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Herr Meier baut ab

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Kari Meier, glücklich verheiratet und Vater zweier Töchter, Sonja (19) und Madeleine (21) hat eigentlich keine Probleme. Im Geschäft nicht und ebenso wenig in seiner Familie. Er hat sozusagen alles erreicht, was ein Mann mit 44 Jahren erreichen kann: Beste Gesundheit, eine zufriedene Ehefrau, 2 Töchter, aus denen “etwas geworden” ist - wie man so sagt - ein eigenes Geschäft, das ihm einen angenehmen Lebensstil erlaubt, ein zur Hälfte abbezahltes Einfamilienhaus an schönster Wohnlage, ein Auto sowie einen Zweitwagen, um nur das Wichtigste zu nennen.

Kari Meier ist rundum glücklich - wieso sollte man also seine Geschichte erzählen?

Seit 25 Jahren arbeitet Kari Meier als Architekt, seit 17 Jahren ist er selbständig, hat ein eigenes Architekturbüro und arbeitet durchschnittlich 10 bis 12 Stunden pro Tag. Wie gesagt, das Geschäft läuft gut, er verdient nicht schlecht. Aber er hatte das Geld auch gebraucht - für seine Familie und für die Ausbildung seiner Töchter. Ein grosser Teil seines Einkommens verschlangen die Steuern, die AHV, Versicherungen und viele weitere so unangenehme Aus- und Abgaben. Aber er hat gut leben können.

Doch jetzt hat Kari Meier genug! Für seine Töchter muss er nicht mehr besorgt sein (Madeleine ist seit 4 Monaten glücklich verheiratet und Sonja hat eine Stelle in Deutschland angetreten) zudem hat sein Lehrling im vergangenen Herbst die Abschlussprüfung bestanden. Herr Meier hat beschlossen, ab sofort weniger zu arbeiten, also weniger zu verdienen und demzufolge auch weniger Steuern zahlen zu müssen. Er will sich nicht mehr am Leben vorbeiarbeiten, er will mehr Zeit haben, um zu leben.

So kam es, dass Architekt Kari Meier an einem Sonntag anfangs Dezember seine drei Frauen zu einer Familiensitzung einlud.

“Mein lieber Schatz, meine lieben Kinder. Ich habe Euch etwas wichtiges zu sagen.” Fragende Blicke waren auf ihn gerichtet. Es herrschte Schweigen. Und Kari Meier wusste nicht, wie er sein Gespräch beginnen,

wie er sein Anliegen formulieren sollte.

“Hei, was isch los, Paps”, lachte Sonja, “isch es öppis Ernschts?” Der Hausherr zündete sich eine Zigarette an und begann: “Mir reichts, ich habe genug. Genug gearbeitet und genug verdient. Ich brauche eine Pause. Ich habe mir vorgenommen, ein halbes Jahr Urlaub zu nehmen. Unbezahlten Urlaub. Mein Schatz, wir machen eine Weltreise.

Ich will mehr von Dir, und mehr vom Leben haben. Seit über zwanzig Jahren zeichne und baue ich Häuser, immer wieder neue - und andere. Jetzt bin ich leer, ich muss mich regenerieren.”

“Du willst also aussteigen? Alles stehen und liegen lassen. Können wir uns das leisten?” fragt ihn seine Frau besorgt.

Schweigen.

Madeleine sprang auf, beugte sich über den Salontisch und liess sich ihrem Vater um den Hals fallen: “Super, Paps, du bist der Grösste!” - Kari Meier küsste seine Tochter erleichtert und wandte sich seiner Frau zu: “Doris, ob wir uns das leisten können? Ich denke schon, wir leben von unserem Ersparten. So ein halbes Jahr können wir uns schon über Wasser halten. Und nachher sehen wir weiter. Ich will nicht mehr leben um zu arbeiten, ich will arbeiten, um zu leben. Weniger arbeiten heisst nicht unbedingt weniger verdienen. Unsere Töchter sind alt genug, um für sich selbst zu sorgen. Ich habe mir ausgerechnet, dass mir ein oder zwei Aufträge pro Jahr genügen, um unseren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ich will nicht mehr drei bis vier Monate nur für die Steuern arbeiten.” - “Du bist ja richtig asozial!” meldet sich Sonja, “aber recht hast Du. Mutti, ich gratuliere dir zu deinem Mann.”

Kari Meier hat seinen Traum verwirklicht. Mit seiner Frau unternahm er eine Weltreise und kehrte nach viereinhalb Monaten glücklich wieder nach Hause. Seither führt er ein ruhiges Leben, welches von einem bis zwei Aufträgen finanziert werden kann. Doris und Kari Meier erlebten mitten in ihrem aktiven Arbeits-Leben einen zweiten Frühling.

Kein Stress, keine dringenden Termine, kein Ärger mit Handwerkern. Doris und Kari Meier haben das Leben neu entdeckt und dabei festgestellt, dass es auch mit weniger geht und sie vielmehr Zeit haben, um ihr Leben zu geniessen. Auch nach Ihrer Weltreise packt das Ehepaar von Zeit zu Zeit seine Koffer um irgendwohin zu fahren.

Über dem Schreibtisch von Architekt Meier steht ein Spruch, den er auf seiner Weltreise aufgeschrieben hat: Baue ab und lebe, wenn du noch Zeit dafür hast! Der Staat wird deinen fehlenden Obolus verkraften (müssen).

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