbartes Erkennungszeichen. Erinnern Sie sich nicht?"

"Selbstverständlich erinnere ich mich. Das Erkennungszeichen war der rote Einband. Aber was ist der Titel des Buches?"

'Grenzbereiche der Chemie.'

"Also, ich werde dieses Buch auch lesen. Wir waren schwimmen und sind zufällig über dieses Buch ins Gespräch gekommen miteinander. Das darf jeder wissen. Die Inhalte sind selbstverständlich vertraulich."

Cuviella war nicht überzeugt:

"Wenn Sie meinen. Dann komme ich jetzt zum Auftrag?"

"Ja, gerne."

"Der Auftrag als solcher ist nicht schwierig. Es geht darum, einem unserer Mitarbeiter die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen an einen Konkurrenten nachzuweisen – ein Treffen, ein Telefongespräch, eine E-Mail, was auch immer. Die Schwierigkeiten liegen in den Umständen, unter denen dieser Geheimnisverrat stattfindet."

"Was ist Ihre Funktion innerhalb der HOSANTIS?"

"Ich bin von Haus aus promovierter Pharmazeut und leite die Division Forschung und Entwicklung. In dieser Eigenschaft bin ich Mitglied des Vorstandes."

"Sind Sie mein Auftraggeber?"

"Ihr Auftraggeber ist die HOSANTIS AG. Ich bin Ihr Ansprechpartner."

"Lassen Sie hören."

"Die HOSANTIS ist im globalen Maßstab eine eher kleine Firma. Mittelfristig sind wir in der Gefahr, von einem Großen geschluckt zu werden, weil wir finanziell nicht mithalten können. Es sind schon Größere als wir vom Markt verschwunden, denken Sie nur ein PANAM, TWA oder SWISSAIR. Wir können als selbstständige Firma nur überleben, wenn wir hervorragende Forschungsergebnisse liefern, die sich in kurzer Zeit in marktfähige Produkte umsetzen lassen."

"Und wie wollen Sie das erreichen?"

"Vor etwa zwei Jahren habe ich gegen große Widerstände im Vorstand einen brain trust eingerichtet. Diese Denkfabrik besteht aus ganz wenigen Top-Leuten, die sich Spezialisten von außen holen können, falls sie das für notwendig erachten – Organisationsentwickler, Psychologen, Theologen, Astronauten, was auch immer. Wir haben keinerlei Berührungsängste, wir arbeiten mit allen zusammen, die interessant sind: Nobelpreisträger, Barfußärzte in China, alternative Aids-Kliniken in Afrika, in Deutschland Jugend forscht – alles. Wir haben eine eigene kleine Abteilung, die nur Literaturrecherche betreibt und die Informationen an unsere Spezialisten weitergibt und archiviert. Die einzige Aufgabe dieser Leute besteht darin, über die Entwicklung des weltweiten Pharmamarktes nachzudenken: Probleme, Trends, neue Verfahren, neue Wirkstoffe – alles, was die HOSANTIS stärken kann. Und selbstverständlich arbeiten wir mehrgleisig. Es gibt schon seit Längerem sehr gute Ansätze: z.B. die Produktion von Wirkstoffkombinationen in der Schwerelosigkeit, was zu extrem reinen Medikamenten und damit zu sehr regelmäßigen Gitterstrukturen von Molekülen führt; die Nanotechnologie, mit der partikuläre Wirkstoffträger entwickelt werden können; neue Wirkstoffe oder einfach unorthodoxe Ideen wie zum Beispiel die Aphärese."

"Wie war der medizinische Fachausdruck?"

Cuviella lächelte selbstzufrieden:

