Читать книгу Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 44
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ОглавлениеMit Drehbassen wußten auch die Seewölfe umzugehen. Al Conroy, Hasards Waffenexperte, stand bereits seit dem Einlaufen in den natürlichen Kanal hinter den beiden Hinterladern der Back parat und spähte angestrengt in die Nacht.
Carberry hatte sich neben ihm aufgebaut. Er hatte sich einen Vorrat an Höllenflaschen verschafft, die er den Piraten „unter ihre Affenärsche“ zu schleudern gedachte. Es gab zwar auch ein Katapult zum Verfeuern dieser Flaschenbomben, aber das war Ferris Tuckers Spezialität. Schließlich hatte er das Ding gebastelt – er konnte auch am besten damit umgehen. Der Profos verließ sich lieber auf seine Muskelkraft und sein Zielvermögen.
Klar zum Gefecht segelte die „Isabella“ vor dem Nordwind in die Bucht – und jetzt blitzten drüben auf den Hügeln die Mündungsfeuer der Serpentinen auf. Gleich darauf krachten am Ostufer Musketen und Tromblons. Das Gefecht hatte begonnen.
Ben Brighton hatte vorsichtshalber die Hecklaterne entfachen lassen. Er wußte zwar, daß er somit den Piraten eine Zielscheibe bot, aber er durfte auch nicht außer acht lassen, daß der Seewolf und sein Landtrupp die „Isabella“ ohne Licht in der stockfinsteren Nacht nicht sehen konnten.
Plötzlich aber riß die Wolkendecke ein wenig auf, und ein bleicher Mond zeigte sein Antlitz. Gary Andrews und Bill, die nach wie vor auf ihren Ausguckposten hockten, konnten in diesem Moment mehr von ihrer Umgebung erkennen – und Gary war es, der als erster die einmastige Schaluppe an Backbord der „Isabella“ entdeckte.
Sein Ruf schallte zum Deck hinunter.
Barbante, der ganz auf sein Vorhaben konzentriert war, die Jolle in Stücke zu schießen, wandte erst jetzt, da hinter seinem Rücken auch die Piraten auf die heranrauschende Galeone aufmerksam wurden, den Kopf.
„Streich die Flagge, Felipe!“ schrie Carberry ihm in seinem schauderhaftesten Spanisch zu. „Du hast keine Chance gegen uns!“
Barbante schwenkte die Drehbasse mit einem mörderischen Fluch so weit herum, daß ihre Mündung auf die Bugpartie der „Isabella“ wies. Er zündete, der Schuß raste brüllend aus dem Lauf und stach auf die Galion der Galeone zu. Es krachte und knirschte, Splitter flogen. Barbante lud mit, fliegenden Fingern nach, während seine Kumpane das Musketenfeuer auf den Gegner eröffneten.
Im selben Augenblick schleuderte Carberry mit einem Fluch, der noch viel übler ausfiel als der des Piratenführers, eine der Höllenflaschen. Die tanzte in wilder Flugbahn durch die Luft, senkte sich auf die Schaluppe und kollerte den Freibeutern zwischen die Füße.
Al Conroy zündete die Drehbasse auf der Backbordseite. Das Geschütz und die Flaschenbombe gingen zur selben Zeit los. Ein gewaltiger Donner, der in erster Linie natürlich durch die detonierende Flasche hervorgerufen wurde, rollte über die Bucht. Die Schaluppe der Piraten wurde regelrecht zerfetzt, im Aufflammen der Explosion wirbelten Trümmerteile und Menschen durch die Luft.
Barbante, der Glücksritter und Pirat, fühlte sich wie von einer unsichtbaren Macht angehoben. Er sah die Masten der „Gran Duque de Almeria“, des Schiffes, dessen Eroberung er schon so sicher gewesen war – es war die letzte Sinneswahrnehmung in seinem Leben, bevor die Dunkelheit alles auslöschte.
Die „Gran Duque“ eröffnete das Feuer auf die Pinasse. Dank des Mondlichtes hatte der Ausguck Don Josés den Einmaster jetzt gesichtet.
Anselmo und sein Begleiter waren mit einem gehörigen Schreck davongekommen, als die erste 4-Pfünder-Serpentinenkugel ganz in ihrer Nähe in die Fluten getaucht war. Es hatte eine Wasserfontäne gegeben, die sie naßgespritzt hatte. Anselmo hatte Corona, den er dort oben auf den Hügeln vermutete, in die Hölle verdammt für diesen verfluchten „Fehlschuß“.
Jetzt griff Anselmo die spanische Galeone an. Auch El Grullo, Josefe und die vier anderen waren mit der zweiten Schaluppe heran, um die „Gran Duque“ zu beschießen und ihr Heck zu entern.
Aber jetzt donnerten die Kanonen der „Gran Duque“ los und wenig später auch die der „Isabella“. Eine Kugel knickte der. Pinasse den Mast weg, aber restlos war es um Anselmos Fassung geschehen, als er merkte, daß er eingekesselt war. Von achtern krachte jetzt nämlich wieder das Feuer der Serpentinen, und die Einschläge lagen bedrohlich nah.
