Читать книгу Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 33

9.

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Der Wurm steckte im Detail. Hasard hatte das Verschwinden des Beiboots der „Revenge“ zwar bemerkt, aber keine Schlüsse daraus gezogen, als er mit seinen Männern zu dem Flaggschiff gepullt war. Drakes so listenreich aufgebaute Falle war ein Fiasko geworden. Er hatte den verhaßten Gegner demütigen und im Wasser schwimmen sehen wollen. Dort hatte die Jolle ihn und seine Kerle herausfischen sollen. Jetzt waren sie alle entwischt. Dabei wäre der einfachste Weg der gewesen, Philip Hasard Killigrew – wie er es gewünscht hatte – an Bord kommen zu lassen und festzuhalten. Mit dem Kapitän hätte Drake die gesamte Mannschaft gehabt. Aber die Chance war vertan.

Hasard hatte zwar einen Fehler begangen, ihn aber mit viel Glück noch korrigieren können. Und Ben Brighton hatte rechtzeitig die zweite Jolle losgejagt, um den Schwimmern zu helfen.

Jetzt beging der Admiral wiederum einen Fehler – nein, er hatte ihn bereits begangen. Denn er hatte der Hakenprothese des einarmigen Matt Davies keine Beachtung geschenkt – er nicht und kein Mann seiner Besatzung. Dabei hatte jeder sehen können, wie scharfgeschliffen dieses Ding war, das Matt Davies die rechte Hand ersetzte, und zwar voll ersetzte.

Die drei Seewölfe waren nach ihrem Ausbruchsversuch gefesselt worden – Hände auf den Rücken. Dann hatten sie Wiedersehn mit dem Vorpiekloch gefeiert und zunächst einmal verschnauft. Einen Schimmer von Licht hatten sie, da man die Stelle, wo die Ankerflunke durchs Schott gekracht war, noch nicht repariert hatte. Zwar waren zwei Posten vor dem Schott aufgezogen, aber wenn die durch die Bruchstelle vom Hellen ins Dunkle linsten, konnten sie so gut wie gar nichts erkennen.

So vergingen nur zehn Minuten, und die drei Seewölfe hätten erneut randalieren können. Denn in dieser Zeit hatten sie die Fesseln an Matts scharfem Prothesenhaken bereits durchgesäbelt und waren frei. Dazu hatte sich Stenmark nur Rücken an Rücken mit Matt Davies zu setzen und ein bißchen zu fummeln brauchen. Alles weitere war geradezu simpel.

Einmal mehr konnten sie über Matts Prothesenhaken des Lobes voll sein. Auch Jeff Bowie trug ja so ein Ding, allerdings links. Und Jeff hatte von Matt gelernt, wie man mit dem Haken umzugehen hatte. Beide fühlten sich keineswegs den anderen gegenüber, die ihre gesunden Hände hatten, benachteiligt, ganz abgesehen davon, daß sie mit diesen Haken zu gefährlichen Kämpfern geworden waren.

Ferris Tucker, der trick- und geniereiche Schiffszimmermann der „Isabella“, hatte ihnen für diese Prothesen zusammen mit Will Thorne, dem Segelmacher, Ledermanschetten konstruiert, die über die Unterarmstümpfe gezogen wurden und absolut festsaßen – auch bei gestrecktem Arm –, weil sie von Riemen unter der Achsel hindurch und über die Schulter gesichert wurden. Um die Prothese zu verlieren, hätte man den beiden schon die Schulter abreißen müssen.

Die drei Seewölfe wollten, wenn es die Situation erforderte, Handlungsfreiheit haben. Und die hatte man nur, wenn man nicht gefesselt war. Aber um den Gegner irrezuführen, mußte man gefesselt sein.

Also hatten sie sich die Fesseln gegenseitig wieder angelegt, aber so, daß jeder selbst in der Lage war, sie im geeigneten Moment zu sprengen Seeleute, die sie waren, barg das keine Probleme. Sie setzten ein paar Knoten auf Slip, und damit war auch dieser Fall geregelt.