"Aphärese. Das Wort meint das Gegenteil von Medikation. Es wird nicht ein Medikament zugeführt, sondern es wird etwas weggenommen, etwas, das dem Organismus schadet. Seltsamerweise wird dieses Prinzip nur sehr selten angewandt, obwohl es bei Nierenversagen vollkommen akzeptiert ist. Die Dialyse ist eine Aphärese: Man entfernt die Abfallstoffe aus dem Blut. Nun haben unsere Spezialisten festgestellt, dass zum Beispiel bei einer Chemotherapie nach einer Krebserkrankung nur etwa 3 – 5 % eines Medikamentes den Tumor erreichen. Der Rest kreist im Blutkreislauf durch den Körper und schädigt gesunde Zellen. Wenn es gelänge, diesen Rest wieder aus dem Blut herauszufiltern, könnte man eine viel größere Menge an Medikamenten geben. Die Resultate müssten hervorragend sein. Als wir untersucht haben, warum das in der Krebstherapie nicht schon lange gemacht wird, haben wir erstaunliche Antworten bekommen: "niemand macht das", "es ist nicht üblich" oder "darüber gibt es keine Studien" – die Ärzte haben Angst vor der Gabe von zu viel Medikamenten. Forscher sind auch nur Menschen mit ganz normalen Ängsten und Schablonen im Kopf. Wir haben gerade ein Forschungskonzept fertiggestellt, in dem wir diesen Ansatz verfolgen wollen."

"Und? Wie kommen Ihre Leute vorwärts?"

"Sehr gut. Aber das ist für morgen. Ich rede jetzt von übermorgen. Wir haben einen neuen Volltreffer gelandet und wenn er hält, was er verspricht, müssen die Bücher über Krebstherapie neu geschrieben werden. Bisher galt das Prinzip, dass sich eine gesunde Zelle und eine Krebszelle in ihrem Stoffwechsel nicht voneinander unterscheiden. Unsere Leute gehen jetzt aber davon aus, dass es doch einen Unterschied gibt – ein Protein ist verändert. Bisher waren einfach die Analysemethoden nicht fein genug, um etwas zu finden. Aber wir haben es jetzt, wir haben den Stoff sogar schon isoliert."

"Und warum ist das so weltbewegend?"

Cuviella lächelte nachsichtig:

"Wissen Sie, was binäre Waffen sind?"

"Sind das nicht Waffen, die aus zwei Komponenten bestehen und erst durch die Zündung scharf werden? Damit unterläuft man die Obergrenzen von erlaubten Lagermengen, denn die binären Waffen fallen nicht unter den Begriff Waffe, weil sie so, wie man sie lagert, ungefährlich sind."

"So ist es. Wir entwickeln nun binäre Medikamente, die für gesunde Zellen völlig unschädlich sind. Diese Medikamente werden zu reinem Gift, wenn sie mit dem Stoffwechselprodukt von Krebszellen in Kontakt kommen – und vernichten die Krebszellen. Damit ist es uns gelungen, verschiedene Forschungsansätze, die bisher ohne Bezug nebeneinander hergeführt wurden, zu kombinieren: Wir produzieren unter Schwerelosigkeit und mit Hilfe von Nanotechnologie einen Wirkstoff. Die Vorbereitung des Patienten besteht in der Durchführung einer Aphärese – wir filtern das Abbauprodukt der Krebszellen aus seinem Blut und verabreichen ihm danach das Medikament mittels Infusion. Wir können aktuell sagen, dass die einzelnen Elemente dieser Therapie jedes für sich wirken. Die erste Studie ist abgeschlossen und war sehr erfolgreich."

"Gratuliere."

"Ja, es sieht gut aus. Ich kann Ihnen nur raten, verpfänden Sie Ihr letztes Hemd und kaufen Sie sich HOSANTIS-Aktien."

"So habe ich das nicht gemeint, ich habe mehr an die Krebspatienten gedacht. Welche Krebsart haben Sie denn untersucht? Oder ist das bei allen gleich?"

"Ich kann Ihnen leider nicht sagen, mit welcher Krebsart wir bisher experimentiert haben. Es sieht aber so aus, wie wenn jede Krebsart den Zellstoffwechsel spezifisch veränderte. Für uns ist das natürlich hervorragend, denn je schwieriger Forschung und Entwicklung sind, desto größer ist unser Vorsprung. Es gibt keinen vernünftigen Zweifel mehr an der Prognose, dass wir schon in wenigen Jahren die Nr. 1 auf dem weltweiten Pharmamarkt sein und diese Position auf absehbare Zeit behaupten werden. Wir sind die besten. Wir werden den Krebs besiegen und das wird sich in unseren Bilanzen niederschlagen. Es ist wie die Erlaubnis zum Drucken von Geld."

"Das klingt ja, wie wenn es außerhalb der HOSANTIS nur Mittelmaß gäbe."

"Wie meinen Sie?"

"Das tönt, wie wenn die HOSANTIS das Gelbe vom Ei wäre."

