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B- Praktikum
ОглавлениеMASSAGEPRAXIS SCHALLER IN SIEGBURG
Nachdem ich am 31.03.1979 erfolgreich meine Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister abgeschlossen hatte, musste ich offiziell noch ein 1/2 Jahr Praktikum in einem Krankenhaus und ein Jahr in einer Massagepraxis absolvieren.
Das Krankenhaus-Praktikum wurde mir aber erlassen, bzw. angerechnet weil ich ja schon die Ausbildung zum Krankenpfleger bei der Bundeswehr absolviert hatte.
Natürlich musste ich aber das einjährige Praktikum in Massagepraxen absolvieren um die endgültige Anerkennung als Masseur zu erlangen.
Ich begann deshalb am 1. April 1979 mein Praktikum in einer kleinen Massagepraxis in Siegburg, wo meine Familie und ich damals wohnten.
Es war eine kleine Praxis, aber gut ausgestattet mit Sauna und Schwimmbad.
Der erste Tag fing schon gleich gut an.
Pünktlich um sieben Uhr meldete ich mich bei der Chefin, Frau Schaller ... „Moin, Frau Schaller, ich bin der Neue! Was soll ich denn zuerst tun?“
Kritisch wurde ich von ihr gemustert, dann sagte sie nur:
„Kaffee kochen! Da machen sie wenigstens nichts verkehrt!“
Nun ja ... so nicht!
„Frau Schaller, ich bin hier um praktische Erfahrungen im Umgang mit Patienten und mit den Therapiegeräten zu sammeln! Kaffee kochen gehört sicher nicht zu meinen Aufgaben, das kann ich schon, seit ich zehn bin! Also, wenn sie Kaffee haben möchten, machen sie sich den bitte selber! Außerdem bin ich kein fünfzehn-jähriger x-beliebiger Lehrling mehr, sondern ein sechsundzwanzig-jähriger Familienvater! Des Weiteren habe ich hier auch keinen Lehrvertrag, sondern einen Praktikantenvertrag, in dem nichts von Kaffee kochen, steht!
Aber wenn sie wollen, können wir ja mal beim Verband anfragen!“
Sie hätten mal das Gesicht dieser Schreckschraube sehen sollen ... eine Augenweide, jedenfalls für mich!
Die Verhältnisse waren jetzt wenigstens unwiderruflich geklärt.
Etwas vergrätzt erwiderte sie nur:„Ja, ja schon gut! Danke für die Belehrung! Dann machen sie die Elektrotherapie heute Vormittag!“
Oh, Mist! Gerade die Scheiß Elektrotherapie! Mit Strom stehe ich bis heute auf dem Kriegsfuß, absolut nicht meine Welt! Dieses Fach habe ich schon während der Ausbildung nicht gemocht, aber was soll es, da musste man eben auch durch! Also? Ran an den Speck!
Gott sei Dank hatte die Praxis ein einfach zu bedienendes Gerät, mit dem ich bestens klar kam.
Um es kurz zu machen: Es kam kein Patient zu Schaden!
Das ist ja auch schon was, oder?
Im Laufe der nächsten Wochen war ich mit den verschiedensten Geräten sehr gut vertraut und konnte die Elektrotherapie ohne weitere Probleme zur Zufriedenheit der Patienten anwenden!
Entgegen meiner ersten Befürchtung lernte man hier doch tatsächlich noch etwas!
Hauptsächlich lernte man hier den Betrieb und die Wartung des Schwimmbades, was damals alles noch per Hand gemacht wurde.
Wir hatten dort viele Patienten, die das Schwimmbad zu therapeutischen Zwecken nutzten.
Wenn ich solche Gruppen hatte, bin ich grundsätzlich immer mit ins Wasser rein gegangen oder habe die Beckenaufsicht am Rand mit Badehose absolviert.
Denn das wurde uns auf der Massageschule auch eingebläut: Es ist besser, man ist beim Patienten im Wasser, dann kann man effektiver eingreifen, wenn etwas nicht in Ordnung sein sollte.
Außerdem verschafft man sich auch gegenüber dem Patienten Respekt, wenn man die Übungen denen persönlich vorführt.
Das gilt auch wenn man Bewegungsübungen (BWÜ), außerhalb des Wassers macht!
Ich habe mich bis heute, im Gegensatz zu vielen meiner „Kollegen“, daran gehalten und bin immer gut damit gefahren!