Im übrigen hatten sie, wenn auch karg, gefrühstückt, denn Sam Roscill hatte beim Sturmlauf durchs Mannschaftslogis einige Kanten Brot und sogar Speck mitgehen lassen.

Gegen Mittag hatten sie dann wieder Hasards Stimme gehört und prompt ihren Schlachtruf geschmettert, um zu melden: Wir sind hier! Vor den Musketen der beiden Posten waren sie dann verstummt.

Dann war geschossen worden. Seitdem zergrübelten sie sich die Köpfe, was passiert war. Sie hatten nur Drake toben hören, aber der tobte in der letzten Zeit ja ständig.

Eine Stunde später, da war längst wieder Ruhe eingekehrt, erschien der Admiral persönlich am Schott der Vorpiek, um sich vom Nochvorhandensein seiner drei Gefangenen zu überzeugen.

Ein bißchen irre mußte er sein, als er höhnisch erklärte, sie seien das Mittel, des verdammten Piraten Killigrew habhaft zu werden.

Dann sagte er: „Aufstehen!“

Sie standen auf, wenn auch recht mühsam mit den auf den Rücken „gefesselten“ Händen.

Er sagte: „Setzen!“

Sie setzten sich wieder.

Er sagte: „Aufstehen!“

Und Matt Davies sagte: „Leck mich doch am Arsch, du Idiot!“ Und für einen kurzen Moment überlegte er, den Admiral anzuspringen und als Geisel zu nehmen. Aber die beiden Posten hatten ihre Musketen schußklar, und das war zu riskant.

„Das wirst du mir büßen, du ‚Isabella‘-Abschaum!“ zischte Drake. „Mit dem Leben!“

„Bitte sehr“, sagte Matt Davies, „wie’s beliebt.“ Nach der Nacht mit den Haien, deren Angriffe er auf einer Planke liegend abgewehrt hatte und in der seine Haare grau geworden waren, konnte ihn kaum noch etwas erschüttern. Er war durch zu viele Höllen gegangen.

Drake, der seine Gefangenen hatte demütigen wollen, begriff, daß alles an diesen Kerlen abprallte. Die waren nicht weichzukriegen. Selbst die Todesdrohung schreckte sie nicht. Furchtlos blickten sie zu ihm hoch, eisige Verachtung in den Gesichtern. Es war läppisch, sie aufstehen und hinsetzen zu lassen. Sie würden nicht mehr reagieren, auch wenn er sie durchpeitschen ließ.

Vielleicht war alles zwecklos.

Abrupt drehte sich der Admiral um und verließ das Vorschiff. Das Schott krachte wieder zu, wurde abgeriegelt und mit den Leckbalken gesichert.

„Der hat eine wüste Sauerei vor“, sagte Stenmark.

„Abwarten“, sagte Matt Davies.

Vier Tage verstrichen, ohne daß seitens der „Revenge“ etwas passierte. Sie beobachteten nur, daß das Flaggschiff mehrere Male ankerauf ging, vor der Mill Bay je nach Wind hin und her kreuzte, daß an den Geschützen exerziert wurde und diverse Segelmanöver gefahren wurden, aber jeweils am Abend ankerte die „Revenge“ wieder vor der St.-Nicholas-Insel.

Und die ganze Zeit grübelte Hasard über eine Lösung nach, wie er seine drei Männer befreien könne. Es gab keine Lösung, es sei denn die des direkten Angriffs. Er schied aber aus, weil er, wie auch ein Überfall, die drei Männer gefährden würde. Die „Revenge“ war unangreifbar für einen Mann, der Gewissensbisse hatte und das Leben seiner Männer nicht aufs Spiel setzen wollte. Aber irgendwann würde er den Stier doch bei den Hörnern packen müssen.

Tag für Tag lauerte Hasard auf die Meldung des jeweiligen Ausgucks, daß sich ein Boot der „Revenge“ der „Isabella“ nähere. Dieses Boot, auch das war beobachtet worden, hatte der Admiral nach alter Piratenmanier einfach von einem auslaufenden Frachtsegler requiriert, nachdem er den mit ein paar Schüssen vor den Bug gestoppt hatte.

