Читать книгу Weihnachtlich glänzet der Wald - Ruth Reuter - Страница 9

Advent, Advent, ein Lichterl brennt

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… ich stürze ins Wohnzimmer.

Wo ist er, der zache Hund!

Nachfolgend in der Geschichte beinhaltete Rezepte werden nicht zur Nachahmung empfohlen.

… erst eins …

Der selbst gebundene Adventkranz ist wirklich hübsch geworden. Außerdem ist es ein richtiger mit drei rosa Kerzen und einer violetten. Hoffentlich fällt niemanden auf, dass es Eibenzweige sind. Überhaupt ist heute Eibentag für mich. Der im Frühjahr angesetzte Maiwipferlsirup riecht süßlich. Bin gespannt, wie er wirkt.

Diese Lebkuchen werden mit Liebe gemacht, für meinen Liebsten. Das sind seine Lieblingskexerln. Denen wird er nicht widerstehen können. Einen Teil des Honigs ersetze ich diesmal mit dem Maiwipferlsirup. Wie immer ist der Teig zäh, pickig. Ich variiere ein wenig die Gewürze, schließlich muss der Geruch passen. Ja, auch der Geschmack sollte passen, kosten tu’ ich lieber nicht. Welche Formen soll ich nehmen? Stern, Mond, Baum, Engel. Die Küche ist vom würzigen Duft erfüllt. Gleich sind die ersten Lebkuchen fertig.

Ich denke ans Frühjahr. Es war ein ausgesucht schöner Tag, als ich mich im Wienerwald auf die Suche nach Maiwipferln machte. Immer wieder blickte ich mich um. Der Wienerwald ist Schutzgebiet, heißt, nichts darf gepflückt, ausgerissen, abgeschnitten oder dergleichen werden. Ein paar Eibenwipferl werden nicht abgehen. Rasch waren die Wipferl im Rucksack verstaut. Ganz unten, unter Wurst-Käse-Brot und Thermoskanne. Erschöpft, aufgedreht und erleichtert, dass mich niemand beim Sammeln gesehen hatte, genoss ich die Aussicht vom Leopoldsberg. Die Stadt lag mir zu Füßen. Trotz des Smogs sah man sehr weit. Gemächlich schlängelte sich die bräunliche Donau durch die Stadt, flankiert von dem einen oder anderen Hochhaus, überdacht von so mancher Brücke, durchpflügt von Kreuzfahrt- und Transportschiffen – und dazwischen gestaut von Kraftwerken. Ob sich der Fluss an seinen ursprünglichen Weg durch Wien erinnerte, als er noch an der Inneren Stadt vorbeifloss, machen konnte, was er wollte, bevor sein selbst gewähltes Bett zum Donaukanal verkümmerte? Heute ist der schmale Donaukanal umzingelt von Lokalen, Freizeitsportlern, Touristen. Und würde er nicht regelmäßig ausgeräumt werden, wäre er längst eine Mistgrube voll Fahrrädern, Autos, Kühlschränken, Waschmaschinen und mehr. Erst am Stadtrand, dort, wo kein Mensch mehr wohnt, in den geschützten Donauauen, darf der Fluss über die Ufer treten, wenn ihm danach ist.

Zu Hause setzte ich gleich den Sirup an. Noch wusste ich nicht, was genau ich damit anfangen wollte. Es wird sich schon etwas ergeben. Ein kleiner Vorrat schadet jedenfalls nicht.

Ach, wie das duftet! Soll ich ein paar der Kexerln verzieren? Nein, unnötige Arbeit. Wie die Backerei nervt. Mein Mann, soeben nach Hause gekommen, stibitzt ein Kexerl. Heute hatten sie Training. Seine Truppe will beim Internationalen Feuerwehrwettkampf mitmachen. Weitere Kexerl verschwinden in seinem Mund, doch nicht sehr viele. Bald schläft er vorm Fernseher, schnarcht. Ich lasse ihn nicht aus den Augen. Wann setzt die Wirkung ein? Wie wird der Verlauf sein? Nichts zu merken. Enttäuscht gehe ich zu Bett.