Außerdem weiß ich dann auch selber wie effektiv die einzelnen Übungen sind und bin so m. E. auch ein Vorbild für den Patienten.
Wenn man am Beckenrand in Badehose die nötigen Therapieanweisungen gibt, ist es auch wesentlich leichter mal im Notfall, (und der passiert eben auch), ins Wasser zu springen, um zu helfen! Sind sie angezogen, sieht es meist anders aus!
Ich hasse „wasserscheue Therapeuten“, die sich in voller Montur nur an den Beckenrand stellen und ihre Opfer im Wasser wie folgt traktieren:„So nun schwingen wir alle mal unsere Arme im Wasser! Machen sie große Kreise und gehen sie schnell vorwärts ... und jetzt zurück ... wieder vorwärts!“
Hallo! Gehts noch?
Selber vormachen und zeigen, dann hat man die Achtung des Patienten gewonnen, nicht anders!
Und was passiert, wenn jemand „absäuft“?
Mit toller, weisser Arbeitskluft, gebügelt und mit Ariel frisch gewaschen, wohl möglich noch mit frischer Dauerwelle und manikürten langen Nägeln, springt man doch nicht in das 32 Grad kalte und chlorierte Wasser! Nein, nein und noch mal nein!
Wenn der in „Seenot“ geratene Patient Glück hat, bekommt er einen Rettungsring an den Kopf geworfen!
Glauben sie nicht? Doch, Tatsache! Alles schon selber erlebt! Aber man erlebte hier auch lustige Sachen.
Ich hatte z. B. einen Patienten, der nach einer Hüft-OP kaum noch laufen konnte und daher auch sehr unsicher war.
Dieser Patient, ich nenne ihn mal Herr M, bekam Wassergymnastik verordnet, als Einzeltherapie.
Das bedeutete für mich, dass ich mit ihm ins Schwimmbad ging und die Übungen durchführte.
Wissen sollte man noch, dass Herr M spezielle Stiefel hatte, die er im Wasser tragen sollte (ja, so was gibt es wirklich)! Diese waren ungefähr zwei Handbreit hoch und mit ca. fünfzehn cm hohen hohlen Absätzen versehen.
In diese Absätze mussten immer, bevor er ins Wasser ging, schwere Stahlgewichte rein getan werden, dadurch erreichte man eine bessere Standfestigkeit im Wasser!
Herr M konnte sich mit diesem Hilfsmittel wesentlich besser im 1,35 Meter tiefen Wasser bewegen.
Doch eines Tages ...!
Herr M kam aus der Umkleidekabine, schon in voller Montur: Badehose und Spezialschuhe an.
Da ich noch einige Utensilien, die zuvor von einer anderen Gruppe benutzt worden waren, wegräumen musste, drehte ich mich kurz zu ihm hin und sagte: „Ich bin gleich bei ihnen, Herr M, gehen sie schon mal langsam ins Becken, ich komme sofort nach!“
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass meiner Aufforderung Folge geleistet wurde.
Doch plötzlich war es mit der Ruhe im Schwimmbad vorbei!
Voller Schrecken sah ich, dass Herr M mittlerweile im Wasser war! Aber nicht so wie sonst immer! Nein, diesmal schwamm er, ich sag es mal so. „Kiel oben“ im Wasser!
Die Füße ragten über den Wasserspiegel, der Rest des Körpers hing kopfüber im Wasser! Was ging denn hier ab?
Sofort sprang ich rein ins Wasser, drehte den sich heftig um sich schlagenden wasserschluckenden Herrn M in die „richtige“ Lage und bugsierte ihn mit viel Kraft und Mühe an den Beckenrand, wo wir uns erst mal beide von dem Schock erholten!
„Mensch, Herr M was trieben sie denn hier?
Sie sollen doch nicht das Schwimmbad aussaufen!“
Herr M sah jetzt aus wie ein begossener Pudel und sagte keuchend und noch immer nach Luft schnappend zu mir:„Scheiß, ich habe vergessen, meine Stahlgewichte, in die Schuhe zu tun, Mist!“
Na, noch mal gut gegangen!
Aber das zeigt eben auch, dass man im Schwimmbad als Personal wirklich absolut alles im Griff haben sollte.
Dieses Ereignis war mir jedenfalls eine große Lehre für die Zukunft!
Ganz wichtig: Kinder und alte Leute immer noch sorgfältiger im Auge behalten, als sonst üblich.
