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Viertes Kapitel

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Es vergingen einige Tage, bevor ich mit dem Besitzer von Midnight Rose die Magie der ersten Stunde, die wir anschließend verloren hatten, wiederfand.

Ich mied Kyle wie die Pest, um ja auch nicht nur die kleinste Hoffnung in ihm zu wecken. Jedes Mal, wenn wir uns trafen, füllten sich seine Augen mit Begierde, stets auf der Suche meinen Blick zu kreuzen. Aber ich hielt ihn auf Sicherheitsabstand und hoffte, dass dies ausreichend wäre, ihn von erneuten unerwünschten Annäherungsversuchen abzuhalten.

Andererseits begann ich die Gesellschaft von Mrs. Mc Millian zu schätzen. Sie war ein geistreiche Frau und auf keinen Fall so geschwätzig, wie ich sie fälschlicherweise auf den ersten Blick beurteilt hatte. Sie war Mr. Mc Laine treu bis ins Knochenmark, und diese Tatsache brachte uns sehr zusammen. Ich erledigte meine Aufgaben mit leidenschaftlichem Fleiß, und war glücklich darüber, dass ich ihm zumindest einen Teil der Last von seinen Schultern abnehmen konnte. Ich vermisste unsere Wortgefechte, und mein Herz drohte zu explodieren, als sie wieder begannen.

Genauso unerwartet, wie beim ersten Mal.

„Verdammt!“

Ich hob ruckartig den Kopf, da ich über einige Dokumente gebeugt war, die ich gerade in Ordnung brachte. Seine Augen waren geschlossen, mit einem verletzlichen Ausdruck auf seinem jungenhaften Gesicht, der ich mich erweichen ließ.

„Ist alles in Ordnung?“

Sein Blick war eiskalt, und ich bedauerte es fast, dass er seine Augen wieder geöffnet hatte.

„Das ist von meinem verdammten Verleger“, erklärte er, und wedelte mit einem Blatt in der Hand. Es war ein Brief, der mit der Morgenpost gekommen war und den ich nicht bemerkt hatte. Ich war für das Sortieren der Post zuständig, und ich bedauerte, ihm den Brief nicht sofort gegeben zu haben. Vielleicht war er ja wütend auf mich, weil ich ihm eine wichtige Botschaft vorenthalten hatte. Seine nächsten Worte enthüllten jedoch das Geheimnis.

„Ich wünschte, dieser Brief wäre unterwegs verloren gegangen“, sagte er angewidert. „Er möchte, dass ich ihm den Rest des Manuskripts schicke.“

Mein Schweigen schien seine Wut zu anzufachen. „Und ich habe keine anderen Kapitel, die ich ihm senden kann.“

„Ich sehe Sie seit Tagen schreiben“, wagte ich verwirrt anzubringen.

„Es gibt Tage, da schreibe ich solchen Mist, der es nur verdient dort zu enden, wo er letztendlich auch endet“ meinte er und zeigte auf den Kamin.

Ich hatte es wohl bemerkt, dass das Feuer am Vortag angezündet worden war, und ich war auch erstaunt darüber, da die Temperaturen noch ausgesprochen sommerlich waren, aber ich hatte nicht nach einer Erklärung gefragt.

„Versuchen Sie doch, mit Ihrem Verleger zu reden. Möchten Sie, dass ich ihn anrufe?“, schlug ich schnell vor. „Ich bin sicher, dass er es verstehen wird ...“

Er unterbrach mich mit einer Handbewegung, als ob er eine lästige Fliege verjagen würde. „Verstehen was? Dass ich eine kreative Krise habe? Dass ich eine klassische Schreibblockade durchlebe?“ Sein spöttisches Lächeln ließ mein Herz höher schlagen, gerade so, als ob er es sanft berührt hätte.

Er warf den Brief auf den Schreibtisch. „Mit dem Buch geht es nicht voran. Zum ersten Mal in meiner Karriere scheine ich nichts mehr zu Schreiben zu haben, meine Quelle ist versiegt.“

„Dann machen Sie etwas anderes“, sagte ich impulsiv.

