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4 Die Probe der Drei Nächte

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An diesem Abend bereiteten sich die ‚Bemalten Jäger“, die manchmal auch ‚Löwenjäger“ genannt wurden, auf das große Fest vor. Sie nannten es das ‚Fest des Löwentanzes‘. Die Erlegung eines Löwen war für sie ein wichtiges Ereignis, das durch eine feierliche Zeremonie gewürdigt werden musste.

Der tote Löwe lag noch dort, wo Bomba ihn erlegt hatte. Sobald die Dunkelheit sich über den Dschungel senkte, setzten sich die ‚Bemalten Jäger“ um die tote Raubkatze. Es war eine seltsame Zeremonie, die zuerst in tiefstem Schweigen begann. Lange Zeit saßen die Jäger stumm da, und nur die Laute des Dschungels drangen durch die Stille. Hin und wieder war das verstohlene Rascheln eines Tieres zu hören, das heimlich zur Tränke schlich und dann von der Witterung der Menschen wieder vertrieben wurde, oder der heisere Schrei einer jagenden Raubkatze.

Nach langer Zeit begann dumpf eine Trommel zu tönen. Die Laute fielen wie schwere, langsame Tropfen in die Dunkelheit. Tom — tom — tom — tom —

Ganz allmählich steigerte sich das Tempo der Schläge. Unmerklich fingen die Oberkörper der ‚Bemalten Jäger’ an, sich hin und her zu wiegen, und ihre Augen begannen vor innerer Erregung zu glühen. Dann sprang einer in gebeugter Haltung auf und eröffnete mit rhythmischen Gesten den Tanz. Das war zugleich das Signal für alle anderen, ihm zu folgen. Im Takt der Trommelschläge stampften’ die nackten Füße auf den Boden, und in einem seltsamen, wiegenden Hüfttanz umkreisten die Männer den erlegten Löwen.

Bomba erkannte, dass man von ihm und seinen Gefährten ebenfalls die Teilnahme am Tanz erwartete. Sie beobachteten also zuerst die Bewegungen der Männer und ahmten sie dann nach, so gut sie es konnten. Schneller und schneller wirbelte der Kreis der Tanzenden herum. Die ‚Bemalten Jäger‘ stimmten dazu einen monotonen Gesang im Rhythmus der Trommelschläge an. Soviel Bomba davon verstehen konnte, rühmten sie in diesem Gesang ihren eigenen Mut und ihre Geschicklichkeit, die es ihnen ermöglichten, so gefährliche Bestien wie den Löwen zu erlegen.

Schließlich stürzte einer der Jäger vor und stieß die Speerspitze in den Körper des toten Löwen. Die anderen folgten seinem Beispiel, bis der Kadaver dem Körper eines riesigen Stachelschweines ähnelte. Dann wurde das Tempo des Tanzes langsamer und langsamer, und einer nach dem anderen ließen sich die Krieger wieder auf ihre Plätze sinken.

Als der Tanz zu Ende war, stand Lowando auf und wandte sich an Bomba.

„Bomba ist ein großer Jäger“, begann er feierlich. „Wir wollen Bomba gern in unseren Stamm aufnehmen, denn er hat Simba, den Löwen, besiegt, und er ist daher berechtigt, einer der Unseren zu werden. Ehe Bomba jedoch in den Stamm eintritt, muss er den Eid der Blutsbruderschaft leisten und sich der Prüfung der ‚Drei Nächte‘ unterwerfen.“

„Ich werde es tun“, sagte Bomba ernst. „Sage mir, was ich zu tun habe, Lowando, und ich werde es ausführen.“

„Zuerst wirst du den Eid der Blutsbruderschaft leisten. Dann feiern wir ein großes Fest. Du wirst gut essen, damit du stark genug bist, die Prüfung der Drei Nächte zu bestehen.“

„Drei Nächte bedeuten für Bomba nichts“, prahlte Gibo. „Er fürchtet die Prüfung nicht.“

Lowando lächelte mit einer Spur von Überlegenheit.

„Warte es ab, Fremder. Du wirst es erfahren, was diese Prüfung bedeutet.“

Der Häuptling winkte Uwalla heran, einen der Unterführer. Als der Mann kam, sagte Lowando, Bomba solle neben ihn treten. Der Häuptling selbst entfernte sich und kehrte gleich darauf mit einem blitzenden Messer zurück.

Gibos Misstrauen erwachte wieder, als er diese merkwürdigen Vorbereitungen sah, und er gab Bomba ein verstohlenes Zeichen. Aber der Junge winkte ab. Er konnte sich auf seine Menschenkenntnis verlassen, und er wusste, dass Lowando keinen bösartigen Trick versuchen würde.

Der Häuptling trat heran, und Uwalla streckte stumm seinen rechten Arm vor. Mit der Spitze des scharfen Messers ritzte Lowando leicht die Haut des Mannes, so dass das Blut hervorquoll; dann tat er dasselbe bei Bomba. Nun trat er zurück und schwang das Messer.