Natürlich kam ich in dieser Praxis auch in den Genuss die ersten Patienten massieren zu dürfen.
Die meisten waren zu Anfang doch schon sehr skeptisch, wenn nur ein Praktikant die Massage ausführte.
Doch das legte sich schnell und alle waren zufrieden, selbst Frau Schaller, und das sollte schon was heißen!
Amüsiert habe ich mich auch über eine Masseurin, die immer sehr gehetzt und konfus war! Das war vielleicht eine Nudel!
Frau Rickert war ca. fünfundzwanzig, sah aber aus wie weit über vierzig, na ja wer`s mag!
Ihr Problem: Die Haare! Nach jeder Anwendung am Patienten mussten erst mal die langen Haare wieder in Form gebracht werden. Das war für sie, (und uns andere Mitarbeiter), meistens eine stressige Angelegenheit.
Außerdem neigte sie dazu, Therapien und Patienten durcheinander zu bekommen!
So konnte es passieren, dass jemand statt einer Fangopackung schon mal eine Kältepackung bekam usw.
Aber diese Figur war bei meinem Ausscheiden immer noch zugegen, was für mich ein Rätsel war.
Eines Tages nun kam sie freudig erregt zum Dienst und verkündete lautstark: „Hallo Leute, schaut mal aus dem Fenster, was seht ihr da?
Ja genau, mein neues tolles Auto!
Ist das nicht ein super Auto?“
Wir taten ihr also den Gefallen und sahen aus dem Fenster.
Oh Gott! Auf dem Parkplatz stand ein Fiat 500 in Pink!
Natürlich brauchte das Fahrzeug auch zwei Parkplätze, es war ja so fürchterlich groß! Das richtige Gefährt für diese Lady!
Hach, es besaß sogar einen Schminkspiegel, daher sollte es also wohl kein Problem mit den Haaren mehr geben! Ha ha!
Wir konnten ein gewisses Grinsen natürlich nicht unterdrücken und veräppelten die liebe Kollegin von jetzt an jeden Tag bezüglich des Vehikels nach Strich und Faden, natürlich sehr zu ihrem Leidwesen!
Aber Hauptsache wir hatten unseren Spaß!
Doch damit nicht genug!
Eines Tages, (rein zufällig der erste April), beschlossen wir, Frau Rickert mal aufs Glatteis zu führen, also auf gut Deutsch, sie zu verarschen!
Wir hatten es auf ihr "Auto“ abgesehen!
Als Frau Rickert einen längeren Patiententermin hatte, schritten wir zur Tat!
Heimlich schlichen wir Männer, vier an der Zahl, auf den Parkplatz. Dort angekommen packte jeder von uns eine Seite des Vehikels und auf „ Eins, zwei, drei, los!“,hoben wir das Gefährt an und trugen es ungefähr sechzig Meter weit hinter eine Buschgruppe und stellten es dort so ab, das es von der Praxis aus weder vom Eingang noch von den Fenstern her zu sehen war! Welch eine Gaudi, welch ein Spaß!
Aber es sollte erst der Anfang sein, denn wir hatten nicht mit der Reaktion, die unsere „verruchte“ Tat bei der armen Frau Rickert auslösen sollte, gerechnet!
Kaum wieder in der Praxis zurück, ging ich zur Kabine in der Frau Rickert einen Patienten behandelte, nahm den Vorhang etwas zur Seite und sagte zu ihr: „Sag mal, bist du heute gar nicht mit dem Auto da? Ist es etwa schon kaputt und in der Werkstatt? Ich wollte dann nur kurz fragen, ob ich dich nach Feierabend mitnehmen soll?“
Völlig entgeistert wurde ich nun angeguckt!
„Was ist los? Natürlich bin ich mit dem Auto da, Mann!
Es steht doch auf dem Parkplatz! Kannst du nicht richtig gucken, oder was?“
Meine Antwort: „Da steht kein Auto! Jedenfalls nicht deines!“
Jetzt ging es rund, endlich war mal Stimmung hier!
Völlig verunsichert kam die liebe Kollegin aus der Kabine gestürmt, diesmal sogar ohne sich die Haare zu kämen, und stürzte zum Fenster des Wartezimmers, von wo aus man auf den Parkplatz blicken konnte.
Das Auto war weg! Futsch! Verschwunden! Unauffindbar!
