Читать книгу Familien- und Kindschaftsrecht für die Soziale Arbeit - Sabahat Gürbüz - Страница 10

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1 Grundlagen des Familienrechts

1.1 Allgemeines

Das Familienrecht regelt Rechtsverhältnisse zwischen gleichberechtigten Rechtssubjekten unter Berücksichtigung staatlicher Sonderbefugnisse. Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob Familienrecht zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht gehört. Das spielt beispielsweise für die Zuständigkeit der Gerichte eine Rolle, aber auch für bestimmte Rechtsanwendungsgrundsätze, die sich im öffentlichen und im Zivilrecht etwa bei der Möglichkeit, Maßnahmen festzulegen und ggf. auch mit Zwang durchzusetzen, unterscheiden.

Öffentliches Recht und Privatrecht

Das Zivilrecht oder auch Privatrecht regelt Rechtsbeziehungen zwischen gleichberechtigten Rechtssubjekten (z. B. Kaufvertrag).

Öffentliches Recht regelt demgegenüber das Verhältnis des Staats zum Bürger (z. B. Baugenehmigung; beachte aber: Auch der Staat kann privatrechtlich handeln, z. B. beim Einkauf von Sachmitteln, der Anmietung von Räumen, er hat handelt dann wie ein Bürger und nicht in seiner Sonderrolle als Staat).

Abgrenzung

Die Abgrenzung zwischen Privat- und öffentlichem Recht ist streitig. Hierzu gibt es folgende Theorien:

Nach der Interessentheorie betrifft öffentliches Recht das öffentliche Interesse, Privatrecht das Privatinteresse.

Nach der Subordinationstheorie ist eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit gegeben, wenn zwischen dem Hoheitsträger und dem Bürger ein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht.

Nach der Subjektstheorie sind öffentliches Recht die Rechtsätze, die (nur) Träger der hoheitlichen Gewalt berechtigen oder verpflichten. Das öffentliche Recht ist also derjenige Teil der Rechtsordnung, der das Verhältnis zwischen Trägern der öffentlichen Gewalt und einzelnen Privatrechtssubjekten regelt. Öffentliches Recht umfasst danach sämtliche Rechtsmaterien, die die Organisation und Funktion des Staats betreffen (z. B. Strafzettel für eine Ordnungswidrigkeit, Dienstverhältnis bei Beamten, Polizeieinsätze).

Nach der herrschenden modifizierten Subjektstheorie und Subordinationstheorie ist öffentliches Recht immer anzunehmen, wenn die betroffene Gesetzesnorm ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet. Ansonsten liegt Privatrecht vor.

Begriff

Das Familienrecht regelt die Rechtsbeziehungen der durch Ehe, Lebenspartnerschaft, nichteheliche Lebensgemeinschaft und/oder Familien verbundenen Personen. Dazu zählen beispielsweise das Unterhaltsrecht, das Recht der ehelichen Güterstände, der Ehescheidung sowie der elterlichen Sorge. Es regelt also die Beziehungen rechtlich gleichgestellter Rechtssubjekte untereinander, nämlich zwischen Bürgern, und ist daher dem Privatrecht zuzuordnen. Das Familienrecht verleiht dem Staat allerdings zum Teil Sonderbefugnisse, um in diese Rechtsbeziehungen einzugreifen oder sie gar einzuschränken.

Das Familienrecht unterteilt sich wiederum in Verfahrensrecht und materielles Recht. Während das Verfahrensrecht regelt, wie Rechte formal geltend gemacht werden können, also das „Verfahren“ (z. B. Klage, Scheidungsverfahren), bezeichnet das materielle Recht die Normen, die den Inhalt der Rechte ausgestalten (z. B. Grundlage des Zahlungsanspruchs, Voraussetzungen der Scheidung).