Sehr früh morgens schleppt sich mein Mann von der Wohnzimmerbank aufs Klo. Er übergibt sich.

Alles in Ordnung, Schatz?

Ach, ich hätt’ gestern nicht die drei Leberkässemmeln essen sollen. Wer weiß, wie lange die schon gelegen sind.

Mein armer Schatz.

Er schlüpft ins Bett, ganz verschwitzt. Ich mag das nicht, stehe auf. Er merkt das nicht. Interessiert beobachte ich ihn, wobei ich fürsorglich den Schweiß von seiner Stirn wische.

Nachmittags geht es ihm schon besser. Ja, so ein Feuerwehrmann hält was aus.

… dann zwei …

Ich starre in die Flammen der beiden Kerzen. Heute mache ich zwei Kexerlsorten. Der vierte Advent ist heuer auch der Weihnachtsabend. An dem Tag möchte ich nicht backen. Gedankenverloren leere ich das Papiersackerl. Die Stechapfelsamen hüpfen heraus und über die Arbeitsplatte. Kein Mensch hat sich darum gekümmert, als ich sie auf einer Brachfläche in der Donaustadt sammelte. Blöd angeredet werde ich nur, wenn ich Brennnesseln und Brennnesselsamen sammle.

Was machen S’ da?

Brennnesselsamen sammeln.

Wozu?

Zur Potenzoptimierung meines Mannes.

Aha. Da braucht ma so viel?

Immerhin soll die Optimierung über’n Winter anhalten.

Aja. Na dann, viel Spaß.

Werd’ ich haben.

Ein bisschen von den Samen in den Teig, ein wenig in den Zitronenguss. Ich mache Sterne, auf die ich den Guss kleckse. Aufwendige Verzierungen sind nicht meins. Außerdem muss ich die Rumkugeln machen. Ganz besondere, mit Attichmarmelade.

Der Attich, der ist mir sozusagen über den Weg gelaufen. Ende September war das, als ich an einem trüben Samstagvormittag zum Friedhof der Namenlosen radelte. Auf diesem alten Friedhof gibt es keine Bestattungen mehr. Er ist die letzte Ruhestätte für jene, die des Lebens überdrüssig waren und sich der Donau überließen, für jene, die die Donau wieder hergab und die nicht identifiziert werden konnten. Ein unheimlicher, romantischer Ort.

Eigentlich wollte ich lediglich stimmungsvolle Fotos machen, aber der Attich lachte mich mit seinen kleinen, glänzend schwarzen Beeren an. Wie er sie so in die Luft streckte, schrie er gerade zu danach, gebrockt zu werden. Spezialhollermarmelade schoss es mir sofort in den Kopf. Und als ich mit meinem Mann und einigen seiner Feuerwehrhaberern und deren Lebenspartnerinnen abends im Prater war, fiel mir die Verwendung dafür ein. Gleich nachdem mich mein Mann in der Geisterbahn extra erschreckt und mit einer Hochschaubahnfahrt beglückt hatte. Dazwischen gab es einen kleinen Kraftwettbewerb beim Watschenmann. Hätte er mir nur eine einzige kleine Rose geschossen, bevor er im Schweizerhaus die Stelze mit Bier ertränkte.

So, die Zitronensternderl trocknen friedlich vor sich hin. Die Masse für die Rumkugeln bekommt einen extra Schuss Inländerrum. Nervig, diese Backerei. Beim Drehen der Kugeln muss ich an den Prater denken. Vielleicht macht er doch noch eine Bootsfahrt bei Vollmond mit mir? Oder er spaziert einfach so mit mir durch den grünen Prater, ohne mir zu zeigen, wie weit man Kastanien werfen kann. Ach, er strotzt so vor Kraft.

