Читать книгу Mafia Band 1: Thriller - S. Picollo - Страница 5

3. Kapitel

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Maximilian wusste gar nicht, wie viele Flaschen Bier er heute schon geleert hatte, aber es waren einige. Sie lagen lieblos vor dem Sofa und unter dem Tisch. Er hatte in den letzten Tagen beschlossen, seinem Leben endgültig ein Ende zu bereiten. Von der Apotheke hatte er sich dutzende Schlaftabletten geholt und würde sie heute mit reichlich Alkohol nehmen. Eine gewaltige Dosis hatte er schon und heute würde es leicht sein zu sterben. Maximilian würde ganz in Ruhe einschlafen und bräuchte sich um nichts mehr zu kümmern, weder um sich, noch um sein Leben. Da er seine Welt in Ehre verlassen wollte, hatte er penible Vorbereitungen getroffen, um seine Nachwelt nicht zu belasten und ihr das Beste aus seinem Tod zu geben. Für das Bestattungs-Institut hatte er fünftausend Euro in einem Umschlag auf seinem Tisch hinterlassen. Er wollte verbrannt werden, denn er wollte endgültig Tod sein und nicht unter der Erde aufwachen, um dann zu ersticken. Maximilian wollte, dass seine Asche auf dem Erlendorfer Friedhof, neben seinem Vater, bestattet wurde. Neben seinem Vater fühlte er sich am wohlsten und er würde sich entschuldigen, für seinen feigen Tod. Das Haus und all sein Eigentum, vererbte er Waltraud und den beiden Kindern. Er hatte schon ein kleines Paket vor seine Haustür gestellt und vorhin bei einem privaten Paketdienst angerufen, der rund um die Uhr lieferte. In diesem Paket war sein Testament und all seine Unterlagen enthalten. Waltraud musste sich um nichts kümmern und war ohne Probleme in der Lage, die laufenden Kosten von ihrer Witwenrente zu bezahlen. Alle drei konnten dann wieder nach Erlendorf ziehen und mussten ihren kranken Mann oder Vater nicht mehr sehen. Seine Leiche würden sie auch nicht mehr sehen, denn das würde Herr Homeyer Senior, der Mann vom Bestattungsinstitut, persönlich tun, wenn er bis Mittwoch nicht bei ihm anrief. Sie kannten sich sehr gut und immer hatten sie von dem Ernstfall gesprochen. Nun war er da und ihm tat es sehr Leid. Sie waren in den letzten Jahren gute Freude geworden und hatten sich öfters in der ››Rose‹‹ getroffen. Natürlich verschwieg er ihm das Alkoholproblem, aber spätestens dann würde er es merken. Er wünsche es ihm nicht, gar nicht. Der alte Homeyer hatte es nicht verdient. Er hatte ihn immer gut behandelt und immer ein offenes Ohr gehabt.

Maximilian wusste, dass es falsch war, doch es war vorbei. Sein Leben hatte keinen Sinn mehr. Und es war nun Zeit, die letzten Vorbereitungen zu treffen. Maximilian richtete sich auf und nahm eine der Schlaftabletten-Packungen in die Hand, von denen noch mindestens zwanzig auf dem Tisch lagen. Er holte sie einzeln heraus und ließ sie vorsichtig auf den Tisch fallen. Er fragte sich, ob er schon vorher einschlafen würde, bevor er die letzte Pille nahm.

Wie es auch war, es war der angenehmste Tod von allen. Er brachte keine Schmerzen, wie das Erhängen, oder richtete kein Blutbad an, wie das Erschießen oder das Springen vom Dach. Er wollte für sich und sein Umfeld den angenehmsten Tod und das war er sich und den anderen schuldig. Er machte den Fernseher an, denn er wollte bei seiner Lieblingsserie sterben. Dann machte er weiter und öffnete die letzten Packungen. Er blickte auf die dutzenden kleinen weißen Pillen und spürte eine innere Wärme in sich. Der Zeitpunkt war gekommen. Jetzt wollte er nur noch die Lottozahlen ansehen, um den letzten Grund zu haben, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Er hatte fünfzig Euro in den Sand gesetzt und das wollte er spüren, den Frust und die Sinnlosigkeit dieses Spiels. Wie dumm war er nur gewesen? Hatte Lotto gespielt, obwohl gar nichts mehr um ihn herum einen Sinn machte. Maximilian rief den Videotext auf und schaltete zu den Lottozahlen. Er nahm sich die beiden ausgefüllten Scheine zur Hand und war sicher, dass dies die längsten Minuten seines Lebens waren. Sie waren unnütz und vergeudete Zeit.