"Es gibt schon noch ein paar andere Gute. Wir sind nicht nur aus Absatzgründen weltweit vertreten, wir kooperieren überall mit den Besten. Aber um ehrlich zu sein, die crème de la crème ist hier in Basel. Kennen Sie zum Beispiel das Biozentrum in der Pestalozzistraße?"

Es war einer seiner Kunden, er transportierte in größeren Abständen Proben für sie nach Paris oder München. Sie machten ein

geheimnisvolles Getue um diese Sendungen. Er musste die Fahrten persönlich machen, durfte keinen Mitarbeiter informieren. Die Behälter waren verplombt und außer Strickmann gab es nur vier Personen, die wussten, wann eine Sendung unterwegs war – zwei beim Biozentrum und die beiden empfangsberechtigten Mitarbeiter in München. Aber das ging Cuviella nichts an.

"Muss man das kennen, wenn man in meiner Branche arbeitet?"

"Die Jungs dort sind auf Augenhöhe mit unseren Leuten, ihre Arbeit ist tipptopp, um es salopp auszudrücken. Die arbeiten mit ihren bildgebenden Verfahren jetzt schon im Angström-Bereich, das ist noch einmal eine Zehnerpotenz kleiner als nano."

Cuviella erwartete offensichtlich einen Ausruf des Erstaunens oder der Bewunderung, aber Strickmann langweilte sich schon geraume Zeit. Er hatte es hier mit einem arrivierten Angeber zu tun, der die HOSANTIS idealisierte und keinerlei innere Distanz zu dieser Firma aufbrachte. Es war an der Zeit, zur Sache zu kommen:

"Und was bedeutet das konkret?"

Strickmann registrierte Cuviellas Enttäuschung.

"Man kann damit überprüfen, wie genau die Wirkstoffe den Rezeptoren entsprechen. Je genauer sie passen, desto spezifischer ist ihre Wirkung. Im Idealfall hat ein Medikament damit keine Nebenwirkungen mehr, weil es nur noch an den gewünschten Rezeptoren andockt."

Zweifellos ein erheblicher Vorteil im Konkurrenzkampf auf dem Markt, das erkannte selbst Strickmann sofort. Aber solche Gedanken durfte man nicht haben – die HOSANTIS arbeitete natürlich ausschließlich im Interesse der Patienten.

"Machen die anderen das nicht auch?"

"Es ist völlig unvorstellbar, dass unsere Konkurrenz über alle Möglichkeiten verfügt, die ich ihnen vorhin aufgezählt habe, seien Sie da mal ganz beruhigt. Im Gegenteil, es ist jetzt an der Zeit, das Sparbuch zu plündern und HOSANTIS-Aktien zu kaufen. Zumal zurzeit ja auch noch unser Aktienrückkauf läuft – aber das habe ich nicht gesagt."

Strickmanns Sympathien für Cuviella wurden allmählich dünner. Diese Fixierung auf Geld hätte er beim Finanzvorstand ja noch verstehen können, aber Cuviella hatte sich ihm als Wissenschaftler dargestellt. Und ganz nebenbei Finanzinformationen fallen lassen und als vertraulich qualifiziert. Dabei betrafen sie eine von der Hauptversammlung genehmigte Aktion und waren damit veröffentlicht. Das war mehr als seltsam. Weshalb machte er das? Sah er sich vielleicht als Manager, der ganz nach oben wollte? Er hatte Strickmann eine glänzende Perspektive der HOSANTIS geschildert und verwendete auffallend oft die Pronomen wir und uns – es sah nicht so aus, wie wenn er die HOSANTIS verlassen wollte. Was also wollte oder konnte er noch werden?

"Es tut mir leid, ich sehe den Zweck unseres Gespräches noch nicht."

"Wir sind noch nicht soweit, ein paar Probleme haben wir schon noch. Die Sache, weswegen ich mich mit Ihnen unterhalte, betrifft einen Konkurrenten in Darmstadt. Er hat ein Verfahren patentiert, mit dem man ein Zwischenprodukt, das wir unbedingt benötigen, sehr effektiv herstellen kann. Wir brauchen unbedingt die Lizenz für dieses Verfahren. Dabei wollen wir natürlich nicht offenlegen, wie wichtig die ganze Angelegenheit für uns ist. Nun ziehen sich die Gespräche über diese Lizenz schon Monate hin und wir kommen kaum vorwärts. Im Gegenteil, es gibt seit Neuestem Indizien dafür, dass unser Konkurrent unsere Verhandlungsposition immer schon kennt, wenn wir uns zu Gesprächen treffen."

