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1 Nächtliche Wache

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Es war Nacht im Herzen Afrikas.

Hoch wölbte sich der sternenbestickte Himmel über der Steppe, und der Rand des Dschungels war wie eine dunkle Wand, die die dämmrige Weite mit den pilzartig aufragenden Feigenbäumen begrenzte. Verstohlene Schritte tappten durch das hohe Gras — und dann erhob sich die tiefe, grollende Stimme aus der Dunkelheit: die Stimme Simbas, des Löwen, des Königs aller Tiere.

Ein Mann in einer Buschhütte am Rande des Dschungels fuhr von seinem Lager empor.

„Hörst du es, Bomba? Der Löwe ruft wieder!“

Gibo, Bombas treuer Gefährte, beugte sich über seinen schlafenden Herrn und rüttelte ihn an der Schulter.

Schlaftrunken richtete sich Bomba auf und lauschte in die Nacht hinaus. Deutlich hörte er das tiefe Grollen aus der Kehle des gefürchteten Raubtiers.

„Ja. Er ist wieder da“, murmelte Bomba. „Aber er wird uns nicht mehr lange unsere Ruhe rauben. Morgen gehen wir auf die Jagd und erlegen ihn.“

„Möge sein ganzes Geschlecht verwünscht sein!“, rief Wafi, der riesige Zulu, den das Brüllen ebenfalls aus dem Schlaf gerissen hatte.

Bomba hatte sich schon wieder auf seinem Lager langgestreckt. Bald darauf verrieten seine gleichmäßigen, leisen Atemzüge, dass er schlief. Aber Gibo und Wafi konnten noch keine Ruhe finden und unterhielten sich flüsternd am Eingang der Buschhütte.

Es war eine merkwürdige Unterhaltung, die die beiden da führten. Gibo, der Indianer aus dem südamerikanischen Dschungel, hatte zwar in der Zeit, die er schon mit Bomba in Afrika verbrachte, einige der wichtigsten Eingeborenendialekte dieses Kontinents verstehen gelernt, aber das Sprechen selbst fiel ihm nicht so leicht. So kam es mitunter zu sehr komischen Missverständnissen.

Nur in einer Hinsicht waren Gibo und Wafi sich immer einig — dass nämlich Bomba der größte und tapferste Kämpfer im Dschungel war. Wenn sie auf dieses Thema zu sprechen kamen, konnten sie oft kein Ende finden, und auch diesmal ließ Gibo eine lange Lobeshymne ertönen, und Wafi stimmte ihm aus vollem Herzen zu.

„Ja, es ist so wie du sagst, Gibo. Wir haben schon oft genug gesehen, wie er gegen übermächtige Feinde kämpfte und doch keinen einzigen Kratzer davontrug. Er muss unter dem Schutz der Götter stehen.“

„Welcher Götter?“, fragte Gibo.

„Natürlich unter dem Schutz der Götter, die mich und meinen Stamm beschützen“, erklärte Wafi selbstgefällig. „Es gibt keine anderen. Oder wenn es welche gibt, dann sind sie schwach und unbedeutend.“

Gibo war mit dieser Erklärung durchaus nicht einverstanden.

„Eure Götter!“, schnaubte er verächtlich. „Sie sind wie hilflose Kinder im Vergleich zu unseren Göttern. Allein die Götter des südamerikanischen Dschungels sind es, die über Bomba wachen. Und durch meine Gebete und Opfer habe ich bewirkt, dass sie Bomba nie im Stich lassen. Du hast dumme Worte gesprochen, Wafi.“

Der große Zulu runzelte die Stirn so stark, dass sein an sich schon finsteres Aussehen noch furchterregender wurde. So sah er aus, wenn er angestrengt nachdachte — und jetzt dachte er besonders angestrengt nach. Dann erhellte sich sein Gesicht. Sein ganzes prächtiges Gebiss wurde sichtbar, als er die dicken Lippen zu einem breiten Grinsen verzog.

„Sind die Götter, von denen du sprichst, in deinem Lande, Gibo?“, fragte er.

„Natürlich“, bestätigte Gibo arglos.

Wafis Grinsen wurde noch breiter.