Er verglich die Zahlen mit denen im Videotext, ging von links nach rechts. Zuerst den selbst ausgefüllten Schein, um nach einem Gewinn zu prüfen, denn meist hatten Menschen schon auf diese Weise Glück gehabt. Aber beim Durchgehen sah es alles andere als rosig aus. Keine der Zahlen stimmte nur halbwegs mit den gezeigten im Videotext überein, keine. Nochmals ging er den Schein durch, aber Fehlanzeige. Dann würde der andere Schein auch keinen Sinn machen, aber vor seinem Tod, sollte das seine letzte Handlung sein.

Maximilian ließ deshalb den selbst ausgefüllten Schein fallen und nahm den fertigen. Er war von einer schon fast unerklärlichen Ruhe erfüllt, denn er wusste, dass es gleich so weit war, das Ende nahte. Schon in den ersten drei Reihen, stimmte keine Zahl mit den heutigen Zahlen überein. Es schien sinnlos, weiter zu suchen. Bei dem fünften Kästchen, durchfuhr Maximilian jedoch ein letztes Quäntchen Freude und Wärme. Die erste Zahl stimmte überein, eine Vier. Wenigstens hatte er eine Zahl richtig, doch auch die zweite stimmte, eine Elf. Er sah weiter auf den Videotext, blickte anschließend auf den Schein und sah eine Zwanzig. Einen Dreier, er hatte drei Richtige. Das waren vielleicht zwanzig Euro, höchstens hundert, und die würden an Waltraud gehen.

Wieder sah er zum Videotext und erkannte eine Sechsundzwanzig. Ohne Hoffnung blickte er auf den Schein und sah ebenfalls eine Sechsundzwanzig. Das war ein Vierer und etwa zweihundert Euro, mit Glück eintausend Euro, wenn wenige ihn hatten. Und auch die würden an Waltraud gehen. Wieder wanderte sein Blick zum Videotext und eine Vierzig war zu sehen. Maximilian sah auf seinen Schein und tatsächlich war eine Vierzig auf dem Papier zu sehen. Das waren mit Glück zweihunderttausend Euro, dann hatte Waltraud das Ersparte zurück. Jetzt war Maximilian zufrieden, denn nun war alles in Sachen Finanzen wieder gut gemacht. Es lohnte nicht, noch weiter auf den Videotext zu sehen, denn einen Sechser hatte er nicht, das ging nicht. Dennoch hatte er sich vorgenommen, alles nochmals durchzugehen. Ein sechstes Mal sah Maximilian auf den Bildschirm, erkannte eine Einundfünfzig und die Superzahl Acht. Der Blick auf den Schein zeigte, dass auch die sechste Zahl und die Superzahl auf Maximilians Schein, mit dem Videotext übereinstimmten.

Er sah nochmals hin, verglich die Zahlen, sie waren übereinstimmend. Allesamt waren wie von einem weißen Licht umgeben und er sah sie klar und deutlich. So klar hatte er schon lange nicht mehr gesehen und er glaubte, dass er bereits tot war und sein Gehirn ihm schon einen Streich spielte, um ihn das Ende so angenehm wie möglich zu bereiten. Er war doch kein Millionär und er hatte nicht im Lotto gewonnen. Das konnte nicht sein! Maximilian schaute erneut auf den Fernseher und sah die Summe, die unter den Zahlen stand. Mindestens Einundzwanzig Millionen Euro gehörten ihm, wenn er der Einzige war. Das ertrug er nicht und schaltete den Videotext weg. Seine Lieblingsserie lief und die Zeit, die vergangen war, die stimmte auch. Es war nur knapp eine Viertelstunde vergangen.

Maximilians Wunsch, seinem Leben ein Ende zu bereiten, war verschwunden. Er hatte Angst vor diesem Gefühl. Es war unecht, er musste tot sein!

