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Unparteiischer mit Parteibuch

Der NPD-Funktionär Stephan Haase ist seit 2007 Schiedsrichter in der Kreisliga C. Der Ausländeranteil seiner Heimatstadt Lüdenscheid liegt bei 15 Prozent. Kann ein Demokratiekritiker, der eine Gesellschaft ohne Einwanderer anstrebt, Gleichberechtigung gegenüber Migrantenvereinen fördern?

Stephan Haase hat einen Auftrag erhalten. Am Dienstag hatte er eine E-Mail in seinem Postfach. Adresse, Uhrzeit, Spielansetzung. Nun, am Sonntagmorgen, führt ihn sein Hobby nach Rönsahl, eine Gemeinde mit wenigen hundert Einwohnern, gleich hinter Kierspe, 30 Kilometer von Lüdenscheid entfernt. Haase, groß gewachsen, schlank, Brille, mustert den Hof der örtlichen Schule. Junge Männer in grünen Trikots trotten ihm entgegen, lustlos, verschlafen. „Guten Morgen“, ruft Haase. „Wo kann ich mich umziehen?“ Ihm wird ein kleiner Raum zugewiesen, in dem sich sonst Kinder auf die Sportstunde vorbereiten. Haase streift sich ein schwarzes Trikot über, schlüpft in weiße Schuhe, prüft seine Utensilien: Gelbe Karte, Rote Karte, Pfeife, Notizblock. Er nimmt sich Zeit, geht gewissenhaft vor. Dann macht er sich auf den Weg zum Fußballplatz. „Guten Morgen“, „Wie geht’s?“, „Alles gut?“ Haase ist freundlich, doch sein Name bleibt unerwähnt, sein Beruf sowieso. Keine seiner Unterhaltungen wird länger als zwei Minuten dauern. Er ist nicht hier, um zu reden.

Bevor man sich mit der Freizeit von Stephan Haase genauer beschäftigt, sollte man sich seine politischen Ziele anhören. „An erster Stelle steht für mich der Erhalt des deutschen Volkes, wie es geschichtlich gewachsen ist, diesem Ziel würde ich alles unterordnen“, sagt der NPD-Funktionär aus Lüdenscheid. „Je mehr Fremde dazukommen, desto unwohler fühle ich mich. Wir wollen Deutsche in Deutschland bleiben.“ Stephan Haase hat keine politische Macht, er wird nie politische Macht haben. Doch hätte er sie, sagt er, würde er den „Ausländeranteil so weit wie möglich Richtung null fahren. Danach würden Deutsche einen Vorzug auf der Suche nach Arbeitsplätzen erhalten.“ Hätte Haase einen Sohn, er würde ihn bei einem Fußballklub mit einem geringen Einwandereranteil anmelden, bei einem „deutschen Verein mit Tradition“. Diese Suche könnte in seiner Heimat Nordrhein-Westfalen schwer werden, Stephan Haase weiß das – er ist seit 2007 Schiedsrichter.

Fast jedes Wochenende läuft Haase, geboren 1968, mit einer Pfeife über einen holprigen Rasen in der Kreisliga C, am Bodensatz des Fußballs. An diesem Sonntagmorgen im April 2011 ist er in Rönsahl aktiv, wo die zweite Mannschaft des heimischen TSV gegen TuS Halver antritt. Der Kunstrasen liegt zwischen Hügeln und Einfamilienhäusern, Vögel zwitschern, hier spielt man aus Spaß, vor nicht einmal 20 Zuschauern. Der Trainer Rönsahls hat italienische Wurzeln, auf dem Feld kicken Deutsche, Türken, Griechen miteinander und gegeneinander. Im 30 Kilometer entfernten Lüdenscheid haben 15 Prozent der 76.000 Einwohner einen Migrationshintergrund, sie stammen aus fast hundert Nationen. Haase trifft auf Teams wie Türkgücü Lüdenscheid, Hellas Werdohl, Polonia Lüdenscheid. Kann jemand, der sich eine Gesellschaft ohne Migranten wünscht, neutral gegenüber Migrantenvereinen sein?