1.2 Verfahrensrecht

FamFG

Die wesentlichen Regelungen zum Verfahrensrecht zur Durchsetzung des materiellen Familienrechts finden sich in dem am 01.09.2009 in Kraft getretenen FamFG, dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das FamFG regelt nunmehr also das familiengerichtliche Verfahren in einer einheitlichen Verfahrensordnung. Aus dem Namen des Gesetzes ergibt sich allerdings bereits, dass es nicht nur Familiensachen regelt, sondern auch andere Verfahren der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit, die keinen familienrechtlichen Bezug haben (z. B. Verfahren in Registersachen, unternehmensrechtliche Verfahren in Buch 5 oder Verfahren in Freiheitsentziehungssachen in Buch 7). Das FamFG unterteilt sich in insgesamt neun Bücher mit unterschiedlichen Regelungsbereichen. Für die Verfahren in Familiensachen kommt den ersten beiden Büchern besondere Bedeutung zu (Abb. 1).

Buch 1 (§§ 1–110 FamFG) regelt den Allgemeinen Teil (ausführlich Prütting/Helms 2013). Hier definiert der Gesetzgeber unter anderem, wer Beteiligter ist (vgl. § 7 FamFG), stellt klar, wann eine förmliche Beweisaufnahme nach den Regeln der Zivilprozessordnung stattzufinden hat (vgl. § 30 FamFG), führt eine generelle Befristung der Beschwerde ein (vgl. § 63 FamFG) und ersetzt die bisherige weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht durch eine zulassungsabhängige Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (vgl. § 70 FamFG). Bei Missachtung einer gerichtlichen Umgangsentscheidung bestehen Sanktionsmöglichkeiten im Wege der Festsetzung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft (vgl. § 89 FamFG).

Buch 2 (§§ 111–270 FamFG) regelt das Verfahren in Familiensachen, insbesondere die Grundlagen für das gerichtliche Verfahren in Scheidungssachen, Kindschaftssachen, Abstammungssachen, Adoptionssachen, Wohnungszuweisungs- und Hausratssachen, Gewaltschutzsachen, Versorgungsausgleichssachen, Unterhaltssachen, Güterrechtssachen und sonstigen Familiensachen (Prütting/Helms 2013). Hervorzuheben sind in diesem Teil die mit dem FamFG neu eingeführten Gebote, wie z. B. das Gebot vorrangiger und beschleunigter Bearbeitung von Sorge- und Umgangsverfahren (vgl. § 155 FamFG) oder die Präzisierung der Voraussetzungen für die Bestellung eines Interessenvertreters des Kindes in Kindschaftssachen (sog. Verfahrensbeistand; vgl. § 158 FamFG).

Zuständigkeit des Familiengerichts

Mit dem Inkrafttreten der Reform des Rechts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit im FamFG zum 01.09.2009 wurden die Zuständigkeiten des Familiengerichts erweitert (sog. großes Familiengericht). Der für die Zuständigkeit der Familiengerichte entscheidende Begriff der „Familiensache“ wurde um die zuvor von den Vormundschaftsgerichten zu bearbeitenden Rechtsstreitigkeiten und Gewaltschutzsachen erweitert. Durch den Bereich „sonstige Familiensachen“ wurden u. a. auch vermögensrechtliche Ansprüche der Eheleute, die sonst vor den Zivilgerichten zu verhandeln waren, gemäß § 111 FamFG den Familiengerichten zugewiesen (Horndasch/Viefhues 2014). Damit wurde eine einheitliche Verfahrensordnung in Kraft gesetzt.

Der Begriff der Familiensachen ist in § 111 FamFG definiert. Dies sind:

Familiensachen

1. Ehesachen: Gesetzliche Definition in § 121 FamFG

2. Kindschaftssachen: Gesetzliche Definition in § 151 FamFG

3. Abstammungssachen: Gesetzliche Definition in § 169 FamFG

4. Adoptionssachen: Gesetzliche Definition in § 186 FamFG


Abb. 1: Aufbau des Familienverfahrensrechts

5. Ehewohnungs- und Haushaltssachen: Gesetzliche Definition in § 200 FamFG

6. Gewaltschutzsachen: Gesetzliche Definition in § 210 FamFG (Die Vorschrift bestimmt den Begriff der Gewaltschutzsachen durch Bezugnahme auf die §§ 1 f. GewSchG.)