Er lief nach draußen vor die Tür und sah das Paket vor seinen Füßen liegen. Dann spürte er eine innere Zufriedenheit, mit einem so intensiven Gefühl, das er das letzte Mal in den besten Zeiten mit Waltraud und den Kindern spürte. Außerdem roch er den Geruch seines Vaters. In diesem Moment war Gott ganz nah für Maximilian und seine Zeit war noch nicht gekommen. Er war nun Millionär und knapp dem Tode entkommen, durch ein kleines Wunder. Er blickte gen Himmel und merkte, dass seine Probleme und der Tunnelblick verschwunden waren. Das Geräusch eines Automotors zwang Maximilian plötzlich auf die Straße zu sehen. Das Auto des Paketboten, den er bestellt hatte, stand dort und der Bote kam direkt auf ihn zu.

››Sie hatten angerufen, sind sie Herr Junker?‹‹

››Der bin ich, aber ich brauche das Paket doch noch.‹‹

››Das wird ihnen aber in Rechnung gestellt.‹‹

››Das macht nichts. Aber mein Herr, könnten sie mir mal kräftig in den Arm kneifen oder mit voller Wucht draufhauen. Das können sie mir auch in Rechnung stellen.‹‹

››Sind sie verrückt, dann können sie mich anzeigen.‹‹

››Machen sie es, bitte.‹‹

››Herr Junker, ich bitte sie. Schönen Abend noch.‹‹

Maximilian lief dem Boten hinterher und griff ihm an die Schulter.

››Jetzt werden sie aber aufdringlich.‹‹

››Kneifen oder schlagen sie mich, bitte.‹‹

Der Bote gab nach und kniff Maximilian mit voller Wucht in den Arm. Maximilian fühlte das Kneifen, den Schmerz und ahnte, dass er einen blauen Fleck bekam.

››Und jetzt wollen sie mich anzeigen, oder was?‹‹

››Nein weiterleben‹‹, schrie Maximilian voller Freude und umarmte den Boten, ››hier haben sie fünfzig Euro Trinkgeld. Die Rechnung können sie mir zuschicken.‹‹

››Sie haben getrunken, nicht wahr, oder irgendetwas genommen. Aber der Kunde ist König, einen schönen Abend noch.‹‹

Der Bote stieg genervt in sein Auto und fuhr davon. Maximilian hingegen war voller Hochstimmung und riss die Arme in die Luft.

››Ich lebe, ich lebe‹‹, schrie er und schloss die Gartentür Er lief jubelnd in seinen Garten zurück und bewunderte den blauen Himmel, fühlte den Wind, der sein Gesicht sanft streifte und hörte die Vögel zwitschern. Es war Sommer und Zeit zum Leben. Er war Millionär und das Leben war nun wieder lebenswert.

Aber er wollte mit dem Alkohol aufhören, nie wieder etwas trinken und keinen Cent mehr verspielen. Das Leben hatte ihm eine neue Chance gegeben und die wollte er nutzen. Er musste einen Entzug machen, egal wo. Das Geld hatte er und wenn er nachweisen konnte, dass er clean war, dann würde Waltraud auch wieder zu ihm ziehen.

Mit einundzwanzig Millionen Euro, konnte er jeden Entzug der Welt machen, und zwar professionell. Er musste die Chance des neuen Lebens nutzen. Es war ein Geschenk des Schicksals, wohl möglich auch von seinem verstorbenen Vater und Gott, das glaubte Maximilian ganz fest. Er würde nie wieder einen Tropfen Alkohol anrühren, denn der hatte ihm sein Leben zerstört, weil auch er am Ende nicht mehr geholfen hatte. Die schlechten Gefühle kamen immer wieder durch, egal ob er besoffen war, oder nicht. Immer wieder hatte er an seine Familie denken müssen und sah die Unordnung im Haus.

Doch er wollte nicht mehr zurückblicken, denn diese Zeit war nun vorbei. Jetzt begann ein neues Leben, als neuer Mensch und ab nächster Woche als Millionär.

Maximilian lief zur Tür und sammelte das Paket auf. Zum Glück hatte er sich nicht umgebracht, nun konnte er es irgendwo in den Tiefen seiner Aktenschränke verstecken, damit es keiner fand.