„Als Schiedsrichter schaue ich auf die Beine, nicht aufs Gesicht. Ich hätte keine Zeit, um mir nach einem Foul Gedanken über die Herkunft der Spieler zu machen“, sagt Haase. „Mir hat noch niemand Unfairness nachgewiesen. Ob ein deutscher Spieler einen türkischen Spieler beschimpft oder umgekehrt: Bei einer Roten Karte mache ich keinen Unterschied.“ Haase knüpft sorgfältig formulierte Sätze aneinander, plumpe Hetze ist ihm fremd, zumindest während des Interviews für dieses Buch. Er hat gelernt, auf Vorwürfe zu reagieren, bevor diese unangenehm für ihn werden können. Viele in seinem Umfeld geben sich damit zufrieden, auch deshalb sind Proteste gegen ihn verstummt.

Haase bezeichnet sich selbst als Nationalisten: „Leider leben wir nicht in einer Demokratie. Die Meinungsfreiheit ist stark eingeschränkt, es gibt keine Parteienfreiheit. Auch bestimmte geschichtliche Themen darf ich laut Gesetz nicht ansprechen.“ Kann Haase, der die Verfassung für fragwürdig hält und nicht an die Demokratie glaubt, auf dem Rasen als Schiedsrichter Gleichberechtigung fördern? Kann er seine Gesinnung für 90 Minuten ausblenden? Selbst wenn nicht: Bis April 2011 hat er etwa 50 Spiele gepfiffen.

Seit 1987 ist Stephan Haase politisch aktiv. Zunächst in der „Nationalistischen Front“, bis diese am 16. November 1992 verboten wird, wegen ihrer „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“. Haase ist lange einer der Betreiber des „Donner Versandes“, eines großen Vertriebs für Rechtsrock und einschlägige Devotionalien. 1995 werden in dessen Räumen ein Video des Holocaust-Leugners Thies Christophersen und T-Shirts mit dem Emblem der verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann beschlagnahmt. Haase wird wegen Volksverhetzung und Verbreitung von Kennzeichen einer verfassungsfeindlichen Organisation zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, die Haftstrafe wird in der Berufung auf sechs Monate reduziert. Zwischen 2002 und 2008 ist Haase Landesvorsitzender der NPD in Nordrhein-Westfalen, inzwischen ist er Stellvertreter. Er lässt sich bei neun Wahlen als NPD-Kandidat aufstellen, auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Seit September 2009 sitzt Haase als einziges NPD-Mitglied im Stadtrat von Lüdenscheid. Rund 250 Stimmen haben ihm gereicht, eine Fünfprozent-Hürde gibt es nicht mehr. Er ist einer von 50 Ratsherren. Anträge für die Tagesordnung darf er nicht stellen, dafür bräuchte seine Partei einen zweiten Sitz. Politisch ist er isoliert – im Fußball ist er ein geschätztes Mitglied der Familie.


Hobby im Idyll: Bis April 2011 hat NPD-Funktionär Stephan Haase etwa 50 Spiele in der Kreisliga C gepfiffen.

Protest gegen die Protestierenden

Eine Etatdebatte im Stadtrat beginnt Haase im November 2010 mit den Worten: „Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Volksgenossinnen und Volksgenossen“. Daraufhin stellt der Sozialdemokrat Dieter Dzewas, seit 2004 Bürgermeister Lüdenscheids, Strafanzeige gegen Haase, da er den Begriff des Volksgenossen im historischen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus verortet, im Januar 2011 wird das Verfahren eingestellt. Dieter Dzewas sagt, er habe eine Einstellung nicht ausgeschlossen, doch er wollte ein Zeichen setzen, öffentlich: „Wir dürfen nicht denken, dass sich das Problem von selbst erledigt. Herr Haase und seine 250 Wähler repräsentieren keine Mehrheit, aber seine Stimmen stehen auch für Stimmungen. Er versucht Bedrohungsängste, Vorurteile und Wagenburgmentalitäten für sich zu nutzen. Damit müssen wir uns offensiv auseinandersetzen.“

Dieter Dzewas, 1955 in Lüdenscheid geboren, nimmt sich an einem Sonntag ausführlich Zeit für ein Interview. Links neben seinem Schreibtisch hängt ein Porträt seines politischen Vorbilds: Erwin Welke. Der Sozialdemokrat hatte sich mehrfach gegen die Nationalsozialisten erhoben, wurde dafür immer wieder verhaftet. Dzewas erinnert an die sechziger Jahre, als drei NPD-Mitglieder im Stadtrat Lüdenscheids saßen. Er verweist auf Mitglieder des rechtsextremen Dortmunder Fanklubs Borussenfront, die in Lüdenscheid für Aufregung gesorgt haben. Er erwähnt die Republikaner, die in den neunziger Jahren in einigen Stadtteilen zweistellige Wahlergebnisse erzielten. Dzewas berichtet von einer Schülerdemonstration gegen Haase, schildert Ausstellungen des ansässigen Museums über den Nationalsozialismus. „Für Jugendliche brauchen wir zeitgemäße Formen der politischen Auseinandersetzung. Und wir müssen auch unsere eigene Haltung in den demokratischen Parteien immer wieder kritisch reflektieren.“

