Читать книгу Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 43
9.
ОглавлениеHasard und seine Männer hatten sich am Rand der Lichtung entlanggestohlen, einen Bogen geschlagen und waren in das Lager der Freibeuter eingedrungen. Dies war die einzige Möglichkeit, sich den Kerlen zu nähern und sie zu überrumpeln. Es war jetzt wirklich höchste Zeit geworden zu handeln, denn die Burschen wurden wegen des Verschwindens ihres Kumpans Pablo stutzig. Deswegen fackelte der Seewolf keinen Augenblick mehr.
Er lief seinen Männern voran auf die Piraten zu und griff sich sofort Corona, den großen Kerl mit dem breitkrempigen Hut, heraus. Es galt auch hier, sich nicht lange herumzuschlagen, sondern rasch Nägel mit Köpfen zu machen. Deshalb trat Hasard mit dem rechten Fuß zu und knallte seine Stulpenstiefel gegen den Schaft des Tromblons, das Corona im Herumschwingen auf ihn richtete.
In dem Tritt steckte genügend Wucht, Corona konnte das Tromblon nicht halten. Er verlor es aus den Fäusten und begann zu fluchen. Hasard sprang vor und schoß die Faust auf seine Schläfe ab, traf aber nicht voll, weil der Kerl gedankenschnell auswich.
Corona strauchelte und stürzte zwar, blieb aber bei Bewußtsein. Leicht benommen griff er nach seinem Entermesser, riß es aus dem Waffengurt und rappelte sich wieder auf, um damit gegen den Seewolf vorzudringen.
Hasard hatte inzwischen Florinda beim Arm gepackt und in Richtung auf die Hütten zu befördert. Er ging dabei zwar nicht besonders sanft mit ihr um, aber er brachte sie durch seinen flinken Einsatz aus der Gefahrenzone – und allein das zählte.
Shane, Ferris, Dan, Smoky und die anderen balgten sich mit den anderen sechs Piraten herum. Zahlenmäßig waren sie in der Übermacht, daher schafften sie es auch, den Kerlen gleich die Schußwaffen aus den Händen zu reißen und zuzuschlagen. Somit konnten Barbantes Männer weder auf die Angreifer feuern noch ihrem Anführer durch einen Schuß in die Luft ein Zeichen geben, daß etwas schiefgelaufen war.
Deswegen strichen sie aber noch lange nicht die Flagge. Wütend setzten sie sich mit Entermessern und Säbeln gegen die so plötzlich aufgetauchten Fremden zur Wehr.
Als einer der Lagerposten Matt Davies den Säbel in den Unterleib rammen wollte, blieb diesem keine andere Wahl mehr – er mußte sich massiv seiner Haut wehren. Du oder ich, das war hier die Frage. Wenn Hasard seinen Männern auch eingeschärft hatte, die Piraten nur bewußtlos und damit kampfunfähig zu machen, konnten sich die zehn von der „Isabella“ deswegen nicht selbst in tödliche Bedrängnis bringen lassen.
Matt parierte mit dem Cutlass, den er in der linken Hand hielt, aber das genügte nicht. Der Pirat setzte sofort nach und war nun drauf und dran, Matts Verteidigung völlig zu zerbrechen. Da blieb Matt nichts anderes übrig, er mußte seine Eisenhakenprothese einsetzen. Ein einziger Hieb mit dem scharfgeschliffenen Haken, und der Kerl brach stöhnend zusammen.
Shane und Ferris hatten einen Gegner besinnungslos geschlagen, Dan riß just in diesem Augenblick ein Bein hoch und rammte seinem Widersacher die Stiefelspitze so unter das Kinn, daß dieser auf der Stelle seinen Säbel fallen ließ und schlaff zu Boden sackte.
Smoky, Batuti, Luke, Jeff und Stenmark schlugen sich mit den drei anderen herum, während sich der Seewolf ein erbittertes Duell mit Corona lieferte. Hasard hatte auch einen Schiffshauer von Bord der „Isabella“ mitgenommen. Ein Degen wäre zu schwach gegen das riesige Entermesser des Piraten gewesen, er wäre unter den wütenden Hieben glatt zerbrochen. Deswegen war Hasard jetzt froh, entsprechende Vorsorge getroffen zu haben.
Der Zweikampf ging hin und her, ohne zu einer Entscheidung zu führen. Corona war ein durchaus ebenbürtiger Gegner, das mußte Hasard ihm lassen.
Eben schickten Shane, Ferris und die anderen auch die drei letzten Gegner zu Boden. Corona sah es und wurde nervös. Jetzt vergaß er jede Fairneß im Kampf und versuchte, Hasard durch hinterhältige Ausfälle, die meist alle auf die Unterleibsgegend des Seewolfs gerichtet waren, niederzustechen.