Die letzte Rumkugel kugelt in den Schokostreuseln. Draußen ist es finster, als er endlich vom Dienst kommt. Drei Einsätze heute. Ein Kätzchen retten, eine Oma hat vergessen den Herd abzudrehen, einer warf sich vor die U-Bahn. Abgekämpft greift er abwechselnd nach den Rumkugeln und den Zitronensternderln. Bald ist er vorm Fernseher eingeschlafen.

Sicherlich hat er interessante Träume, während ich einem weihnachtlichen Blaskonzert in den Blumengärten Hirschstetten lausche. Ein Schnapserl auf den Steckerlfisch hilft bei der Verdauung. Hübsch sind die Dekorationen, so fantasievoll, so detailverliebt, so viele Leute. Da, das wäre ein Weihnachtsgeschenk für mich! Eine aus Weißblech gegossene Hexe auf einem Besen.

… dann drei …

Ich schlendere über die Mariahilfer Straße. Geht man so mitten auf der Straße, kommt die Weihnachtsbeleuchtung viel besser zur Geltung. Unzählige Menschen huschen im Weihnachtsstress links und rechts an mir vorbei. Was gab es nicht für Proteste, als die Mariahilfer Straße von den Autos befreit wurde. Die Geschäfte werden sterben, weil die Leute nicht mehr mit dem Auto zum Einkaufen vorfahren können. Davon ist nichts zu merken, es herrscht mehr Trubel als je zuvor. Dank der neuen Schanigarten-Verordnung schießen die Heizpilze nur so aus dem Boden. Wer will schon frieren beim Punsch trinken? Noch ein Punsch, ein Glühwein? Kein Problem, man ist mit den Öffis da, quasi mit Chauffeur.

Auf dem Adventmarkt zwischen Natur- und Kunsthistorischem Museum genieße ich eine Semmel mit Wildschweinleberkäse. Der leichte Schneefall verwandelt sich bald in Nieselregen. Schnee in Wien, zu Weihnachten, das wäre eigentlich schon ein Wunder. Meine Gedanken beschäftigen sich bald mit einem möglichen neuen Rezept für Vanillekipferln. Es ist die letzte Chance des Jahres die Angelegenheit mit Kexerln zu erledigen. Haut es wieder nicht hin, muss ich härtere Seiten aufziehen, mir etwas Anderes einfallen lassen. Ich hasse Gewalt.

Die Pfaffenhütchensamen gehen nicht mehr aus meinem Kopf. Ach, hat der durchtrainierte Kerl gejammert, als wir durch den Wienerwald marschierten.

Was willst mit den Pfaffenhütchen, sind doch giftig.

Aber nicht für die Vogerln.

Die suchen sich schon selbst was.

Im Winter haben sie’s so schwer.

Du verwöhnst sie.

Ich mag ihr Zwitschern.

Verwöhn’ lieber mich.

Wir könnten anschließend auf den Donauturm. Die haben dort einen fabelhaften Rostbraten und Tafelspitz.

Und dann ins Bermudadreieck auf ein Bier, oder zwei?

Meinetwegen.

Und vorher ins Kino?

Okay.

Tags darauf fiel ihm nicht auf, dass ich die Pfaffenhütchensamen sorgfältig trocknete. Ich werde sie fein reiben, gemeinsam mit Vanillepulver und Zucker beziehungsweise Nüssen. Die perfekte Gewürzmischung für Vanillekipferln nach Art des Hauses. Zum Dank, dass er mich vor der einfahrenden U-Bahn rettete, vor die ich fast gestürzt wäre, nachdem er mich im angeheiterten Zustand geschubst hatte.

Übrigens ist er heute trainieren, für den Internationalen Feuerwehrwettkampf – im grünen Prater, Querfeldeinlauf. Hält er mich für blöd? Das ist ja schon eine Chuzpe. Der Wettkampf war bereits im Juli. Jaja, nach dem Kampf ist vor dem Kampf. Und im Wettkampf sind wir immer alle. Irgendwie.