Er sah mich an, als ob ich verrückt geworden wäre. „Wie bitte?“

„Gönnen Sie sich eine Pause, einfach um zu sehen, was mit Ihnen los ist“, sagte ich verzweifelt.

„Und was soll ich tun? Etwa joggen? Eine Autofahrt? Oder ein Tennismatch?“ Der Sarkasmus in seiner Stimme war so scharf, dass er mich zerriss. Ich konnte fast die klebrige Hitze von dem Blut spüren, das aus den Wunden sprudelte.

„Es gibt nicht nur Hobbys für den Körper“, sagte ich und senkte den Kopf. „Sie könnten etwas Musik hören. Oder lesen.“

So, jetzt hätte er mich in einem Augenblick abserviert, als jemand der die größte Anhäufung von Unsinn der Geschichte von sich gegeben hatte. Stattdessen waren seine Augen wachsam auf mich gerichtet.

„Musik. Das ist keine schlechte Idee. Ich hab‘ ja nichts Besseres zu tun, nicht wahr?“ Er zeigte auf einen Plattenspieler, auf dem obersten Brett des Regals. „Nehmen Sie ihn runter, bitte.“

Ich kletterte auf den Stuhl und hob ihn nach unten, während ich die Details bewunderte. „Das ist wunderschön. Ein Original, nicht wahr?“

Er nickte, während ich den Plattenspieler auf den Schreibtisch setzte. „Ich bin schon immer ein Liebhaber von alten Dingen gewesen, auch wenn dies hier eher zum modernen Antiquariat gehört. In der roten Schachtel finden Sie Vinyl-Schallplatten.“

Ich stand vor dem Regal, die Arme ließ ich kraftlos hängen. Da waren zwei dunkle Schachteln von ähnlicher Größe auf dem gleichen Regalbrett, wo vorher der Plattenspieler stand. Ich befeuchtete meine trockenen Lippen mit der Zunge, meine Kehle war ausgedörrte.

Er rief mich voller Ungeduld. „Nun machen Sie schon, Miss Bruno. Klar, gehe ich nirgendwo hin, aber das rechtfertigt nicht Ihre Langsamkeit. Was ist los? Sind Sie eine Schnecke? Oder er haben Sie das Kyle abgeguckt?“

Ich würde mich nie an seinen Sarkasmus gewöhnen können, dachte ich wütend, als ich eine eilige Entscheidung traf. War es vielleicht an der Zeit, mich zu meiner sonderbaren Anomalie zu bekennen, oder sollte ich den Weg des geringsten Widerstands gehen, so wie in der Vergangenheit? Das heißt, einfach eine Schachtel zufällig greifen und hoffen, es wäre die richtige? Ich konnte sie nicht vorher öffnen und den Inhalt erspähen, sie waren mit großen Stücken Klebeband verschlossen. Mit dem Gedanken an die schrecklichen Kommentare, die ich über mich ergehen lassen müsste, wenn ich die Wahrheit sagen würde, traf ich eine Entscheidung. Ich kletterte auf den Stuhl und hob eine Schachtel nach unten. Ich stellte sie auf den Tisch ohne ihn anzusehen.

Ich hörte schweigend zu, wie er darin wühlte. Überraschenderweise war es die richtige. Und ich fing wieder an zu atmen.

„Hier ist sie!“ Er reichte mir eine Platte. Debussy.

„Warum diese?“ fragte ich.

„Weil ich Debussy mit neuen Augen sehe, seit ich weiß, dass Ihr Namen als Tribut an ihn gewählt wurde.“

Die primitive Einfachheit seiner Antwort nahm mir den Atem, mein Herz wand sich zwischen den Qualen der Hoffnung. Und diese waren einfach zu schön um wahr zu sein.

Ich konnte nicht träumen. Vielleicht, weil mein Geist bei der Geburt bereits das erkannt hatte, was mein Herz nicht zu tun gedachte. Dass Träume niemals Wirklichkeit werden. Zumindest nicht meine.

Die Musik nahm an Volumen zu und füllte den Raum. Zuerst sanft, dann etwas energischer, bis sie sich in ein aufregendes verführerisches Crescendo steigerte.

