Читать книгу Die Vergessenen 02 - Kitsune - Sabina S. Schneider - Страница 6
DIE KATZE UND DAS MEER
ОглавлениеYokohama November 2010
Der Wind peitschte Linas Haare in die Luft, biss sich mit kalten Zähnen in die Haut. Sie wartete bereits über eine Stunde. Was machte dieser überdimensionale Kater nur? Lina saß auf der Treppe, blickte abwechselnd aufs Meer und in den Himmel. Dann lehnte sie sich zurück, reckte ihr Kinn nach oben und versuchte jeden Sonnenstrahl einzufangen, den sie erhaschen konnte. Die Sonne wärmte ihr Gesicht, während der Meereswind sein Bestes gab, es einzufrieren. Das Meer barg Gefahren. Jetzt mehr denn je und Lina wusste, dass es ihre Schuld war.
Plötzlich verschwanden die roten Flecken, die zu sehen, waren, wenn das Licht der Sonne, durch die Augenlieder reichte. Das bisschen Wärme war ihr genommen worden. Gleich würde sich über ihre Haut ein weißer Film Eiskristalle legen. Lina öffnete ihre Lider langsam und blickte in blaue Augen. Blauer als der Himmel. Sie starrten sie fragend an, suchend.
„Du bist spät! Was hast du die ganze Zeit gemacht?“ Lina mochte es nicht, wenn Van sich Sorgen machte und ging in Angriffsstellung über, wie sie es immer tat, wenn sie verunsichert war. Und er verunsicherte sie seit dem ersten Tag, an dem sie sich begegnet waren. Als sie noch nicht gewusst hatte, was er war. Noch Bevor er sie aus Deutschland nach Japan entführt hatte und für sie gestorben war. Vor dem Sex in einem billigen Love-Hotel. Dem wilden, erfüllenden Sex.
„In weniger als einer Stunde ein Schiff organisiert, das uns von Japan wegbringt, ohne dass es jemand nachverfolgen kann“, erwiderte er ihre bissige Bemerkung ignorierend. Van wusste, dass Lina ein Recht hatte, wütend zu sein. Sie hatte Freunde sterben sehen und war an ein Wesen gebunden, das sie tief verabscheute: ihn. Eine Windböe ergriff seine Lederjacke und zerrte an seinen schulterlangen, gelockten Haaren. Die bronzene Haut lugte im Kontrast zu dem weißen Hemd spielerisch hervor.
Leicht angeschrägte Augen blickten auf Lina herab. Sie streckte die Hand aus, wollte die schönen Wangenknochen mit den Fingern nachfahren. Lina erinnerte sich an das samtweiche Gefühl seiner Haut unter ihren Fingerkuppen. Doch sie ließ ihre Hand unverrichteter Dinge fallen. Sie hatte das Recht, ihn auf diese Weise zu berühren, verwirkt. Van wusste, dass sie ihn fürchtete und das war gut so. Denn er hatte die Macht ihre ganze Welt, die sich nur noch auf wenigen, wackeligen Pfeilern aufrechthielt, für immer ins Verderben zu stürzen.
Verderben ... und Tod. Linas Augen füllten sich mit Tränen und Vans mit Schmerz. Sie hatten Kameraden verloren, sie im Stich gelassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Er hatte Akiko zurückgelassen, für Lina. Eine Frau, die ihn und seinesgleichen fürchtete. Zu Recht. Sein Herz krampfte sich zusammen. Ihre schönen grünen Augen schwammen in einem Meer der Traurigkeit. Er würde sie so gerne glücklich machen. Ihr die Welt zu Füßen legen. Und doch war er sich nicht einmal sicher, ob er sie vor ihrem Schicksal retten konnte.
Van streckte Lina eine Hand hin und half ihr beim Aufstehen. Er nahm beide Reisetaschen und überließ Lina den Rucksack.
„Ich hoffe, du hast ein Schiff mit bequemen Betten gefunden. Ich weiß nicht, ob ich seetauglich bin.“ Van versteifte sich und wich ihren Blicken aus. Das hieß nichts Gutes. Sie liefen den Pier entlang, an den großen Kreuzfahrtschiffen vorbei in einen Dschungel aus Containern. In allen Farben waren sie aufeinandergestapelt. Kräne streckten ihre langen Hälse wie überdimensionale Giraffen in den Himmel, bewegten sich nur langsam und vorsichtig, fast königlich.
„Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte Lina scharf, als sie einen Kran beobachtete, der einen Container vom Pier auf ein Schiff verfrachtete. Hoch oben in der Luft wirkte der Container klein, wie ein Spielzeug.
„Ja“, antwortete Van und beließ es dabei. Sie gingen tiefer in den Containerdschungel hinein. Schlängelten sich an roten, blauen, orangenen und grünen, an mehreren Stellen angerosteten Stahlquadern vorbei. Lina schwante Böses.