"Gehören Sie selbst auch zu dieser Verhandlungsdelegation?"

"Nein, natürlich nicht. Wenn Vorstandsmitglieder beteiligt wären, würde das den Gesprächen eine viel größere Bedeutung geben. Das wollen wir nicht."

"Gibt es einen konkreten Verdächtigen?"

"Ja. Wir haben ihn überwachen lassen, zuerst durch unseren Werkschutz und später durch die Polizei. Ohne Ergebnis. Es muss aber eine Verbindung geben."

Die zukünftige Nr. 1 unter den Pharma-Multis weltweit war also im Begriff, wegen eines popeligen chemischen Patentes ihre hochfliegenden Pläne nicht realisieren zu können. Und jetzt sollte Strickmann sich der Sache annehmen, weil der Werkschutz und die Polizei zu keinem Ermittlungsergebnis gekommen waren.

"Warum tauschen Sie die betreffende Person nicht einfach aus?"

Cuviella lächelte verlegen:

"So einfach ist das Leben nicht, Herr Strickmann. Ihre Zielperson wird bei uns als kommender Mann betrachtet und hat eine sehr starke Position. Einen solchen Mann kann man nicht einfach kaltstellen, schon gar nicht, wenn man keine Beweise hat."

"Weiß der Vorstandsvorsitzende von Ihrem Verdacht?"

"Selbstverständlich, er hat alle Fäden in der Hand. Und wenn es um sein Lebenswerk geht, geht er über Leichen."

"Warum sind Sie sich so sicher, dass genau diese Person Geschäftsgeheimnisse weitergibt?

"Durch Negativauswahl. Es gibt niemand anderen, der diese Informationen kannte. Die Einzelheiten erzähle ich Ihnen später."

"Ich würde Ihre volle Unterstützung brauchen."

"Die haben Sie."

"Was heißt das konkret?"

"Sie erhalten Antworten auf Ihre Fragen, Sie können mit Mitarbeitern reden, Sie bekommen Akteneinsicht so weit wie irgend vertretbar. Was könnten Sie sonst noch brauchen?"

"Treffen jederzeit? Einsicht auch in Personalakten? Ermittlungen auch innerhalb der Firma?"

"Wofür soll das denn gut sein?"

"Das weiß ich jetzt noch nicht, wir sind ja gerade erst dabei, die Grundsätze für meine Arbeit zu klären."

"Dann lassen Sie uns das zurückstellen. Sie werden sich die Sache ja noch durch den Kopf gehen lassen wollen und danach müssen wir uns noch über die Details unterhalten."

"Gut. Ist Ihnen bekannt, dass mein Tagessatz zurzeit 1.500 Euro beträgt?"

"Eine Menge Franken."

"Kein Problem. Wenn Ihnen meine Arbeit das nicht wert ist, lassen wir es einfach."

"Nein, nein, so war das nicht gemeint."

"Wie kann ich Sie erreichen?"

"Ich gebe Ihnen eine Telefonnummer und meine E-Mail-Adresse, persönliche Termine können wir kurzfristig vereinbaren. Für das Tagesgeschäft wird ihr Ansprechpartner hier im Haus der Leiter des Werkschutzes sein, Herr Runge."

"Schön. Wann besprechen wir die Details?"

"Ich habe jetzt natürlich keine Agenda dabei. Morgen bin ich ab 7.00 Uhr an meinem Schreibtisch. Rufen Sie mich an?"

"Wie ist Ihre Firmenkultur?"

"Formale Kleidung, Anrede per Sie und Rauchverbot auf dem Firmengelände."

"Gut. Ich rufe morgen früh an. Als offizielle Rolle würde ich Assistent oder Trainee bevorzugen."

Cuviella schaute etwas überrascht, war aber einverstanden. Strickmann stand auf und gab ihm die Hand:

"Auf Wiedersehen, Herr Dr. Cuviella."

"Ja, bis morgen."

Als Strickmann zum Umziehen ging, warf er einen Blick auf die Uhr an der Wand. Sie hatten fast eine Stunde miteinander geredet. Er war völlig in Gedanken und kam erst wieder zu sich, als er in sein Auto stieg und entscheiden musste, wohin er fahren wollte. Der Flug von Istanbul steckte ihm noch in den Knochen und er beschloss, nach Hause und ins Bett zu gehen.

