Читать книгу Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 39
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ОглавлениеImmer dann, wenn Florinda Martinez Barrero aus den Fluten hochtauchte, konnte sie zu ihrer Rechten die große Galeone mit den langen Masten segeln sehen. Sie wußte nicht, was sie von dem Erscheinen dieses unheimlich und rätselhaft wirkenden Dreimasters halten sollte, aber eins war ihr klar: Sie hatte es diesem Schiff und dessen Besatzung zu verdanken, daß Benavente und die sieben anderen Männer sie nicht weiter verfolgt hatten.
Die Explosion hatte unter Wasser eine Druckwelle entwickelt, die auch Florinda erreicht und sie geschüttelt hatte. Wie sich die Dinge im einzelnen abgespielt hatten, war von dem Mädchen nicht beobachtet worden, weil sie nur daran gedacht hatte, so weit wie möglich von der Jolle fortzutauchen. Aber sie hatte immerhin registriert, daß das Boot jetzt kieloben im Wasser lag und Luis Benavente und die anderen baden gegangen waren. Unzweifelhaft war dies auf eine Aktion der Männer der unbekannten Galeone zurückzuführen. Schüsse waren gefallen. Pulver mußte gezündet worden sein, wie sonst hatte die Explosion erfolgen können? Warum aber hatte die fremde Galeone die Männer der „Gran Duque de Almeria“ überhaupt angegriffen?
Fragen über Fragen, auf die Florinda keine Antwort wußte. Sie holte tief Luft und tauchte erneut, und als sie wieder den Kopf über die Wasseroberfläche hinausschob, stellte sie fest, daß die fremde Galeone den Kurs geändert hatte.
Sie wandte ihr jetzt das Heck zu und segelte davon.
Florinda war derart in die Betrachtung der Galeone vertieft, daß sie die Nähe der Insel erst bemerkte, als sie mit den Füßen auf Grund stieß. Erstaunt wandte sie den Kopf, blickte nach Süden – und sah das Ufer vor sich. Die Höhenzüge, die sich sanft gewellt über diese Insel schoben, nahmen sich deutlich genug gegen den düsteren Nachthimmel aus. Irgendwo mußte etwas Mondlicht durch die Wolken dringen, außerdem hatten sich Florindas Augen derart an die Dunkelheit gewöhnt, daß sie auf eine gewisse Distanz Einzelheiten ihrer Umgebung erkennen konnte.
Vor Freude wäre sie fast in Tränen ausgebrochen. Lange hätte sie das Schwimmen nicht mehr durchgehalten. In ihren Lungenflügeln hatten bereits schmerzhafte Stiche gebohrt, und ihre Arme und Beine hatten erste Ermüdungserscheinungen gezeigt.
Jetzt brauchte sie nichts weiter zu tun, als zu waten. Sie geriet auf eine der Insel vorgelagerte Sandbank und kroch darüber, um sich nicht zu hoch aufzurichten und womöglich ihren Verfolgern zu zeigen.
Der sandige Grund fiel wieder etwas ab. Florinda arbeitete sich noch einmal durch tieferes Wasser voran, gelangte dann wieder auf eine sanfte Steigung und erreichte schließlich die rauschende, gischtende Brandung, deren Wellen um ihre Waden schäumten.
Florinda schlich an Land und schlüpfte in das Dickicht einer nicht weit entfernt liegenden Uferböschung. Hier setzte sie sich hin, verschnaufte und dachte über ihre Lage nach.
Andrés!
Vielleicht ist er mir doch gefolgt, vielleicht ist er gleich ins Wasser gesprungen, als er geweckt wurde und hörte, was mit mir geschah. Er hat mir nicht beistehen können, weil er zu weit von mir entfernt war, dachte sie, aber er schafft es auch bis zu dieser Insel und geht in diesem Moment vielleicht irgendwoanders an Land. Bald treffen wir uns …
Erst jetzt fiel ihr ein, was ihr Andrés einmal über die Tiburónes, die gefürchteten Haie, erzählt hatte. Sie war diesen gefährlichen Jägern der See entgangen. Sie hatte Glück gehabt und war von ihnen nicht angegriffen worden. Oder schliefen die Haie bei Nacht?
