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4. Kapitel

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Waltraud saß mit Peter und Jochen im Zimmer der Direktorin Frau Anja Frey, eine etwas korpulentere Frau mit dunkelblonden langen Haaren und einer Brille auf. Ihr Gesicht hatte schon einige Falten und sie saß erwartend auf ihrem Chefsessel. Alle warteten sie auf die Graciello-Kinder, die schon fünf Minuten zu spät waren. Es war bereits fünf nach zwei Uhr nachmittags und Frau Frey wurde langsam ungeduldig. Es war zwar normal für die Graciello's, aber sie fragte sich, warum sie sie alle noch nicht von der Schule geschmissen hatte. Der Grund war ihr insgeheim klar – Sie hatte Angst vor der ganzen Familie, denn das, was sie fast jeden Tag mit ihnen erlebte, reichte ihr aus, um immer noch ein Auge zuzudrücken. Es war die angenehmere Variante, als sich mit der gesamten Familie Graciello anzulegen.

Dennoch war sie verärgert über sich, dass sie so schwach war und vor ihnen Angst hatte. Als sie Waltraud anblickte und Peter mit seinem angeschwollenen Gesicht sah, kamen ihr innerlich die Tränen. Wie konnten diese kleinen Teufel so etwas machen?

››Frau Junker, ich denke, dass wir noch fünf Minuten warten, dann müssen wir leider abbrechen.‹‹

››Die lassen sich extra Zeit‹‹, sagte Waltraud, ››aber ich bleibe hier, bis ich eingehe. Haben die etwa Angst, oder was?‹‹

››Oh, das könnte man denken‹‹, erwiderte Frau Frey, ››aber glauben sie mir Frau Junker, ich habe schon unzählige Male vergeblich versucht, Angst, geschweige denn Menschlichkeit, aus ihnen herauszukitzeln. Sie sind Teufel und man bekommt sie nicht klein.‹‹

››Haben sie schon aufgegeben, Frau Frey?‹‹

››Kann man wirklich so sagen. Sie bewegen sich in Grauzonen, die Eltern schicken die Kinder los, um zu klauen, und so weiter. Und sie predigen ihnen, jeden abwertend zu behandeln, der nicht zu ihrer Familie gehört.‹‹

››Ich habe keine Angst, Frau Frey, selbst wenn sie mir drohen. Meine Kinder verletzt nur jemand über meine Leiche.‹‹

Es klopfte laut an der Tür.

››Herein‹‹, rief Frau Frey und stand auf.

Die Tür ging auf und im Eingang standen drei Jungs mit schwarzen Haaren, Sonnenbrillen nach oben geklappt, Lederjacken, blauen Jeans und Turnschuhen. Sie sahen schon von Weitem ungemütlich aus und blickten kühl und abwertend die vier im Raum an.

››Das sind die Jungs, Mama‹‹, sagte Peter.

››Halt du da hinten dein Maul‹‹, rief Alfredo Graciello zu Peter und sah ihn mit finsteren Augen an.

››Alfredo, halt deinen Mund‹‹, sagte Frau Frey.

››Halt deinen Mund‹‹, äffte Alfredo sie nach, worauf die anderen Jungs gehässig lachten, ››nehmen sie erstmal zwanzig Kilo ab Frau Frey, bevor sie mir den Mund verbieten.‹‹

››Alfredo, das ist wieder ein Verweis.‹‹

››Egal‹‹, lachte Alfredo, ››wenn meine Brüder mit ihnen fertig sind, dann bleibt nichts weiter übrig, als ein Haufen Fett.‹‹

Die anderen beiden Jungs lachten wieder.

››Du bekommst eine Anzeige Alfredo, von der Schule. Das war eine Drohung.‹‹

››Sie wollen wohl wirklich ins Gras beißen Frau Frey, oder?‹‹

››Das tut jetzt nichts zu Sache, setzt euch.‹‹

Alfredo und die anderen beiden Jungs gingen übertrieben langsam, fast schon schauspielerisch auf die freien Plätze und Alfredo steckte sich ein Zahnstocher in den Mund, um cool zu wirken.

››Wie alt seid ihr eigentlich‹‹, fragte Waltraud entsetzt zu Alfredo.

››Franjo, mein kleiner Bruder hier links ist, sieben, der Junge hier links, mein Bruder Paulus, ist zehn, und ich bin elf. Sie haben noch nie Jungs in dem Alter gesehen, die sich so benommen haben, richtig? Und sie sind entsetzt.‹‹

Alfredo lachte laut.

››Ihr gehört doch weggesperrt‹‹, sagte Waltraud.

