Читать книгу Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 44
9.
ОглавлениеDie Nacht war schon fast vorüber. Im Osten zog ein schmaler grauer Streifen über dem Land hoch.
Die Riemen der Fischerboote tauchten fast lautlos ins Wasser der leicht gekräuselten See.
Pierre Servan starrte durch die Dunkelheit auf die beiden nur schemenhaft zu erkennenden Schatten der englischen Galeonen. Er wußte, daß es gefährlich war, was er gewagt hatte, denn die Zeit war denkbar knapp geworden.
Wenn seine Berechnung aufging, würden die Engländer einen Angriff von. Westen erwarten. Deshalb war er in der Dunkelheit dicht unter Land an den Galeonen vorbeigefahren, um seinen Angriff von Osten zu starten.
Jetzt sah es so aus, als würde seine Rechnung aufgehen. Noch war das graue Licht der Dämmerung im Osten nur ein schmaler Streifen, der nicht ausreichte, um die Konturen der Boote aus dem Dunkel zu reißen.
Servan fragte sich, was aus den Engländern geworden war, die sie bis zur Fischerhütte verfolgt hatten. Bis dorthin jedenfalls hätten sie ihren Spuren folgen können, und er war überzeugt, daß sie es getan hatten. Von da ab waren ihre Fährten allerdings nicht mehr zu erkennen gewesen, und ihnen war eigentlich nichts anderes übriggeblieben, als zurückzukehren.
Einen Augenblick hatte Servan daran gedacht, nach den Booten der Engländer, die an Land gegangen waren, zu suchen, doch dann hätte er den Angriff auf die Galeonen verzögert.
Er hatte sich für den Angriff entschieden. Denn wenn die Engländer noch an Land waren, würden die anderen auf den Galeonen niemals mit einem Angriff von Osten rechnen.
Immer dichter schoben sich die Boote an die Schatten der beiden Galeonen heran. Servan hatte befohlen, nur eine der beiden Galeonen anzugreifen, um ihre Kräfte nicht zu zersplittern. Wenn sie das eine Schiff gekapert hatten, konnten sie damit das andere angreifen.
Pierre Servan mochte nicht daran denken, welches Ansehen ihm ein Erfolg einbringen würde. Die englische Galeone wäre genau das richtige Schiff für ihn, um sich von Yves Grammont loszusagen und auf eigene Faust auf Kaperfahrt zu gehen.
Er schüttelte die Gedanken ab. Er mußte sich auf den Angriff konzentrieren. Er blickte zur Seite, wo Le Testu und der Korse hockten. Ihre Augen waren starr auf die Galeone gerichtet. Er hatte die beiden in sein Boot genommen, weil sie sich beim Entern eines Schiffes nicht auskannten. Außerdem hatten Bauduc und seine Leute sich geweigert, ihnen zu gehorchen.
Servan wußte, daß Le Testu und der Korse ausgezeichnete Kämpfer waren. Er grinste, als er daran dachte, welche Augen sie machen würden, wenn sie erkannten, daß Yves Grammont ihr Anführer war und sie auf der falschen Seite mitgekämpft hatten.
Der Pirat hinter Servan tippte ihn an.
„Da!“ zischte er. „Wir haben die ‚Hornet‘ erreicht!“
Servan blickte sich schnell noch mal um. Dicht hinter seinem Boot war Bauduc, die anderen konnte er fast schon nicht mehr sehen.
Dann sah er, wie der Rumpf der „Hornet“ dicht vor ihm als riesenhafter Schatten aufwuchs. Mit einem kaum wahrnehmbaren Pochen stieß das Boot gegen die Galeone. Die Rudergasten hatten ihre Riemen eingezogen und legten sie vorsichtig nieder. Sie zogen ihre Waffen, warteten, bis die nächsten beiden Boote ebenfalls heran waren, dann gab Pierre Servan seinen Männern das verabredete Zeichen.
Seine Hand faßte nach einem der Berghölzer unterhalb der getarnten Stückpforten, als ein greller Blitz die Nacht für einen Sekundenbruchteil erhellte.
Es krachte ohrenbetäubend in der Stille der sterbenden Nacht, und Servan hörte im Nachhall das Stöhnen des Mannes neben sich, der zu taumeln begann und dann kopfüber ins Wasser stürzte. Das Aufklatschen des Körpers wirkte wie ein Signal.
An Bord der „Hornet“ rief eine helle, schrille Stimme: „Alarm! Die Piraten greifen in Booten an!“
Gleichzeitig brüllte Pierre Servan: „Greift an, Männer! Entert das Schiff. Zeigt, was ein französischer Korsar ist. Tötet alles, was sich euch in den Weg stellt!“
Eine Wolke aus Feuer und Qualm stieg über ihnen auf. In ihrem Licht sah Servan, wie eine Ladung von Eisen das dritte Boot traf. Todesschreie gellten in seinen Ohren und mischten sich mit dem Splittern von Holz und dem Gurgeln des Wassers, als das Boot innerhalb von Sekunden absoff.
Le Testu zerrte an Pierre Servans Arm, als dieser über die Berghölzer die Galeone entern wollte.