Sie wußte es nicht. Sie betete inständig darum, daß auch Andrés soviel Glück haben möge wie sie.
Sie blickte an sich nieder. Ihres grobleinenen Rockes hatte sie sich im Wasser entledigen müssen, um beim Schwimmen nicht behindert zu werden. Natürlich hatte sie ihn nicht bergen und sich etwa um die Hüfte knoten können – dazu war bei ihrer überstürzten Flucht weiß der Himmel nicht die Zeit gewesen.
So saß sie praktisch nur mit ihrer durchnäßten Unterwäsche da, abgesehen von der weißleinenen Bluse, die ihr wie eine zweite Haut am Leib klebte. Ihre Beine waren nackt, ungeschützt, den Blicken eventueller Beobachter preisgegeben.
Plötzlich schämte sie sich. Aber das war nicht das Schlimmste. Auch die Angst stellte sich wieder ein. Scheu schaute sie sich nach allen Seiten um.
Beobachter – gab es die hier? War die Insel etwa bewohnt? Und wenn nicht, gab es doch sicherlich wilde Tiere, die sie bedrohen oder sie angreifen konnten.
Sie wollte nicht zittern, aber es war übermächtig in ihr. Mit einemmal bebte sie am ganzen Leib, fröstelte und schlug mit den Zähnen aufeinander, obwohl es eine verhältnismäßig warme Nacht in einer milden Klimazone war, die der Andalusiens vergleichbar war.
Existierten auf dieser Insel Raubkatzen? Luchse? Panther? Oder vielleicht sogar Wölfe? Selbst wenn sie hier nicht lebten, gab es doch sicherlich alle jenen scheußlichen Kreaturen, die Florinda so sehr fürchtete: Schlangen, giftige Spinnen, Skorpione, alle möglichen Arten von Echsen, vermutlich sogar Alligatoren.
Sie sprang auf, als wäre sie gebissen worden. Wieder hielt sie Umschau, bemerkte aber nichts Verdächtiges, Erschreckendes. Trotzdem hielt sie nichts mehr in dem Dikkicht. Verstört setzte sie ihren Weg ins Inselinnere fort. Sie drang immer tiefer in den Urwald ein und hoffte, bald die Hügel zu erreichen. Sie wollte nach einer Höhle suchen, in der sie unterkriechen konnte, oder nach einer übersichtlichen Anhöhe, von dessen höchstem Punkt aus sie überblicken konnte, ob sich ihr etwas näherte.
Andrés, wo bist du nur? dachte sie immer wieder.
Sie hätte am Strand entlanglaufen können, um nach ihm zu suchen, aber sie fürchtete sich davor, es zu tun, weil sie Angst hatte, wieder mit den Männern der „Gran Duque de Almeria“ zusammenzutreffen. Lieber versteckte sie sich und wartete zunächst einmal das Morgengrauen ab.
Würde Kapitän Don José Manuel Ramos seine Männer auf der Insel landen lassen, um weiter nach ihr zu fahnden? Würde er wirklich soweit gehen?
Oder segelte er mit seinem Schiff weiter?
Aber wenn Andrés die Flucht von der Galeone nicht geglückt war, wenn er sich noch an Bord befand, vielleicht in Gefangenschaft, weil er ihr hatte helfen wollen und sich so verraten hatte – sah sie ihn dann vielleicht niemals wieder?
Florinda schlug die Hände vors Gesicht, schluchzte und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Die Bucht war von einer Laune der Natur in das nördliche Ufer der Insel Sao Miguel hineingeschnitten worden. Ihre Zufahrt war sehr schmal, erlaubte aber nahezu jedem Schiffstyp, sie zu passieren. Hatte man diese halbe Kabellänge Strecke, die wie ein Kanal war, zurückgelegt, gelangte man in die eigentliche Bucht, die in ihrer Form wie ein riesiger Tropfen wirkte. Der südliche, halbkreisartige Uferrand des Tropfens bestand aus bewaldeten Hängen, alle anderen Küstenstreifen der Bucht waren fast völlig flach und stellenweise mit weißem oder gelbem Sand bedeckt.