Auf dem Kunstrasen in Rönsahl, gleich hinter Kierspe, beschäftigt sich niemand genauer mit Stephan Haase. Bis zur 20. Spielminute, bis der Unparteiische aus der Partei einen Elfmeter für den Gastgeber pfeift. Von allen Seiten stürmen Spieler aus Halver auf ihn zu, schimpfen, rudern mit den Armen. „Schau mal genau hin, Schiri!“ „Bist du noch nicht wach?“ „Du solltest in der C-Jugend pfeifen.“ Haase lässt sich nicht ablenken, mit fester Stimme sagt er: „Bitte treten Sie zurück.“ Auf seiner Notizkarte vermerkt er Rückennummern, keine Namen, er kennt niemanden persönlich. Umgekehrt ist das genauso. Alle wollen nur spielen. Sich körperlich betätigen. Spaß haben.

Im Sommer 2009 wird die Schiedsrichtertätigkeit von Stephan Haase öffentlich. Das Internetportal Indymedia berichtet von der Bürgermeisterwahl in Lüdenscheid, zudem beantwortet Kandidat Haase einen Fragebogen der Lokalpresse. Die „Westfälische Rundschau“ zitiert am 17. Oktober 2009 den Rechtsanwalt Heiko Kölz, den Vorsitzenden der Kreisspruchkammer im Fußballkreis: „Solange eine Partei nicht verboten ist, wird der DFB kaum ein Ausschlussverfahren durchsetzen können.“ Die Zeitung „Revierkick“ lässt in ihrer Ausgabe 44 Georg Heimes zu Wort kommen, den Schiedsrichter-Obmann des Kreises: „Ich denke nicht, dass die Situation kritisch ist. Wenn er ordentlich pfeift und seine Leistung bringt, gibt es keinen Grund zu handeln. Es hat sich bei uns kein einziger Verein gemeldet und gesagt, dass sie ihn nicht als Schiedsrichter haben möchten. Warum sollen wir jetzt das Feuer legen?“


Großes Echo: Schlagzeilen der örtlichen Zeitungen zum „Fall Haaase“.

Anderthalb Jahre später hat Bernd Benscheidt die Artikel der Lokalpresse auf seinem Esstisch ausgebreitet, er schüttelt den Kopf. „Natürlich kann Herr Haase Politik und Fußball nicht trennen. Unmöglich!“ Die Antwort kommt ohne Zögern. „Unbewusst nimmt er seine Gesinnung mit auf den Platz.“ Bernd Benscheidt ist Sprecher der Friedensgruppe Lüdenscheid, seit 1999 setzt sie sich ehrenamtlich gegen Diskriminierung und für Toleranz ein. Er skizziert eine Chronik der Verharmlosung und Verdrängung. Denn die Debatte verstummt, ehe sie richtig beginnt.

Bernd Benscheidt wendet sich Ende 2009 mit seiner Friedensgruppe an den DFB und den Zentralrat der Juden. Daraufhin findet im März 2010 ein zweistündiges Gespräch im Sportzentrum Kamen-Kaiserau statt. Vertreter des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen und des Fußballkreises Lüdenscheid kommen unter der Moderation des DFB-Vize und Landesverbandschefs Hermann Korfmacher zu dem Schluss, dass Stephan Haase juristisch nicht auszuschließen sei. „Haase darf weiter pfeifen“, titeln die „Lüdenscheider Nachrichten“ am 20. März 2010. Bernd Benscheidt: „Wir hatten einen langen Schriftwechsel und ein vertrauensvolles Gespräch. Viele schöne Worte, aber am Ende kam nichts dabei heraus. Der DFB gibt viel Geld für Kampagnen gegen Rassismus aus. Aber wenn es darauf ankommt, stehen wir allein da. Da fühlt man sich hilflos.“