Er benutzte den Grenzübergang Weil Ost und wunderte sich wieder einmal, dass keine Zöllner zu sehen waren. Die Schweiz führte bei der Einreise immer noch Zollkontrollen durch, aber Strickmann kannte mindestens fünf Grenzübergänge, die nachts nicht besetzt waren. Dass dieser hier auch dazu gehörte, hatte er nicht gewusst. Dazu kamen an der Chrischona noch die Grüne Grenze, der Westweg Pforzheim – Basel durch den Schwarzwald, der Zug von Zell nach Basel und die zollfreie Straße – genug Möglichkeiten, um die Zollkontrollen umgehen zu können. Die Grenze hatte Löcher wie ein Schweizer Käse. Nicht umsonst machten die Zöllner einen Riesenwirbel in der Presse, wenn sie zufällig wieder einmal einen blassen Jüngling mit langen, fettigen Haaren erwischt hatten, der sich in Holland mit Haschisch eingedeckt und versucht hatte, den Stoff im Intercity über die Grenze zu bringen.

Gerade als Strickmann an der Fondation Beyeler vorbeifuhr, läutete sein Handy. Es war Cristina. Sie betrieb auch einen Kurierdienst, hatte sich auf Italien spezialisiert. Ihr Geschäft brummte und sie dachte über verschiedene Möglichkeiten zur Erweiterung ihrer Firma nach, wollte sich aber von niemandem abhängig machen. Aktuell lag sie mit einer schweren Erkältung im Bett und hatte Strickmann gebeten, für sie ein paar Fahrten zu übernehmen. Offiziell wollte sie das jetzt mit ihm besprechen, im Grunde fiel ihr aber die Decke auf den Kopf. Sie langweilte sich fürchterlich und war froh über jeden Besuch. Normalerweise standen die Männer Schlange bei ihr, denn sie war eine sehr attraktive Frau von 31, selbstbewusst und taff. Aber jetzt, da sie krank war, ließ sich keiner blicken. Sie durchschaute das Spiel und wählte sorgfältig aus, wer Zugang zu ihrem Freundeskreis bekam. Es gefiel Strickmann, dass er dazugehörte. Außerdem respektierte er sie beruflich. Sie kannte viele Kniffe ihres Jobs, sprach sehr gut Italienisch und in dem kleinen Lörrach hätte er sie nicht zur Feindin haben wollen.

Nach seinem Klingeln hatte sie ihm die Wohnungstür geöffnet und war sofort wieder unter der Bettdecke verschwunden. Die Luft im Raum war verbraucht, ihre Stimme schwach und belegt:

"Hallo, Wolf. Willst du etwas trinken?"

"Ja, gerne. Was hast du da?"

Sie überlegte kurz und lächelte verlegen:

"Hm, eigentlich nichts."

"Soll ich dir mal einkaufen gehen?"

"Würdest du das wirklich machen? Ich habe nämlich auch nichts mehr zu essen."

"Lass mich mal einen Blick in deinen Kühlschrank werfen. Oder weißt du auswendig, was du brauchst?"

"Ich habe keinen Appetit. Saftobst könnte ich brauchen und Lindenblütentee. Mein letzter Ex hat das immer 1:1 mit Holunderblüten gemischt und als Schwitztee getrunken. Sein Arzt hatte ihm gesagt, er solle kräftig Alkohol zugeben und ihn mit Zitronensaft und Honig mischen. Es war ein furchtbares Gebräu. Aber er hat es ausprobiert – wann sagt einem ein Arzt schon einmal, mal soll Alkohol trinken. Und es hat gewirkt, der Schweiß lief in Strömen und nach zwei Tagen war er wieder fit. Das könnte ich jetzt gut gebrauchen."

Strickmann notierte sich, was er einkaufen musste:

"Ich bringe dir die Zutaten. Aber ich könnte mir vorstellen, dass das sehr belastend ist für das Herz."

"Mein Herz ist medizinisch o.k., da brauchst du dir keine Gedanken zu machen."

"Und sonst?"

"Sonst? Ich bin über diese Beziehung noch nicht weg, das braucht noch ein bisschen Zeit."