Ja, dieses Boot erwartete Hasard, und es würde Drakes Forderung überbringen, er, Hasard, habe sich zu stellen, sonst würden zu einer bestimmten Frist seine drei Männer exekutiert oder an der Rahnock sichtbar aufgebaumelt.

Diese Befürchtung hatte Hasard, aber er würde bereit sein, der Erpressung Drakes nachzugeben.

Aber kein Boot erschien.

Genoß Drake diesen Zustand? Wollte er Kapitän und Mannschaft der „Isabella“ in einem Nervenkrieg zermürben?

Hasard bemerkte bereits, wie seine Männer immer gereizter wurden. Das konnte nicht ausbleiben. Eine Spannung legte sich über die „Isabella“, die nicht gut war.

Da tauchten diese „Wenns“ auf.

Wenn Blackys Fuß nicht gebrochen worden wäre …

Wenn Smoky und die anderen Landgänger nicht in die „Bloody Mary“ gezogen wären …

Wenn sie alle beieinander geblieben wären …

Wenn ihr jetzt zappelig werdet, fuhr Hasard dazwischen, dann hat Drake das Spiel schon halb gewonnen. Nehmt euch zusammen, Kerls! Mir sitzt die Wut genauso in den Knochen wie euch, nichts täte ich lieber, als diese verdammte „Revenge“ mit Admiral und Mann und Maus in die Luft zu sprengen. Aber ich habe mich, verdammt noch mal, zusammenzureißen – und ihr auch!

Am fünften Tage untersuchte Doc Freemont Blackys Fuß sehr lange und gründlich. Hasard, Ben Brighton und der Kutscher waren mit in der Kammer und mußten sich einmal mehr mit Geduld wappnen.

Die fürchterliche Knöchelschwellung war zurückgegangen, nirgends zeigten sich gerötete Stellen, die auf eine Entzündung hindeuteten. Doc Freemont tastete den Fuß von allen Seiten ab, vor allem im Bereich des Knöchels. Er drückte da, er drückte dort. Blacky verzog keine Miene.

„Tut nirgends was weh?“ fragte Doc Freemont.

„Nirgends“, sagte Blacky. „Heiß ist mir auch nicht.“

„Kein Pochen oder Klopfen irgendwo?“

„Nein, nichts, Doc.“

„Hm.“ Doc Freemont, der auf der Koje saß, drehte sich zu Hasard um. „Ich schätze, wir haben’s geschafft. Meines Erachtens besteht keine Gefahr mehr, daß sich etwas entzündet, weil ein Knochenteilchen herauseitert. Der Knöchel sieht, den Umständen entsprechend, gut aus. Ich packe Fuß und Unterschenkel jetzt in Lehm, damit der Fuß ruhig liegt und der Bruch zusammenwachsen kann.“

Blacky riß die Augen auf. „Können Knochen denn noch wachsen, Doc?“

Doc Freemont lächelte und wandte sich ihm wieder zu. „Das nicht, mein Junge, aber an Bruchstellen bildet sich eine knochenartige Masse und fügt den Bruch wieder zusammen. Das dauert so drei, vier Wochen. In dieser Zeit müssen Fuß und Unterschenkel einen rechten Winkel bilden. Das erreiche ich dadurch, daß ich dir diese Lehmpackung verpasse. Wenn sie hart geworden ist, hält sie deinen Fuß in der erforderlichen Winkelstellung. Ich empfehle dir, in der ersten Woche nicht zu versuchen, den Fuß zu bewegen, auch wenn du möchtest. Später kannst du die Zehen ein bißchen spielen lassen. In drei, vier Wochen kann der Kutscher den Lehm entfernen. Aber aufgetreten wird noch nicht, das habe ich dir ja bereits erklärt. Ein bißchen massieren ist gut, ebenso Kreisen des Fußes sowie Anziehen und Beugen. Alles das aber vorsichtig, verstanden?“

„Verstanden, Doc.“ Blacky grinste von einem Ohr zum anderen.