Benscheidt geht es nicht nur um den Namen Haase, es geht ihm um die Ideologie, die Haase mit seiner Anwesenheit mit Bedeutung auflade. „Wir gehen nicht davon aus, dass er sein Schiedsrichteramt für Diskriminierungen missbraucht. Aber er kommt im Fußball immer wieder mit jungen Leuten ins Gespräch. Bewusst oder unbewusst spielt Politik da eine Rolle.“ Benscheidt wünscht sich einen Rauswurf Haases aus dem Fußballverband, auch wenn dieser danach mit einem Einspruch erfolgreich sein könnte. „Zumindest hätten wir eindeutig Flagge gezeigt“, glaubt Benscheidt. „Wir haben viele Vereine angeschrieben, aber niemand wollte sich äußern. Wir fühlen uns im Stich gelassen. Die Diskussion ist eingeschlafen. Herr Haase darf weitermachen – als wäre das ganz normal.“

Der NPD-Kreisvorsitzende Timo Pradel überschreibt den Protest gegen Haase 2009 auf der Internetseite seiner Partei für Lüdenscheid mit den Worten: „Totalitäre Machenschaften: Linksextreme Hatz auf NPD-Ratsherrn“. Weiter schreibt er: „Die selbsternannten Gesinnungswächter haben bereits ohne Erfolg im Vorfeld der Kommunalwahl versucht, mit Hilfe der politisch gleichgeschalteten Lokalpresse Druck auf die heimischen Fußballvereine und den Deutschen Fußballbund auszuüben. In einem Anflug geistiger Umnachtung wandten sich die Pseudodemokraten sogar an den ‚Zentralrat der Juden‘. Man darf schon jetzt gespannt sein, ob der DFB Stephan Haase, der sich als Schiedsrichter übrigens noch nie etwas zuschulden kommen lassen hat, den Rücken stärkt, oder ob er vor den totalitären Machenschaften einiger durchgeknallter Gesinnungswächter einknickt.“

Stephan Haase wählt für die gleichen Gedanken harmlosere Worte: „Meine Gegner werfen mir vor, ich sei gegen die Demokratie. Aber sie selbst wollen mich aus dem Sport ausschließen – das ist keine Demokratie.“ Haase richtet den Protest gegen die Protestierenden. „Ich kann die Heuchelei des politischen Gegners wunderbar in Unterhaltungen einfließen lassen, dadurch wird meine Position gestärkt, das honoriert auch die NPD.“ Spätestens im nächsten Wahlkampf kann Haase mit seinem Ehrenamt wuchern – und mit seiner vermeintlichen Standfestigkeit.

„Freundliche Gastgeber, ob 1936 oder 2006“

Manchmal erweckt Stephan Haase den Eindruck, als sei er enttäuscht, dass seine Schiedsrichtertätigkeit nicht zu einem größeren, bundesweit diskutierten Politikum geworden ist. Er sagt, er habe im Januar 2007 eine Anzeige in der Lokalzeitung gelesen und sich spontan für den Schiedsrichter-Lehrgang angemeldet. „Ich habe dort nicht über meine NPD-Tätigkeit gesprochen, das mache ich an der Supermarktkasse oder vor dem Busfahrer auch nicht. Ich habe damit gerechnet, dass mich jemand erkennt und ich meinen Schein vielleicht nicht erhalten würde.“ Von Beginn an bittet Haase um Einsätze in der Kreisliga C, deren Spiele am Sonntag stattfinden, er braucht für seine Partei an einem Tag des Wochenendes Planungssicherheit. Welche Spiele er leitet, bestimmt ein Computerprogramm. Haase ist Mitglied von Rot-Weiß Lüdenscheid, auch dort hat man nichts gegen ihn. „Vor dem Spiel kontrolliere ich die Tore und Spielfeldlinien, während des Spiels pfeife ich, danach schreibe ich einen Bericht und fahre nach Hause.“ Was passiert in der Kabine, auf dem Parkplatz, im Klubheim? „Theoretisch besteht die Möglichkeit, aber das mache ich nicht.“