"Ich meine, was brauchst du sonst noch? Oder willst du mit mir jetzt über deinen Liebeskummer reden?"

"Bringst du mir noch ein paar frische Sachen mit, Salat zum Beispiel? Und Milch? – Milch müsste noch da sein, das könnte ich dir anbieten."

"Schön. Ich hole sie mir. Wo hast du die Gläser?"

"In einem der Hängeschränke in der Küche."

Strickmann mochte die Unkompliziertheit dieser Frau. Sie kultivierte keine Zicken, spielte nicht das Weibchen und entschuldigte sich jetzt nicht, weil sie nicht zurechtgemacht war oder eine riesige Unordnung in ihrem Zimmer hatte. Die Situation war eben so, wie sie war.

Als er mit einem Glas Milch in der Hand aus der Küche zurückkam, ging sie auf sein Stichwort Liebeskummer ein:

"Und du? Was macht bei dir die Liebe?"

"Bei mir macht die Liebe Pause, das muss auch mal sein."

"Ich wollte, ich könnte das auch so sehen."

"Jetzt werde erst mal gesund. Und wenn du danach nicht allein bleiben willst, brauchst du dir ja nur einen anzulachen."

"Du hast Humor. Mir ist das Lachen schon ein paar Mal vergangen."

"Willst du jetzt ernsthaft mit mir darüber reden, wie du zu einem seriösen Liebhaber kommen kannst?"

"Du hast recht. Ich wollte über etwas anderes reden mit dir."

Strickmann hatte ihr gegenüber in einem Nebensatz einmal die Bemerkung fallen lassen, dass man solche Transportfahrten, wie Cristina sie durchführte, doch wesentlich besser organisieren könnte. Darauf kam sie jetzt zurück:

"Wie würdest du meine Kurierfahrten nach Italien optimieren?"

"Ich kenne natürlich nicht die Details deiner Fahrten und kann dir deswegen nur die Grundidee sagen: Du fährst von Basel nach Rom und zurück und übernachtest dabei mindestens einmal unterwegs. Ein Italiener macht das Gleiche, er fährt von Rom nach Basel und zurück und übernachtet. Da würde es sich doch anbieten, dass man sich auf halber Strecke trifft, die Fahrzeuge tauscht und jeder fährt wieder dorthin zurück, wo er herkommt. Du kannst mehr im eigenen Bett schlafen, dich unterwegs in deiner eigenen Muttersprache verständigen und kennst dich aus. Die Frage ist eigentlich nur, wie oft solche Fahrten zusammenpassen und wie aufwändig die Absprachen sind. Und vielleicht ließen sich dadurch sogar Ruhezeiten vermeiden."

"Und wenn mein italienischer Kollege meine Kiste in den Graben fährt?"

"Diese Frage musste von dir natürlich kommen. Im Prinzip ist das nichts anderes, wie wenn du deine Kiste selbst in den Graben fährst. Du musst dich natürlich auf ihn verlassen können."

"Juristisch könnte man das vielleicht als Arbeitsverhältnis laufen lassen: Solange er mein Fahrzeug fährt, ist er mein Mitarbeiter und damit wäre ich auch versichert. Die Idee ist gar nicht so übel."

"Kennst du jemand, der dafür in Frage käme?"

"Ich weiß nicht. Bis jetzt habe ich ja nicht danach gefragt. Vielleicht höre ich mich mal um in den Kneipen, in denen ich Station mache. Ich kenne eine Menge Leute."

"Ich lass dich jetzt schlafen. Morgen früh bringe ich dir die Sachen vorbei, o.k.? Und dann können wir auch klären, ob ich für dich ein paar Fahrten machen soll."

"O.K. Du bist ein Schatz. Ciao."

Sie wollte ihn mit Küsschen verabschieden, aber ihr fiel ein, dass sie verschnupft war und verschwitzt, da ließ sie es lieber bleiben.

"Schlaf gut und werd' gesund. Ciao."

Er brachte noch etwas Geschirr in die Küche, warf ihren Abfall in den Müll und ging. Das wollte er jetzt auch: auf dem schnellsten Weg ins Bett.