Er lief in das Haus und ging in seine Küche, die komplett mit Alkoholflaschen zugemüllt war. Maximilian nahm sich einen großen blauen Sack und begann die Flaschen in den Sack zu werfen. Pfand war scheißegal, denn er war Millionär. Die Küche wurde mit der Zeit immer aufgeräumter und die Sitzecke aus Holz, mit dem roten Lederbezug, kam das erste Mal seit der Trennung wieder zum Vorschein. Sie strahlte wie neu. Auch die Einbauküche aus weißem Holz, erstrahlte in neuem Glanz.

Maximilian erinnerte sich nicht, wann er sie zum letzten Mal in diesem schönen Zustand gesehen hatte. Sein Vater musste sich im Himmel geschämt haben, so wie sie zuvor aussah. Er ging mit dem Lappen über die Arbeitsflächen, wischte mehrmals über die Flecken aus Kaffee, Bier und Schnaps und das Licht begann sich wieder auf den Oberflächen zu spiegeln. Jetzt musste er nur noch seine Notreserve im Essschrank vernichten, dann war die Küche clean vom Alkohol.

Maximilian bückte sich nach unten und holte zwei Wodkaflaschen und einen halben Kasten Bier heraus und schmiss die Flaschen in den blauen Sack, der schon fast voll war und bei jeder Bewegung klirrte. Er spürte das Gefühl der Freiheit in sich und genoss jede zerbrechende Flasche. Er dachte nicht, wie es ohne den Alkohol wäre, sondern wollte dieses Zeug nur noch aus seinem Haus schaffen. Ein Rückfall würde katastrophal sein, aber den konnte er sich nicht erlauben. Er hatte wie durch ein Wunder im Lotto gewonnen und mit diesem Glück wollte er sich nicht anlegen. Er wollte clean werden und zurück zu Waltraud und den Kindern. Nichts war ihm lieber, das fühlte er. Endlich wieder eine vereinte Familie sein, in Harmonie leben und Peter und Jochen auf die Privatschule schicken, damit aus ihnen Schlauköpfe wurden, die irgendwann studierten und somit das Vermögen aufrecht erhielten. Er wollte es unbedingt und er musste sich beeilen, denn es waren noch das Wohnzimmer und ein paar andere Verstecke vom Alkohol zu befreien. Der Sack war voll und Maximilian stellte ihn ins Wohnzimmer, das er als Letztes saubermachen wollte.

Er lief die alte knarrende Holztreppe hoch, nach oben in sein Schlafzimmer. Es sah unordentlich aus und auch dort lagen überall Bierflaschen verteilt. Das braune Bett, das aus stabilen Eichenholz war und von einem Tischler gebaut wurde, wirkte wie ein schäbiges Bett aus einem Billighotel, das schon jahrelang nicht mehr zurechtgemacht wurde. Es war mit schmutziger Bettwäsche bezogen, die unordentlich war und zwischen denen immer wieder kleine Flaschen herausblitzten. Maximilian konnte den Anblick nicht ertragen und öffnete den nächsten blauen Sack. Er begann die Flaschen hineinzuwerfen und hatte sichtlich Freude dabei. Lieber jetzt alle Flaschen und Verstecke plündern, als mit Gier und Schmerzen danach zu suchen, wenn es nicht ohne den Alkohol ging. Er wusste, wie er tickte und ließ sich nicht von seinem Hochgefühl trügen, so wie sonst immer. Nur weil er das Geschenk des Lebens durch den Gewinn erhielt, war er nicht vom Trinken befreit, im Gegenteil – Dann würde es wahrscheinlich noch stärker werden. Er hätte immer und überall Zugang und das wäre fatal. Maximilian wusste, dass er gleich nächste Woche zu seinem Hausarzt Doktor Heinz gehen musste, der ihm die beste Kur für einen Alkoholentzug verschreiben musste. Luxus musste sein, denn er war Millionär. Vielleicht würden sich dann die Schmerzen besser ertragen lassen. Wichtig war aber, dass es ein Ort war, an dem Alkohol strengstens verboten war. Wenn alles vorbei war und er die Bescheinigung hatte, dann würde er zu Waltraud zurückkehren, aber er musste erst durchhalten. Vorher brauchte er sich nicht bei ihr melden. Das Geld war ihr auch egal, Maximilian musste befreit sein, und zwar komplett. Und er spürte, dass er diesmal kurz davor war, es zu schaffen. Maximilian beeilte sich und leerte noch den Vorrat aus seinem Kleiderschrank aus. Der Sack war halbvoll und das Schlafzimmer sah verändert aus.