Bürgermeister Dieter Dzewas

Folgt man der Argumentation von Stephan Haase, so hat er zwei Identitäten, die er wie ein Kostüm beliebig über- und abstreifen kann. Dass er durch seine Aussagen, seine Vergangenheit, sein Umfeld Einfluss auf das Demokratie- und Toleranzverständnis des Sports nimmt, ob er auf dem Rasen steht oder nicht, will er nicht zugeben. Er sagt, dass er sich von der Nationalmannschaft, deren Spieler verschiedene Wurzeln haben, nicht repräsentiert fühle. Er kritisiert jene Kicker, die das Singen der Nationalhymne verweigern. Allerdings pfeift er in der Kreisliga C Woche für Woche Miniaturformationen dieses Multikulturalismus. Er sagt: „Im Sport vertreten wir Nationaldemokraten in der Gegenwart, genau wie die Nationalsozialisten früher, die Meinung, dass der Beste gewinnen soll. Wir Deutschen waren immer faire und freundliche Gastgeber, ob 1936, 1972, 1974 oder 2006.“ Er bringt Olympia im Dritten Reich mit den Spielen in München oder der Fußball-WM auf eine Ebene – auch auf Nachfrage will er keine Trennlinie zu Hitlers Propagandashow ziehen. Wie würde er mit Migrantenvereinen umgehen, wenn die NPD an der Macht wäre? „Da wir den Ausländeranteil herunterfahren würden, würde sich diese Frage schnell erledigt haben.“


Friedensaktivist Bernd Benscheid.

Das Interview, das Stephan Haase für dieses Buch gibt, sei sein zweites überhaupt zum Thema Fußball. Die Lokalreporter schreiben über ihn, aber reden nicht mit ihm, dabei sei er für jeden zugänglich. Juristisch sei ihm nichts vorzuwerfen, verkünden Funktionäre der Fußballverbände, nur durch Proteste könne er zum Rücktritt bewegt werden. Eine Protestbewegung der Zivilgesellschaft könnte sich an den demokratiefeindlichen Aussagen Haases entzünden. Oder an seinen Nebentätigkeiten als Schiedsrichter: Am 14. Juli 2010 berichtet der Rechtsextreme René Laube auf der Internetseite der NPD in Düren: „Dank gebührt auch dem stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD-NRW, Stephan Haase, der den ganzen Tag über als Schiedsrichter auf dem Platz stand.“

Vier Tage zuvor: Der Kreisverband Düren veranstaltet ein Turnier für „nationale Aktivisten“. Die Teams heißen Sturm 8, Freie Nationalisten Siegen, Freie Kräfte Köln, NS Wuppertal, NS Essen, Nationaler Widerstand Leverkusen, Skinhead Front Dorstfeld, SC Schafspelz oder Asoziale Randgruppe Istanbul. Ein Video im Internetportal YouTube, unterlegt mit dramatischer Musik, zeigt Kicker auf einen staubigen Bolzplatz. Claus Cremer, Chef der NPD in Nordrhein-Westfalen, sagt: „Solche Veranstaltungen dienen der Kameradschaftspflege und sind wunderbar geeignet, den Zusammenhalt untereinander zu fördern.“ Teilnehmer sprechen von „gelebter Volksgemeinschaft“ oder dem „Kennenlernen von Kameraden für den Kampf gegen das System“. Ein Spieler bezeichnet sich als „nationalen politischen Soldaten“, Stephan Haase ist in dem Film nicht zu erkennen. Dass er möglicherweise mit Mitgliedern von verbotenen Kameradschaften Sport getrieben hat? Wäre ihm egal: „Die Verbotspraxis des Staates ist ein Witz. Wo Gruppen verboten werden, gibt es keine Demokratie.“

Darf jemand an einem Tag Begegnungen zwischen Spielern leiten, die den Staat ablehnen, und am nächsten Tag die Bühne des Breitensports betreten, die der Staat mit Millionen fördert? Natürlich dürfe er das, sagt Stephan Haase, und verweist auf Kollegen der NPD, die Probleme im Sport bekommen haben sollen. Zum Beispiel der Landeschef: Claus Cremer hatte in Bochum eine Jugendmannschaft betreut. Die DJK Wattenscheid entband ihn im September 2010 von seinen Pflichten. Haase zählt andere Namen auf, geriert sich als politisch Verfolgter. Er sitzt nun im schummrigen Vereinsheim des TSV Rönsahl und tippt den Spielbericht in einen alten Computer, an den Wänden hängen vergilbte Fotos und Wimpel. Hinter ihm stehen Vertreter beider Mannschaften und sprechen über das letzte Heimspiel von Borussia Dortmund. Was wohl sonst diskutiert wird, wenn kein Journalist anwesend ist? Sollte Rot-Weiß Lüdenscheid Stephan Haase irgendwann ausschließen, sagt er, habe er zwei Angebote von anderen Vereinen: „Ich brauche mir also keine Sorgen machen.“

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