Er erhielt seine Lehmpackung, die den Fuß fixierte, und der Kutscher empfing Doc Freemonts Anweisungen für die Weiterbehandlung.

Dann mußte auf Wunsch Blackys Bill geholt werden. Blacky flüsterte ihm was ins Ohr, Bill nickte und flitzte davon.

„Moment noch, Doc“, sagte Blacky geheimnisvoll.

Hasard, Ben Brighton und der Kutscher schauten sich verwundert an.

Minuten später kehrte Bill zurück – mit einem kleinen, hölzernen Kasten, den er Blacky gab.

Blacky nahm ihn entgegen und überreichte ihn Doc Freemont.

„Für Sie, Doc“, sagte er. Jetzt war er fast verlegen. „Hoffentlich gefällt es Ihnen.“

Doc Freemont zeigte sein feines Lächeln und klappte vorsichtig den Deckel auf. Hasard, Ben Brighton und der Kutscher reckten die Hälse.

In dem Kasten ruhte ein kleines, naturgetreues, holzgeschnitztes Modell der „Isabella“, voll aufgeriggt, mit dem laufenden und stehenden Gut, winzigen Blöcken und Taljen, kleinen Culverinen, den Drehbassen, dem Ruderhaus, und da stand unverkennbar ein Männlein: Pete Ballie. Und neben ihm, ebenfalls unverkennbar, ein schwarzhaariger Mann – Philip Hasard Killigrew.

„Ist das schön“, murmelte Doc Freemont andächtig.

„Als Erinnerung“, sagte Blacky und hatte einen roten Kopf. „Und weil Sie mein Bein geflickt haben, Sir.“

„Danke, mein Junge“, sagte Doc Freemont bewegt, „dieses Geschenk wiegt schwerer als ein Sack Gold. Es ist ein Kunstwerk – ein schöneres Kunstwerk als das Richten eines Knöchelbruchs.“

„Es gefällt Ihnen wirklich, Sir?“

„Die ‚Isabella‘ erhält einen Ehrenplatz in meinem Haus“, erwiderte Doc Freemont. „Und immer wenn ich sie betrachte, werde ich an euch alle denken und hoffen, daß ihr eines Tages gesund heimkehrt – ohne Knöchelbrüche oder ähnliche Blessuren.“

Am Nachmittag löste die „Isabella“ die Leinen, voll gefechtsklar. Jetzt würde Admiral Drake Farbe bekennen müssen. Es war die einzige Möglichkeit, eine Entscheidung herbeizuzwingen. Hasards einziger Trumpf in diesem tückischen Spiel war der, auszulaufen und sich blitzschnell auf jedwede nur mögliche Reaktion Drakes einzustellen.

Denn irgend etwas würde passieren, das war so sicher wie das Amen in der Kirche.

Wenn jemals die Seewölfe bereit gewesen waren, eine Sache durchzuschlagen, dann jetzt. Da bedurfte es keiner Aufmunterung. Eine kalte Entschlossenheit hatte sie gepackt. Das Warten war vorbei.

Bei Westenwind lief die „Isabella“ unter vollen Segeln aus der Mill Bay und auf die „Revenge“ zu.

Dort herrschte hektische Aktivität, wie unschwer zu erkennen war. Sie gingen ankerauf. Die Segel wurden gesetzt, die Kanonenpforten geöffnet.

Gut so, dachte Hasard grimmig. Damit wäre auch das klar: der Admiral wollte den Kampf. Und eigentümlich: irgend etwas in Hasard, das ihn wegen seiner drei Männer hoffen ließ.

Doch diese Hoffnung wurde furchtbar zerstört.

Sie alle sahen es, und ein Schrei der Wut und Empörung gellte zur „Revenge“ hinüber.

Drei Männer wurden aus dem Vorschiff gezerrt und zum Schanzkleid auf der Steuerbordseite geschleppt. Sie konnten sich nicht wehren, denn ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt. Aber sie schienen auch gar nicht die Absicht zu haben, sich zu wehren. Fast gelassen stellten sie sich ans Schanzkleid.