››Wollen sie Kinder in das Gefängnis stecken, Frau Junker‹‹, fragte Alfredo provokant, ››wir sind noch nicht mal strafmündig.‹‹

››Ihr seid keine Kinder mehr‹‹, sagte Waltraud.

››Heulen sie Frau Junker, los‹‹, sagte Alfredo.

››Jetzt Ruhe‹‹, unterbrach Frau Frey und klopfte auf den Tisch, ››wir sind hier, um eure Gewaltaktion am letzten Freitag an Peter und Jochen zu klären. Warum habt ihr das gemacht?‹‹

››Wir wollten dem kleinen Peter und dem Jochen nur eine Lektion erteilen. Sie gehören nicht zu unser Familie, sind dumme Dorfkinder. Wir machen so etwas auch nicht mehr.‹‹

Alfredo pausierte kurz und nahm seinen Zahnstocher aus dem Mund.

››Es sei denn, sie waren bei der Polizei, Frau Junker, Peter und Jochen?‹‹

››Ja, waren wir bereits‹‹, sagte Waltraud.

Sie fühlte die Wut in sich, über die Arroganz dieser kleinen Kinder. Sie fragte sich, warum diese Teufel überhaupt auf die Menschheit losgeschickt wurden und nicht schon im Kinderknast saßen. Hier, in die zivilisierte Welt, da gehörten sie nicht hin.

››Das ist ihr Untergang, Frau Junker‹‹, sagte Alfredo, ››nun bekommen sie garantiert auch private Probleme mit uns, die Betonung liegt auf ›garantiert‹! Wir hätten ihre Schützlinge auch garantiert, ich betone: ›garantiert‹, für immer in Ruhe gelassen, es sei denn, sie wären uns dumm gekommen, aber nun sollten sie lieber vorsichtig sein, und ihr auch Peter und Jochen.‹‹

››Hier werden keine Drohungen ausgesprochen‹‹, sagte Frau Frey, ››also gebt ihr es zu, dass ihr es auch wart?‹‹

››Aber natürlich und es wird weitergehen.‹‹

››Das gibt den nächsten Verweis, Alfredo, und ihr anderen beiden auch. Noch einen Verweis und ihr fliegt.‹‹

››Probieren sie es doch‹‹, sagte Alfredo abwertend.

››Und wenn ihr es nochmal tun solltet‹‹, sagte Waltraud, ››dann komme ich persönlich vorbei und werde euch die Ohren abschneiden.‹‹

››Alles klar Frau Junker, das werde ich mir merken‹‹, sagte Alfredo böse. ››Sie werden uns noch mal wiedersehen und können ihre Kinder im Krankenhaus besuchen. Schönen Tag noch. Kommt.‹‹

Alfredo und die anderen beiden standen auf und verließen still und leise den Raum.

Waltraud saß da und spürte, dass ihr das Gespräch einen Schock versetzt hatte. Sie zweifelte an sich, ob es wirklich der richtige Weg war, mit der Anzeige und dem Gespräch. Vielleicht waren es wahre Worte von Alfredo, dass er alle in Ruhe gelassen hätte und es ein einmaliger Vorfall war. Waltraud war aber auch klar, dass sie sich immer vor ihre Kinder stellen würde, egal was passierte. Selbst wenn die verdammten Graciello's mit Knarren vor ihr standen, würde sie sich opfern.

››Wie geht es ihnen Frau Junker‹‹, fragte Frau Frey.

››Ich bin entsetzt‹‹, antwortete sie.

››So geht es mir jeden Tag. Ich bin froh, dass meine Kinder nicht auf diese Schule gehen. Haben sie auch schon darüber nachgedacht, Frau Junker?‹‹

››Das hat doch keinen Sinn, sie werden uns trotzdem aufsuchen.‹‹

››Schlafen sie mal eine Nacht drüber, sie haben ja noch Zeit.‹‹

››Ich lasse mich aber nicht von diesen Biestern kleinkriegen. Selbst wenn sie mit zwanzig Mann vor meiner Tür stehen. Meine Kinder bekommen sie nur über meine Leiche.‹‹

››Das wird nur ihr Gefühl sein. Ich biete ihnen es auf jeden Fall an. Denken sie darüber nach.‹‹

Waltraud stand auf und umarmte Frau Frey.