Aus dem schäbigen Zimmer, wurde wieder das gemütliche Zimmer, mit dem Holzbett, dem riesigen Kleiderschrank, dem Bücherregal, und dem antiken Schreibtisch mit den zwei Stühlen, der mit allerlei Kunst und Figuren verschnörkelt waren. Maximilian erkannte es kaum wieder und ihm wurde klar, wie sehr er sich selbst und sein Haus vernachlässigt hatte. Warum hatte er nichts gemerkt? Er wusste, dass es am Alkohol lag, doch wie konnte er so ein Unmensch werden?

Dass Waltraud ihn verlassen hatte, schien ihm heute klar, unheimlich klar. Er war ein schlechter Einfluss für seine Kinder und auch für Waltraud gewesen. Er hätte sich selber auch verlassen. Aber der alte Maximilian existierte nicht mehr, denn heute begann ein neues Leben. Das Schlafzimmer war wieder Sein und jetzt galt es den letzten Vorrat im Keller zu vernichten.

Er lief mit dem blauen Sack in Richtung der Treppe und kam an den Kinderzimmern von Peter und Jochen vorbei, die immer noch so eingerichtet waren, als wären sie nie verlassen worden. Zwar lag Staub auf allen Möbeln und die Räume wimmelten nur so von Spinnweben, aber sie hätten theoretisch sofort wieder einziehen können. Maximilian lief runter und packte den Sack in das Wohnzimmer. Dieses würde er zum Schluss aufräumen, bevor er das Taxi rief, um den Unrat an Flaschen weit fort zu bringen. Der Recycling-Hof in Celle hatte am Samstag bis dreiundzwanzig Uhr geöffnet, so dass er es locker schaffen würde.

Er lief zur Kellertür und stieg die alte Holztreppe herab, die sogar weniger knarrte, als die zum Obergeschoss. Hier unten gab es kaum Licht und es war feucht. Maximilian nahm sich vor, den Keller trockenzulegen, damit man ihn auch tagsüber nutzen konnte. Vielleicht richtete er ein Spielzimmer für Peter und Jochen ein, vielleicht ein Tonstudio, damit sie sich wie er für Musik interessierten, oder noch einen Fernsehraum. Wenn er das Geld hatte, musste er sofort eine Firma anrufen. Der Umbau und die Freude daran, wäre eine weitere Hilfe bei den Entzugserscheinungen, vor denen er sich insgeheim jetzt schon fürchtete. Aber er musste da durch, um seine Träume verwirklichen zu können.

Maximilian griff sich entschlossen die drei Kästen Bier und die Wodkaflasche und lief wieder zur Treppe. Er wunderte sich, dass er nur so wenige Verstecke für den Alkohol hatte. Normalerweise hätten überall welche sein müssen. Vielleicht war er zu sehr in diesem Sumpf drinnen gewesen, um überhaupt darüber nachzudenken. Jetzt war es sowieso vorbei und nur noch das Wohnzimmer zu reinigen. Er griff sich das Telefon und wählte die Nummer 4467. Diese Nummer gehörte dem örtlichen Taxiunternehmen ››Laut‹‹, dessen Chef er persönlich kannte und die Söhne vom Chef, waren zwei Lehrlinge bei ››Ernst Graf‹‹. Des Öfteren hatte er auch mit ihnen zu tun, insbesondere wenn er ihnen das Traktorfahren beibrachte.

››Maxi, was geht‹‹, fragte der Chef Rainer Laut persönlich.