Aber hinter ihnen reihten sich zehn Seesoldaten auf – mit Musketen.

Mit steinernem Gesicht hob Hasard das Spektiv und schaute hindurch. Er zuckte etwas zusammen, als die Gesichter von Matt Davies, Stenmark und Sam Roscill in dem Okular auftauchten. Er kniff das Auge zusammen, öffnete es wieder und betrachtete die drei Gesichter noch einmal.

Kein Zweifel – die grinsten! Die grinsten, als sei heute ein besonders fröhlicher Tag. Oder als gelte es, gleich bei „Plymmy“ die Puppen tanzen zu lassen. Oder ein bißchen mit seinen Ladys zu schäkern.

Dan O’Flynn neben Hasard murmelte erschüttert: „Die haben was auf der Pfanne, die drei. Wetten?“

Hasard atmete tief durch. „Siehst du auch, daß sie grinsen?“

„Und wie.“ Dan O’Flynn ließ das Spektiv sinken, durch das er ebenfalls gespäht hatte. Nachdenklich sagte er: „Aber sie sind gefesselt. Sonst könnte ich mir denken, daß sie einfach über Bord jumpen.“

Hasard starrte ihn an. Irgendeine Ahnung drängte durch seinen Kopf, ein Gedanke, aber er ließ sich nicht fassen. Sein Blick wanderte weiter, zur Kuhl, wo die Männer hinter den Culverinen lauerten. Dort stand auch Jeff Bowie. Der Kerl rührte mit seiner linken Hakenprothese in der Holzkohlenglut eines Kohlebeckens herum. Dann zerhieb er mit dem Haken ein Stück Holzkohle, das wohl zu groß war. Die Kohle spritzte nur so auseinander.

Hasard fuhr zusammen. Das war’s! Das mußte es sein!

„Was ist?“ fragte Dan O’Flynn erstaunt.

„Matts Prothese!“ stieß Hasard hervor. In seinen eisblauen Augen funkelten tausend Lichter. „Genial! Das Ding ist so scharf, um mühelos jede Fessel durchzutrennen. Das haben sie getan – und sich dann selbst wieder zum Schein gefesselt. Würden sie sonst so grinsen? Sag Ed Bescheid! Er soll zwei Männer bereit stellen, um auf der Backbordseite eine Jacobsleiter auszubringen – aber erst, wenn sie gesprungen sind!“

Dan O’Flynn sparte sich das „Aye, aye“ und raste zur Kuhl hinunter. Eine halbe Minute später zeigte Ed Carberry grinsend klar und spuckte in seine Pranken. Nur eine Minute später war die gesamte Crew informiert. Ihre verkniffenen Mienen verschwanden. Sie waren wie erlöst.

Auf Rufweite segelte die „Isabella“ an die „Revenge“ heran. Hasards Befehle waren klar. Wie es aussah, hatte er jetzt die Initiative übernommen – nur Drake wußte es noch nicht. Er würde eine böse Überraschung erleben.

„Killigrew!“ brüllte der Admiral zur „Isabella“ hinüber. „Ich bin bereit, Ihre drei Dreckskerle auszutauschen – gegen Ihre werte Person, ha-ha-ha!“

„Und wenn ich mich weigere?“ rief Hasard zurück.

„Dann erleben Sie eine schöne Exekution – und anschließend sind Sie mit Ihrem Piratengesindel dran! Von Ihrem stinkenden Schiff wird keine Planke übrigbleiben. Sie haben eine Minute Bedenkzeit, Sie Bastard, Sie mieser Emporkömmling, Sie Gossendreck …“

Noch waren die Musketen der Seesoldaten nach unten gerichtet.

„Matt, Sten, Sam – springt!“ schrie Hasard. „Wir fischen euch raus!“

Drei kräftige Rucke, die Fesseln platzten, und schon hechteten die drei Seewölfe elegant über das Schanzkleid, stießen hinunter ins Wasser und waren verschwunden.