››Vielen Dank, dass sie hinter mir stehen‹‹, sagte Waltraud, ››ich lasse mich aber nicht kleinkriegen.‹‹

››Ich verstehe sie. Aber wie gesagt, wenn sie sich es überlegen, dann sprechen sie mich einfach an.‹‹

››Mache ich. Ihnen noch einen schönen Nachmittag. Kommt Peter und Jochen.‹‹

Peter und Jochen liefen mit blassem Gesicht und ohne ein Wort zu sagen, ihrer Mutter hinterher und wussten, dass es nicht gut war, Benzin in das Feuer zu gießen. Sie hätten sich damit abgefunden, dass sie ein einziges Mal verprügelt wurden. Nun hatten sie aber die Graciello's auf dem Hals und sie hatten Angst. Wie oft hatten sie ihrer Mutter gesagt, dass es nicht gut war, sie anzuzeigen?! Dutzende Male hatten sie ihre Mutter vorgewarnt, aber nun war es zu spät. Jetzt mussten sie damit rechnen, wieder verprügelt zu werden und dass die Familie Graciello ihnen einen unangenehmen Besuch abstattete.

››Sie sind sauer auf uns‹‹, sagte Peter.

››Lass sie doch sein‹‹, erwiderte Waltraud.

››Ich habe aber Angst, Mama. Mit ihnen ist nicht zu spaßen.‹‹

››Kannst du uns gegen die gesamte Familie beschützen, Mama‹‹, fragte Jochen.

››Ich werde euch immer beschützen, egal was kommt. Wir müssen dieser Familie zeigen, dass wir keine Angst vor ihnen haben. Lasst uns aber das Thema wechseln. Wir rufen uns jetzt ein Taxi und fahren nach Hause.‹‹

››Okay‹‹, sagten Peter und Jochen.

Waltraud bestellte ein Taxi. Während des Wartens fielen ihnen etwa fünf Kinder in Lederjacken auf, die in einem Abstand von etwa zweihundert Meter, zu Peter, Jochen und ihr standen. Waren es die Graciello's? Sie wurde nervös, denn sie ahnte, dass es die Kinder waren. Was hatten sie jetzt noch vor?

››Bleibt ruhig, die Graciello's beobachten uns‹‹, sagte Waltraud zu Peter und Jochen.

››Ich habe Angst‹‹, sagte Peter.

››Das ist nicht lustig Mama‹‹, sagte Jochen, ››ich will nicht noch mal geschlagen werden.‹‹

››Wenn sie kommen, dann haben wir wenigstens etwas gegen sie in der Hand. Aber glaubt mir, dass sie es nicht wollen. So habt ihr mich noch nie gesehen.‹‹

Waltraud beobachtete die Graciello-Kinder weiter und spürte die Wut und die einsetzende Kampfbereitschaft. Wenn sie kamen, dann würde sie alle fünf ohrfeigen, schlagen und von ihren Fahrrädern schubsen. Sie würde über ihren Schatten springen und ihre Kinder verteidigen. Den Graciello's musste man eine körperliche Lektion erteilen, ansonsten verstanden sie es nicht. Mit dem Rechtsstaat und der Bürokratie, brauchte man ihnen gar nicht kommen, denn darüber lachten sie nur.

Im Augenwinkel sah Waltraud das Taxi und winkte. Sie nahm Peter und Jochen an die Hand und lief hin.

››Sie hatten angerufen?‹‹

››Ja, einmal in die Sternstraße in der Südstadt bitte.‹‹

››Alles klar.‹‹

Waltraud half Peter und Jochen hinten einzusteigen und setzte sich anschließend nach vorne. Sie drehte sich um und bemerkte, dass die Graciello's weiter an das Taxi herangekommen waren.

››Sehen sie die Kinder‹‹, fragte Waltraud zu dem Fahrer.

››Ja, was ist mit ihnen?‹‹

››Ich denke, dass sie uns verfolgen.‹‹

››Wir werden es sehen. Haben sie mit denen ein Problem.‹‹

››Wir hatten gerade mit drei von ihnen ein Gespräch. Sie haben meine Kinder verprügelt.‹‹

››Dann rufen sie doch die Polizei.‹‹

››Da waren wir schon. Wir warten am besten ab. Vielleicht wollen sie uns nur Angst machen. Sie können losfahren.‹‹

›Wie sie meinen.‹‹

Der Taxifahrer fuhr los, während Peter und Jochen nervös nach hinten blickten und die fünf Jungs sahen, wie sie mit den Fahrrädern dem Taxi folgten.

››Mama‹‹, sagte Peter hektisch, ››sie folgen uns wirklich.‹‹

Waltraud drehte sich um und konnte es nicht fassen. Sie fuhren tatsächlich in einem hohen Tempo hinterher und zeigten keine Anzeichen von Angst oder Reue. Wenn sie bis vor ihre Haustür kamen, dann würde sie allesamt windelweich schlagen, so dass sie einen Krankenwagen brauchten. Das waren doch wirklich keine Kinder mehr, sondern junge Kriminelle.