Van spürte ihre Blicke im Nacken, als er vorging und einen älteren Mann mit Bart ansprach. Lina kannte das Spielchen mittlerweile. Van ließ gerade mehr als seinen Charme spielen. Sie hoffte nur, dass er in dem Geist des Mannes keine irreparablen Schäden anrichtete.
Als sie in Richtung Anlegedock weitergingen, betete Lina inständig, dass ihre Befürchtungen umsonst waren und sie eines der Passagierschiffe vom Dienstboteneingang oder ähnliches aus betreten würden. Ein Wunschtraum, den sie besseren Wissens nicht aufgeben wollte.
Dann standen sie vor einem Schiff, das mit hunderten von riesigen, bunten Containern beladen war. Es war weiß. Die Backbordseite war in blauer Schrift mit den Buchstaben C-E-S-C-O versehen. Lina blieb wie angewurzelt stehen.
„Das ist nicht dein Ernst, oder?“, entgeistert starrte sie von Van, der sich verlegen durch die Haare fuhr, zum Schiff und den Containern.
„Es ist der einfachste Weg Yokohama zu verlassen und sicherzugehen, dass uns niemand wiedererkennen kann. Auf den Kreuzfahrtdampfern sind viele, die diese Touren öfters machen. Das Personal zum Beispiel. Die könnten sich unsere Gesichter merken.“ Zwei Ausländer. Ein atemberaubend schöner Mann und eine ausländische Frau. Sie blieben im Gedächtnis. Wenn der Orden den richtigen Leuten die richtigen Fragen stellen würde ... Er hatte sie durch weniger ausfindig gemacht.
Linas Wangen glühten vor Scham, als sie daran dachte, wie er sie gefunden hatte. Sie war dumm gewesen. Fazebuch und Skyb waren keine guten Kommunikationskanäle, wenn man gesucht wurde. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht, das der Wind ihr in die Augen gepeitscht hatte und hoffte, dass ihre Wangen so gerötet vom kalten Wind waren, dass ihre Schamesröte nicht weiter auffiel und seufzte. Van hatte Recht. Komfort stand nicht oben auf ihrer Liste. ÜBERLEBEN war an erster Stelle in Großbuchstaben vermerkt. Danach kam Flucht vor den Armenen und dann Informationen über das Tor sammeln.
Van wusste, er hatte einen Kampf gewonnen, der nie richtig begonnen hatte. Er drehte Lina den Rücken zu und lief über eine schmale Brücke zum Schiff. Lina folgte ihm, seinen breiten Rücken nicht aus den Augen lassend. Elegant und ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten, bewegte er sich auf dem wackeligen Konstrukt aus Seilen und Holzbrettern. Wie immer hatte er seine Ärmel leger hochgekrempelt. Das Schwarz seiner Lederjacke ging über in das Weiß seines Hemdes und hob das Bronzene seiner Haut hervor.
Normalerweise hätte sich Lina an solch einem Anblick erfreut, doch sie musste all ihre Kräfte zusammennehmen, um einen Schritt nach dem anderen zu machen. Beide Hände krallten sich abwechselnd in die labilen Seile der schmalen Hängebrücke. Das Meer bewegte das Schiff und das Schiff die Brücke. Entsetzt starrte Lina in das blaue Nass. Es musste dort furchtbar kalt sein. Sie würde mit Sicherheit sofort an einem Kälteschock sterben.
„Sterben“, hallte es in ihrem Geist und Lina gefror in der Bewegung. Wovor hatte sie Angst? Vor dem Tod? Der Tod würde sie von dem Dasein erlösen und von der Schuld. Woher kam dieser Gedanke nur? Lina spürte wie die Flamme, Shiros Flamme, in ihr aufbegehrte und schrumpfte. Sie schüttelte das Gefühl ab und blickte geradeaus, machte einen Schritt nach dem anderen. Die Angst war verflogen.
Van blickte sorgenvoll zurück. Die Härte, die in Linas Augen trat, schmerzte ihn körperlich. Es war nicht fair. Linas einzige Sorge müssten ihre Haare sein, ihre Kleidung, die Frage, ob der Mann, den sie seit einiger Zeit traf, es ernst mit ihr meinte oder nicht. Dass sie weniger verdiente als ihre Kollegin und ob sie die Deadline vom nächsten Projekt einhalten könnte. Alles, doch nicht diese Härte. Er packte mit beiden Armen jeweils ein Seil, stieß sich mit voller Kraft ab und sprang hoch. Als seine Füße wieder die Brücke berührten, wackelte das ganze Konstrukt. Lina schrie erschrocken auf, krallte sich an den Seilen fest und ging in die Hocke.
Vans Lachen schallte durch die Luft und Lina fauchte ihn wütend an. Er ging ein Stück zurück, streckte ihr die Hand hin und seine weißen Zähne blitzten fast so schelmisch wie seine Augen.