Barbante, der Pirat und Glücksritter, stand ganz vorn am Abbruch eines der höchsten Punkte der Hänge. Über seinem fast kahlen, von einem dunklen Tuch umwickelten Kopf breiteten sich die eigentümlich geformten Wipfel von Schirmpinien aus. Zwischen den Stämmen hindurch konnte Barbante auf das Wasser der Bucht blicken. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und versuchte, Bewegungen auf der glatten schwarzen Fläche des Tropfens zu erkennen.
Neben ihm hatten sich Corona und Anselmo aufgebaut, seine ranghöchsten Kumpane. Alle drei standen sie rechts neben dem Geschütz, das Barbante unter viel Aufwand von Zeit und Kraft hier hatte heraufschaffen lassen. Es war eine Serpentine, ein 4-Pfünder-Hinterlader, mit dem man dank einer drehbaren Gabellafette, die fest in den Untergrund gerammt worden war, auf nahezu jede Stelle Stelle der Bucht feuern konnte.
Von diesen Serpentinen gab es noch vier weitere Exemplare auf den Hängen. Alle waren gut versteckt zwischen den Bäumen und Büschen und konnten von der Bucht aus selbst bei Tag nicht entdeckt werden.
Von dem Platz unter den Pinien hatte Corona vor kurzem die Lichter eines Schiffes unweit der Küste entdeckt. Wenig später hatten die Piraten das Krachen von Handfeuerwaffen vernommen – und Schreie. Ihre Neugier war geweckt, sie hatten zwei Späher zur Einfahrt der Bucht geschickt.
„Die Pinasse kehrt zurück“, sagte Anselmo in diesem Augenblick. „Gleich geben sie sicherlich auch das Zeichen.“
Barbante konnte den Einmaster noch nicht erspähen, und das ärgerte ihn insgeheim. Dann aber war ihm doch so, als gleite etwas schräg unter ihnen auf das Süfufer der Bucht zu, und im selben Moment ertönte auch schon der Schrei eines Nachtvogels.
„Gehen wir ’runter“, sagte er. „Falls es etwas für uns zu tun gibt, entern wir gleich in die Pinasse und kreuzen zurück zur Buchteinfahrt. Vielleicht ist jede Minute kostbar.“
Er eilte den recht steilen Hang auf einem Pfad hinunter, den er auch mit geschlossenen Augen hinter sich gebracht hätte, ohne einen einzigen Fehltritt zu tun.
Unten trat er zu den Männern der Pinasse, die jetzt bereits angelegt hatten und bedeutungsvoll zu ihm herüberwinkten. Sie hießen El Grullo und Josefe und galten als die besten, raffiniertesten Kundschafter der Freibeuterbande.
„Eine spanische Galeone“, erklärte El Grullo. „Sie hat zwei Beiboote abgefiert, aber das eine liegt kieloben im Wasser, was offenbar auf den Angriff einer zweiten Galeone zurückzuführen ist, die inzwischen nach Westen abläuft. Der Capitán des spanischen Schiffes tobt. Seine Kerls sind dabei, die Narren aus der umgekippten Jolle zu übernehmen. Mehr haben wir nicht gesichtet.“
Barbante hatte die Fäuste in die Seiten gestemmt. „Eine zweite Galeone? Was ist das für ein Kahn? Woher kommt er? Was für eine Flagge, was für einen Namen führt er?“
„Das alles ist in dieser Finsternis nicht zu erkennen“, erwiderte Josefe. „Wir haben wirklich die Augen aufgesperrt, aber wir können uns auf das Erscheinen und die Bedeutung dieser Schiffe auch keinen Reim bilden. Nur eins scheint gewiß zu sein – sie sind Feinde. Der eine hat dem anderen das Beiboot zum Kentern gebracht.“
„Durch Schüsse?“
„Weiß der Teufel wodurch“, entgegnete nun El Grullo. „Jedenfalls reckt die Jolle ihren Bauch nach oben, soviel haben wir gesehen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Spanier hier auf der Insel landen wollten, und vielleicht tun sie’s auch noch, wenn sie von ihrem Gegner nicht wieder gestört werden. Wir sollten ruhig abwarten, bis die Burschen den Weg in unsere Bucht gefunden haben.“
Barbante war mit dieser Meldung ganz und gar nicht zufrieden.