››Du Rainer, du musst nochmal einen vorbeischicken, der mich zum Recycling-Hof nach Celle fährt.‹‹

››Was, so spät?‹‹

››Ja, es ist dringend.‹‹

››Hast du ne Leiche, oder was?‹‹

››Ich habe meinen ganzen Alkohol-Vorrat vernichtet und will mit dem Trinken aufhören.‹‹

››Na, ob du das schaffst, das hast du doch schon so oft probiert.‹‹

››Ich werde es schaffen. Ich will mir auch von Doktor Heinz eine Anti-Alkohol-Kur verschreiben lassen. Außerdem will ich Waltraud und die Kinder wiedersehen.‹‹

››Na dann werde ich dich mal unterstützen. In einer Viertelstunde bin ich bei dir. Mach's gut Maxi.‹‹

››Jo Rainer, bis nachher.‹‹

Maximilian legte auf und begann die Schlaftabletten und die im Wohnzimmer verstreuten Flaschen in den blauen Sack zu werfen. Er war erschreckt, als er die Menge an Pillen sah, die über den Tisch verstreut lagen. Er wollte sich wirklich umbringen. Hätte er nicht im Lotto gewonnen, würde er hier nicht mehr stehen. Es war ein Gefühl, dass er nicht erklären konnte. Aber instinktiv wusste er, dass er ein Geschenk des Himmels bekommen hatte und musste dieses auch so behandeln. Es war ja nicht so, dass er sich es im letzten Moment mit dem Selbstmord überlegte. Einzig und allein der Lottogewinn und der daraus resultierende Wunsch, wieder mit seiner Familie zusammenzuleben, hatten ihn gerettet. Das musste er nutzen! Das würde er auch in der schwersten Zeit sagen, wenn sein Körper nach dem Alkohol schrie. Diesen Tag musste Maximilian immer in Erinnerung behalten, denn er war ihm eine Lehre.

Er war sichtlich froh, als er die Pillen vom Tisch hatte und sich nun den Flaschen auf dem Tisch und dem Boden widmen konnte. Wie verkommen war er nur gewesen? Er sah sie um das Sofa herumliegen, lieblos. Er hätte auch auf der Straße leben können, da hätte es ordentlicher ausgesehen. Vorhin, als er nach draußen zum Boten ging, hatte er es gar nicht so gesehen. Erst jetzt öffnete sich sein Blick der wahren, grausamen Welt, die ihn so lange Zeit umgab.

Maximilian stellte fest, dass er über die Monate zu einem Penner geworden war. Seine Haare waren schulterlang, fett und in der ansonsten schwarzen Haarfarbe, sah man lauter Schuppen. Ein Wunder, dass er noch keine Läuse hatte. Wie oft duschte er? Maximal zweimal in der Woche, wenn es hochkam. Dass er stank fiel niemanden auf, da es auch im Traktor oder in der Kneipe niemanden interessierte. Und er kümmerte sich am wenigsten darum. Bis heute! Bevor Rainer kam, musste er wenigstens noch Deo an sein Körper sprühen, ansonsten wäre es ja peinlich. Rainer hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen, vor allem ihn und seinen Verfall. Er musste sich beeilen.

In Eile sammelte er die Flaschen vom Boden auf und schmiss sie in den Sack. Maximilian erfreute sich an dem Anblick des Wohnzimmers, das wieder fast im alten Zustand war. Das weiße Ledersofa, die dunkelbraunen Schränke und Vitrinen, der Sofatisch und der Fernseher-Schrank, alles. Er war vollkommen fasziniert von dem Anblick und verstand nicht, warum er es nicht schon vorher gemacht hatte. Ohne leere Flaschen, sah es wie in der alten Zeit mit Waltraud und den Kindern aus. Die vier blauen Säcke waren voll und das Haus war nun komplett vom Alkohol befreit.

Maximilian nahm die Säcke und stellte sie vor die Tür. Er sprühte sich mit Deo voll, dann schloss er ab und ging nochmal sicher, ob er auch jeden Vorrat geplündert hatte. Schon nach kurzer Zeit war er sich sicher. Zusammen mit den Säcken, lief er zum Gartentor und sah das Taxi auf ihn zukommen. Es war ein Kleinbus und mit der Zeit erkannte er Rainers Gesicht. Rainer Laut hatte kurze graue Haare, ein einigermaßen faltenfreies Gesicht und eine braune Lederjacke an. Der Kleinbus hielt an und Rainer stieg aus.