„Baka- Blödmann!“, sagte Lina, ergriff jedoch im gleichen Atemzug seine Hand. Sie war dankbar für die Wärme, die in ihre kalte Hand kroch, sich ausbreitete und fast ihr Herz erreichte hatte, als sie auf dem Deck ankamen und er ihre Hand wieder losließ. Schmerzhaft zog er alle Wärme mit sich und Lina musste ihre Hand unter ihre Axel festklemmen, damit sie nicht von selbst nach seiner griff, um sie nie wieder loszulassen.
Sie zwang sich dazu, ihren Blick von Van loszueisen und ließ ihn über das Schiff wandern. Ein Wald von Containern türmte sich vor ihnen auf. Van führte Lina durch einen schmalen Gang vorbei unter Deck. Dort gab es mehrere Türen. Einige waren aus Holz, andere aus schwerem Metall. Van ging zielstrebig zu einer der Holztüren, öffnete sie und trat in eine Kajüte.
Der Raum war klein und dunkel, hatte ein Bullauge und zwei Kojen übereinander aus dünnen, helltürkiesfarbenes Gerüsten, die schon bessere Tage gesehen hatten. Die Farbe war an vielen Stellen abgeblättert, Rost hatte hier und da Löcher reingefressen. Die Matratzen sahen alt und zerfledert aus, die Luft war abgestanden. Eine einsame, nackte Glühbirne hing von der Decke und wackelte quietschend hin und her. Rechts, links, rechts, links. Lina folgte den Bewegungen mit den Augen, spürte wie der Rhythmus sie hypnotisierte, einlullte wie das regelmäßige Atmen eines schlafenden Tieres. Lina fühlte, wie sich sein Brustkorb unter ihren Füßen leicht hob und senkte. Das Meer schlief ruhig, doch versprach die Hölle bei seinem Erwachen.
Van ließ sich auf die untere Koje fallen und starrte auf das Gerüst über sich. Zwischen der Koje darüber und der Decke war gerade genug Platz, um hineinzukriechen. Aufrecht sitzen schien unmöglich. Lina riss sich von der Lampe los, die nur spärlich die Kajüte beleuchtete und fragte mit Horror in der Stimme: „Wie lange werden wir auf dem Schiff sein?“
„Vier oder fünf Tage. Je nach Wetterlage“, Van warf aus dem Augenwinkel einen Blick auf Lina und wünschte sich, ihm wäre ein anderer, sicherer und bequemerer Weg eingefallen, Japan zu verlassen.
„Wir sind sicher blinde Passagiere und dürfen uns nicht auf Deck begeben“, scherzte Lina und erstarrte, als Van nur antwortete: „Je weniger von unserer Anwesenheit wissen, desto besser. Ich habe genug Proviant eingepackt.“ Vier Tage in der Hölle mit ... ihr Blick fiel auf Vans Halskuhle und sein Schlüsselbein. Vier Tage auf engstem Raum mit einem Traum von einem Mann. Wäre sie nicht so verbohrt, könnten sie gemeinsam Spaß haben. Viel Spaß. Lina schüttelte den Kopf. Wo kam dieser Gedanke her? Sie sah zu Van und er blickte sie allzu unschuldig an. Das Spiel konnten zwei spielen.
Sie setzte sich auf seine Koje, an sich ein Kunststück, da Van über 90 Prozent des Platzes einnahm. Doch sie eroberte ein Stück von der Liege, blickte betont in eine andere Richtung, spielte mit ihrem Haar, fuhr sich langsam über den Hals, senkte den Kopf leicht nach vorne und sammelte ihr Haar auf einer Seite. Hals, Nacken und Ohr lagen blank da. Nackt.
Van entfuhr ein leises Knurren, er packte sie am Handgelenk, zog sie zu sich, so dass sie auf ihm lag. Neckende Augen, trafen auf Begehren. Lina hatte mit dem Feuer gespielt und durfte sich nicht wundern, wenn sie sich verbrannte. Er packte sie fester, überrascht hob sie den Kopf und stieß ihn an dem Gerüst des oberen Bettes. Van seufzte, sein Griff lockerte sich, er streichelte ihr übers Haar, zog sie zu sich herunter und bettete ihren Kopf auf seine Brust.
Und so hielt er sie im Arm. Lina konnte sein Herz schlagen hören, fast spüren. Sie war so verwirrt, dass sie nicht bemerkte, wie das Schiff ablegte. Natürlich hätte sie aufstehen können. Aber was tun? Sich in eine Ecke setzen und ihn giftig anstarren? Dafür fühlte es sich zu gut an. In seinen Armen fühlte sie sich sicher und bevor sie sich versah, driftete sie ab in die Welt der Träume.
Wieder seufzte Van tief, schloss die Augen und versuchte, einzuschlafen. Bittersüß presste sich ihre Brust bei jedem Atemzug an seine. Ihr braunes Haar, das sich über sein weißes Hemd ergoss, duftete nach Frühling.