„Hört mal zu“, sagte er. „Corona ist sicher, vorhin auch einen Frauenschrei vernommen zu haben. Habt ihr irgendwo ein Weibsbild entdekken können?“
„Nicht die Spur davon“, erwiderte El Grullo.
Corona, der inzwischen neben seinem Anführer eingetroffen war, sagte: „Ich bleibe dabei. Da schrie eine Frau.“
Anselmo war nun auch zur Stelle und pflichtete ihm bei: „Ja, ich habe ihr Kreischen ebenfalls gehört. Jefe, du weißt, daß wir stocknüchtern sind. Wir sind keinem Irrtum aufgesessen. Da ist ein Weiberrock mit im Spiel. Vielleicht ist sie sogar der Anlaß für den ganzen Aufstand.“
Barbante fuhr sich mit der Hand durch den dunklen Vollbart. „Laßt mich mal überlegen. Manchmal nehmen gewisse Halunken von Schiffskapitänen Huren mit an Bord, um während der langen Überfahrt in die Neue Welt ihre Kurzweil zu haben. Das könnte hier der Fall gewesen sein. Möglicherweise hat der Narr, der jene spanische Galeone dort führt, entweder die Nase voll gehabt von dem Weib, weil es ihm zu dreist geworden und auf seiner Nase herumgetanzt ist – oder sie hat sich der Mannschaft gezeigt, hat Zwietracht gesät und für eine Meuterei gesorgt. Vielleicht hat sie auch geklaut, wer weiß. Als der Kapitän, dieser Esel, sie bestrafen wollte, ist sie außenbords gehüpft. Na, wie findet ihr das?“
Corona entgegnete: „Du meinst, der Kapitän hat sie daraufhin suchen lassen?“
„Mit den Booten, ja.“
„Und dann ist die zweite Galeone plötzlich aufgetaucht und ist dazwischengefahren“, meinte Anselmo. „Hört sich plausibel an.“
„Warum?“ fragte Corona.
„Ich schätze, die Besatzung des zweiten Schiffes hat das Weib auch schreien hören“, meinte Anselmo. „Und da hat sie beschlossen, sie zu retten und aus dem Wasser zu ziehen.“
„Das ist ein Ding mit vielen Haken und Ungereimtheiten“, sagte Barbante verdrossen. „Die Sache gefällt mir nicht, vor allen Dingen auch, weil ich nicht begreife, wie die Gegner unserer lieben spanischen Landsleute die Jolle zum Kentern bringen konnten. Bevor wir etwas unternehmen, beobachten wir weiter. Denn selbst wenn die Galeone ein Fressen für uns ist, dürfen wir nicht den Fehler begehen, zu voreilig zu sein.“
„Jefe“, sagte El Grullo. „Es wäre gut, wenn wir die Entwicklung der Dinge irgendwie beeinflussen könnten. Die spanische Galeone da draußen scheint mir genau richtig für unsere Zwecke zu sein. Ein schöner, solide gebauter Kauffahrteifahrer, nicht sonderlich gut armiert, wie es scheint – mit dem könnten wir leicht fertigwerden. Was er geladen hat, wissen wir nicht, aber es interessiert uns doch eigentlich nur am Rande, oder?“
„Allerdings“, sagte Barbante. „Ich will endlich wieder ein gutes Schiff unter den Füßen haben. Diesen Schlupfwinkel hier werden wir behalten, aber ich will längere Fahrten und großangelegte Beutezüge unternehmen können und Reichtümer auf der Insel horten. Bislang haben wir uns mehr schlecht als recht durchgeschlagen, und mit der einen Pinasse hier und den zwei Schaluppen, die wir haben, würde es auch ewig so bleiben.“
„Ja, das stimmt“, meinte Corona. „Was planst du also?“
„Man müßte einen Weg finden, die Galeone in unsere Bucht zu locken.“
„Das schaffen wir nie“, sagte Josefe. Er handelte sich mit dieser Äußerung aber nur die mißbilligenden Blicke der vier anderen ein.
Seit gut einem Jahr saßen Barbante und seine Bande – mehr als zwei Dutzend Männer – nun schon auf der Insel Sao Miguel fest. Sie hatten zur Besatzung eines spanischen Frachtseglers der Neuspanien-Flotte gehört, der bei der Überfahrt von Spanien in die Neue Welt bei einem Sturm vor den Azoren von seinem Konvoi getrennt worden war.