„Aha, sie sind also in deinem Lande, Gibo. Das gibst du selbst zu. Und willst du mir dann verraten, wie sie über das große Wasser kommen können, um deine Gebete zu hören? Können sie schwimmen?“

Gibos Medizinmann im heimischen Dorf hatte nie davon gesprochen, dass die Götter Schwimmflossen hätten, und so konnte er sich auch nicht vorstellen, wie sie das Meer überquert haben könnten. Für den Augenblick war Gibo geschlagen. Er sah Wafis listiges Grinsen im schwachen Schein des erlöschenden Lagerfeuers und dachte über eine besonders schlagkräftige Erwiderung nach, als wieder das drohende Brüllen aus dem Dschungel erklang.

„Der Löwe ist nähergekommen!“, stieß Wafi unruhig hervor. „Wir müssen unser Feuer größer machen. Simba ist hungrig und sucht eine Beute. Wir müssen ihn abschrecken.“

Beide hatten kein Verlangen danach, in dieser Nacht auf dem Speisezettel des Löwen zu stehen, und sie beeilten sich daher, frische Zweige auf die Flammen zu werfen und das Feuer neu zu schüren. Alle nächtlichen Raubtiere des Dschungels fürchteten den lodernden Feuerschein, und als die Flammen hoch aufzüngelten, fühlten sich Wafi und Gibo wieder einigermaßen sicher.

Sie kauerten schweigsam am Eingang der Hütte und suchten mit aufmerksamen Blicken angestrengt die Dunkelheit ab, die sich hinter dem Lichtkreis des Lagerfeuers dehnte. Nichts war zu sehen als das undurchdringliche, bizarre Schattengewirr der üppigen Dschungelvegetation. Gleich darauf war die Stimme des Löwen wieder zu hören. Diesmal schien sie noch näher gerückt zu sein.

„Was ist schon ein Löwe?“, sagte Wafi mit einer Verächtlichkeit, die vielleicht nicht ganz echt empfunden war. „Wenn er wüsste, dass Bomba in dieser Hütte schläft, würde er den Schweif zwischen die Beine klemmen und verschwinden.“

„Lass ihn nur brüllen“, flüsterte Gibo, um sich selber Mut zu machen. „Morgen um diese Zeit wird sein Kadaver bereits den Hyänen zum Fräße dienen. Bomba hat gesagt, er wird ihn töten, und Bomba hält sein Wort.“

„Was für ein Wort werde ich halten?“

Das Brüllen des Löwen hatte auch Bomba geweckt. Er richtete sich seufzend von seinem Lager aus Zweigen und Laub auf, reckte die Arme und stand auf.

„Ich habe gesagt, dass du den Löwen töten wirst, wie du es versprochen hast“, erklärte Gibo.

Bomba war an den Eingang der Hütte getreten und spähte über die Schultern seiner beiden Begleiter hinaus.

„Dort, Herr! Dort ist er!“, stieß Gibo plötzlich in scharfem Flüsterton hervor.

Im unruhig flackernden Schein der Flammen sah auch Bomba jetzt die schattenhafte Gestalt, die durch das Unterholz bis an den Rand der Lichtung geschlichen war.

„Ja, ich sehe ihn auch“, flüsterte Wafi. „Es ist ein sehr großer Löwe, Herr. Fast so groß wie ein Nashorn.“

„Wafi, ich glaube, du hast Vergrößerungsaugen“, erwiderte Bomba mit einem verschmitzten Lächeln. „Oder du meinst ein junges Nashorn, das noch mit seiner Mutter läuft.“

„Herr, der Löwe kommt näher!“, rief Wafi, ohne auf die Neckerei einzugehen. „Vielleicht wagt er es doch, das Feuer zu überspringen!“

Tatsächlich deutete ein Grollen, das tief aus der Kehle des Löwen kam, darauf hin, dass er hungrig und gereizt war. In diesem Zustand überwand er vielleicht sogar die instinktive Scheu aller Raubtiere vor dem Feuer. Bomba glitt schnell ins Innere der Hütte zurück und ergriff seinen Speer.

„Soll er kommen, wenn er mag“, sagte er. „Dann erspart er mir die Mühe, ihn im Dschungel zu suchen.“

Die Gestalt des Raubtieres zeichnete sich jetzt deutlich im Flammenschein ab, und Bomba musste selbst zugeben, dass er einen Löwen von dieser Größe noch nicht gesehen hatte. Der Schweif der Bestie peitschte erregt hin und her, und die grünlich schillernden Raubtieraugen blinzelten gegen das helle Flammenlicht.