Mc Laine schloss die Augen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sog das Tempo und den Rhythmus auf, machte diese zu seinen eigenen und beging somit einen autorisierten Diebstahl.

Ich beobachtete ihn, und nutzte so die Tatsache aus, dass er mich nicht sehen konnte. In diesem Moment schien er mir furchtbar jung und zerbrechlich, als ob ihn eine einfache Windböe erfassen und davon tragen könnte. Auch ich schloss die Augen bei diesem unglaublichen und lächerlichen Gedanken. Er gehörte mir nicht. Er würde mir nie gehören. Rollstuhl hin oder her. Je früher ich dies erkannt hätte, desto eher würde ich meinen gesunden Menschenverstand wiederfinden, meinen tröstliche Aufgabe, mein seelisches Gleichgewicht. Ich konnte nicht den Käfig aufs Spiel setzen, in dem ich mich absichtlich eingeschlossen hatte, und das Risiko eingehen, schrecklich für eine bloße Fantasie, die eher einer Jugendlichen zustand, zu leiden.

Die Musik hörte auf, feurig und mitreißend.

Wir öffneten die Augen im gleichen Augenblick. Seine spiegelten die übliche Kälte wieder. Meine waren beschlagen und schläfrig.

„Das Buch wird so nichts“ verfügte er. „Lassen Sie den Plattenspieler verschwinden, Melisande. Ich würde gern ein wenig schreiben, oder besser gesagt, alles neu schreiben.“

Er wendete sich mit einem strahlenden Lächeln an mich. „Die Idee mit der Musik war brillant. Danke.“

„Aber ich denke ... Ich habe doch nichts Besonderes getan“, stammelte ich, wich seinem Blick und jenen Tiefen aus, in denen ich regelmäßig Gefahr lief, mich zu verlieren.

„Nein, sie haben wirklich nichts Besonderes getan“, gab er zu, und meine Moral sank in den Keller, weil er mich auf so schnelle Weise verabschiedet hatte. „Sie sind das Besondere, Melisande. Sie, nicht das, was Sie sagen oder tun.“

Sein Blick kreuzte den meinen, fest entschlossen, ihn, wie üblich, zu erfassen. Er hob die Augenbrauen, mit dieser Ironie, die ich mittlerweile so gut kannte.

„Danke, Sir“, antwortete ich zerknirscht.

Er lachte, als ob ich einen Witz erzählt hätte. Ich verübelte es ihm nicht. Er fand mich amüsant. Immerhin, besser als nichts. Ich dachte an unser Gespräch vor ein paar Tagen zurück, als er mich fragte, ob ich aus Liebe meine Beine oder meine Seele gegeben hätte. Ich antwortete damals, dass ich nie geliebt hatte, und deshalb nicht wüsste, wie ich gehandelt hätte. Jetzt wurde mir bewusst, dass ich diese Fangfrage jetzt vielleicht beantworten könnte.

Er zog den Computer vor sich und begann zu schreiben, und schloss mich aus seiner Welt aus. Ich nahm meine Arbeit wieder auf, obwohl mein Herz aufs Heftigste flatterte. Mich in Sebastian Mc Laine zu verlieben glich einem Selbstmord. Und ich hatte keine Ambitionen ein Selbstmordattentäter zu werden. Richtig? Ich war ein Mädchen mit gesundem Menschenverstand, praktisch, vernünftig, das nicht in der Lage war, zu träumen. Nicht einmal mit offenen Augen. Oder zumindest war es bisher so gewesen, musste ich mich selbst korrigieren.

„Melisande?“

„Ja, Sir?“ Ich drehte mich zu ihm, und war darüber erstaunt, dass er mit mir gesprochen hatte. Wenn er mit dem Schreiben begann, vergaß er alles und alle um sich herum.

„Ich habe Lust auf Rosen“, sagte er und deutete auf die leere Vase auf dem Schreibtisch. Bitten Sie bitte Millicent sie zu füllen.“

„Natürlich, Sir.“ Ich packte die Keramikvase mit beiden Händen. Ich wusste, wie schwer sie war.