Magst nicht die Vanillekipferln kosten?

Du, ich bin so müd. Die haben uns heut ganz schön hergenommen. Ich bin mindestens zehnmal den Prater rauf und runter. Aber riechen tun s’ gut.

Eingeschlafen. Wieder einmal. Vorm Fernseher. Keine Weihnachtsstimmung weit und breit. Wird wohl am fehlenden Schnee liegen.

… dann vier. Dann steht der Quiqui vor der Tür.

24. 12. Es ist Weihnachten. Wie jedes Jahr. Ich fühle mich ein bisserl marod. So viel Mühe habe ich mir mit den Kexerln gegeben, ihre Wirkung lässt allerdings zu wünschen übrig. Wie Paracelsus sagte: Die Dosis macht das Gift. Und diese Dosis habe ich noch nicht gefunden. Naja. Hauptsache, mein Mann freut sich über die vielen Kexerln. In drei Tagen wird er sie nicht mehr ansehen. Egal, bleiben welche für die Nachbarn übrig.

Während ich die Kexerln hübsch auf Papierteller drapiere und mit Frischhaltefolie abdecke, stolpert mein Mann zur Tür herein. Er strahlt übers ganze Gesicht:

Sieh mal, was für ein Prachtexemplar an Tanne ich erstanden habe! Super günstig für eine Tanne.

Das ist eine Fichte.

Nein, hier, schau mal. Da steht eindeutig Rottanne.

Die Rottanne ist eine Fichte.

Wurscht. Wo ist der Weihnachtsschmuck?

Seufzend erhebe ich mich und krame den Kellerschlüssel raus. Als ich mit dem Schmuck zurückkomme, steht der Baum bereits an der üblichen Stelle.

Du, sollten wir ihn diesmal nicht dort rüberstellen?

Hier kommt er viel besser zur Geltung.

Mit dem Kabel von der Lichterkette ist das nicht so super. Da kann man sich leicht dastess’n.

Geh. Hat sich noch nie einer dastess’n. Hilfst aufputzen?

Ich muss die Kexerln für die Nachbarn einpacken.

Damit verschwinde ich in der Küche. Funktioniert das mit dem Vergiften nicht, sollte ich eventuell handgreiflich werden. Ihn mit der Lichterkette erwürgen? Da müsste ich ja dabei sein, wenn er stirbt. Leiden kann ich ihn nicht sehen.

Den Baum schmückt er ganz alleine, strahlt dabei wie ein kleines Kind. Hübsch. Nervig. Jetzt den Weihnachtsstern auf der Spitze anbringen. Er könnte runterstürzen, sich das Genick brechen. Zu unsicher. Was, wenn es nur ein Schädelbasisbruch wird? Die Lichterkette anstecken. Mir wären echte Kerzen lieber. Nein! Könnte ja der Baum brennen, explodieren gar. Nicht einmal einen Sternspucker darf ich anzünden. Brandgefahr! Geradezu ein Wunder, dass der Baum echt sein darf. Nervig so ein Feuerwehrmann im Hause.

Ja, schön, sieht gut aus mit den Kunstlichterln.

Und schau, das Kabel hab’ ich fixiert, ohne Stolperfalle. Da rührt sich nichts, da kann man si net dastess’n.

Draußen ist es bereits finster. Er dreht den Luster ab, damit seine Weihnachtstanne so richtig zur Geltung kommt.

Heut’ hab ich ein besonderes Geschenk für dich, säuselt er mir ins Ohr, steigt übers Kabel und verschwindet im Schlafzimmer. Die Überraschung kenne ich schon. Wie jedes Jahr wird er sich nackig ausziehen, sich eine Weihnachtsmütze aufsetzen und eine Christbaumkugel an seinen Penis befestigen, die er dann im Erregungszustand wieder nicht runterkriegt, weil er zu eng geschnürt hat. Der Herr Feuerwehrler kennt sich mit Knoten nicht so gut aus. Langsam geht die Schlafzimmertür auf. Diesmal hat er sich sogar Lametta umgehängt.