„Weg hier!“ brüllte der Mann mit dem dunkelroten Hut. „Sie schießen uns alle zu Klump! Sie haben auf uns gewartet!“
Servan wollte die Hand des Wegelagerers abschütteln, aber die hatte sich so fest in seinem Ärmel verkrallt, daß er den Halt verlor und ins Boot zurückstürzte.
Seine Männer dachten, er wäre dem Rat des anderen gefolgt, und als Le Testu jetzt brüllte: „Pullt, Leute, was das Zeug hält! Noch können wir in der Dunkelheit entkommen!“ griffen sie hastig nach den Riemen und stießen sich vom Rumpf der „Hornet“ ab.
Pierre Servan rappelte sich hoch. Er blickte wild um sich und wollte einem der Rudergasten den Riemen entreißen, als er wie zufällig zur Küste hinüberblickte, über dem der graue Streifen der Dämmerung breiter geworden war.
Er verschluckte sich fast.
Die Engländer, die an Land gewesen waren! dachte er voller Entsetzen.
„Pullt, Männer!“ brüllte jetzt auch er. „Wir sitzen in der Falle! Seht zur Küste hinüber! Die Engländer haben uns entdeckt!“
Er wußte selbst nicht mehr, was er schrie.
Seine Augen weiteten sich, als er das Inferno sah, das an Backbord der „Hornet“ ausgebrochen war, und er dachte nicht mehr daran, auf eigene Rechnung auf Kaperfahrt zu gehen. Er war froh, wenn er noch einmal sein Leben retten konnte.
Auf dem Achterdeck der „Hornet“ blühte ein Feuerkranz auf, und voller Panik erkannte Pierre Servan, daß die Mündungsflamme der Drehbasse auf sein Boot gerichtet war.
Er schaffte es nicht mehr, einen Warnschrei auszustoßen. Wie wilde Hummeln jaulten die Bleistücke heran, prasselten in den Bootskörper und ins Wasser.
Servan spürte ein heißes Brennen an seinem linken Unterarm und spürte, wie die Haut um die Schramme herum feucht von seinem Blut wurde.
Er drehte den Kopf, als er den lauten Schrei hörte, den der grauhaarige Korse ausgestoßen hatte. Der hochgewachsene Mann kauerte zwischen zwei Duchten und hielt sich die linke Schulter. Im Licht des Kanonenfeuers, das von der Wasseroberfläche reflektiert wurde, sah Servan, daß ein Stück Eisen der Drehbasse eine breite Wunde auf Montbars’ Schulter hinterlassen hatte.
Le Testu war sofort neben ihm, aber der Korse winkte ab.
Mehrere Männer in dem Boot hatten von der Ladung etwas abgekriegt, aber nachdem sich alle vom Schrecken etwas erholt hatten, begannen die Rudergasten wieder zu pullen, als sei der Teufel hinter ihnen her.
Wieder hörte Servan das Jaulen einer Kugel. Er duckte sich instinktiv. Das Geschoß verfehlte das Boot nur knapp. Eine Wasserfontäne spritzte dicht neben dem Boot hoch und überschüttete ihn mit einem Schwall.
Er krallte sich am Dollbord fest. Unverwandt waren seine Augen jetzt auf die „Hornet“ gerichtet, die aus allen Rohren zu feuern schien.
Ein Höllenlärm erfüllte die Luft, und als eine weitere Kugel sie verfehlte, hätte er fast das Kreuz geschlagen. Im letzten Augenblick dachte er daran, daß er sich damit bei den Hugenotten verraten hätte.
Er warf den beiden Straßenräubern, die sie mit Waffen versorgt hatten, einen kurzen Blick zu und sah das Entsetzen in ihren Augen. Montbars hielt immer noch seine linke Schulter, und seine Hand war blutüberströmt. Auch Le Testu schien etwas abgekriegt zu haben. Er hielt sich den Kopf. Sie waren ziemlich durcheinander. Auch für sie war das Kämpfen und Sterben nichts Ungewohntes, aber das Donnern der Kanonen und das Brüllen der Drehbassen schien sie um den Verstand zu bringen.
Pierre Servan fühlte sich plötzlich wieder wohler, als er sah, wie sich die Entfernung zur „Hornet“ rasch vergrößerte. Er warf einen Blick zur Küste hinüber, wo die Boote der Engländer heranschossen, aber sie würden zu spät eintreffen. Jedenfalls für sein Boot und auch für das Bauducs, das ebenfalls die Flucht aus dem höllischen Feuerhagel geschafft hatte.
Sie hatten noch einmal ihre Haut gerettet. Er dachte daran, daß er es eigentlich Le Testu zu verdanken hatte, der ihn von den Berghölzern gezerrt hatte, aber das berührte ihn nicht, genausowenig wie der Tod der Männer, die den Geschützen der „Hornet“ hilflos ausgeliefert waren.
„Pullt, Männer!“ brüllte er wieder und steuerte das Boot weit an der zweiten Galeone vorbei aufs Meer hinaus. Er hoffte, daß die Dunkelheit ihre Flucht decken würde, bis sie weiter westlich an die Küste gelangt waren.
Noch einmal blickte er zurück, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er erkannte, daß außer Bauducs Boot alle anderen dem mörderischen Feuer der „Hornet“ zum Opfer fielen …