››Hallo Maxi‹‹, sagte er und umarmte ihn, ››na da hast du ja fleißige Arbeit geleistet.‹‹

››Ich habe meinen gesamten Vorrat geplündert.‹‹

››Ich hätte nie gedacht, dass du mal wirklich aufhören willst. Waltraud und die Kinder sind dir wohl wieder sehr wichtig.‹‹

››Ich will es diesmal schaffen, Rainer. Außerdem habe ich das Geld zusammen, um eine professionelle Kur zu machen.‹‹

››Dann packe ich erstmal deine Säcke hinten rein.‹‹

››Vorsicht, dass du dich nicht schneidest, Rainer.‹‹

››Das geht schon. Steige schon mal ein.‹‹

Maximilian setzte sich vorne auf den Beifahrersitz und schloss die Tür. Er hörte hinten das Klappern der Säcke und das Zufallen der Tür. Rainer stieg ein und sie fuhren los.

Beim Verlassen des Dorfes, sahen sie den roten Himmel, der für Maximilian nicht mit Worten zu beschreiben war. Den Anblick dieses herrlichen Sonnenuntergangs, würde er für immer in seinem Gedächtnis behalten. Er symbolisierte den Neuanfang und den neuen Blick auf das Leben, hell und farbenfroh.

››Wie bist du eigentlich darauf gekommen, diesen Schritt zu gehen, Maxi?‹‹

››Wenn ich es dir erzähle, dann glaubst du es sowieso nicht.‹‹

››Ich glaube dir, ehrlich.‹‹

››Ich wollte mich umbringen, hatte alles schon vorbereitet. Die Schlafpillen lagen bereit auf den Tisch, der Alkohol, mit dem ich sie nehmen wollte auch. Dann habe ich... .‹‹

››Was hast du?‹‹

››Das sage ich dir nicht.‹‹

››Mache doch, ich erzähle es keinem weiter.‹‹

Maximilian hatte Angst, ihm die Wahrheit von dem Lottogewinn zu erzählen, denn er wollte keinen Neid erzeugen. Er vertraute Rainer, doch wenn es um so viel Geld ging, dann war man besser vorsichtig. Er wollte noch lebend zu seiner Familie zurückkehren und nicht tot im Wald liegen.

››Ich habe den unheimlichen Willen gewonnen, mit meinem Leben weiterzumachen. Meine Zeit war noch nicht gekommen. Das kannst du dir nicht vorstellen, was ich dort gespürt habe.‹‹

››Dann hast du ja nochmal Glück gehabt. Ich hätte es ehrlich gesagt nicht ertragen, dich zu verlieren, Maxi.‹‹

››Nun bin ich ja hier. Mache dir keine Sorgen. Heute hat ein neues Leben begonnen.‹‹

››Ich finde deinen Optimismus Klasse. Mache weiter so, dann schaffst du es.‹‹

››Ich werde mir alle Mühe geben.‹‹

Sie schweigen und erreichten nach einiger Zeit den Recycling-Hof. Es war kurz vor zehn Uhr Abends und die Nacht war hereingebrochen. Ein sternenklarer Himmel zeigte sich und es war angenehm warm. Das war der perfekte Zeitpunkt, symbolisch die Alkoholreste zu entsorgen. Maximilian und Rainer stiegen aus.

››Du musst nicht die Säcke herausholen. Ich will es alleine machen.‹‹

››Wie du willst.‹‹

Maximilian nahm die Säcke aus dem Kofferraum und lief zu dem großen Restmüll-Container, der in der Erde eingegraben war. Restmüll bedeutete, dass er entweder verbrannt oder auf eine Müllkippe gebracht wurde. Jedenfalls musste sich Maximilian hier keine Sorgen machen, dass nochmal jemand seinen Müll durchsuchte, denn das würde ihm höchst unangenehm sein.

Er hielt die Säcke in der Hand, fühlte sie Sehnsucht nach Waltraud und den Kindern. Den ersten Schritt hatte er getan, sein Haus vom Alkohol befreit. Nun war der zweite Schritt dran. Maximilian dachte an den Schmerz, den der Alkohol ihm bereitete. Er nahm kräftig Schwung mit dem Arm und schmiss die vier Säcke in den Container. Mit einem lauten Klirren, verschwanden sie in der Tiefe des Müllbergs.

››Nie wieder‹‹, sagte Maximilian zu sich selbst.

››Bist du fertig?!‹‹

››Ja, ich komme.‹‹

Maximilian lief zurück zum Taxi und spürte, dass der Entzug diesmal etwas werden konnte, dass er vielleicht eines Tages zu Waltraud und den Kindern zurückkehren würde.

Mafia Band 1: Thriller

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