„Feuer frei!“ schrie Hasard. „Gebt’s ihnen, Arwenacks!“

Die Backbordstücke brüllten auf und hieben ihre volle Breitseite in die „Revenge“. Es war, als klaffe dort die gesamte Steuerbordseite mit einem einzigen Ruck auf. Das Batteriedeck war ein totales Chaos. Da war nicht eine Kanone, die zurückfeuerte. Dicker Pulverqualm waberte zwischen den beiden Schiffen.

„Back die Segel!“ schrie Hasard. „Ruder Steuerbord, Pete!“

„Aye, aye, Ruder Steuerbord“, wiederholte Pete Ballie ruhig.

Die „Isabella“ drehte in den Wind und verlangsamte ihre Fahrt.

„Ed!“ schrie Hasard. „Außenbords die Jacobsleiter, klar bei Wurfleinen! Seht ihr sie?“

„Aye, aye, Sten ist bereits dran!“ Carberry beugte sich über das Schanzkleid. „Komm, mein Junge, enter auf, oder soll dich der alte Carberry holen? Recht so! Hierher, Matt, du Hundesohn, oder willst du noch ’ne Ehrenrunde schwimmen, was, wie?“

Eine Wurfleine flog nach unten, eine halbe Minute später zerrten vier Mann Sam Roscill hoch. Stenmark und Matt Davies enterten über die Jacobsleiter auf und sprangen auf die Kuhl, triefend naß, aber mit glühenden Gesichtern.

Die Seewölfe brüllten wie die Irren.

Eine Stunde später trieb die „Revenge“ entmastet ostwärts auf die Batten-Bucht zu und blieb im Schlick hängen. Auch ihr Ruder war zerschossen – zum zweiten Male. Müde legte sich das Flaggschiff auf die Steuerbordseite, als habe es endgültig genug von den Rachegelüsten seines Kommandanten.

Der stand gebückt wie ein alter Mann auf dem Achterdeck. Sein Gesicht war grau, seine Hände zitterten, seine Augen waren wie erloschen.

Revanche vor Plymouth?

Nein, Niederlage vor Plymouth. Totale Niederlage. Der bessere Kapitän, die bessere Crew und das bessere Schiff hatten gesiegt. Und nicht einen Kratzer hatte dieses Schiff erhalten.

Noch einmal zuckte der Admiral zusammen.

Das war, als die „Isabella“ nach Süden abdrehte und ein letztes donnerndes „Ar-we-nack!“ zur „Revenge“ herüberdröhnte.

Ja, sie waren ungebrochen, diese Arwenacks. Unbesiegbar. Vielleicht waren sie sogar unsterblich.

Bereute der Admiral? Sah er seine Schuld ein?

Es wurde nichts darüber bekannt. Bekannt wurde nur, daß seine Mannschaft das todwunde Schiff verließ und durch den Schlick an Land watete. Die Verwundeten nahmen sie mit. Der Admiral blieb an Bord, eine stumme, gebückte Gestalt. Einen Tag später holte ihn eine Pinasse des Stadtkommandanten vom Achterdeck.

Die Männer der Pinasse sagten später, der Admiral sei wie versteinert gewesen …

Die Schmach, die der Admiral über das Schiff namens „Revenge“ gebracht hatte, löschte drei Jahre später Sir Robert Greynville.

Er deckte mit der „Revenge“ die Flucht eines kleinen englischen Geschwaders gegen eine spanische Übermacht und kämpfte von über fünfzig spanischen Schiffen umgeben von drei Uhr nachmittags bis drei Uhr morgens, bis das letzte Pulver verschossen war. Über achthundert Treffer hatte die „Revenge“ hingenommen, und sechs Fuß hoch stand das Wasser im Schiff. Kein Mann war unverwundet geblieben. Die Überlebenden erhielten eine ehrenvolle Übergabe.

Sir Robert Greynville, schwerverwundet, starb zwei Tage später an Bord des spanischen Flaggschiffs.

Fünf Tage danach sank die zerschossene „Revenge“ in einem Sturm.

Ihr Name verklärte sich in England zum Symbol heldenhaften Widerstandes.

Die Unehre war getilgt …

Seewölfe Paket 9

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