Gibo war wieder etwas mutiger geworden, als er den Speer in Bombas Hand sah.

„Komm nur noch etwas näher, oh Herr des Dschungels“, lud er den Löwen höhnisch ein. „Dann wird Bomba dir den Speer in dein gelbes Fell bohren. Oder hast du etwa Angst vor dem Feuer, tapferer Simba?“

Das riesige Tier stieß wieder sein drohendes Brüllen aus. Der muskulöse Körper presste sich dicht an den Boden und kroch noch näher an die Feuersperre heran, die Gibo und Wafi im Halbkreis um den Eingang der Hütte gelegt hatten.

Auf diesen Augenblick hatte Bomba gewartet. Er hob den Arm, schätzte die Entfernung ab, holte zum Wurf aus und schleuderte den Speer mit ganzer Kraft. Unglücklicherweise kam sein Ellbogen dabei mit Wafis Schulter in Berührung, der nicht schnell genug zur Seite gewichen war. Die Speerspitze wurde abgelenkt und traf den Löwen nur an der Schulter. Da der Schaft des Speeres jedoch ins Feuer fiel, wurde das Raubtier im gleichen Augenblick mit einem Funkenregen überschüttet. Mit einem schrillen Heulen, das irgendwie dem Kreischen einer entsetzten Katze glich, jagte Simba, der König der Tiere, in die Dunkelheit hinein.

Gibo lachte laut auf.

„Das ist Wafis Nashorn, das da läuft“, spottete er. „Es scheint genug zu haben von seinem nächtlichen Ausflug.“

„Die Dämonen des Feuers haben den Löwen vertrieben“, sagte Wafi ernst. „Er war bestimmt nicht feige, denn sonst wäre er nicht so nahe an die Hütte herangekrochen. Jetzt hat er uns jedenfalls gesehen, und wir müssen uns nun ständig vor ihm in Acht nehmen. Seine Krallen und Zähne sind scharf.“

„Bombas Messer und Speer sind auch scharf“, erwiderte Gibo.

Der Junge war inzwischen ins Innere der Hütte zurückgekehrt und hatte sich zur Ruhe gelegt. Gibo wartete, bis er sicher war, dass Bomba wieder schlief, und er sagte dann grollend zu Wafi:

„Ist dir überhaupt klar, dass nur durch deine Schuld Bomba den Löwen nicht schon jetzt erlegt hat? Wenn du nicht im Wege gestanden hättest, läge der große Simba jetzt schon tot hier vor uns.“

Wafi senkte beschämt den Kopf. So kriegerisch und angriffslustig er auch sein konnte — er sah immer sofort ein, wenn er einen Fehler begangen hatte.

„Ich habe mich sehr dumm benommen“, murmelte er.

Diese offene Selbstbezichtigung brachte Gibo dazu, dass er mit einer großmütig verzeihenden Geste das Thema abschloss.

„Wir legen noch einmal frische Äste nach“, sagte er. „Dann wird der Löwe keinen zweiten Angriff wagen.“

Wafi war nicht so optimistisch.

„Vielleicht ist die Gefährtin des Löwen auch in der Nähe und will die Verletzung ihres Herrn rächen“, gab er zu bedenken. „Eine Löwin ist, wenn sie gereizt wird, noch gefährlicher als ein männlicher Löwe.“

An diese Aufklärung knüpfte Wafi noch einige höchst unfreundliche Bemerkungen über das Geschlecht der Raubtiere im Allgemeinen und das der Löwen im Besonderen. Gibo, der die Sprache nicht so gut beherrschte, bewunderte dabei besonders den Reichtum der Zulusprache an Kraftausdrücken und Verwünschungen, die sich auf diese gefürchteten tierischen Feinde des Menschen bezogen.

Abwechselnd hielten die beiden für den Rest der Nacht Wache. Sie ließen Bomba schlafen, da der Junge in einer der vorigen Nächte ganz allein gewacht hatte.

In dieser Nacht gab es keine Zwischenfälle mehr, und kurz nach Tagesanbruch weckte Gibo seine beiden schlafenden Gefährten. Bomba war sofort hellwach. Das Sonnenlicht fiel in breiter Bahn durch den Eingang der Hütte, und das Grün der Bäume und Büsche funkelte noch im Tau des frühen Morgens.