7. Versorgungsausgleichssachen: Gesetzliche Definition in § 217 FamFG

8. Unterhaltssachen: Gesetzliche Definition in § 231 FamFG

9. Güterrechtssachen: Gesetzliche Definition in § 261 FamFG

10. Sonstige Familiensachen: Gesetzliche Definition in § 266 FamFG

11. Lebenspartnerschaftssachen: Gesetzliche Definition in § 269 FamFG

Sonstige Familiensachen

Die Zuständigkeit für „sonstige Familiensachen“ (§ 111 Nr. 10 FamFG) bedarf der näheren Bestimmung. Sie findet sich in § 266 FamFG. „Sonstige Familiensachen“ sind danach Verfahren, die folgende Bereiche betreffen:

1. Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses sowie in den Fällen der §§ 1298 und 1299 BGB zwischen einer solchen und einer dritten Person (Horndasch/Viefhues 2014). In allen Fällen ist Voraussetzung, dass ein Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses besteht. Dritte Personen sind danach nur beteiligt, sofern Ansprüche aus den §§ 1298, 1299 BGB geltend gemacht werden, z. B. Verfahren auf Rückgabe von Geschenken oder sonstigen Zuwendungen.

2. Aus der Ehe herrührende Ansprüche, wie z. B. die aus § 1353 BGB herzuleitenden Ansprüche, etwa auf Mitwirkung bei der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung, Ansprüche, die das absolute Recht zur ehelichen Lebensgemeinschaft verwirklichen, wie etwa Abwehr- und Unterlassungsansprüche gegen Störungen des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe gegenüber dem anderen Ehegatten oder einem Dritten (sog. Ehestörungsklagen) oder diesbezügliche Schadensersatzansprüche.

3. Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil. Voraussetzung ist ein Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe, z. B. auch die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten außerhalb des Güterrechts, wie auch die Auseinandersetzung zwischen einem Ehegatten und dessen Eltern oder den Eltern des anderen Ehegatten aus Anlass der Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe, z. B. die Rückabwicklung von Zuwendungen der Schwiegereltern.

4. Aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche – ergänzend zur Zuständigkeit in Kindschaftssachen. Hierunter fallen z. B. Streitigkeiten wegen der Verwaltung des Kindesvermögens, auch soweit es sich um Schadensersatzansprüche handelt. Der Anspruch muss allerdings im Eltern-Kind-Verhältnis selbst seine Grundlage haben, ein bloßer Zusammenhang hierzu genügt nicht.

5. Aus dem Umgangsrecht herrührende Ansprüche wie etwa Schadensersatzanspruch wegen Nichteinhaltens der Umgangsregelung, jedoch nicht das Verfahren wegen des Umgangsrechts selbst.

Zuständigkeitsvorbehalt

Für alle fünf genannten Bereiche gilt jedoch, dass es sich nur um „sonstige Familiensachen“ handelt, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a bis k der Zivilprozessordnung (ZPO) genannten Sachgebiete (siehe dort), das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft und sofern es sich nicht bereits nach anderen Vorschriften ohnehin um eine Familiensache handelt.

Schließlich fallen unter „sonstige Familiensachen“ auch Verfahren über einen Antrag nach § 1357 Abs. 2 Satz 1 BGB, mit dem ein Ehegatte die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen möchte.

1.3 Materielles Recht

Das Familiengericht wendet zur Entscheidungsfindung – unter Beachtung der angesprochenen Verfahrensregelungen des FamFG – das materielle Familienrecht an.

BGB

Die wesentlichen Inhalte des materiellen Familienrechts sind im 4. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt. Es enthält u. a. Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse der Ehe und Familie mit den Schwerpunkten Eheschließung, Scheidung und Unterhalt, und auch über die Rechtsbeziehung der Eltern zu den Kindern, also insbesondere das Sorgerecht und das Vaterschaftsrecht (Abb. 2).


Abb. 2: Aufbau des Familienrechts im BGB

Familien- und Kindschaftsrecht für die Soziale Arbeit

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