Völlig außer sich rannte sie nun auf den Parkplatz, schaute sich völlig verzweifelt um und schrie wie am Spieß! „Mein Auto, mein schönes neues Auto! Es ist weg! Man hat mein Auto geklaut! Das gibt es doch nicht! Das darf nicht wahr sein! Was mach ich denn jetzt!“
Jetzt befanden sich auf dem Parkplatz mehr Menschen als wie in der Praxis!
Frau Rickert war mittlerweile in Tränen ausgebrochen und heulte sich die Seele aus dem Leib!
Doch plötzlich bekam sie eine Art Geistesblitz! „Die Polizei!
Ja genau, die muss mir helfen!“
Rums war sie in der Praxis und stürmte zum Telefon: „Hallo ...? Ja ich möchte einen Auto Diebstahl melden, bitte kommen sie schnell!“
Oh ha! Damit wiederum hatten wir nun ja gar nicht gerechnet, jetzt wurde es langsam unangenehm!
Diesmal jedoch für uns! Und nun?
Aber Masseuren fällt immer irgend eine Lösung für ein Problem ein, so auch jetzt!
Einer meiner Kollegen lenkte die immer noch heulende Frau Rickert ab und wir anderen sahen zu, das wir zu dem versteckten Auto kamen!
Blitzschnell packten wir es und bugsierten es auf den Parkplatz genau auf die Stelle, wo es vorher gestanden hatte!
Keine Minute zu früh, denn da hinten kam schon die Polizei!
Also schnell ab in die Praxis und auf unschuldig und nicht wissend machen! Das gelang uns in diesem Fall besonders gut!
Es kommt, was kommen musste:
Nachdem die Beamten der gewissenhaften deutschen Polizei den Parkplatz und die nähere Umgebung inspiziert hatten, betraten sie nun die Praxis.
Sofort stürmte unsere Kollegin auf die beiden Polizisten zu und schrie:„Mein Auto! Es ist geklaut! Bitte, bitte helfen sie mir! Was soll ich denn jetzt tun?“
„Erst mal schön Ruhe bewahren, Fräuleinchen!“,sagte einer der Polizisten ganz ruhig zu ihr.
„Ihr Fahrzeug hat das Kennzeichen SU - FR 345?
Ein pinkfarbener Fiat 500, viertürig?“
„Ja genau“, entgegnete unsere konfuse Kollegin dem Beamten.
„Na dann kommen sie mal mit, ich hab da eine Überraschung für sie!“
Die beiden Polizisten geleiteten die liebe Kollegin auf den Parkplatz und zeigten auf das geparkte und nicht zu übersehende pinkfarbene Gefährt.
„Ist das ihr Fahrzeug?“
„Eh, ja! Das glaub ich jetzt nicht! Erst war es aber nicht da, ich schwöre es ihnen! Ich weiß nun gar nicht, was los ist!“ Verdattert schaute sie sich um!
Wir Schelme zuckten nur mit der Schulter!
Ich sagte süffisant grinsend; „Tja, man wird eben älter und dann auch etwas schrullig, verehrte Kollegin!“
Seit dieser Bemerkung waren wir absolut nicht mehr auf einer Wellenlänge! Man kann sagen, es herrschte Eiszeit zwischen uns! Aber das war mir der Spaß wert!
Bis heute weiß weder die Polizei was da los war, noch die liebe Frau Rickert!
Doch wir alle hatten einen riesigen Spaß!
Frau Rickert jedoch weiß bis heute nicht, das ihre ach so „netten, liebenswerten“ Kollegen dahinter steckten.
Im Nachhinein muss ich aber schon sagen, dass es ein sehr derber Spaß war!
Aber wir leben eben in einer bösen, bösen Welt! Ha ha!
Und etwas Vergnügen schadet ja nicht, oder?
Ja das war meine erste Praktikantenzeit, in der ich doch besser als zunächst erwartet, auch was lernen konnte!
So soll es ja auch sein.
Aber bei meiner nächsten weiteren Tätigkeit als Praktikant in einer anderen Praxis sollte es noch turbulenter zugehen!
Darüber mehr im folgenden Kapitel!
MASSAGEPRAXIS WITTENBERG IN SANDESNEBEN
Im August 1979 zogen meine Frau, die Kinder und ich von Siegburg in ein kleines Dorf in der Nähe von Bad Oldesloe.
Hier musste ich nun auch den Rest meines Praktikums absolvieren.