„Ein schöner Tag für eine Antilopenjagd“, sagte Wafi mit scheinheiligem Eifer. „Wir könnten neuen Proviant gebrauchen, Bomba.“

„Zartes Antilopenfleisch wäre gut“, stimmte Gibo sofort zu.

Bomba schaute von einem zum anderen und musste dann lachen.

„Keine Lust zur Löwenjagd, ihr tapferen Jäger?“, fragte er in gutmütigem Spott.

Die beiden fühlten sich durchschaut und grinsten verlegen.

„Wenn du willst, Herr, gehen wir auf die Löwenjagd“, sagte Gibo kleinlaut.

„Es wäre aber gut, wenn wir erst nachschauen, ob unsere Speere scharf genug sind“, sagte Wafi hastig. „Schon viele Männer meines Stammes sind auf die Löwenjagd gegangen und nie mehr zurückgekehrt.“

„Aber viele Löwen sind auch schon von Jägern erlegt worden“, fügte Bomba hinzu. „Und du lebst auch immer noch, Wafi.“

„Richtig, Herr. Und wenn du uns führst, gehe ich auch mit zur Löwenjagd", erwiderte Wafi. „Aber vielleicht finden wir die Fährte des Löwen nicht mehr“, fügte er hoffnungsvoll hinzu.

„Bomba kann jeder Fährte folgen“, prahlte Gibo. „Der Löwe wird ihm nicht entkommen.“

Nach einem kurzen Frühstück verließen die drei Jäger die Lichtung. Wafi und Gibo waren zwar nicht allzu begeistert von dem Gedanken, sich jetzt wissentlich in Gefahr zu begeben, statt dem harmlosen Vergnügen der Antilopenjagd nachzugehen, aber sie wussten, wie unnachgiebig Bomba in solchen Dingen sein konnte, und sie schwiegen daher.

Es fiel Bomba nicht schwer, die Fährte zu finden; in dieser Hinsicht hatte Gibo völlig recht gehabt. Die große Raubkatze war mitten durch den Busch gebrochen und hatte auf diese Weise einen deutlich erkennbaren Pfad hinterlassen.

„Der Löwe ist nicht schwer verwundet“, erklärte Bomba, als er sich nach einer Weile längere Zeit über eine Stelle am Boden gebeugt hatte. „Hier hat er geruht und seine Wunde geleckt. Dann ist er weitergezogen.“

Nach einer Weile blieb Bomba wieder stehen und beugte sich zu den Zweigen eines Busches nieder.

„Hier ist er vorbeigestreift“, erklärte er. „Seine Wunde blutet nicht mehr. Er ist schnell weitergezogen. Wahrscheinlich werden wir ihn erst am nächsten Wasserloch finden.“

Sie folgten jetzt der Fährte, so schnell sie konnten. Nach etwa einer Stunde blieb Bomba stehen und hob warnend die Hand.

„Die Fährte wird immer frischer“, flüsterte er, als die beiden an seine Seite traten. „Ich rieche auch schon Wasser. Der Löwe ist nicht mehr weit.“

In gespanntem Schweigen schlichen die drei Dschungeljäger weiter. Die Fährte des Löwen war deutlich zu erkennen, und bald sahen sie vor sich auch den Schilfrand eines Wasserloches. Als sie näherkamen, flog plötzlich ein Schwarm Wasservögel vom schlammigen Ufer hoch. Sonst blieb alles still.

Hier, an der großen Tränke vieler Urwaldtiere, kreuzten sich die Fährten der verschiedenartigsten Tiergattungen, und es war schwer, die Spur des Löwen herauszufinden. Bomba untersuchte sorgfältig und lautlos den Boden, während seine beiden nervösen Gefährten unruhig Umschau hielten.

Natürlich war es durchaus möglich, dass der Löwe weitergewandert war, nachdem er seinen Durst gelöscht hatte. Bomba war jedoch inzwischen schon mit den Gewohnheiten der großen Raubkatzen vertraut geworden, und er zweifelte nicht daran, dass der Löwe irgendwo im Schilfdickicht am Rande des Tümpels verborgen war. Er war noch dabei, die Fährte des Löwen aus dem Spurengewirr auszusondern, als Gibo einen Warnungsruf ausstieß.

„Der Löwe, Herr — da ist der Löwe!“

Bomba im Herzen Afrikas

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