Sanft strich er ihr über den Kopf und schwor sich erneut, einen Weg zu finden, Lina das zu geben, was sie brauchte: ein normales Leben. Ohne Weissagungen, ohne Tor, ohne Orden und ohne Skinwalker. Bei dem letzten Gedanken zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Sie war erst so kurze in seinem Leben, doch er konnte sich eine Zeit ohne sie nicht mehr vorstellen. Sie hatte ihn gelehrt, seine verfluchte Existenz als Leben zu betrachten und es wertzuschätzen. Er wollte nicht mehr sterben. Nicht solange er bei ihr sein konnte. Was danach kam, darüber würde er sich Gedanken machen, wenn es soweit war.
Bittersüße Tage standen ihm bevor. Mindestens vier auf engstem Raum mit Lina. Keine Fluchtmöglichkeit. Würde er noch einmal von ihr kosten dürfen, oder würde sie ihn einfach mit ihrem Duft, ihrem Herzklopfen und ihren Lippen in eine süße Hölle stürzen? Er schloss die Augen und ließ sich von dem Schaukeln des Schiffes und der Wärme von Linas Körper in den Schlaf lullen.
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Am nächsten Morgen erwachte Lina mit schmerzendem Rücken. Van war einfach keine gute Matratze. Durch das kleine Bullauge fiel etwas Licht in die Koje, heller, als das dumpfe Orange der Glühbirne. Lina stand vorsichtig auf, versuchte, Van nicht zu wecken, und lief zum runden Fenster. Ihr Blick schweifte verwundert über die Wasserwelt, die so gar nicht so sein wollte, wie Lina sie sich vorgestellt hatte. Dort war nur Wasser. Sonnenlicht drang durch die Wasseroberfläche, brach an ihr. Hellblau wurde zu Dunkelblau und schließlich Schwarz.
Lina blickte hoch. Die einsame nackte Glühbirne schaukelte hin und her, heftiger und ruckartiger als gestern. Sie schaukelte. Hin und her. Lina wurde schlecht, ihre Beine wurden weich. Mit einem Plumps landete sie grün im Gesicht auf dem Boden. Panisch schaute sie sich um, erspähte einen Eimer und eilte zu ihm, wie eine Ertrinkende zu einem Stück Treibholz. Der Rest ging ganz von alleine.
Sie hing eine ganze Weile über dem Eimer, als eine Hand warm über ihren Rücken fuhr. Mit letzter Kraft rief Lina verärgert: „Raus!“
„Aber ich kann dich doch nicht alleine lassen.“ Vans Hand hielt inne, entfernte sich zögerlich von Linas Rücken. Ein saurer Geruch stieg ihm in die Nase. Der gleiche Geruch, der ihn geweckt hatte.
„Raus hab ich ...“, der restliche Satz wurde von Würgegeräuschen verschluckt.
„Niemand weiß, dass wir hier sind. Wir sollten nur im Notfall die Kajüte verlassen“, versuchte Van es erneut, entfernte sich jedoch ein paar Schritte. Linas Blick sagte ihm, dass es für ihn ein Notfall war. Unentschlossen ging er wieder ein paar Schritte zurück und murmelte: „Es ist besser, wenn die Mannschaft uns nicht sieht.“
„Dann verwandele dich in einen Panther und friss sie!“, fauchte Lina bösartig, blickte ihn mit funkelnden Augen an, als ihre Gesichtsfarbe von blau zu grün wechselte und sie wieder über dem Eimer hing. Van schlich sich durch die Tür, entkleidete sich, versteckte seine Sachen in einem Seilknäul, das nicht weit von der Tür entfernt lag. Nackt stand er im dunklen Korridor. Es wäre bequemer und sicherer gewesen seine Kleidung im Zimmer zu lassen.
Er seufzte. Aber er konnte sich nicht einfach nackt vor Lina ausziehen und er mochte es nicht, sich vor ihr zu verwandeln. Ohne Schmerzen schrumpfte sein Körper, schwarzes Fell schoss aus allen Poren. In einem Augenblick war alles vorbei und seine Stimmbänder konnten nur noch ein Miauen von sich geben. Dann trottete er Richtung Deck, hüpfte die Treppen hinauf und hielt seine Nase in den Wind. Es roch nach Meer, Fisch, Metall und Rost. Gemütlich schlenderte er über das Deck, zwischen den Containern hindurch, hoppte von einem zum anderen. Wie im bunten Herbstlaub eines Waldes ragten die riesigen Stahlbäume in die Luft.