„Jeder von euch soll jetzt das Blut des anderen trinken. Auf diese Weise werdet ihr Brüder. Und wer einen von uns zum Bruder hat, ist unser Bruder.“

Uwalla ergriff Bombas Arm und saugte einen Augenblick lang das Blut aus dem Schnitt. Bomba musste wohl oder übel die gleiche Prozedur vornehmen, wenn es ihm auch nicht ganz angenehm war. Als er es getan hatte, trat der Häuptling wieder vor und rief:

„Du bist jetzt unser Bruder, aber erst dann, wenn du auch die Probe der ‚Drei Nächte‘ bestanden hast, wirst du es für alle Zeiten sein. Wenn du dabei versagst oder Furcht verrätst, werden wir dich tüten — denn niemand aus unserer Bruderschaft darf Furcht zeigen und am Leben bleiben.“

„Mein Herr weiß nicht, was das Wort Furcht bedeutet!“, rief Gibo. „Hat er nicht allein den Löwen mit dem Speer erlegt? Bomba ist ein großer Jäger und fürchtet weder den Löwen noch Lowando.“

„Sei ruhig, oder wir schicken dich allein aus, damit du einen Löwen erlegst“, sagte Lowando. „Würde dir das gefallen?“

„Ich bin kein Löwenjäger“, erwiderte Gibo hastig. „Ich folge nur immer Bomba, wohin er auch geht.“

Der Häuptling brummte geringschätzig irgend etwas vor sich hin und gab dann das Zeichen zum Beginn des Festmahles.

Schon am Nachmittag hatte ein Streiftrupp der ‚Bemalten Jäger‘ zwei Antilopen erlegt, und die saftigen Bratenstücke rösteten bereits am Spieß über einem großen Feuer. Als Lowando jetzt das Zeichen gab, wurden die Bratenstücke an den Spießen zum Kreis der Krieger getragen, und jeder schnitt sich ein Stück ab. Auf den Fersen kauernd, begannen sie dann alle eifrig zu essen.

Auch die drei Dschungelgefährten griffen zu, aber sie konnten bei weitem nicht mit den ‚Bemalten Jägern’ Schritt halten. Wie durch Zauberei waren die beiden Antilopen innerhalb weniger Minuten verschwunden, und nur noch jämmerliche Knochenreste deuteten auf das leckere Mahl hin.

Man hätte glauben können, die Männer wollten nach einem so ausgiebigen Essen rasten. Aber kaum war das letzte Stück Braten verschwunden, als auch die Tänze schon wieder begannen.

Bomba und seine beiden Gefährten nahmen eine Weile an dem Tanz teil, aber schließlich setzten sie sich in einen stillen Winkel und begnügten sich damit, den wilden Sprüngen der Löwenjäger zuzuschauen.

„Was mag nur diese Probe der Drei Nächte sein, von der die Jäger immer sprechen?“, raunte Wafi dem Jungen zu.

„Ich weiß es nicht, aber ich werde es noch herausfinden“, erwiderte Bomba. „Da kommt ja schon Lowando. Vielleicht erklärt er es uns jetzt.“

„Warum tanzt unser Bruder nicht mit uns?“, fragte Lowando und kauerte sich neben ihn.

„Ich kenne noch nicht alle Gebräuche deines Stammes“, erwiderte Bomba. „Darum beobachte ich, damit ich möglichst viel sehe und lerne.“

Der Häuptling nickte zufrieden.

„Das ist gut. Und es ist besser für unseren neuen Bruder, wenn er rastet. Denn morgen Nacht beginnen die Proben, die seinen Mut beweisen sollen.“

„Was muss ich in diesen Nächten tun?“, fragte der Junge nach einer angemessenen Pause, denn er wollte nicht, dass ihn Lowando für neugierig hielt.

„Wir glauben, dass unser neuer Bruder ein tapferes Herz hat. Aber wir müssen dessen sicher sein, ehe er in die Bruderschaft aufgenommen werden kann. Alle, die dieser Bruderschaft beitreten, müssen drei Nächte allein im Dschungel zubringen nur mit einem Speer als Schutz. Was dem Prüfling auch entgegentritt — und wenn es ein Löwe ist — er darf nicht davonlaufen oder auf einen Baum klettern, sondern er muss auf der Stelle kämpfen, wo er steht.“

„Wenn aber drei Löwen zu gleicher Zeit kommen, so dass er keine Hoffnung hat?“, fragte Gibo.

Der Häuptling zuckte mit den breiten Schultern.

„Dann kann er kämpfend sterben oder fliehen. Wenn er aber flieht, wird er kein Mitglied unserer Bruderschaft.“

Bomba blickte Lowando ruhig in die Augen.