„Rote Rosen“ präzisierte er. „Wie dein Haar.“

Ich wurde rot, auch wenn nichts Romantisches in dem war, was er gesagt hatte.

„Wie Sie wünschen, Sir.“

Ich konnte fühlen, wie sein Blick meinen Rücken durchdrang während ich vorsichtig die Tür vorsichtig öffnet und in den Flur trat. Ich ging ins Erdgeschoss hinunter mit der Vase fest in den Händen.

„Mrs. Mc Millian? Hallo?“ Es war keine Spur von der älteren Haushälterin zu finden und dann erinnerte ich mich entfernt an etwas, aber es war zu schwach, um es greifen zu können. Die Gouvernante hatte mir beim Frühstück etwas gesagt… über ihren freien Tag ... Hatte sie sich auf heute bezogen? Schwer zu sagen. Die Mc Millian war eine Quelle von verwirrenden Informationen, und nur selten gelang es mir, ihr von Anfang bis zum Ende zuzuhören. Auch in der Küche war kein Zeichen von ihr. Untröstlich stellte ich die Vase auf den Tisch neben eine Schale mit frischem Obst.

Wundervoll. Ich stellte fest, dass nun ich diejenige sei, die die Rosen im Garten auszuwählen hatte. Eine Aufgabe, die jenseits meiner Fähigkeiten lag. Es wäre einfacher, eine Wolke zu ergreifen und mit ihr Walzer zu tanzen.

Mit einem eindringlichen Brummen in den Ohren, und dem Gefühl einer bevorstehenden Katastrophe, ging ich hinaus. Der Rosengarten lag vor mir, brennend wie ein Feuer aus Blütenblättern. Rot, gelb, rosa, weiß, sogar blau. Schade, dass ich in schwarz und weiß lebte, in einer Welt, wo alles nur Schatten war. In einer Welt, wo Licht etwas Unerklärliches war, etwas Unbestimmtes, etwas Verbotenes. Ich konnte nicht einmal davon träumen, Farben zu unterscheiden, weil ich nicht wusste, was sie eigentlich waren. Und das von Geburt an.

Ich tat einen unsicheren Schritt in Richtung Rosengarten, meine Wangen glühten. Ich musste eine Ausrede erfinden, um meine Rückkehr nach oben ohne Blumen zu rechtfertigen. Es war eine Sache zwischen zwei Schachteln auszuwählen, aber eine andere gleichfarbige Rose zu schneiden. Rot. Wie ist rot? Wie sollte man sich etwas vorstellen, das man noch nie, nicht einmal in einem Buch, gesehen hatte?

Ich trat auf eine abgebrochene Rose. Ich beugte, um sie aufzuheben, sie war welk, schlaff in ihrem Pflanzentod, aber sie dufteten noch immer.

„Was machst du hier?“

Ich schob die Haare wirsch aus der Stirn, und bedauerte zutiefst, dass ich sie nicht in den üblichen Dutt gebunden hatte. Sie waren lange im Nacken und bereits schweißgetränkt.

„Ich soll Rosen für Mr. Mc Laine pflücken“, antwortete ich lakonisch.

Kyle lächelte mich mit dem gewohnt irritierenden süffisanten Lächeln an. „Brauchst du Hilfe?“

Mit diesen einfach so dahingesagten leeren und scheinheiligen Worten tat sich für mich ein Fluchtweg auf, eine unerwartete Lösung des Problems, die es sogleich festzuhalten galt.

„Eigentlich solltest du das tun, aber du warst ja nirgendwo zu finden. Wie üblich“, sagte ich bissig.

Ein Schauer huschte über sein Gesicht. „Ich bin kein Gärtner. Ich arbeite eh schon zu viel.“

Bei dieser Erklärung konnte ich ein Lachen nicht verhindern. Ich hielt eine Hand vor den Mund, so als ob ich die Heiterkeit abschwächen wollte.

Er starrte mich wütend an. „Das ist die Wahrheit. Wer hilft ihm sich zu waschen, anzuziehen, zu bewegen?“

Der Gedanke an einen nackten Sebastian Mc Laine rief fast einen Kurzschluss in mir hervor. Ihn waschen, anziehen ... das waren Aufgaben, die ich sehr gerne übernommen hätte. Der folgende Gedanke, dass dies nie meine Angelegenheit sein würde, ließ mich säuerlich antworten.