Gedankenverloren spazierte Van über die Stahlplatten, zusammengeschweißt zu einem Boden, und wäre beinahe in einen Matrosen gerannt. Gerade rechtzeitig zog er seine Schnauze und Vorderpfoten ein. Gedankenwellen waren in jeder Sprache ähnlich, doch Van bevorzugte es, Gehirne zu beeinflussen, deren Sprache er beherrschte. So war die Gefahr, dass er den Geist beschädigte, geringer. Daher versuchte er so viele Sprachen in seinen Kopf zu pressen wie möglich. Er lernte schnell, wenn es doch anstrengend war. Japanisch war im Vergleich zu Deutsch einfach gewesen. Jedenfalls die Grammatik und die Aussprache.
Doch man hatte ihm gesagt, dass an Bord dieses Frachters nur Chinesen waren und vor dieser Sprache hatte er sich bisher gescheut. Ein paar konnten wohl ein wenig Japanisch, manche ein paar Brocken Englisch. Doch Van wollte kein Risiko eingehen, zog sich in den Schatten der Stahlriesen zurück und suchte sich ein verstecktes Plätzchen, von dem aus er das Meer beobachten konnte. Er hatte seinen Feind gerne im Blick und sein Instinkt sagte ihm, dass er auf keinen Fall im Wasser landen wollte.
Van war froh, dass er in dieser Form er selbst sein konnte. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte jede Verwandlung Schmerz, Blut und Tod bedeutet. Nicht allzu lang her, ein paar Wochen, nicht mehr, erschien es ihm doch wie eine Ewigkeit. Keine Schmerzen, solang er an sie dabei dachte. Sich für sie verwandelte, nicht aus Wut, Erregung oder Hass. Er hatte die Kontrolle. Nicht das Biest. Er leckte seine Pfote ab und strich sich über Ohr und Gesicht. Er wusste, er würde es bereuen, wenn der Fellknäul sich wieder auf natürlichem Wege seine Bahn nach draußen kämpfen würde, aber es waren Instinkte, die er nicht unterdrücken konnte. Außerdem fühlte es sich im Hier und Jetzt gut an.
In seinem Herzen wusste er, was er noch nicht zugeben konnte. Das Biest war er und er das Biest. Doch wenn Van das als seine Wahrheit akzeptieren würde, würde all das Blut das an dem Biest klebte, zu seinem werden, und er war noch nicht stark genug, diese Sünden auf sich zu nehmen.
Als er mit dem Putzen fertig war, hüpfte er auf einen der Container und blickte in den Himmel. Die Sonne leuchte ihm grell ins Gesicht und er blinzelte. Ihre Strahlen schienen auf sein Fell, wärmte ihn gegen den kalten Wind des Meeres. Er wandte den Blick wieder zum Meer. Weit und breit nur Wasser, das die Sonnenstrahlen reflektierte. Hoffentlich blieb das Wetter so. Wenn Lina bei solch leichtem Wellengang so sensibel reagiert, wollte er nicht wissen, wie es ihr bei einem Sturm gehen würde.
An seine letzte Fahrt erinnerte er sich nur ungerne. Der Frachter, kleiner und weniger beladen, hatte ihn an das gleiche Ziel gebracht. Die See war stürmisch gewesen und er hatte sich mehr als nur einmal in eine reißende Wildkatze verwandelt. Seine Kajüte, mit einer Stahltür versehen, war abgeschlossen gewesen. Nach Tagen wieder bei sich, hatte er die Tür zerkratzt und ausgedellt, aber immer noch verschlossen vorgefunden. Kein Leben war dem Biest zum Opfer gefallen. Nicht zu dieser Zeit.
Hoch lebe das Wirtschaftsdenken der Logistiker, denn schon damals waren die Kajüten nie voll und die Mannschaft auf ein Minimum reduziert. Zum Glück hatte man Toiletten und Duschen bei der Erbauung des Schiffes eingeplant, bei den neuen Generationen würden sie sicher wegrationalisiert werden. Was nützte es mehr als einmal die Woche zu duschen? Und Kloaken endeten sowieso im Meer. Wieso also den umständlichen Weg über die Toilette?
Nach ein paar Stunden in Sonne und Wind knurrte Vans Magen und er machte sich auf den Weg zurück zur Kajüte. Er überlegte kurz, ob er sich wieder in einen Menschen verwandeln sollte, und entschied sich dagegen. Van streckte sich, wuchs ein wenig, bis er die Klinke zu fassen bekam und öffnete mit seinen Pfoten die Tür. Lina lag mit geschlossenen Augen auf dem Bett, den Eimer neben sich. Er war leer. Sie hatte wohl die Toilette gefunden. Seine empfindliche Nase war ihr dankbar. Leise ging er zu der Tasche mit Proviant und versuchte, den Reisverschluss mit den Pfoten zu öffnen, was sie nicht nur als schwierig, sondern als unmöglich erwies.