Liebste, dein Weihnachtsmann ist da!

Ich glaub’ ans Christkind.

Und erregt ist er auch schon. So erregt, dass er nicht auf das Kabel der Lichterkette achtet. Mit dem rechten Fuß bleibt er am Kabel hängen. Während er nach Halt sucht, macht er eine Vierteldrehung. Ihn entkommt ein überraschtes Oh. Schließlich kriegt er den Baum zu fassen, der ihm natürlich keinen Halt bietet. Mit einer weiteren Vierteldrehung und einem kleinen Schmerzens- und Schreckensschrei stürzt er zu Boden. Da liegt er nun auf dem Rücken, den Baum auf der Brust. Ein Strampeln und Fuchteln bis der Baum zur Seite rollt. Ein Griff an den Hals. Dort steckt der Weihnachtsstern. Erschrocken reißt er den Stern aus dem Hals. Blut sprudelt aus dem Loch im Hals. Was für ein Treffer! Genau in die Halsschlagader. Röchelnd versucht er die Wunde mit seinen Fingern zu verschließen.

Liebling … Schatz … Rettung …

Ich geh’ die Kexerln verteilen.

Rasch schlüpfe ich in meine Kuschelweste und in die Holzschlapfen, schnappe die Wohnungsschlüssel und drücke mir den Wäschekorb mit den Kexerltellern an die Hüfte. Schon fällt die Tür ins Schloss. Vom Gang her ist nichts zu hören. Ich mag ihn nicht leiden sehen.

Es dauert ein bisserl bis Frau Schwartz öffnet. Nun ja, die gute Frau ist immerhin 87 und nicht mehr so gut zu Fuß. Schöne Weihnachten, Frau Schwartz. Ein paar Kexerl für Sie. Ich bitt’ Sie, ist doch eine Kleinigkeit. Die Lebkuchen müssen S’ gleich probieren. Extra mit Maiwipferlsirup gemacht. Das ist gut gegen Ihren Husten. Ach leider, Frau Schwartz, keine Zeit, ich muss ja noch mehr verteilen, und mein Mann wartet ja auf mich. Morgen komm’ ich gern auf ein Tratscherl vorbei. Natürlich.

Frau Donnerbauer öffnet schneller. Hinter ihr ducken sich die beiden Kinder. Erleichterung in den Gesichtern. Es ist nicht der Vater. Frohe Weihnachten, Frau Donnerbauer, Ihnen und Ihren Kindern. Und hier ein extra Packerl mit Rumkugeln für den Gatten. Ich weiß, ich weiß. Wäre gern etwas geblieben, aber der Branntweiner sperrt heut’ früher zu. Auf die Rumkugerln schlaft er sicher bald ein. Und für Sie extra eine Salbe, die hilft bei Blutergüssen. Nochmals schöne, ruhige Weihnachten.

Herr Wittich, Sie alter Grantscherben. Wie geht’s denn heut’? Heut’ tut alles weh? Oje. Na, trotzdem schöne Weihnachten. Lassen Sie sich die Vanillekipferln schmecken. Macht gar nichts, dass Sie mich nicht reinbitten, mein Mann wartet eh auf mich.

Doktor Lander, heuer gar nicht in Thailand? Ach, wegen den Unruhen. Da werden die Kinder im Waisenhaus traurig sein, wenn’s heuer keine Geschenke bringen. Ja, richtig, dafür gibt’s ja die Post. Und skypen tun S’ mit ihnen. Schön. Zum Trost wegen des fehlenden direkten Kontakts bring’ ich ein paar Zitronensternderl. Übrigens die Punkterln im Guss sind Brennnesselsamen. Die bringen so richtig Kraft in die Lenden. Nein, nein, Sie müssen sich nicht revanchieren. Würd’ mich schon freuen, wenn Ihnen die Kexerln schmecken. Selige Weihnacht’, Herr Doktor.