„Aber für die meiste Zeit des Tages hast du frei. Natürlich, du stehst zur Verfügung, wirst aber selten gestört“, legte ich noch oben drauf. „Komm schon und hilf mir.“

Er entschloss sich mir zu helfen, auch wenn er noch verärgert war. Ich drückte ihm die Schere in die Hand und sagte lächelnd. „Rote Rosen.“

„Wie Sie wünschen“, grummelte er und machte sich an die Arbeit.

Als endlich der Strauß fertig war, begleitete ich ihn in die Küche, wo wir die Vase holten. Es schien mir praktischer und einfacher zu sein, die Aufgabe unter uns aufzuteilen. Er würde den Keramiktopf tragen und ich die Blumen.

Mc Laine schrieb noch mit ganzem Eifer. Er hielt erst inne, als er uns zusammen eintreten sah.

„Jetzt verstehe ich, warum du so lange gebraucht hast“, zischte er mich an.

Kyle verabschiedete sich schnell, nachdem er die Vase ungelenk auf dem Schreibtisch platziert hatte. Einen Moment lang befürchtete ich, dass sie umkippen würde. Er war schon weg, als ich mich daran machte die Rosen in der Vase anzuordnen.

„War das eine so schwierige Aufgabe, dass du jemand um Hilfe bitten musstest?“ fragte er, und seine Augen funkelten vor unkontrollierter Wut.

Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch, der dummerweise den Köder angebissen hatte. „Die Vase war ziemlich schwer“, entschuldigte ich mich. „Das nächste Mal nehme ich sie nicht mit.“

„Sehr weise.“ Seine sanfte Stimme war trügerisch. In Wahrheit glich er mit seinem Gesicht, das von einem Zweitagebart überschattet war, einem bösen Dämon, der aus der Unterwelt aufgestiegen war, um mich zu schikanieren.

„Ich habe Mrs. Mc Millian nicht gefunden“, beharrte ich. Ein Fisch, der sich noch immer an den Köder klammerte und nicht verstanden hatte, dass er am Haken hing.

„Ah, stimmt, es ist ihr freier Tag“, gab er zu. Aber dann kehrte seine vorübergehend abgeflachte Wut wieder zurück. „Ich dulde keine Liebesbeziehungen zwischen meinen Mitarbeitern.“

„Das würde mir nie in den Sinn kommen!“, war meine impulsive Antwort, die ich mit einer solchen Aufrichtigkeit vorbrachte, dass ich mir ein zustimmendes Lächeln von seiner Seite verdiente.

„Das freut mich.“ Seine Augen waren kalt trotz des Lächelns. „Das gilt natürlich nicht für mich. Ich habe überhaupt nichts dagegen eine Beziehung mit den Mitarbeitern zu haben, ich.“ Er betonte diese Worte um so die Verhöhnung auch noch zu verstärken.

Zum ersten Mal hatte ich große Lust ihm einen Faustschlag zu verpassen und ich erkannte, dass es bestimmt nicht das letzte Mal sein würde. Da ich mich nicht an demjenigen abreagieren konnte, der es meiner Meinung nach verdient hätte, presste ich meine Hände um den Blumenstrauß, wobei ich nicht an die Dornen gedacht hatte. Der Schmerz ereilte mich plötzlich, so als ob ich gegen Dornen immun wäre, da ich damit beschäftigt war, anderen Stacheln entgegenzuwirken.

„Autsch!“ Ich zog meine Hand schnell zurück.

„Hast du dich gestochen?“

Mein Blick sagte mehr als tausend Worte. Er streckte seine Hand aus, um die meine zu ergreifen.

„Zeig‘ mir.“

Ich streckte sie ihm wie ein Roboter entgegen. Der Tropfen Blut hob sich deutlich von der weißen Haut ab. Dunkel, schwarz für meine abnormalen Augen. Rotkarmin für seine normalen Augen.