Er gab diese Idee auf und probierte es mit den Zähnen. Es dauerte eine Weile, bis es ihm gelang, einen Zahn in die Öse einzufädeln. Dann biss er vorsichtig zu und zog daran. Der Reisverschluss bewegte sich ein Stück, dann sprang die Öse von seinem Zahn. Er knurrte verärgert und machte sich wieder daran die Öse aufzufädeln. Sein Kiefer war die viele Bewegung nicht gewöhnt und schrie nach wenigen Minuten vor Schmerz auf.
Van hatte gerade wieder den Zahn in die Öffnung bekommen, als ein leises, ersticktes Lachen ihn ablenkte und er sie wieder verlor. Verstört blickte er vom Reisverschluss zu Lina, die sich die Hand vor dem Mund hielt und Tränen lachte. Verärgert lief er in die andere Ecke des Zimmers und rollte sich beleidigt zusammen. Lina stand mit wackeligen Beinen auf, ging zur Tasche und öffnete den Reisverschluss. Entgegen sprangen ihr verschiedene kombini Plastiktüten mit onigiri - Reisbällchen, bento-Boxen, getrocknetem Tintenfisch, Chips, Wasser, Alkopops, Bier, Tee. Die ganze Tasche war voll mit allem, was das Herz begehrte.
Lina packte sich den getrockneten Tunfisch, ein paar onigiri, Wasser und ein Bier. Dann wackelte sie wieder zu der Koje zurück, setzte sich in die Hocke und klopfte neben sich auf das Bett: „Oide – komm her!“ Van war immer noch beleidigt, doch sein Magen trieb ihn zu Lina und dem Essen.
„Willst du etwas vom Tunfisch?“, fragte Lina. Ihre Stimme klang immer noch schwach und Van konnte ihr nicht mehr böse sein. Er nickte und wartete, bis Lina die Tüte mit leicht zitternden Händen aufgerissen hatte. Dann hielt sie ihm ein paar Streifen hin. Van legte sich auf den Bauch, streckte seine Vorderpfoten aus und ließ sich bedienen. Jeder in seiner kleinen Gedankenwelt gefangen, wurde ein zufriedener Van gefüttert, während eine schmunzelnde Lina sich aus der Hand fressen ließ. Sie selbst trank viel Wasser und es gelang ihr, eines der dreieckigen Reisbällchen bei sich zu behalten.
Dann öffnete sie die Dose Bier und hielt sie leicht schräg, so dass Van daraus trinken konnte. Seine Zunge schleckte den Schaum ab und benetzte den Gaumen mit ein wenig Alkohol. Lina beäugte ihn neidisch, traute sich jedoch noch nicht an die Alkopops.
„Geht es dir besser?“, erklang Vans Stimme in Linas Geist. Lina nickte schwach. Sie hing ja schließlich nicht mehr mit dem Kopf über dem Eimer. Sie war enttäuscht. Lina hatte immer geglaubt, dass, wenn sie seekrank werden würde, sie über einer Reling hängen und ihr Innerstes über dem Meer verteilen würden. Und nicht über einem alten Wascheimer in einer muffigen, dunklen Kajüte. Bei den Bildern, die Linas Geist Van zeigten, schüttelte er nur verständnislos den Kopf. Wo war bitte der Unterschied? Ob man nun über dem Eimer hing oder über der Reling. Schlecht ging es einem dabei in gleichem Maße.
Bilder von Meereswind, der einem die Haare ums Gesicht peitschte, erfüllten Linas Geist. Wasser wohin das Auge reichte. Die Sonne schien von einem blauen Himmel herunter. Das Gefühl der Kopf würde sich drehen und man wusste nicht mehr, ob sich der Himmel im Meer spiegelt, oder das Meer im Himmel. Wären ihre Beine nicht so wackelig gewesen, wäre sie nach oben geeilt, um sich mit eigenen Augen an dem Schauspiel zu ergötzen. Sie schüttelte den Gedanken ab und fragte stattdessen: „Wo fahren wir eigentlich hin?“
„Shanghai“, antwortete Van, während er an einem großen Stück Tintenfisch kaute.
„Shanghai?“, fragte Lina überrascht und kraulte sich den verstimmten Magen, in der Hoffnung, sie würde den onigiri nicht sobald wiedersehen.
„Shanghai!“ Van öffnete und schloss den Kiefer, als hätte er einen zähen Kaugummi im Maul. Bei dem Gedanken an eine Kaugummi kauende Katze musste Lina ein Lachen unterdrücken.
„Und was wollen wir da?“, fragte sie, als Vans blaue Augen sie irritiert fixierten.
„Von dort aus fliegen wir Nach Indien.“ Blaue Augen trafen auf fragende grüne.
„Indien?“ Indien stand nicht auf Linas „Must have seen“ Liste von Ländern.
„Indien!“, erklang es in Linas Kopf, während die Katze vor ihr weiterkaute.