Hasard gab sich zum Schein eine Blöße, ließ den Kerl weit genug auflaufen, drehte sich halb und ließ die Klinge seines Schiffshauers durch die Luft sensen. Coronas Entermesserstich stieß ins Leere. Hasard indes holte ihm den breitkrempigen Hut vom Kopf. Die Klinge zischte dem Freibeuter dabei so scharf über die Kopfhaut weg, daß er fast seiner Haarpracht beraubt wurde.
Corona erschrak und geriet ins Stolpern. Dieser Moment genügte dem Seewolf, sich erneut zu drehen und dem Kerl die Faust so in den Nacken zu rammen, wie er es auch bei Pablo, dem Pirat mit dem roten Kopftuch, getan hatte.
Corona brach bewußtlos zusammen.
Hasard schaute auf und stellte fest, daß seine Männer bereits damit begonnen hatten, die ohnmächtigen Mitglieder der Bande zu fesseln und zu knebeln. Florinda kehrte zögernd von den Holzhäusern an den Punkt zurück, an dem sie vorher gestanden hatte.
Sie hatte Hasard als den Anführer der Gruppe Männer erkannt und wandte sich jetzt an ihn. „Wer sind Sie, Senor? Wie kommt es, daß Sie sich so für mich einsetzen? Sind Sie Spanier?“
„Philip Hasard Killigrew ist mein Name“, entgegnete Hasard. „Meine Freunde nennen mich Hasard. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich habe auf der zweiten Lichtung vom Steilpfad hierher eine Serpentine entdeckt. Haben Sie eine Ahnung, ob es noch mehr von diesen Geschützen gibt?“
„Ja“, sagte sie hastig. „Barbante und seine Bande haben von fünf Serpentinen gesprochen, die hier oben alle auf Lichtungen aufgebaut worden sind. Man kann mit ihnen in die Bucht schießen.“
„Wir werden sie alle finden.“ Hasard drehte sich zu seinen Männern um. „Dan!“
„Sir?“
„Du begleitest das Mädchen und mich. Die anderen folgen uns, sobald sie die Piraten verschnürt haben.“
„Aye, aye, Sir“, antworteten Shane, Ferris und die anderen fast gleichzeitig.
Hasard nahm Florindas Hand, lief los und zog sie mit sich. Dan O’Flynn eilte ihnen nach. Als sie auf der Lichtung mit der Serpentine anlangten, zog Dan sofort seinen Kieker auseinander und richtete die Optik auf die Bucht.
„Dort“, sagte er. „Der Kapitän der Galeone ‚Gran Duque‘ hat ein Boot abfieren lassen. Ich kann es erkennen, weil die Besatzung der Jolle Lichter angezündet hat, die jetzt wie bei der Suche nach dem Mädchen hin und her bewegt werden. Offenbar wollen sie sich ein Bild von dem verschaffen, was am Ostufer vorgeht.“
„Sie geben eine großartige Zielscheibe ab“, meinte der Seewolf. „Himmel, wenn das bloß nicht ins Auge geht.“
„Das Licht reicht aus, um auch die Bugpartie der ‚Gran Duque‘ zu erkennen“, meldete Dan, ohne den Kieker auch nur einen Moment sinken zu lassen. „Für uns ist das immerhin ein Vorteil, denn wir riskieren es nicht, dem Falschen einen Schuß vor den Bug zu setzen.“
„Ja, natürlich. So gesehen, hat das Laternengefunkel etwas für sich.“ Der Seewolf untersuchte die Serpentine und stellte fest: „Sie ist frisch gereinigt und geladen. Wir brauchen jetzt nur noch Feuer für die Lunte, dann kann es losgehen. Der erste Schuß wird nur eine Warnung sein – für die Piraten und auch für die Spanier der Galeone, die hoffentlich begreifen werden, in was für eine Falle sie gelaufen sind.“
Big Old Shane und Batuti stürmten auf die Lichtung. Sie trugen in ihrer Mitte ein großes kupfernes Becken mit glühender Holzkohle.
„Seht mal, was wir in einer der Hütten gefunden haben!“ rief Shane.
„Setzt ab“, sagte Hasard. „Wir fangen an, bevor alles zu spät ist. Dan, nimm den Luntenstock und steck schon mal die Zündschnur an.“
Dan O’Flynn tupfte grinsend das Luntenende in das Kohlebecken. Sofort begann die trockene Lunte zu glimmen. Shane und Batuti grinsten ebenfalls wie die Teufel, die Verwegenheit schien in ihren Augen zu glitzern.
Florinda stand etwas ratlos dabei, weil sie keins der englischen Wörter verstanden hatte, die die Männer gewechselt hatten. Irgendwie spürte sie aber doch, daß sie Vertrauen zu diesen Fremden haben durfte und kein zweites Mal vom Regen in die Traufe geraten war.