Beworben hatte ich mich, in dem Dorf namens Sandesneben, in einer kleinen familiären Massagepraxis, mitten auf dem Lande!
Was das bedeuten sollte, wurde mir in den nächsten Monaten mehr als bewusst gemacht.
Der Praxisinhaber und seine Frau waren ein auf den ersten Blick hin nettes freundliches Ehepaar ohne Kinder.
Sie leitete die Massagepraxis und er hatte ein Motorradgeschäft, in dem er Enduro Maschinen verkaufte und auch Reparaturen durchführte.
Ihn sah man also so gut wie nie, was auch nicht besonders wichtig war.
Diese Praxis war ausgestattet mit einem großen Schwimmbad und einer sehr schönen, modernen Sauna.
Als Nachteil erwies sich jedoch, dass die Massagekabinen direkt am Schwimmbadrand waren.
Das bedeutete bei der Arbeit in diesen Kabinen war man einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur ausgesetzt.
Ich hatte dadurch, dass es dort immer eine Raumtemperatur von mehr als dreißig Grad gab, einen enormen Verschleiß von weißen T-Shirts, da man schnell durchgeschwitzt war.
Im August war der Sommer auch noch besonders warm.
Aber irgendwie gewöhnte man sich doch relativ schnell daran!
So was gehört zu unserem Beruf eben dazu!
An meinem ersten Tag wurde ich von allen sehr herzlich willkommen geheißen, und man bot mir auch uneingeschränkt Hilfe an, wenn mal etwas sein sollte!
So stellt man sich den Arbeitsbeginn vor!
Tolles Personal, nette Chefin!
Und die Patienten?
Nun ja gewöhnungsbedürftig!
Mein erster Patient war ein typischer Bauer, nennen wir ihn mal Herrn A.
Dieser erschien zu seinem ersten Massagetermin bei mir, indem er mit seinem Trecker auf den Parkplatz fuhr und in seiner verschmutzen Bauernkleidung in die Praxis kam!
Da es an dem Tag ausnahmsweise mal den ganzen Tag in Strömen gegossen hat, sah er entsprechend aus.
Jetzt wusste ich auch, warum am Eingang eine Dusche für Kunden war!
Herr A wurde von unserer Mitarbeiterin, Frau Behn (zukünftig Tresen Hai genannt), die die Patienten verwaltete und betreute, gleich an geraunzt!
„Eh, Peter, alte Socke, wieder hier? Ich habe eine Überraschung für dich, heute massiert dich mal unser neuer Praktikant, also benehm dich! Aber vorher, Gummistiefel aus und unter die Dusche! Du riechst ja mal wieder nach toten Huhn, so kommst du mir nicht auf die Massage Pritsche, ab jetzt, hopp, hopp!“
Äh .... was ging denn hier ab?
Schien ja recht spaßig zu sein hier!
Ich wartete nun also in der Massagekabine auf meinen ersten Patienten.
Nach dem Herr A geduscht hatte, lief er auf mich zu und musterte mich schon von weitem mit einer gewissen Neugier, besser gesagt Skepsis.
Als er vor mir stand stellte ich mich ihm vor:
„Moin, moin Herr A, mein Name ist Sievers und ich soll Sie heute massieren! Sie haben Probleme im Kreuz? Richtig?“
Kurze Antwort: „Jo!“
Jetzt wurde ich eindringlichst von oben bis unten von ihm gemustert.
Dass was er sah, gefiel ihm wohl nicht besonders, denn er sagte: „Watt, du schmoles Hemd wis mi massieren? Wie schal dad denn gohn mit dien dösigen Paddelpfoden?“
Nun ... ja!
Gott sei Dank war ich dadurch, das ich auf einem Bauernhof groß geworden bin, schon in noch in der Lage „Norddeutsches Platt“ zu verstehen und noch leidlich zu sprechen!
Das kam mir hier in dieser Praxis noch öfter zu Gute!
Also antwortete ich.„Dat ward Du schon gewahr, Buer, pack di dohl op dien ollen fadden Buck und lod mi mol moken!“
Ein erstaunter Blick seinerseits, ein gewisses Grinsen meinerseits!
Wir verstanden uns augenblicklich!
Also schritt ich zur Tat!
Herr A begann etwas später wohlig zu grunzen:
„So is dat god, so will ik dat hem, god oh god Mann!“
Dat geid mi schon bedder, god Mann, mog wider Mann!