„Ich glaube, ich werde nicht fliehen“, sagte er leise. „Ich habe viele Feinde im Dschungel, aber ich habe auch Freunde dort, und es erschreckt mich nicht, nachts mit den Tieren des Dschungels allein zu sein.“

„Das Herz meines jungen Bruders ist stark“, erwiderte Lowando. „Aber in drei Nächten wird der ganze Stamm wissen, ob ihn die Götter schützen und ob sie ihm genug Mut und Kraft geben, allen Gefahren des Dschungels zu trotzen. Wir werden uns jetzt zur Ruhe legen, und morgen, wenn die Sonne untergeht, werden wir dich für die Proben vorbereiten.“

Gleich darauf beendeten die Jäger ihren Tanz. Nachdem Wachtposten bestimmt worden waren, streckten sich alle anderen am Boden aus, und bald lag das ganze Lager in tiefem Schlaf.

*

Die Sonne stand am nächsten Tage bereits hoch am Himmel, als Lowandos ,Bemalte Jäger’ sich gähnend erhoben und die Arbeiten des Tages in Angriff nahmen. Von den Tänzen der vergangenen Nacht schien den meisten noch eine gehörige Müdigkeit in den Gliedern zu stecken, und sie bewegten sich träge und mürrisch durch das Lager.

Als Gibo erwachte, fiel sein erster Blick auf die bemalten Gesichter der neuen Freunde, und er erschrak. Es dauerte eine Weile, ehe er sich die Geschehnisse des vergangenen Tages ins Gedächtnis zurückrufen konnte. Dann fiel ihm ein, was Bomba bevorstand, und er wandte sich zu dem Jungen um, der sich ebenfalls schon aufgerichtet hatte.

„Ich habe Angst um dich, Bomba“, murmelte Gibo. „In der Nacht ist der Dschungel von jagenden Dämonen belebt, die unter den Bäumen umherfliegen. Wie willst du gegen diese Dämonen kämpfen, die unverwundbar sind?“

„Du weißt, dass ich nicht an deine Dämonen glaube“, erwiderte Bomba kurz. „Viel mehr Sorgen machen mir die Schlangen oder die Löwen, die nachts kaum zu erkennen sind, die aber selber so gut im Dunkeln sehen können.“

„Lass mich mitkommen, Herr“, bat Wafi. „Ich bin nicht gern in der Nacht im Dschungel, aber wenn du sterben musst, dann will ich mit dir sterben.“

Bomba lächelte.

„Lowando hat bestimmt, dass ich allein die Probe bestehen muss; also kann ich dich nicht mitnehmen, Wafi. Aber du brauchst keine Angst zu haben. Der Dschungel war viele Jahre lang meine Heimat, und warum sollte mir hier mehr passieren als im südamerikanischen Urwald?“

Wafi war noch nicht ganz überzeugt, aber er wusste nicht, was er noch erwidern sollte, und deshalb schüttelte er nur brummend den Kopf. Gibo jedoch rief:

„Aber was geschieht, Herr, wenn in diesen Nächten —“

Weiter kam er nicht, denn Bomba unterbrach ihn mit einer raschen Handbewegung, als er sah, dass eine Gruppe der ‚Bemalten Jäger’ auf sie zukam.

„Ruhig jetzt. Die Männer wollen mich für die Probe vorbereiten. Ihr müsst jetzt still sein, denn wir dürfen die ‚Bemalten Jäger’ nicht erzürnen. Ich brauche ihre Hilfe, um meinen Vater zu finden.“

Einige der Jäger trugen Töpfe mit verschiedenen Farben, und sie begannen jetzt Bombas Gesicht und Brust mit den breiten Streifen zu ‚verzieren’, die sie selbst trugen. Der Häuptling stand dabei und murmelte Beschwörungsformeln, die den Prüfling während dieser Zeremonie vor den gefährlichen Einflüssen der Dämonen bewahren sollten. Als die Jäger ihr Werk vollendet hatten, war Bomba so schauerlich bemalt, dass ihn selbst seine Freunde nicht wiedererkannt hätten.

Die waffentragenden Jäger umkreisten ihn jetzt — langsam und mit feierlichen Gesängen. Als der Ritualtanz beendet war, trat Uwalla vor und überreichte Bomba einen Speer, dessen Schaft ebenso bemalt war, wie sein Körper.

„Bruder, nimm den Speer und schlage mit ihm jeden Angriff ab“, sagte er feierlich. „Kehre gesund von der Probe der ‚Drei Nächte‘ zurück. Uwallas Herz begleitet dich und wünscht dir Glück.“

„Ich danke dir, Bruder“, erwiderte Bomba, als er den schweren Speer übernahm. „Ich werde mich bemühen, eurer Bruderschaft der ‚Bemalten Jäger’ würdig zu sein.“

Die Männer nickten beifällig. Dann brach die Gruppe auf, um Bomba zu der Stelle zu führen, die für die Prüfung ausgewählt worden war.

Bomba im Herzen Afrikas

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