Der Seewolf hatte die Serpentine justiert, soweit es ihm in der Dunkelheit möglich war. Die Mündung wies auf einen imaginären Punkt zwischen der spanischen Galeone und dem Südufer der Tropfenbucht. Hasard hoffte inständig, der Einschlag der Kugel werde so nah bei der Pinasse mit Anselmo und dem zweiten Freibeuter an Bord liegen, daß die beiden Kerle zumindest einen gehörigen Schreck kriegten.
Er stellte den 4-Pfünder-Hinterlader in seiner Gabellafette fest, rückte ein Stück zur Seite und nickte Dan zu. „Jetzt.“
Dan senkte den Luntenstock mit der knisternden Zündschnur auf das Bodenstück der Serpentine. Die Glut griff auf das Pulver im Zündkanal über, fraß sich bis aufs Zündkraut durch – und dann wummerte die Kanone los. Florinda hielt sich entsetzt die Ohren zu.
Mit dumpfem Geräusch raste die Kugel aus dem Lauf und heulte zur Bucht hinunter. Dan lief vor zum Abbruch des Plateaus, aber er war nicht sicher, ob er den Einschlag in der Finsternis sehen würde.
Ferris, Smoky, Luke, Matt, Jeff und Stenmark stürmten auf die Lichtung.
„Die Gefangenen sind gefesselt und sitzen auf Nummer Sicher“, rief Smoky. „Wir haben sie in eine der Hütten gesperrt.“
„Gut“, erwiderte Hasard. „Lauft gleich weiter und sucht nach den vier anderen Serpentinen, die sich bestimmt in der Nähe befinden. Nehmt ein paar Stückchen Holzkohle mit, damit ihr die Lunten anzünden könnt.“
Die Männer befolgten seine Befehle. Wenig später hatten Ferris Tukker und Smoky die zweite Serpentine auf einer etwa zwanzig Yards entfernt liegenden Lichtung entdeckt. Auch sie war schußbereit. Ferris Tucker stellte ihren Lauf so ein, daß der Schuß östlich an der „Gran Duque de Almeria“ und deren ausgesetztem Beiboot vorbeirasen mußte. Smoky brachte die Lunte zum Glimmen und senkte sie auf den Zündkanal.
Wieder rollte das Krachen eines Geschützes über die Bucht.
Die Kanonen von Sao Miguel hatten ihr tödliches Lied angestimmt.
Ferris wies plötzlich auf ein Licht, das ganz hinten am nördlichen Ufer der Bucht aufgeflammt war. „Das ist die Achterlaterne der ‚Isabella‘!“ rief er. Er lachte und hieb Smoky auf die Schulter. „Ho, Ben Brighton gibt sich lieber zu erkennen, ehe wir ihm aus Versehen eine Kugel vor den Bug setzen.“
„Recht so“, sagte Smoky grinsend. „Ich bin auch für klare Fronten.“
Die „Isabella“ hatte die Passage hinter sich gebracht und lief in die Tropfenbucht ein, um der „Gran Duque“ im Kampf gegen die Piraten beizustehen.
Der Plan, den Barbante sich ausgedacht hatte, war ebenso einfach wie wirkungsvoll: Er wollte mit einer Handvoll Männer im Dickicht warten, bis eine Abordnung Spanier von der Galeone mit einem ihrer Boote landete. Wenn die Seeleute ausstiegen, um nach dem Mädchen zu forschen, gaben sie auf dem freien Stück Sandstrand hervorragende Zielscheiben für die Musketen und Tromblons der Bande ab.
Die Jolle, in der die Männer mit den Laternen saßen, hatte sich dem Ufer bis auf die knappe Distanz von zehn, zwölf Yards genähert.
„Auf was warten wir noch?“ zischte einer der Piraten. Er hockte neben seinem Anführer im Gebüsch und hatte die Muskete angelegt. „Sie sind schon auf Schußweite heran. Wir können sie mühelos aus dem Kahn herausputzen.“
„Ich will, daß sie aussteigen“, murmelte Barbante. „Ich will, daß sie alle sterben. Alle.“
„Und was, wenn sie vorher unsere Schaluppe entdecken?“
Die einmastige Schaluppe – das dritte Boot in Barbantes winziger Flotte – lag etwas weiter nördlich auf dem Sandstrand. Zwei Mann waren als Bewacher dort geblieben, nachdem die Piraten sich getrennt hatten. Sobald Barbante sein erstes heimtückisches Überfallunternehmen abgewickelt hatte, wollte er mit seinem neunköpfigen Trupp aus dem Dickicht zur Schaluppe stürmen, sie ins Wasser schieben und zum eigentlichen Enterangriff auf die Galeone ansetzen.
