Читать книгу Schweigen, wenn alles in dir schreit - Rosemarie Ruppen - Страница 9

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Der erste Arbeitstag war anstrengend. Sarah versuchte, so gut es eben ging, die Kunden zu bedienen. Sie staunte, wie locker die Frauen mit Geld umgingen. Nach dem Preis wurde selten gefragt. Das kannte Sarah nicht. Am Abend war sie sehr müde. Die Arbeit hatte ihr gefallen und sie freute sich auf den nächsten Tag. Sarah hatte sich gut eingelebt. Die Abende verbrachte sie mit Lesen und Musik hören. Anna hatte ihr ein kleines Radio und Bücher ausgeliehen.

Manchmal gesellte sie sich zu ihren Mitbewohnern. Es war für sie als junges Mädchen nicht immer einfach in dieser Gesellschaft. Es fielen oft raue und zwiespältige Worte. Sarah musste lernen, damit umzugehen und versuchte, sich so gut es ging durchzusetzen.

Gut waren da noch drei Frauen, älter als Sarah, mit denen sie es sehr gut hatte. Mit Katrin verstand sie sich besonders gut. Sie wirkte oft traurig, in Gedanken versunken … Für Sarah war sie wie eine große Schwester. Die Arbeit erledigte sie inzwischen fast alleine. Ihre Madam lobte sie. „Du lernst aber schnell. Wir sind sehr froh, dass wir dich haben.“ Am ersten des Monats erhielt sie ihren Zahltag. Sogar etwas mehr als ihr versprochen wurde, was sie sehr freute. So konnte sie auch etwas für sich behalten. Sie wollte für einen Wintermantel sparen.

Wie abgemacht schickte sie das Geld größtenteils ihren Eltern. An ihrem freien Nachmittag ging Sarah oft mit der kleinen Lena spazieren. Sie liebte die „Kleine“, die gerade laufen lernte. Anna war froh, ihre Tochter für ein paar Stunden abzugeben. Sie erwartete ihr zweites Kind. So konnte sie sich in dieser Zeit, wenn sie nicht arbeiten musste, ein wenig ausruhen.

Auf ihren Spaziergängen lernte Sarah auch immer neue Leute kennen. Das Dorf war ihr inzwischen vertraut. Sie war nicht mehr die „Fremde“. Nur Elias, an den sie oft denken musste, hatte sie nie mehr gesehen! Oft schrieb Sarah Briefe an ihre Eltern und Geschwister. Auch mit ihren Schulkolleginnen, besonders mit Paula, ihrer besten Freundin, hatte sie regen Briefkontakt. Die Briefe endeten fast immer mit einem: „Bis bald …“ In einem Brief schrieb ihre Mutter:

… du bist nun schon länger von zu Hause fort, wir kommen dich am Sonntag besuchen …

Sarah konnte es fast nicht erwarten, ihre Eltern wiederzusehen. Endlich Sonntag, sie stand früh auf, duschte, wusch sich die Haare und kleidete sich an. Madam hatte ihr ein Kleid geschenkt, sie durfte es im Laden selber aussuchen. Sie war außer sich vor Freude! „Ich mag mich nicht erinnern, dass meine Mädchen“, sie hatte zwei Töchter, „sich jemals über ein neues Kleid so gefreut hatten“, meinte sie.

Sarah stand vor dem Spiegel, drehte sich hin und her. Sie gefiel sich selber. „Oh, siehst du schick aus“, Madam stand auf dem Balkon und winkte ihr zu. „Du kannst um zwölf mit deinen Eltern zum Essen kommen. Ich möchte sie auch kennenlernen.“ „Klar, mache ich, nochmals danke für das schöne Kleid.“ Auf dem Weg zum Bahnhof kam ihr Elias entgegen. Ihr Herz schlug höher … „Schön, dich zu sehen, Sarah, du siehst toll aus!“ Obwohl sie Elias nur kurz kannte, irgendwie schien er verändert. „Ich muss weiter. Meine Eltern kommen mich besuchen.“ „Tschau, vielleicht sehen wir uns mal wieder.“ Nervös stand Sarah am Bahnhof, bis endlich der Zug einfuhr. Ihre Eltern stiegen aus und Sarah lief ihnen entgegen.

Stürmisch begrüßten sie einander. „Wie erwachsen du geworden bist“, sagte ihr Vater. Sie verbrachten zusammen einen wunderschönen Tag. Die Zeit verging viel zu schnell! Vor dem Abschiednehmen fragte Sarah ihre Eltern: „Was meint ihr, wie lange ich noch hier bleiben muss?“ Sie hatte immer noch einen kleinen Funken Hoffnung, dass sie mit Paula ins Internat gehen durfte. „Bleib jetzt mal für ein Jahr hier. Es geht dir ja gut, dann sehen wir weiter … Ade, liebes Kind, bleibe brav …“ Sarah sah, wie der Zug davonfuhr. Und wieder war die Enttäuschung groß …

Schweigen, wenn alles in dir schreit

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