Nach der Massage stand er auf, rekelte und streckte sich, guckte mich an und sagte: „Dat war `n Gedicht, ik dank di vor de gode Massage!“
„Gern wedder!“, entgegnete ich ihm.
Herr A wankte, stark von der intensiven Massage gezeichnet, zum Tresen und fragte unseren Tresen Hai, also die Frau Behn:„Wo hev se denn den tollen Vogel an Land trecken, dat is jo een banning goden Masseur!
Mien Krüz geiht dat schon bannig bedder, Mann!
Giv me mol de anern Termins all bi den Herrn Sievers, wenn dat geiht?“
Nun ja, das fing ja gut an hier! Mir gefiel es und den Patienten wohl auch! Mehr kann man nicht verlangen oder?
Ja, wir hatten hier überwiegend Bauern als Patienten. Da konnte man schon mal mit der einen oder anderen Überraschung rechnen, die es in einer städtischen Praxis so nicht gab.
Es war schon völlig normal das die Bauern direkt vom Mist streuen oder sonstigen Geruchs intensiven Tätigkeiten direkt so zur Massage vorfuhren, meist mit ihrem entsprechenden verdreckten und stinkenden Fuhrwerken.
Wenn dann die Praxistür aufging, konnte es schon mal streng „müffeln“!
Aber man gewöhnt sich an alles!
Ich fühlte mich hier pudelwohl!
Man war hier aber vor Überraschungen nie sicher!
Trinkgeld in Form von Bargeld gab es hier kaum!
Es gab meist ein Trinkgeld in Form von „Naturalien“!
Ich brauchte mich zukünftig z. B. nicht mehr um den Einkauf von Eiern sorgen!
Im Sommer gab es mal Erdbeeren, dann mal Himbeeren oder Kirschen und Tomaten usw. usw.!
Immer verbunden mit einem „netten“ Kommentar der Patienten!
„Hier, haben sie mal einen selbstgemachten Eierlikör! Schmeckt wie bei Muttern!“
Davon mal abgesehen das ich mir nichts aus Eierlikör mache, fand ich das jedoch sehr nett.
Oder ich bekam mal eine ganze Kiste Blumenkohl!
Nur … versuchen sie, den mal auf zu futtern, wenn sie nur vier Personen sind!
Selbstgemachte Marmeladen, Gelee`s, fette Salamis, Schnäpse und sogar öfter mal ein halber Schinken, füllten fortan meinen Kühlschrank zu Hause.
Aber den Vogel schoß eine Bauern Familie ab, die mir eines Tages in der Praxis ein halbes frisch geschlachtetes Schwein hinein brachten! Was soll man dazu noch sagen!
Ich war platt!
Meine Frau hingegen nicht! Die bekam die Krise!
Die Kinder wiederum fanden das sehr interessant:
Wann sieht man schon mal ein echtes halbes Schwein!
Nachdem sich meine Frau ein paar mal übergeben hatte, denn nicht jeder mag den Anblick und den Geruch solch eines Festmahls, wurde das Tierchen unter den „fachkundigen“ Augen meiner beiden Töchter von mir persönlich tranchiert / zerlegt und in die Kühltruhe deponiert.
Ja man hatte doch noch verborgene Talente aus seiner Kindheit auf dem Bauernhof in sich schlummern! Hier waren die Kenntnisse schon ab und dann mal gefragt!
Ich liebte meine Bauernbande!
Immer wieder was Neues!
Eines Tages bekam ich meinen ersten Einsatz außerhalb der Praxis, also einen sogenannten Hausbesuch.
Herr F war ein achtundsiebzig-jähriger „Patriarch“, der zusammen mit seiner ganzen Sippe, also Frau, Kindern, Enkeln, Urenkeln und Hund „Balthasar“ auf einem der größten Höfe im Dorf wohnte.
Leider hatte er sich beim Kuhstall ausmisten, (ja das konnte der noch selber), verhoben und konnte seit dem weder sitzen noch stehen, daher bekam er Massage und Bewegungsübungen vom Dorf Doc verordnet.
Ich sollte ihn also jetzt entsprechend „verarzten“!
Was mich dort erwartete?
Auch nicht von „schlechten Eltern!“
Ich fuhr also in freudiger Erwartung zu der angegebenen Adresse und parkte meine Karosse vor dem riesigen Eingangsportal des großen Gehöftes.
Sofort wurde ich vom argwöhnisch knurrenden Hofhund „Balthasar“ in Empfang genommen!