„Und was wollen wir da?“ Lina kannte sich mit der indischen Mythologie nicht aus. In einem Land in dem der Buddhismus geboren worden war, musste es vieles geben, dem Lina nicht begegnen wollte. Sie hatte genug von übernatürlichen Wesen und Göttern. Vielleicht würde plötzlich eine Kuh mit ihr sprechen. Kühe waren dort schließlich heilig. Bei dem Gedanken wurde jedoch Linas Neugier geweckt. Ihr Blick bohrte sich in die Katze vor ihr, die telepathisch mit ihr kommunizierte und sie stellte sich eine Kuh vor, die sie mit riesigen Augen anblickte und mit ihr sprach. Während sie kaute. Kühe taten schließlich den ganzen Tag nichts als Kauen.
„Von dort aus fliegen wir nach Katmandu.“ Van war verärgert von dem Vergleich mit einer Kuh und hörte auf zu kauen, schluckte die zähe Masse auf einmal herunter und wäre beinahe daran erstickt. Versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen.
„Katmandu?“ Nepal? Was zum Kuckuck wollten sie in Nepal?
„Katmandu!“, bestätigte Van, während er hart daran arbeitete, seine Bemühung, nicht zu ersticken, zu vertuschen. Er konnte nicht seinen ganzen Stolz ihrem Altar opfern.
„Was wollen wir in Katmandu?“ Lina durchforstete ihr Hirn nach Informationen über Nepal und seine Hauptstadt. Sie fand nur sehr wenig. Der Himalaya natürlich. Es grenzte an Indien. Gehörte zu den Ländern, die man abfällig als „dritte Welt“ bezeichnete. Indien sollte starken Einfluss auf Nepal ausüben. Ein Land, von dem man nur selten in den Nachrichten hörte. Jedenfalls im Westen.
„Wir fliegen nach Lukla.“ Wie es sich nach dem Essen gehörte, begann Van, sich zu putzen, hielt jedoch inne, als ein leises Kichern an seine empfindlichen Ohren drang. Verärgert, verdrängte er das Bedürfnis, sich überall zu lecken.
„Lukla?“, fragt Lina mit schlechtem Gewissen. Sie hatte Van nicht auslachen wollen. Aber es war so süß, wie sich seine blauen Augen zuerst auf seine Pfote konzentrierten, seine Zunge herausschoss, langsam über die Rückseite seiner Pfote leckte, er die Äugelein schloss, den Kopf schief hielt und mit der nassen Pfote über sein Ohr fuhr. Es plattdrückte, nur um die Augen wieder aufzureißen, seine Zunge dabei zu beobachten, wie sie das Fell erneut benässte, um von vorne zu beginnen. Sie musste an den gestiefelten Kater denken und ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Das Atmen fiel ihr schwer. Braunes Fell durchtränkt von Blut und ihre eigene Stimme die MUKI schrie.
„Lukla!“ Van spürte Linas Schmerz und ihre Trauer, war kurz davor, sich wieder zu putzen, nur um sie abzulenken.
„Was machen wir in Lukla?“ Ungefragt sendete Van Lina Bilder von schneebedeckten Kuppeln, Hängebrücken über tiefen Tälern, zottigen Tieren mit abgeschnittenen Hörnern. Kleinen Fähnchen, die in den verschiedensten Farben aneinandergereiht im Wind wehten.
„Wir suchen jemanden, der uns helfen kann.“ Van blickte verlegen zur Seite.
„Im Himalaya?“ Eine romantische Vorstellung ergriff von Lina Besitz. Umgeben von Natur, Wäldern, Klippen, rauschenden Flüssen, entfernt von der Zivilisation. Eine kleine Hütte aus Stein und Holz mit eigenen Händen erbaut. Schnee auf den Gipfeln, der sich bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang golden färbte.
„Im Himalaya!“ Auch Van wurde in dem Traum gesogen. Alleine in der Wildnis mit Lina. Doch er wusste, dass es nur ein Traum war. Denn der Berg wimmelte von dem schlimmsten Übel, das ein Land befallen konnte: Touristen.
„Den Yeti?“, scherzte Lina und gefror, als Van unruhig seine Krallen in die Matratze versenkte und ihrem Blick auswich.
„Den Yeti!“, hallte es verlegen in ihrem Geist.
„Du kennst den Yeti?“ Linas Augen wurden groß. Sie war hin- und hergerissen zwischen Neugier und ihrer Abneigung gegen alles Übernatürliche. Doch der Yeti war ein anderes Kaliber. So fern und fremd, musste er eine längst vergessene Lebensform sein, wie Nessie, oder Drachen. Einst die Welt beherrschend, waren sie wie die Dinosaurier fast ausgestorben. Und Lina war sich sicher, das Nessie ein überlebender Dino war, wie auch Drachen, die letzten, überlebenden Dinosaurier, die von Rittern und holden Maiden ausgerottet worden waren. Und Van kannte eines der überlebenden Wunder. Linas Wangen gewannen wieder etwas an Farbe. Sie würde den Yeti treffen.