››Lasst sie ruhig kommen, ich werde schon mit ihnen fertig.‹‹

››Ich kann auch anhalten, dann können sie es gleich machen, ich helfe mit‹‹, sagte der Taxifahrer.

››Nein, der Knochen kommt nicht zum Hund. Sie sollen sich ruhig totstrampeln.‹‹

››Sie sind aber mutig. Ist es aber nicht besser, wenn sie es mit der Polizei klären?‹‹

››Da waren wir schon, das sagte ich doch. Sie können auch nicht viel machen. Das Einzige was hilft, ist den Teufeln eine Lektion zu erteilen, und zwar handgreiflich.‹‹

››Wenn sie meinen.‹‹

››Ich weiß, was ich tue und selbst die Polizei sagte, dass es nicht anders geht.‹‹

››Das müssen ja wirklich kleine Teufel sein.‹‹

››Sind sie auch.‹‹

Der Taxifahrer hielt an der Ampel an, während Peter und Jochen langsam immer verängstigter wurden, da die Graciello's langsam dem Taxi näher kamen. Peter hatte das Gefühl, dass sie ihnen mit böser Absicht folgten. Er wollte nicht noch einmal verprügelt werden und sah zu seiner Mutter.

››Mama, sie haben uns gleich eingeholt.‹‹

››Soll ich sie verjagen‹‹, fragte der Taxifahrer, ››die Lausebengel haben eine Abreibung verdient.‹‹

››Sie wollen sich mit der Graciello-Familie anlegen? Das ist meine Sache. Das bringt ihnen nur Ärger. Fahren sie einfach.‹‹

Der Taxifahrer sagte nichts und fuhr weiter.

Sie hatten bald ihr Haus erreicht und sahen es schon. Peter und Jochen waren aber nicht abzulenken und blickten immer noch auf die Graciello's, die penetrant folgten.

››Wir sind gleich da‹‹, sagte Waltraud.

Das Taxi hielt an und Waltraud bezahlte die zwanzig Euro Fahrpreis.

››Machen sie es gut, stimmt so.‹‹

››Vielen Dank die Dame.‹‹

Waltraud, Peter und Jochen liefen zu ihrer Haustür und hörten plötzlich Geschrei. Ehe sie gucken konnten, schlugen mehrere Wasserbomben ein, von denen einige mit verfaultem Essen gefüllt waren. Waltraud, Peter und Jochen waren voll und stanken. Etwa zehn Meter entfernt, stand Alfredo mit seinen vier Jungs und einem älteren, den sie nicht kannte.

››Wir wissen, wo ihr wohnt‹‹, rief Alfredo, ››wir werden euch die Hölle heißmachen.‹‹

››Du kleines Biest‹‹, schrie Waltraud und lief auf Alfredo zu.

Blitzschnell drehten die fünf Jungen um und fuhren Waltraud, die außer sich war, davon.

››Kommt her, wenn ich mit euch fertig bin, dann sitzt ihr alle im Rollstuhl‹‹, brüllte Waltraud und hatte sie fast erreicht.

››Ey Schlampe, mach keine Faxen‹‹, lachte Alfredo und legte an Tempo zu.

››Ihr verdammten Feiglinge‹‹, schrie Waltraud hinterher, als sie erschöpft aufgeben musste. Peter und Jochen kamen weinend zu ihr an und klammerten sich an ihrem Becken fest.

››Ihr müsst nicht weinen‹‹, sagte Waltraud, ››ich werde immer für euch kämpfen, egal, was passiert.‹‹

››Ich habe aber Angst vor denen‹‹, sagte Jochen.

››Ich auch‹‹, sagte Peter.

››Bleibt ganz ruhig‹‹, sagte Waltraud wütend und merkte, wie sich der Hass in ihr sammelte, der Hass auf die Taten dieser kleinen Verbrecher. Sie wurden gedemütigt. Allesamt stanken und waren beschmiert mit dem faulen Essen. Das war zu viel! Wenn sie nochmal auftauchten, dann würde sie allesamt schnappen und ihnen eine Lektion erteilen, die sie so schnell nicht vergaßen.

››Kommt wir machen uns sauber, dann schauen wir Filme‹‹, sagte Waltraud und nahm Peter und Jochen an die Hand, ››vergesst diesen Tag am besten, aber seid euch sicher, dass es Konsequenzen für die Graciello's haben wird.‹‹

Mafia Band 1: Thriller

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