Besser gesagt: Ich traute mich nicht so recht, auszusteigen, denn „Balthasar“ war fast so groß wie ich selbst und hatte mittlerweile auch seinen riesigen Kopf in das offene Autofenster gesteckt. Dieses liebe Hündchen begann sofort damit mir mit seiner Zunge über die Haare und Ohren zu schlecken!
Aber: Auf so etwas stehe ich nicht! Absolut nicht!
Das durfte noch nicht mal meine Frau, obwohl dessen Zunge nicht so groß und rau war!
Doch was sollte ich tun?
Puh! Rettung nahte!
Nachdem ich nicht nur schweißgebadet war, sondern auch von „Balthasar“ gründlich am Kopf gesäubert bekommen hatte, erschien Frau F, eine resolute Person, mit großen wuchtigen Schritten in ihren Holz-Pantinen und zog das „Monster“ unter Aufbietung all ihrer immensen Kräfte aus dem Autofenster!
Das wurde auch Zeit, denn sonst wäre ich wohl jämmerlich im Auto ersoffen!
Als ich mich mehr oder weniger erholt hatte, wurde ich ins Haus gebracht.
Herr F wartete schon im großen Esszimmer auf mich und musterte mich erst mal skeptisch von oben bis unten.
„Was wollen sie denn mit mir machen, junger Mann“, fragte er.
„Sie bekommen eine Massage, von mir, ich muss nur mal gucken wo und wie wir das hier machen können!“
„Wir nehmen den Esszimmertisch, der ist schön robust und stabil, da kann ich mich rauf legen“, entgegnete Herr F und zeigte auf einen wuchtigen riesigen Eichentisch im Esszimmer.
Dieser Tisch war aus massiver Eiche und mindestens schon zweihundert Jahre alt, aber perfekt!
Ich begann den Tisch für die Massage fertig zu machen.
Mittlerweile hatten sich mehrere Personen im Raum versammelt: Oma, Enkel, Urenkel und Hund!
Als Herr F meinen etwas pikierten Gesichtsausdruck wahrnahm, lachte er nur und sagte: „Die Bande hat noch nie gesehen, wie jemand massiert wird, und würden daher gern mal zusehen! Ich hoffe, das stört sie nicht?“
Das war ja mal was ganz Neues!
„Nein, nein kein Problem“, sagte ich nur.
Es war schon ein ulkiges Bild!
Herr F lag vor mir auf den ächzenden und knarrenden Eichentisch und genoss die Massage!
Fünf Kinder, das jüngste vier, das älteste, wohl so an die zehn Jahre alt guckten sehr interessiert zu, ebenso wie die Oma, die Schwiegertochter und nicht zu vergessen, der Hund!
Ein gewisses Schmunzeln konnte ich mir dabei natürlich nicht verkneifen!
Nachdem die Massage beendet war, verabschiedete ich mich von der Sippe!
Mit einer großen Mettwurst als Trinkgeld fuhr ich wieder in die Praxis zurück.
Solche Erlebnisse hat man auch nicht alle Tage, oder?
Ich sollte Herrn F noch weitere siebzehn mal massieren, und alle Seiten hatten so ihren Spaß, besonders der Hund, der es sich nicht nehmen ließ, mich auf seine „Art“ zu begrüßen!
Aber man gewöhnte sich so langsam an die Art der Begrüßung, auch wenn Hunde nicht, „mein Fall“ sind, daran hat sich bis heute nichts geändert!
Doch ich sollte in meinem weiteren Berufsleben noch öfter mit „merkwürdigen“ Hunden Bekanntschaft schließen!
Das gehört eben dazu!
Das Praktikum hier gefiel mir also von Monat zu Monat mehr!
Die Patienten waren überwiegend etwas „merkwürdig“ und gewöhnungsbedürftig, aber das war ich ja manchmal auch!
Meine ehemaligen Patienten würden sicher sagen:
Nicht nur manchmal, sondern jetzt auch noch!
Im Januar bekamen wir Angestellten und leider auch die Patienten mit, dass sich Chef und Chefin immer öfter stritten und sich immer mehr auseinanderlebten.
Wenn man das gegenseitige Anbrüllen immer in der Praxis mitbekam, hat man sich schon gefragt, was da wohl los war!
Später stellte sich dann heraus, dass Herr Wittenberg nicht mit Geld umgehen konnte!