El Grullo, Josefe und vier andere waren mit der zweiten Schaluppe zum Westufer aufgebrochen, um einen Bogen zu fahren und dann kreuzend oder hoch am Wind liegend der Galeone in die Seite zu fallen. Corona und fünf seiner Begleiter mußten die Pinasse, die sie zum Südufer gebracht hatte, längst verlassen haben. Sie sollten das Mädchen ins Lager bringen, damit sie ja nicht verletzt wurde. Das geschah nicht aus Menschlichkeit oder Mitgefühl, sondern deshalb, weil Barbante „noch etwas mit ihr vorhatte, zu dem sie im verwundeten Zustand nicht mehr fähig war“. Corona und seine Männer sollten obendrein die Serpentinen bedienen, die beim Überfall auf die „Gran Duque“ mit eingesetzt werden sollten.
Anselmo und ein zweiter Pirat kreuzten mit der Pinasse zurück zur Galeone, um sie ebenfalls unter Beschuß zu nehmen.
So einfach war das Ganze – und doch hatte sich Barbante, der Glücksritter und Pirat, gründlich verrechnet.
Plötzlich zerriß der erste Kanonenschuß die Stille. Irgendwo weiter südlich klatschte die Kugel ins Wasser, und Barbante und seine Kerle wie auch die Männer der spanischen Galeone konnten Anselmo und den anderen Mann aus der Pinasse aufschreien hören.
„Verdammt, was ist denn jetzt los?“ stieß Barbante entgeistert aus.
Die Männer in der Jolle, die von dem ersten Offizier der „Gran Duque“ geführt wurden, hörten auf zu pullen. Auf einen Zuruf ihres Kapitäns hin begannen sie, die Lichter zu löschen und ein Wendemanöver auszuführen.
„Verdammt, die hauen wieder ab!“ zischte der Musketenschütze neben Barbante. „Wir dürfen sie nicht entwischen lassen.“
In diesem Augenblick heulte die zweite Vierpfünder-Kugel los. Die Piraten konnten sie beinah direkt über sich hinwegorgeln hören. Instinktiv zogen sie die Köpfe ein. Erst als die Kugel mit dumpfem Schlag irgendwo im Busch gelandet war, standen sie wieder auf und fingen an, auf die Besatzung der Jolle zu feuern.
Die Männer der Galeone schossen zurück. Sie waren alarmiert worden und reagierten nun sofort. Das Überraschungsmoment konnte von Barbantes Leuten nicht mehr ausgenutzt werden.
Ein Seemann brach in der Jolle zusammen und kippte über das Dollbord ins Wasser, ein anderer wurde an der Schulter verletzt. Er krümmte sich stöhnend auf seiner Ducht.
Barbante wollte mit seiner Meute auf den Strand stürmen, aber er beließ es bei dem Versuch, als er zwei, drei Kerle an seiner Seite stürzen sah.
„Zur Schaluppe!“ schrie er.
Er brach aus dem Dickicht hervor und stürmte über den weißen, körnigen Sand. Hinter sich hörte er noch einen Piraten mit gurgelndem Laut zusammenbrechen. Barbante feuerte seine Pistole auf die Jolle ab, schleuderte die Waffe wütend von sich, als er nicht traf, hetzte weiter und sah die einmastige Schaluppe vor sich liegen.
„Los, wir unternehmen den Angriff auf die Galeone trotzdem!“ rief er den beiden Wachtposten zu. Sie hatten sich hinter dem Rumpf verschanzt und zeigten ratlose, verstörte Mienen.
Die Überlebenden des Schußwechsels trafen jetzt ebenfalls ein. Gemeinsam schoben die Piraten die Schaluppe ins Wasser der Bucht.
„Corona muß sich völlig verschätzt haben, daß er wie ein Wilder mit den Serpentinen durch die Gegend feuert“, keuchte Barbante. „Oder er ist wahnsinnig geworden. Dafür wird er noch bezahlen, das schwöre ich euch, das büßt er mir, der Hund.“
Sie kletterten in die Schaluppe, setzten die Segel und nahmen Kurs auf die „Gran Duque de Almeria“. Barbante arbeitete sich bis zu der Drehbasse im Bug vor. Geladen war die Kanone, und auch ein kleines Becken mit glimmender Holzkohle stand bereit. Es gab genug Pulver und Munition an Bord.
Die Männer der Jolle hatten jetzt sämtliche Laternen gelöscht, aber Barbante konnte das Boot trotzdem noch erkennen, wie es die Wende vollzog und dann schneller werdend zum Schiff zurückglitt. Der erste Schuß der Drehbasse, so nahm er sich vor, sollte dieser verdammten Jolle gelten.
Mit grimmiger Miene richtete er das Geschütz auf das Boot.