Ich versuchte meine Hand zurückzuziehen, aber sein Griff war zu kräftig. Ich beobachtete ihn verwirrt. Seine Augen ruhten fest auf meinem Finger, wie trunken oder hypnotisiert. Und dann war es, wie üblich, vorbei. Sein Gesichtsausdruck änderte sich so sehr, dass es mir nicht gelang, etwas von ihm abzulesen. Er schien plötzlich wie angewidert, und wandte sich in Eile ab. So befreite sich meine Hand und ich führte meinen Finger an den Mund, um das Blut zu saugen.

Sein Kopf drehte sich erneut in meine Richtung, wie wenn er durch eine unaufhaltsame und unangenehme Kraft angetrieben würde. In seinem Gesicht spiegelten sich Entsetzen und Leid wieder. Nur für einen kurzen Augenblick jedoch. Überraschend und bar jeder Logik.

„Das Buch geht gut voran. Ich habe meine Schreibblockade überwunden“, sagte er, als ob auf eine nie von mir gestellte Frage antworten würde. „Könntest du mir bitte eine Tasse Tee bringen?“

Ich klammerte mich an seine Worte, wie ein Ertrinkender, dem die Rettungsleine zugeworfen wird. „Ja, ich kümmere mich sofort darum.“

„Wirst du das dieses Mal alleine zustande bringen?“ Seine Ironie war nach dem erschreckenden Blick von zuvor fast angenehm.

„Ich werde es versuchen“, antwortete ich, und beschloss das Spiel mitzuspielen.

Diesmal traf ich Kyle nicht, und ich war erleichtert. In der Küche bewegte ich mit größerer Sicherheit als im Garten. Da ich jede Mahlzeit dort zusammen mit Mrs. Mc Millian einnahm, kannte ich alle ihre Verstecke. Ich fand problemlos den Teekessel im Schrank neben dem Kühlschrank, und die Teebeutel in einer Blechdose in einem anderen. Mit dem Tablett in den Händen ging ich wieder nach oben.

Mc Laine sah nicht auf, als er mich eintreten sah. Offenbar hatten seine Ohren wie Radarantennen bereits registriert, dass ich allein war.

„Ich habe sowohl Zucker als auch Honig mitgebracht, da ich nicht wusste, wie Sie Ihren Tee am liebsten trinken. Und auch Milch.“

Er grinste, als er das Tablett sah. „War es dir nicht zu schwer?“

„Ich bin schon irgendwie klar gekommen“, sagte ich würdevoll. Mich gegen seine verbalen Witze zu verteidigen, wurde langsam zu einer unverzichtbaren Gewohnheit, die ohne Frage dem tragischen Ausbruch von vor wenigen Minuten vorzuziehen ist.

„Sir…“ Es war der Moment gekommen, eine wichtige Frage zu stellen.

Er schenkte mir ein Lächeln voll ehrlichem gutem Willen, wie ein Monarch der seinem Untertan wohlgesinnt ist. „Ja, Melisande Bruno?“

„Ich wollte wissen, wann mein freier Tag sein wird“, sagte ich furchtlos in einem Atemzug.

Er breitete seine Arme aus und streckte sich genüsslich, bevor er antwortete. „Freier Tag? Du bist noch nicht einmal richtig angekommen, und schon willst du mich loswerden?“

Ich verschob das Gewicht von einem auf den anderen Fuß, während ich ihn beobachtete wie er einen Löffel Milch und einen Löffel Zucker in den Tee gab und danach vorsichtig daran nippte. „Heute ist Sonntag, Sir. Der freie Tag von Mrs. Mc Millian. Und morgen ist es genau eine Woche, dass ich hier bin. Vielleicht sollten wir darüber reden, Sir.“ Von seiner Miene war abzulesen, dass er nicht bereit wäre, mir einen freien Tag zu gewähren.

„Melisande Bruno, denkst du vielleicht, dass ich dir keinen freien Tag gebe?“, fragte er spöttisch, so als ob er meine Gedanken gelesen hätte.