„Wir sind uns mal begegnet“, Van spürte Linas Aufregung, ihre unausgesprochenen Fragen und wurde noch verlegener.
„Du bist dem Yeti begegnet?“ Lina wollte mehr wissen, doch Van hatte die Augen geschlossen und stellte sich schlafend. Die Begegnung mit dem Yeti war keine schöne Erinnerung und Teil seines Lebens, von dem er nicht wollte, dass Lina einen Einblick bekam. Der Yeti war der einzige, der ihm eingefallen war, der mehr wissen könnte über das Tor und Linas Verbindung zu ihm. Er würde sich der Erinnerung stellen. Später.
Jetzt mussten sie unerkannt nach Shanghai gelangen und dort einen Flieger nach New Delhi finden. Er hoffe, dass es schnell gehen würde. China war kein Land, wo er sich gerne länger als nötig aufhielt. Vor allem nicht mit Lina. In dem Land schliefen Kräfte, die besser nicht geweckt werden sollten und Lina zog solche Wesen an wie das Feuer die Motten. Doch es wäre nicht die Motte, die in diesem Fall verbrennen würde.
Nach einem Alkopop auf unruhigen und fast leeren Magen schlief Lina auf der harten Koje erschöpft ein. Die Speiseröhre wund, würde sie am Morgen Muskelkater an Stellen erwarten, die man nicht trainieren konnte. Van betrachtete ihr Gesicht im schwachen Schein der Lampe. Selbst das rötlichorange Licht konnte die Blässe nicht vollkommen vertreiben. Doch immerhin hatte ihre Haut nicht mehr diesen leichten Grünstich.
Wie sehr er sich auch wünschte, sie als Mann in den Arm zu nehmen und vor der ganzen Welt zu beschützen, konnte er doch nur als Katze über sie wachen. Es war ihre Entscheidung. Und wenn sie sich so wohler fühlte, würde er eine Katze bleiben.
Klare Augen, blauer als das Meer beobachteten Lina, als wollten sie sichergehen, dass ihre Brust sich regelmäßig hob und senkte. Die Gewissheit überkam ihn. Ungefragt und ungebeten, drängte sie sich ihm auf. Egal was sie für ihn empfand, Van liebte Lina. Er liebte ihre Kraft, ihre Eigenständigkeit, ihren Leichtsinn, ihren Humor und ihr Durchhaltevermögen. Er liebte, wie sie sich in einem Moment noch übergab und im nächsten betrank. Mit ihr wurden vier Tage eingesperrt in einem Raum zu einer Party. Sie war so natürlich und voller Leben. Lina verkörperte für ihn Leben, wie es sein sollte.
Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, vielleicht in einem anderen Leben, hätten sie zusammen glücklich werden können. Sind es vielleicht gewesen. Tief drinnen, in einem Teil von ihm, den er nicht zu ergründen wagte, wusste er, dass es nicht das erste Mal war, dass sich ihre Seelen begegneten. Er brauchte sie, um ganz zu sein.
Van wollte sie glücklich machen. Doch da das in diesem Leben nicht in seiner Macht lag, würde er alles daran setzen, sie glücklich zu sehen. Eine uralte Stimme in ihm rief nach ihr und warnte ihn gleichzeitig. Sie würde sein Verderben sein. Sie würde ihm einen Wunsch erfüllen, den er nicht mehr hegte. Aber es war okay. Durch ihre Hand zu sterben, war ein schöner Tod.
Er hörte die Wellen rauschen, spürte ihr Schaukeln und ein Gedanke, gut verdrängt, bemächtigte sich seines Geistes: Akiko.
Sein Herz krampfte sich zusammen. Sie hatte alles für ihn getan. Hatte ihn gefunden und aus den Klauen des Wahnsinns befreit. Sie hatte ihn öfter gepflegt, als er zählen konnte. Und doch hatte er sie im Stich gelassen. War geflohen und hatte sie ihrem Schicksal überlassen. Wenn er Lina nicht im Blick hatte, schrie jede Faser seines Seins danach, Akiko zu suchen und in Sicherheit zu bringen. Van konzentrierte sich auf Lina. Sie sah so zerbrechlich im Schlaf aus. Dass auf ihren Schultern eine Last ruhte, die das Schicksal der Menschheit bestimmen würde, war kaum zu glauben.
Van wusste, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, Lina in Sicherheit zu bringen. Dass ihn Akiko darum gebeten hatte und er würde es niemals bereuen. Doch sein Herz blutete für Akiko. So mächtig sie auch war, war sie doch nicht weniger zerbrechlich als Lina. Beides Frauen, deren Handeln das Schicksal der Menschheit lenken würde. Doch ihm waren die Menschen egal. Nur zwei von den 7,2 Milliarden waren ihm wichtig. Und einen davon hatte er im Stich gelassen.