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Eine Regel, viele Gewohnheiten: Einleitung

Vom frühen 9. Jahrhundert bis zur Geburtsstunde der Bettelorden im 13. Jahrhundert war die Geschichte der abendländischen Klöster fast ausschließlich eine Geschichte benediktinischen Mönchtums. Dabei war Benedikt von Nursia im 6. Jahrhundert keineswegs der Erste, der eine Mönchsgemeinschaft gegründet und eine Lebensregel dazu verfasst hatte. Doch durch die große Verehrung, die ihm sein Biograph Papst Gregor I. († 604) entgegenbrachte, wurde seiner Klosterregel immer größere Aufmerksamkeit zuteil. Nachdem die meisten Klöster des Frankenreichs im 7. und 8. Jahrhundert ein Leben nach der Mischregel führten, die Elemente der Benediktregel und der Regel des heiligen Columban enthielt, war es Abt Benedikt von Aniane, ein enger Vertrauter Kaiser Ludwigs des Frommen, der 816 eine grundlegende Klosterreform initiierte: Fortan, so wurde auf einem Konzil in Aachen beschlossen, sollten alle Klöster im Frankenreich einzig nach der Regel des heiligen Benedikt leben. Die Mönchsgelübde abzulegen, hieß für die folgenden Jahrhunderte also, ein Benediktiner zu sein. Selbst die Zisterzienser, die im 12. Jahrhundert einen eigenständigen Orden formten, lebten nach der Benediktregel und nahmen für sich in Anspruch, diese noch strenger zu befolgen als alle anderen Mönche des Abendlandes.

In diesen Jahrhunderten des Früh- und Hochmittelalters haben die Benediktiner tiefe Spuren hinterlassen. Viele Werke der Geschichtswissenschaft schildern die wichtige Bedeutung, die die Mönche und Nonnen innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft besaßen. Als mit dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches und den Jahrhunderten der Völkerwanderung das Abendland im Chaos versank, waren sie es, die mit Kreuz, Buch und Pflug das Christentum verbreiteten, das Wissen der Antike bewahrten und durch dichte Wälder und Sümpfe unbewohnbare Landschaften urbar machten. Inmitten einer Welt, die oft genug von Krieg und Not geprägt war, waren ihre Klöster Orte der Ruhe, des Gebetes und der inneren Einkehr. Sie bewahrten nicht nur tradiertes Wissen vor dem Untergang, sondern schufen gleichzeitig eigene Werke der Theologie und Philosophie, schrieben auf, was sie vom Garten- und Ackerbau, vom Weinanbau, der Braukunst, von der Jagd und der Viehzucht wussten. Doch unterhielten die Klöster auch ausgedehnte Besitzungen und herrschten über Land und Leute.

Gleichzeitig waren sie lange Zeit die einzigen Garanten für Bildung und Unterricht. Ihr unablässiges Gebet um Schutz und Sicherheit und für das Wohlergehen des gesamten Reiches und seiner Bewohner, ihr Wirken in Seelsorge und Armenfürsorge verhalf den Mönchen zu höchstem Ansehen. Historiker verdanken ihrem Bestreben, das Geschehen der eigenen Gegenwart theologisch zu deuten und in Chroniken und Jahrbüchern (Annalen) festzuhalten, umfangreiche und wertvolle Erkenntnisse über die Vergangenheit.

Aus den Jahrhunderten monastischer Hochkultur sind viele Zeugnisse überliefert, die auch heute noch Erstaunen hervorrufen. Neben romanischen Klosterkirchen und Kreuzgängen haben prächtig illuminierte Handschriften die Zeiten bis in die Gegenwart überdauert. Nur schwer kann sich der Betrachter vorstellen, wie viele Mühen es den mittelalterlichen Mönch gekostet haben mag, mit dem sich sträubenden Gänsekiel geduldig die Texte ganzer Bibeln, Chroniken und theologischer Traktate auf Pergament zu malen oder mit feinstem Blattgold und leuchtenden Farben kostbare Buchmalereien zu schaffen.

Viele bedeutende Benediktinerklöster des Mittelalters wie St. Gallen, Cluny oder das Kloster Reichenau sind in ihrer Geschichte und ihren kulturellen Leistungen hervorragend aufgearbeitet. Fragen nach dem Alltagsleben der Mönche treten dahinter jedoch meist zurück.

Grund genug, einmal hinter die dicken Mauern der Klöster zu schauen und das tägliche Leben dort mit dem neugierigen Blick des Außenstehenden unter die Lupe zu nehmen. Was bedeutete es, die Gelübde abzulegen und ein Leben in Gemeinschaft in der Nachfolge Christi zu führen? Welche Strukturen fand der Mönch im Kloster vor, wie gestaltete sich sein Tagesablauf und der Umgang mit den Brüdern?

Dass sich die Darstellung im Folgenden auf das Leben in den Benediktinerklöstern des Früh- und Hochmittelalters vom 9. bis zum 12. Jahrhundert beschränkt, soll nicht über die Fülle dessen hinwegtäuschen, was es aus dieser Zeit zu erzählen gibt. Denn obgleich alles monastische Leben im Reich vom 9. bis ins frühe 13. Jahrhundert fast ausschließlich von der Benediktregel bestimmt wurde, fanden die Mönche zu keiner Einheit in der Lebensweise.

Reformversuche, die sich gegen den zu großen Reichtum und weltlichen Lebensstil in vielen Klöster wandten, brachten neue benediktinische Zweige (Observanzen) hervor, die sich in ihrer Ausrichtung häufig radikal von den ‚alten‘ Klöstern unterschieden. Das sie verbindende Element war zwar die Benediktregel, die mehr oder wenige grobe Richtlinien zum Tagesablauf, zur Ernährung und zur Kleidung der Brüder vorgab. Was aber die Mönche von Cluny von denen eines gorzisch-lothringischen Klosters oder den Zisterziensern trennte, waren ihre Consuetudines. In diesen ‚Gewohnheiten‘ war in Auslegung der Benediktregel alles, was das Alltagsleben im Kloster betraf, oft bis ins kleinste Detail geregelt. Genau in dieser Interpretation der Regel fanden die Mönche und Nonnen nicht zusammen, sondern liefern dem Betrachter ein recht buntes Bild benediktinischen Mönchtums. Hinzu kam, dass jedes Kloster, abhängig von den lokalen Gegebenheiten, seinen Grundbesitz anders organisierte und darin ein Unikat mit ganz eigenen Strukturen war.

Zu Wort kommen sollen neben den Consuetudines, die ganz einzigartige Einblicke in das alltägliche Klosterleben erlauben, insbesondere auch Briefe und chronikalische Aufzeichnungen. In einigen Abteien wie Cluny, St. Gallen oder Tegernsee plaudern die Brüder ganz ungeniert aus dem Nähkästchen, während sich die Mönche und Nonnen andernorts eher in verschämtes Schweigen hüllen.

Das soll nicht stören. Das vorliegende Buch will gar nicht den Anspruch erheben, alle Aspekte des früh- und hochmittelalterlichen Klosterlebens erschöpfend darzustellen und für alle offenen Fragen eine verbindliche Antwort zu finden. Es soll ein Klosterlesebuch sein, das Einblick in eine versunkene Lebenswelt gibt. In bunten Streiflichtern will es nicht vermitteln, wie das Leben der Mönche war, sondern wie es sein konnte: fromm und weniger fromm, lustig und traurig, dramatisch und zuweilen allzu menschlich.

Hinter Klostermauern

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