Hasard und seine neun Männer hatten auch die anderen drei Serpentinen gefunden. Sie hatten die beiden ersten mittlerweile nachgeladen und zündeten alle fünf Geschütze jetzt fast gleichzeitig. Die Pinasse und die Schaluppe waren unter dem Mondlicht gut zu erkennen. Beim vierten und fünften Schuß hatten Hasard und Ferris als Geschützführer die Eigenschaften der Serpentinen so gut kennengelernt, daß es ihnen gelang, sowohl der Pinasse als auch der Schaluppe je einen Treffer beizubringen.
Ben Brighton hatte die „Isabella“ zwei Strich westlich leicht an den Wind gedreht. Sie steuerte jetzt auf die Schaluppe zu, die dem Heck der „Gran Duque“ bedrohlich nahe war. Der Bug der Schaluppe war zwar durch die 4-Pfünder-Kugel zu Bruch gegangen, aber sie sank noch nicht und war immer noch manövrierfähig. El Grullo, Josefe und drei andere Piraten lebten noch, nur einen von ihnen hatte es erwischt. El Grullo und Josefe schickten sich allen Ernstes an, die spanische Galeone zu entern.
Carberry hatte die nächste Höllenflasche in der Faust. Er zählte bis drei, dann war die Lunte so weit weggebrannt, daß die Ladung sofort hochgehen mußte, wenn die Flasche in der Schaluppe landete. Da blieb dann keine Zeit mehr für die Piraten, das Höllending etwa aufzuheben und ins Wasser zu befördern.
Carberry warf.
Die Flasche polterte in die Schaluppe. Ihr Glas war dick genug, daß sie nicht zerbrach. Donnernd explodierte sie. Der Feuerblitz warf sein zuckendes Licht auf Carberrys wüstes Narbengesicht. Fette Rauchschwaden stiegen von der Stelle auf, an der die Schaluppe sank. Sie hüllten auch das Heck der „Gran Duque de Almeria“ zu einem Teil ein. Soviel konnten die Männer der „Isabella“ aber sehen: Die Achterpartie der Galeone war durch die Explosion nicht in Mitleidenschaft gezogen worden.
Philip und Hasard, die Zwillinge, konnten sich jetzt nicht mehr zurückhalten. Sie standen am Schanzkleid der Kuhl und hatten alles genau verfolgen können.
Sie stießen begeisterte Pfiffe aus, und Philip rief: „Ein Meisterwerk, Mister Carberry!“
Arwenack, der Schimpanse, hockte neben ihnen an Deck, fletschte die Zähne zu einer Art Grinsen und klatschte eifrig in die Vorderpfoten. Sir John, der karmesinrote Aracanga, flatterte, um das Bild zu vervollständigen, krächzend über den Köpfen der drei herum.
„Maul halten, ihr Kakerlaken“, sagte Carberry in seiner freundlichsten Art. „Ihr habt nur zu reden, wenn ihr gefragt werdet, verstanden?“
Wieder feuerte die „Gran Duque“. Ihre Steuerbordgeschütze spien Tod und Verderben gegen die Pinasse der Piraten aus. Anselmo rettete sich gerade noch rechtzeitig, bevor die Kugeln einschlugen, durch einen Sprung ins Wasser.
Er schwamm zum Ostufer, kroch schweratmend an Land und lief auf das Dickicht zu. Er sah den Mann, der gleich in der ersten Buschreihe kauerte, nicht. So lief er in das Messer, das ihm plötzlich entgegenzuckte, blindlings hinein. Mit einem Schrei stürzte er auf den weißen, körnigen Sand. Hier hauchte er sein Leben aus.
Luis Benavente, der Messerwerfer, wandte sich ab und arbeitete sich tiefer ins Dickicht.
„Narr“, murmelte er. „Ich werde auch deine Kumpane, die es überlebt haben, töten. Einen nach dem anderen – bis diese Insel mir gehört.“
Er hatte es vorgezogen, von Bord der „Gran Duque“ zu fliehen, als sich ein günstiger Moment dafür ergeben hatte. Man mußte die Zeichen der Zeit erkennen und das Beste aus seiner Lage herausholen. Kapitän Don José Manuel Ramos hätte aufgrund von Andrés Nortes de Checas Aussagen gewiß noch herausgekriegt, welche krummen Touren sein Waffenmeister versucht hatte. Um eine Bestrafung wäre er, Benavente, also nicht herumgekommen. So zog er es vor, sich heimlich davonzustehlen.
Vielleicht, dachte er, vielleicht glauben sie ja, ich sei im Kampf getötet worden und in die Bucht gestürzt. Es wäre das Beste für alle.
Die „Isabella“ war bei der „Gran Duque de Almeria“ längsseits gegangen. Hasard, der sich mit seinen Männern und dem Mädchen Florinda inzwischen von den Hängen zurückgezogen hatte, ließ sich mit einer Jolle zu seinem Schiff übersetzen.
Wenig später erschien Don José persönlich an Bord der „Isabella“, um sich für die Hilfe zu bedanken.