Alle Kexerln losgeworden – und eventuell auch mehr. Fühl’ mich gleich gar nicht mehr so marod. Jetzt muss ich zu meinem Schatz. Was ist denn das für ein Lärm? Sanitäter?

Wo wollen S’ denn hin?

Tür Nummer 15. Ein Unfall.

Aber, aber, das ist meine Wohnung!

Mit zitternden Fingern sperre ich auf, stürze ins Wohnzimmer. Wo ist er, der zache Hund! Schafft der es glatt zum Handy und ruft selbst die Rettung. Da liegt er.

Jessasmariaundjosef!

Jetzt ist auch das Schlafzimmer mit Blut vollgeschmiert. Meine Beine knicken ein. Ein Sanitäter stützt mich, führt mich in die Küche, setzt mich hin. Der andere Sanitäter beugt sich über meinen Mann, um den Puls zu fühlen. Während mich ein hysterischer Lach-Wein-Krampf überfällt, kommt der andere Sanitäter in die Küche, schüttelt fast unmerklich den Kopf.

Geschafft! Ich bin erleichtert.

Eine Stunde später sitze ich Chefinspektor Garner gegenüber. Routinesache, muss leider sein. Eindeutig ein Unfall, ein seltsamer. Dass ein Feuerwehrler so unvorsichtig ist. Sollte wohl eine besondere Bescherung werden. Tränen laufen über meine Wangen, meine Lungen schmerzen vom unterdrückten Lachkrampf. Meine Finger sind krampfhaft ineinander verschränkt. Der Chefinspektor reicht mir ein Taschentuch. Ich krieg’ den blöden Ehering nicht vom Finger.

Wolln S’ net lieba woanders übernachtn? Wegen da Sauerei. Ist ja net grad g’schmackig. Ganz im Gegenteil zu Ihrn Kexerln. Wirkli köstlich. Wenn er den Baum a Stückerl weiter links gstellt hätt’, des Kabel ordentlich am Boden fixiert hätt’. So woa des a Stolpafall par excellence. Jojo, waun des Hirn obee rutscht. Wolln S’ net vielleicht do bei einer Nochbarin? Versteh, versteh, denen wolln S’ net de Weihnacht’ vaderbn. So guate Kexerln oba a.

Endlich alleine. Ganz hinten in der Schublade müssten sie sein. Ganz bestimmt. Ah, da!

Chefinspektor Garner wirft einen letzten Blick zurück, bevor er im Zivilstreifenwagen zum nächsten Weihnachtsunglück braust. Leichtes Schneetreiben für die perfekten Weihnachten. Schnee am Weihnachtsabend in Wien. Ein Wunder. Sieht hübsch aus. So friedlich.

Schau, a Glitzern im Fenster do obn. Wia von an Sternspucka. De oarme Frau. Hoffentli draht S’ net durch. I glaub’, i schau murgn noch iha. So guate Kexerln oba a.

Bermudadreieck:Bereich in der Inneren Stadt mit zahlreichen Lokalen
Branntweiner:kleines Lokal, in dem man Schnaps, Wein etc. kaufen kann
brocken:pflücken
dastess’n:stolpern, oft mit tödlichem Ausgang
Grantscherben:Mensch, der ständig und grundlos schlecht gelaunt ist und alles negativ sieht
Haberer:Freund, Kumpel
Holzschlapfen:Holzpantoffeln
Luster:Deckenleuchte
Maiwipferlsirup:Sirup aus frischen, jungen Tannen- oder Fichtenspitzen, der im Mai angesetzt wird und gegen Husten hilft
marod:niedergeschlagen, erschöpft, krank
Öffi:öffentliche Verkehrsmittel
Quiqui:der Tod
Schanigarten:Gastgarten vor einem Lokal
Sternderl:kleiner Stern
Sternspucka:Sternspucker, Wunderkerze
Tratscherl:Plauderei
zach:zäh, widerstandsfähig
Weihnachtlich glänzet der Wald

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