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Der Schweiß lief mir immer wieder ins linke Auge, das allein vom bloßen Blinzeln brannte wie Feuer. Durch das andere konnte ich schon lange nichts mehr sehen. Ungeachtet dessen versuchte ich, meinen Gegner Garcia im Blick zu behalten. Die Geräusche um mich herum verschwammen zu einem undeutlichen Rauschen. Ich hörte nur Robs Schreie, weil er direkt am Käfigrand stand und in meine Richtung brüllte: »MACH DIE TECHNIK SAUBER, VERDAMMT! DER KICK! RAGE!«

Luft strömte mit schweren Atemzügen in meinen Brustkorb, den ich ebenfalls kaum noch spürte. Mein gesamter Körper war taub. Doch mein Gegenüber sah genauso beschissen aus, wie ich mich fühlte. Ich hatte ihm stark zugesetzt. Trotzdem stand mein Sieg auf der Kippe. Punktemäßig waren wir gleichauf. Ich durfte nicht verlieren. Das war einfach keine Option. Ich war wertlos ohne den Sieg.

Garcia stürmte auf mich zu. Ich blockte seinen geraden Punch und versuchte, ihm einen Haken zu verpassen. Doch er war schneller. Ruckartig wich er zur Seite aus. Während ich mich noch in der Bewegung befand, verlagerte er sein Gewicht zu einem Kick und traf meine Rippen. Der Schmerz durchbohrte meine gesamte linke Flanke. Ich kannte dieses Gefühl. Damit konnte ich umgehen, nahm es sogar gerne entgegen, denn ich hatte genau diesen Schmerz verdient. Jeden einzelnen Schlag davon. Immer wieder. Bis zum Ende meines Lebens.

Dennoch war mein Siegeswille seit meiner Kindheit antrainiert und deutlich größer als der Drang nach verdientem Leid. Es war wie eine Sucht, ein Trieb, den ich einfach nicht abstellen konnte. Nur dadurch fühlte ich mich lebendig. Eigentlich stieg ich nur deswegen in den Ring. Ich brauchte den Rausch, um zwischendurch etwas zu fühlen.

Ich konterte, Blut floss mir in die Augen.

»BEENDE ES, RAGE! JETZT!«

Ich lief auf Garcia zu. Variierte eine schnelle Abfolge von Kicks und Punches. Er versuchte, mich zu umklammern, entweder für eine Pause oder um meinen massiven Körper auf den Boden zu bringen. Doch durch das jahrelange Training mit meinem Vater lag meine Stärke definitiv im Boxen. Deshalb versuchte ich alles, um auf den Beinen zu bleiben, denn beim Kampf auf dem Boden könnte ich der Unterlegene sein.

Ich drehte mich aus seiner halben Umklammerung. Links. Rechts. Kick. Er konterte, aber die gesamte Wut über eine eventuelle Niederlage erfüllte meinen Kopf.

Ich hörte Robs Schreie nicht mehr.

Ich spürte meine Schmerzen nicht mehr.

Ich schmeckte das Blut auf meiner Zunge nicht mehr.

Ich wollte diesen Kampf nur zu Ende bringen. Jetzt. Als Sieger.

Mein letzter Punch traf kraftvoll auf Garcias Kinn. Er ging zu Boden. Knock-out.

Der Ringrichter zählte aus und hielt meinen Arm nach oben. Die Aggression pulsierte immer noch durch jede meiner Venen. Ich kannte diesen Zustand, und es würde einige Zeit dauern, bis er endlich durch Erschöpfung verdrängt würde. Ich befand mich in einem Strudel aus Leid und tiefster Wut. Diese beiden Gefühle spiegelten sich in meinem gesamten Leben wider. Sie halfen mir im Ring, um als Sieger hervorzugehen. Doch es dauerte eine ganze Weile, bis ich sie wieder fest unter Verschluss hatte, und in letzter Zeit gelang es mir immer schwerer.

Der Ringrichter entließ mich. Mein Manager und gleichzeitig bester Freund Sam stürmte auf mich zu, genauso wie Rob und der Ringarzt. Ich schüttelte alle ab und stapfte in die Kabine. Immer wieder strich ich mir mit dem Handrücken, der in fingerlosen Handschuhen steckte, über die blutenden Wunden in meinem Gesicht. Ich hätte fast verloren. Das konnte ich nicht ertragen. Siegen war der einzige Lebensinhalt, der mir blieb. Ich war ein Nichts.

»Rage!«

»Shawn!«

»Bleib doch stehen!«

Menschen redeten auf mich ein, und ich blendete sie genauso aus wie die Geräusche gerade im Ring. In der Umkleide angekommen, trat ich mit dem nackten Fuß gegen den Blechspind. Eine Delle blieb zurück, und ich holte erneut aus. Es hatte nicht gereicht.