Nachdem er Hasard die Hand geschüttelt hatte, sagte er: „Ich muß ehrlich gestehen, ich hatte Sie verkannt, Senor Killigrew. Aber Sie werden mir das sicher nachsehen.“
„Sicher tue ich das. Ich bin sogar sehr stolz darauf, einer spanischen Schiffsbesatzung aus der Patsche geholfen zu haben. Merken Sie sich, daß wir Engländer nicht die Teufel sind, als die wir meistens hingestellt werden, Don José.“
„Wissen Sie was?“ erwiderte der spanische Kapitän. „Ich halte sowieso nichts von hoher Politik. Ich bin ein Kaufmann zur See, mein lieber Freund, und für jede Unterstützung, die ich erhalte, dankbar – gleich, von wem sie kommt. Das versteht sich doch von selbst.“
„Eine kleine Gegenleistung erwarte ich aber von Ihnen“, sagte Hasard. „Und zwar bitte ich Sie, dafür zu sorgen, daß die gefangenen Piraten, die wir im Lager eingesperrt und am Fuß der Hänge zurückgelassen haben, auf einer der Nachbarinseln ausgesetzt werden. Dort können sie weniger Schaden anrichten.“
„Selbstverständlich übernehme ich das“, versicherte Don José. „Sie wollen so schnell wie möglich die Azoren verlassen, nehme ich an. Das kann ich gut verstehen.“
„Auf einer Insel der Karibik warten bereits Freunde auf mich, Senor.“
„Dann halten Sie sich wegen uns nicht länger auf …“
„Da wäre aber noch etwas, Don José.“
Der Spanier zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Betrifft es etwa – das Mädchen?“
„Erraten. Wir haben Florinda vor einem schrecklichen Schicksal bewahren können. Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß, verzeihen Sie ihr und ihrem Geliebten Andrés. Die beiden lieben sich wirklich, Sie können es mir glauben. Sie haben nichts Arges im Schild geführt. Florinda mußte sich gegen Benavente wehren, als dieser zudringlich wurde, und dabei kippte die Öllampe um.“
„Dieser verdammte Hundesohn …“
„Als blinder Passagier auf einem Segelschiff mitzureisen, ist zwar eine schlimme Sache“, fuhr Hasard fort. „Aber das Paar sah keinen anderen Weg, die Fahrt in die Neue Welt zu bewältigen – und dahin wollen die beiden nun mal. Können wir es ihnen verübeln? Ich bezahle den beiden die Reise, wenn Sie wollen. Nur vergeben Sie ihnen, und nehmen Sie sie mit nach Amerika. Vielleicht bringen Sie auch Ihren rauhen Kerlen bei dieser Gelegenheit bei, daß nicht jedes Mädchen eine Hafenhure ist.“
„Senor“, sagte der Spanier. Er holte tief Luft und schwankte einen Augenblick zwischen Empörung und Nachgiebigkeit. Dann hatte er seine innere Barriere überwunden. „Also gut, Senor Killigrew, ich willige ein. Lassen wir Gnade vor Recht ergehen. Ich verspreche, daß Andrés Nortes de Checa aus der Vorpiek befreit wird und er mit Florinda zusammen in der Neuen Welt abgesetzt wird. Ich persönlich sorge dafür, daß ihnen keiner ein Härchen krümmt.“
Hasard lächelte und winkte Florinda zu, die sich die ganze Zeit ihrer Unterredung über auf dem Achterdeck bei Old O’Flynn im Ruderhaus versteckt gehalten hatte.
Sie trat zu den Männern und reichte Don José die Hand.
„Danke“, sagte sie. „Und verzeihen Sie mir meine Dummheit, Senor.“
„Schon geschehen“, erwiderte Don José. „Die Hauptsache ist, daß wir alle mit einem blauen Auge davongekommen sind.“
Florinda drückte Hasard einen Kuß auf die Wange. „Ich werde dir nie vergessen, was du für mich getan hast, Lobo del Mar“, flüsterte sie. „Aber lege das bitte nicht falsch aus. Selbstverständlich bleiben wir nichts weiter als gute Freunde, nicht wahr?“
„Ja. Lauf jetzt zu deinem Andrés, Mädchen.“
Sie eilte leichtfüßig von der „Isabella“ zur „Gran Duque“ hinüber und war kurz darauf unter Deck der spanischen Galeone verschwunden.
Die Zwillinge hatten von der Kuhl der „Isabella“ aus alles beobachtet.
„Wer ist denn die Tante?“ fragte Philip Junior verwundert.
„Keine Ahnung“, erwiderte Hasard Junior. „Mit einemmal war sie da. Aber ich bin ganz froh, daß sie jetzt wieder abgehauen ist.“
„Stimmt. Was der wohl einfiel, Dad einfach abzuküssen!“
„Ach, kenn sich doch einer mit den Weibern aus …“
„Eins steht fest“, sagte Philip zutiefst überzeugt. „Ich heirate nie.“
„Ich auch nicht“, erklärte Hasard. „Ein Seewolf bindet sich nicht …“