Hinzu kam noch, dass sein Motorrad- Laden wohl auch nicht mehr so lief, wie er es sich vorgestellt hatte!
Daher bediente er sich, wenn Ebbe in seiner Kasse war, schon mal aus der Massagekasse!
Dies wiederum fand seine Frau gar nicht lustig!
Also flogen zunehmend die Fetzen und wir waren meist mittendrin! Garantiert nicht gut für alle Beteiligten!
Und so kam, was kommen musste: Das Ende!
Da ich morgens immer der Erste war, hatte ich auch den Praxisschlüssel um die Praxis aufzumachen.
Doch an diesen einen Morgen stimmte etwas nicht! Irgendetwas lief hier falsch!
Normalerweise standen die Autos von Chef und Chefin immer auf dem Parkplatz vor der Praxis. Heute aber nicht! Beide Fahrzeuge waren weg!
Doch das war ja nicht mein Problem! Also holte ich den Schlüssel raus, und wollte die Praxistür öffnen, aber nichts rührte sich! Der Schlüssel ging absolut nicht ins Schloss!
Darüber war ich natürlich sehr verwundert, ebenso die ersten Patienten, die dazu gekommen waren.
Was ging denn hier ab?
Ich sagte zu den Patienten: „Etwas stimmt mit dem Türschloss nicht, ich geh jetzt mal rüber zur Chefin und frage lieber mal, was da los ist!“
Leicht pikiert musste ich aber etwas später zur Kenntnis nehmen das bei Chef und Chefin niemand die Tür öffnete. Ich klingelte Sturm, aber auch jetzt machte keiner auf! Merkwürdig!
Ich ging nun um das Haus herum, guckte hier und da in die Fenster, nichts! Keine Menschenseele!
Mittlerweile waren auch schon die Kollegen eingetroffen und auch die Zahl der Patienten, die frierend vor der Praxis standen, hatte zugenommen.
Was nun? Was tun? Handy`s gab es damals noch nicht!
Also ab zur nächsten Telefonzelle und anrufen!
Auch diese Aktion brachte nichts!
Die beiden blieben verschwunden und niemand wusste, was los war!
Daher rief ich gleich mal den „Dorfsheriff“ zu Hilfe.
Dieser kam relativ schnell und fragte erst mal, was los wäre.
Nachdem er von uns informiert wurde, machte er kurzen Prozess ... und warf eine Scheibe des Wohnhauses ein, öffnete das Fenster, stieg hindurch und kam wenig später an derselben Stelle wieder zum Fenster heraus.
„Die sind weg“, stellte er kopfschüttelnd fest!
Machen wir es kurz, was war passiert?
Wie sich im Laufe des Tages herausstellen sollte, hatte es am Abend zuvor mal wieder einen heftigen Streit gegeben!
Ergebnis: Sie ist mit dem Auto zu ihrer Mutter nach Würzburg gefahren!
Er muss dann wohl so wütend gewesen sein, dass er sämtliche Türschlösser im Haus und auch in der Praxis mit Sekundenkleber verklebt hatte! Die Rache ist mein, sprach der Herr!
Wenig später ist auch er abgehauen und wurde einige Stunden später „ voll wie Hacke, “ im Rotlicht Milieu von Lübeck aufgegriffen und zunächst in die sehr sehr komfortable Ausnüchterungszelle gesperrt!
Von all den Fisimatenten haben wir natürlich nichts mitbekommen und standen erst mal da wie die Ölgötzen!
Ende vom Lied: Die Chefin musste umgehend zurück aus Würzburg kommen und behob erst mal den angerichteten Schaden!
Er aber wurde von uns nie mehr gesehen!
Es hieß, er sollte eine Geliebte in der Nähe von Ratzeburg haben und zu ihr gezogen sein!
Die Praxis und auch sein Geschäft ... alles interessierte ihn überhaupt nicht mehr! Er kümmerte sich um rein gar nichts mehr!
Das hatte ich von den beiden nicht erwartet! So ein Ende!
Zum ersten März beendete ich dann hier, mit einem lachenden und einem weinenden Auge mein Praktikum.
Einige Tage später hatte ich meine Ernennungs- Urkunde.
„Masseur und medizinischer Bademeister“, in der Hand!
Jetzt sollte mein aufregendes und glauben sie mir, nie langweiliges, Berufsleben als Masseur beginnen!
Also auf geht es!
Folgen sie mir!