»Verpisst euch alle«, knurrte ich. Ich war ein Versager. Auch wenn der Ringrichter meine Hand zum Sieg gehoben hatte, hatte ich mich während des Kampfes nicht vollständig unter Kontrolle gehabt. In meinen Augen hatte ich nicht gewonnen. Ich hatte es nicht verdient!

»Mister Dawson, Sie müssen versorgt werden!« Der Ringarzt stellte sich mit verschränkten Armen seitlich neben mich.

»Ich hab gesagt: Verpisst euch! Alle!«, schrie ich und trat noch ein weiteres Mal zu. Er wich zurück.

»Ist in Ordnung, Joe macht das …«, hörte ich Robs halb besorgte Stimme wie als lästiges Hintergrundgeräusch.

»Shawn!« Sam klang bestimmend, und ich verharrte. Er war der Einzige, der mich bei meinem richtigen Namen nannte. »Reg dich ab, verdammt! Du hast gewonnen, also komm wieder runter! Scheiße noch mal!«, fluchte er, und ich senkte den Kopf.

»Ich weiß, in welchem Rausch du bist, wenn du im Ring stehst, aber es ist vorbei«, sagte er.

Ich presste die Kiefer aufeinander, bis es knackte. Einmal noch krachte mein Fuß volles Rohr in die Spindtür, daraufhin drehte ich mich um. Mein Atem ging schnell, unzählbare Stellen an meinem Körper schmerzten, das Blut tropfte von meinem Gesicht zu Boden.

»Okay«, sagte ich atemlos, und Sam nickte. Er schaffte es nicht wirklich, mich runterzubringen, doch hatte ich meistens so viel Respekt vor ihm, mich zumindest äußerlich zu beruhigen. Oft. Nicht immer.

»Meine Güte, deine Launen nach den Kämpfen werden immer schlimmer«, maulte er und fuhr sich durch die dunklen Haare. Mein Blick glitt zu Boden, meine Hände waren zu Fäusten geballt. Ich kam nicht darüber hinweg, dass ich fast das Weiterkommen in die nächste Runde und somit den Kampf in Atlanta vergeigt hatte.

Atlanta. Allein wenn ich an die Stadt dachte, bekam ich Kopfschmerzen. Doch sie war nur eine Zwischenstation. Für mein nächstes großes Ziel. New York.

Sam fluchte etwas auf Spanisch und winkte Joe, meinen persönlichen Physiotherapeuten und somit den einzigen, den ich an mich heranließ, herein, damit er mich versorgen konnte. Auch wenn Samuele, wie seine Eltern ihn getauft hatten, schon viele Jahre hier lebte, hörte man immer noch den Latino bei ihm heraus. Er war ein Jahr älter als ich, hatte früher ebenso gekämpft, und aus diesem Grund war er nach Amerika gekommen. Allerdings hatte er nicht wirklich viel Talent und war nicht sehr weit gekommen. Er hatte umgesattelt und war seither der beste Manager und Freund, den ich mir wünschen konnte. Er war einer der zwei Menschen in meinem Leben, die ich respektierte. Und das zu erreichen, schaffte man nicht leicht.

»Setz dich!«, knurrte Sam und legte seine Hand auf meine Schulter, damit ich auf der Bank, in der Mitte des Raumes, Platz nahm. Joe stellte sich vor mich und studierte meine Verletzungen im Gesicht. Es brannte, als er mit seinem fetten Daumen auf meine Augenbraue drückte, und ich zog zischend den Kopf weg.

»Pass doch auf! Lass es einfach!« Wütend schlug ich seine Finger weg.

»Du musst versorgt werden! Rage, stell dich nicht an wie ein kleines Mädchen, wenn es seinen Teddy verliert! Du hast schon weitaus schlimmere Schläge im Ring kassiert«, mischte sich nun Rob ein. Er zeigte auf meine Hände, und ich hielt ihm diese hin, damit er mir die fingerlosen Handschuhe ausziehen konnte. Nur mit Mühe schaffte ich es, meine verkrampften Fäuste zu öffnen.

Joe kam mit einem getränkten Wattebausch zurück, und ich sah ihn warnend mit zu Schlitzen verengten Augen an. Er vermied es, meinen Blick zu erwidern, und ich fühlte sein Unwohlsein in Bezug auf mich. Obwohl ich ihn bisher kein einziges Mal verletzt hatte. Zumindest nicht körperlich. Aber für einen Physiotherapeuten, der im Kampfsport tätig war, war er ein ganz schönes Weichei. Er nervte mich. Allein seine Anwesenheit war mir zu viel, auch wenn er erst seit zwei Monaten für mich arbeitete.

Angespannt schloss ich die Finger zur Faust und öffnete sie wieder. Ich war immer noch nicht über den Berg. Manchmal dauerte es Stunden, bis ich wieder vollständig unten war. Manchmal eine ganze Nacht.

Oft halfen nur Alkohol und Frauen, um mich davon abzulenken. Und ich spürte, dass genau das heute der Fall sein würde.

Rage

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