Es sah nicht gerade danach aus, wie wenn Cristinas Freundeskreis ein soziales Netz gebildet hätte. Seltsam, er hatte sich das anders vorgestellt. Er selbst hatte keine Ambitionen ihr gegenüber. Da regte sich einfach nichts, weder in seinem Herz noch in seiner Hose. Wahrscheinlich war sie ihm zu jung. Überhaupt begann seine Hose ihm allmählich Sorgen zu machen. Er hatte viel zu oft alleine geschlafen in den letzten Wochen.

Als Strickmann am nächsten Morgen in der HOSANTIS anrief, wurde er mit einer Frau Schnyder verbunden, die sich als Cuviellas Assistentin vorstellte. Sie war informiert, dass Strickmann anrufen würde und teilte ihm als erstes mit, dass ihr Chef keine Zeit hatte. Er würde den ganzen Tag in Besprechungen sein, weil er übers Wochenende im Ausland unterwegs sein müsse. Sie war aber offensichtlich daran interessiert, Strickmann so schnell wie möglich zu sehen und sie vereinbarten einen Termin für Montag, 9.00 Uhr. Strickmann teilte ihr mit, dass er als neuer Assistent von Dr. Cuviella eingeführt werden wollte und bat sie, auch dafür alles vorzubereiten. Sie wusste davon nichts.

Obwohl Strickmann mit dieser Art voller Unterstützung nicht zufrieden war, wurde der Auftrag für ihn durch diesen Telefonanruf realer. Er ertappte sich dabei, wie er sich verschiedene Szenarien vorstellte, die alle zu konkreten Fragestellungen führten. Das nutzte er, um sich die wichtigsten Ideen zu notieren. Nach ungefähr einer Stunde war er überrascht, wie weit er sich schon in den Fall hineingedacht hatte. Seine Notizen stellten bereits so etwas wie ein grobes Konzept dar.

Das ließ ihm noch Luft, um sein Bad wieder einmal zu putzen und danach zum Joggen in den Röttler Wald zu fahren. Er lief auf seiner Standardstrecke und kam dabei mächtig außer Atem. Sein Puls war hoch und die gestoppte Zeit lang. Aber er fühlte sich gut und er hatte wieder einmal den Einstieg geschafft. Während er lief, beschäftigten sich seine Assoziationen mit Isabelle Tschudy. Es war seltsam, dass eine zweite Person der Firma HOSANTIS aufgetaucht war mit einem Auftrag.

Anschließend machte er seine Hausaufgaben und trug alles zusammen, was sich im Internet über die HOSANTIS finden ließ. Die Firma war keineswegs so klein, wie er es nach der Bemerkung von Cuviella erwartet hatte. Sie war zwar eines der kleineren Pharmaunternehmen mit Sitz in Basel, hatte weltweit aber doch 4.500 Mitarbeiter und war auf allen Kontinenten vertreten. Die Seele des Unternehmens war ein Professor Alpwyler, der seit mehr als 20 Jahren Vorstandsvorsitzender und etwas über 60 Jahre alt war. Neben ihm gab es noch acht andere Vorstände. Was den Umsatz pro Mitarbeiter und vor allem den Gewinn pro Aktie anging, waren ihre Kennzahlen die letzten Jahre nicht schlecht gewesen. Die Investitionen für Forschung waren überdurchschnittlich hoch und ihre Organisation galt als schlank. Aber neben den Giganten der Branche war sie eine absolut zu vernachlässigende Größe. Es war ihr nur gelungen, bestimmte Nischen zu besetzen, sie hatte keinen einzigen Blockbuster in ihrem Programm und das Image einer grauen Maus. Ihre letzte Jahresbilanz hatte die Erwartungen der Anleger gerade noch erfüllt und ihre Aktien dümpelten trotz der allgemeinen Euphorie vor sich hin. Strickmann wunderte sich nicht mehr, dass Cuviella sich Sorgen über ihre Selbstständigkeit machte. Wenn das so weiterginge, wäre sie womöglich bald reif für eine feindliche Übernahme. Ein größeres internes Problem oder eine Baisse an der Börse würde wohl das Ende ihrer Selbstständigkeit bedeuten. Dieser ganzen Problematik konnte sich die HOSANTIS nur entziehen, wenn es ihr schnell gelänge, einen Blockbuster auf den Markt zu bringen. In dieser Situation wiederholt davon zu sprechen, die Nr. 1 weltweit zu werden, war wohl etwas mehr als gewagt. Cuviella war ein Windbeutel, ein arrivierter Aufschneider.

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