Читать книгу Kein STOTTERBOCK mehr! - Rudolf Bergau Friedrich - Страница 8
Stottern nach dem 6. Lebensjahr
ОглавлениеViele Kinder stottern, mehr Buben als Mädchen. Und bei den meisten Kindern verliert sich das Stottern nach wenigen Jahren, irgendwann zwischen drei und sechs Jahren. Bei manchen, mehr Buben als Mädchen, bleibt es. Ich weiß nicht, wie diesen Kindern geholfen werden kann.
Wenn man fragt „Wem nutzt es?“, dann stelle ich nach meinen Erfahrungen fest, dass Stottern Kindern zuerst hilft, und ihnen dann ungemein schadet. Zuerst erntet das stotternde Kind Aufmerksamkeit. „Sprich langsam!“, sagt der angestotterte Erwachsene und wendet sich dem Kind zu. Das Kind bekommt auf einmal dieselbe Aufmerksamkeit wie ein anderer Erwachsener. Es könnte also zutreffen, dass der sekundäre Krankheitsgewinn für diese Kinder überwiegt, die ihr Stottern nicht in den ersten 7 oder 8 Lebensjahren wieder verlieren. Wie gesagt: ich weiß nicht, wie diesen Kindern geholfen werden kann.
Stottert man als Jugendlicher noch oder gar als Erwachsener, erweist sich das Stottern als übler Makel. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie man sich als Erwachsener aus dem täglichen Teufelskreis der Angst vor dem Stottern, wieder Stottern, erneuter Angst vor dem Stottern befreien kann. Und darüber handelt dieses Buch: damit Sie die Courage bekommen und sich auf Weg machen, diesen sichtbaren und hörbaren Makel des Stotterns abzulegen.
Viele sogenannte Experten verdienen an Stotterern. Doch kaum jemand bekennt sich, Stotterer gewesen zu sein und darstellt, welche Nöte er ausgestanden hat und welchen Sieg er errungen hat, als er das Stottern ablegte. Ich will Ihnen anhand meiner eigenen Erfahrungen darstellen, dass es funktioniert: Sie können als Erwachsener Ihr Stottern komplett überwinden.
Dies ist kein plötzliches Ereignis; es ist ein jahrelanger, manchmal schwieriger und schmerzhafter Weg. Meinen ganz persönlichen Weg stelle ich in diesem Buch dar, damit Sie Mut fassen, sich von Ihrem Stottern zu befreien.
Als Stotterer befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Spontan fallen Ihnen möglicherweise Diogenes ein, oder Churchill oder der 2014 benannte französische Literaturnobelpreisträger, Patrick Mondiano. Auch der monegassische Fürst soll stottern, allerdings nur in der Sprache seines Vaters. Alles dies waren und sind Personen, die als Erwachsene noch stotterten.
Von Mondiano weiß ich zu wenig, doch von Diogenes und auch von Churchill ist bekannt, dass sie sich durch hohe Disziplin ihr Stottern abgewöhnen konnten. Dies ist Teil meines Weges gewesen, den ich Ihnen nachfolgend darstelle.
Die Voraussetzungen, damit Sie Ihr Stottern verlieren, sind zuerst Ihre unbedingte Entscheidung, kein Stotterer mehr sein zu wollen, und dann Ihr tägliches Zugehen auf dieses Ziel. Es ist Ihre persönliche Entscheidung, Ihr Stottern zu lassen oder es zu behalten.
Orientieren Sie sich, wenn Sie möchten, an der Philosophie Professor Dr. Viktor Frankls, des Wiener Psychiaters, über den Sinn des Lebens. Frankl lebte zwischen 1905 und 1997. Frankl war ein weltweit bekannter Psychiater, der sich auch mit Philosophie und Anthropologie beschäftigte. Viktor E. Frankl ist der Begründer der sog. Logotherapie. Seine Frage nach dem Sinn des Lebens und seine Antworten auf diese Frage sind heute aktueller denn je.
Frankl stammte aus Wien, kam in der NS-Zeit in Konzentrationslager (Theresienstadt, Auschwitz, Dachau) und überlebte diese, anders als seine Eltern und seine Frau, die in den KZ ermordet wurden. Frankl lebte und arbeitete danach in den Vereinigten Staaten von Amerika und starb 1997, hochbetagt, in seiner Heimatstadt Wien. Er war promoviert in Medizin und in Philosophie. Frankl war in Kontakt mit Freud und Adler. 1955 Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien, Gastprofessuren in Harvard, Dallas und Pittsburgh, schrieb Frankl 32 Bücher. Viele wurden in zahlreiche Fremdsprachen übersetzt. Er erhielt weltweit zig Ehrendoktorate, zweifelsohne zu Recht.
Es gibt einen Sinn, auch wenn wir diesen nur manchmal erkennen können.
Zunächst heißt es, zu akzeptieren, dass wir manchmal den Sinn von dem, was wir erleben, nicht verstehen können.
Dies gilt auch für die letzten Fragen. Was vom Sinn gilt, gilt „nur umso mehr von einem letzten Sinn. Je umfassender ein Sinn ist, umso weniger fasslich ist er. Der unendliche Sinn ist für ein endliches Wesen überhaupt nicht fasslich. Hier gibt die Wissenschaft auf, und die Weisheit hat das Wort. Und zwar die Weisheit des Herzens, von dem Blaise Pascal einmal gesagt hat: `Le coeur a ses raisons, que la raisons ne connait pas.´“iv
Daraus folgt, dass der Mensch mehr ist „als ein Spielball von Mechanismen und konditionierenden Prozessen“ – eine Erkenntnis, die angesichts der Steuerungsversuche durch Algorithmen, in der heutigen Internetwelt, aktueller ist denn je.
Ich wiederhole mich, um es nochmals zu verdeutlichen: Es war meine Entscheidung, dass ich nach meinen ersten beiden Lebensjahrzehnten entschied, dass ich auf jeden Fall das Stottern ablegen will. Der Sinn meines Stotterns für mich ist es gewesen, dass ich entscheiden musste, ob ich mich zu mir bekenne oder ob ich weiter stottere. Auf diesen Sinn werde ich nachfolgend häufiger hinweisen. Was zunächst als Makel erschien, war nachher Auslöser und Antrieb, meinen eigenen Weg zu gehen – bis hin zu diesem Buch.