Ich murmelte schon etwas wie nein, ich würde doch an so etwas nicht im Traum denken, völlig absurd, als er fortfuhr. „… denn dann hast du absolut Recht.“

„Vielleicht habe ich Sie nicht recht verstanden, Sir. Ist das wieder einer Ihrer Scherze?“ Ich bemühte mich, nicht die Kontrolle zu verlieren und so war meine Stimme eher schwach.

„Und wenn es dem nicht so ist?“, erwiderte er und blickte mich mit seinen Augen an, die so unergründlich waren wie ein Ozean.

Ich starrte ihn mit offenem Mund an. „Aber Mrs. Mc Millian ...“

„Auch Kyle hat keine freien Tage“, erinnerte er mich mit einem verschmitzten Lächeln. Ich hatte das dringende Gefühl, dass er sich aufs Beste amüsierte.

„Er hat keine festen Arbeitszeiten so wie ich“, sagte ich genervt. Ich hatte große Lust, das Dorf und die Umgebung des Hauses zu erkunden, und es nervte mich, dass ich für meine Rechte kämpfen musste.

Er verzog keine Miene. „Er steht immer zu meiner Verfügung.“

„Und wann sollte ich denn mal rauskommen?“ fragte ich etwas lauter. „In der Nacht vielleicht? Ich habe von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang frei ... Anstatt zu schlafen, soll ich ein bisschen spazieren gehen? Im Gegensatz zu Kyle lebe ich hier, ich gehe nicht abends nach Hause.“

„Wag‘ es nicht in der Nacht auszugehen. Es ist gefährlich.“

Seine gedämpften Worte prägten sich in mein Bewusstsein ein und verursachten ein schwaches Aufflackern eines Wutanfalls. „Wir befinden uns in einer Sackgasse“, sagte ich mit genauso kalter Stimme wie er. „Ich möchte die Umgebung kennenlernen, aber Sie geben mir dazu keinen Tag frei. Andererseits jedoch raten Sie mir eindringlich davon ab, nachts auszugehen, weil Sie es für gefährlich halten. Was soll ich denn dann tun?“

„Du bist noch schöner, wenn du wütend bist, Melisande Bruno“, beobachtete er völlig unangemessen. „Die Wut verleiht deinen Wangen ein wunderschönes Rosa“.

Ich räkelte mich für einen köstlichen Moment in der Freude über dieses Kompliment, doch dann nahm der Zorn doch Überhand. „Und, was ist jetzt? Werde ich also einen freien Tag haben?“

Er lächelte mich schief an und meine Wut verblasste, sie wurde durch eine Erregung ganz anderer und unvorstellbarer Art ersetzt.

„Ok, nehmen Sie den Sonntag“, stimmte er schließlich zu.

„Sonntag?“ Er hatte sich so schnell nachgegeben, dass es mich verwirrte. Er war so schnell in seinen Entscheidungen, dass ich bezweifelte ihm folgen zu können. „Aber es ist auch der Tag von Frau Mc Millian ... Sind Sie sicher, dass ...?“

„Millicent hat nur den Morgen frei. Sie können den Nachmittag haben.“

Ich nickte ohne Überzeugung. Im Moment musste ich damit zufrieden sein. „Einverstanden.“

Er zeigte auf das Tablett. „Könnten Sie das bitte in die Küche bringen?“

Ich war schon an der Tür angekommen, als mich ein Gedanke wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf. „Warum ausgerechnet Sonntag?“

Ich drehte mich zu ihm um. Auf seinem Gesicht lag der Ausdruck einer Klapperschlange, und plötzlich war mir alles klar.

„Denn heute ist Sonntag, und so muss ich ganze sieben Tage warten.“ Ein Pyrrhussieg. Ich war so wütend, dass ich fast versucht war, ihm das Tablett entgegenzuschleudern.

„Das geht schon vorüber“ wiegelte er amüsiert ab. „Und, schlagen Sie beim Hinausgehen nicht die Tür zu.“

Ich war versucht, genau das zu tun, aber leider behinderte mich das Tablett. Ich hätte es auf dem Boden abstellen müssen und so verzichtete ich darauf. Wahrscheinlich hätte er es noch mehr genossen.

In dieser Nacht habe ich zum ersten Mal in meinem Leben geträumt.

Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen

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