Der Entbehrungen und der Schikanen des Kapitäns müde, hatte der Großteil der Mannschaft unter Barbantes Führung gemeutert. Es war ihnen gelungen, das Kommando an sich zu reißen. Sie hatten die meisten Offiziere im Kampf getötet, den Kapitän jedoch in einen der Schiffsräume gesperrt. Barbante hatte sich selbst zum neuen Kapitän ernannt, Corona war sein erster Offizier geworden, Anselmo der Bootsmann.
Doch der rechtmäßige Kapitän der Galeone hatte sich aus seinem Gefängnis befreit, sich Pulver besorgt und durch eine Sprengung im Frachtraum ein riesiges Leck geschaffen. Er war dabei selbst umgekommen und mit der Galeone gesunken.
Barbante, Corona, Anselmo, El Grullo, Josefe und die anderen Meuterer hatten nur noch die beiden Schaluppen und die Pinasse abfieren können, die die Galeone zusätzlich zu den regulären Beibooten mitgeführt hatte, um sie in der Neuen Welt zurückzulassen. Mit diesen Einmastern, die im Bug mit je einer Drehbasse armiert waren, hatten die Männer zur Insel Sao Miguel gefunden. Sie hatten die tropfenförmige Bucht entdeckt, hier ihr Lager aufgeschlagen und sich häuslich niedergelassen.
Die Insel bot ihnen durch ihre Fauna und Flora genügend Verpflegung. Auch Trinkwasser war reichlich vorhanden. Barbante hatte beschlossen, fortan ein Dasein als Freibeuter zu führen und fremden Schiffen aufzulauern, und seine Anhänger hatten ihm ausnahmslos versichert, daß sie bei ihm bleiben und mitmachen würden.
Die fünf Serpentinen am Südufer der Bucht stammten von einer portugiesischen Karavelle, die sich bei einem Unwetter einmal regelrecht in die Bucht „verirrt“ hatte. Barbante und seine Spießgesellen hatten dieses Schiff mit den zwei Schaluppen und der Pinasse angegriffen, die Besatzung getötet und den Segler an sich gebracht.
Die Karavelle hatte Barbantes „Flaggschiff“ werden sollen, vorläufig zumindest, aber er war damit zwischen Sao Miguel und der Nachbarinsel Terceira auf ein Riff gelaufen. Das Schiff war zerschellt, er hatte nur noch die Serpentinen retten können, die leicht genug waren, um von den Schaluppen und der Pinasse nach Sao Miguel transportiert zu werden. Sechs Demi-Culverinen, die die Karavelle ebenfalls mitgeführt hatte, hatte Barbante wegen ihres Gewichtes der See überlassen müssen.
Die fünf Kerle am Rand der Bucht horchten plötzlich auf. Ein Schrei, offenbar in hellem Entsetzen ausgestoßen, wehte vom Nordufer der Insel zu ihnen herüber. Er brach ab und wurde von dem Zirpen der Zikaden, die jede Nacht ihr Konzert hielten, abgelöst.
„Das war sie wieder“, stieß Corona aus. „Die Frau …“
„Sie ist auf der Insel“, sagte Barbante. „Ich weiß jetzt, wie wir die Galeone in die Bucht locken. Wir fangen dieses Weibsbild und lassen sie noch ein wenig schreien. Josefe, lauf sofort zum Lager hinauf und sag den Männern Bescheid, sie sollen zum Nordufer hin ausschwärmen. Nur drei Mann bleiben als Wachtposten im Lager zurück. Wir, Corona, Anselmo, El Grullo und ich, setzen schon mal mit der Pinasse über. Wir treffen uns alle drüben an der Nordseite der Bucht und bilden drei Gruppen, die in verschiedenen Richtungen nach der Frau suchen. Es wäre doch gelacht, wenn wir sie nicht finden würden. Als Zeichen für die gegenseitige Verständigung nehmen wir wieder den Ruf der Waldohreule.“
„Ja, Jefe“, erwiderte Josefe. Er lief los, hetzte den Pfad hinauf, der ins Lager führte, und dachte daran, wie lange es schon her war, daß er keine richtige Frau mehr gesehen, geschweige denn angefaßt hatte.