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Von (A)bt bis (Z)irkator: Wer macht was im Kloster?

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Eine vielköpfige Gemeinschaft, die sich ganz dem ungestörten Dienst an Gott und dem eigenen Seelenheil verschrieben hat, bedarf einer klaren und straffen Organisation. Für Benedikt von Nursia ergab sich die Rangordnung im Kloster nicht durch das Lebensalter der Mönche, sondern vor allem durch den Zeitpunkt ihres Klostereintritts:

Wer zum Beispiel zur zweiten Stunde des Tages ins Kloster kam, muss wissen, dass er jünger ist als jener, der zur ersten Stunde des Tages gekommen ist, welches Alter oder welche Stellung er auch haben mag.1

Dennoch hatte auch Benedikt bereits eine Reihe von Ämtern benannt, die bald zu einer Hierarchie innerhalb der Gemeinschaft führten. An ihrer Spitze stand, ausgestattet mit einer überragenden Autorität, der Abt.

Der Abt als Hirte der Seelen

Der Abt des Klosters sollte, so bestimmte es die Benediktregel, einmütig von der ganzen Mönchsgemeinschaft gewählt werden. Dieses Wahlrecht durchzusetzen, erwies sich jedoch für viele Konvente des Früh- und Hochmittelalters als außerordentlich schwierig. Regelmäßig setzten die jeweiligen Klosterherren (Adlige, Bischöfe und Könige) Äbte nach ihren Vorstellungen und nach dem traditionellen Recht der Eigenkirchen ein, und unbeachtet blieben die Klagen der Mönche, die lautstark auf die Benediktregel und ihr darin festgeschriebenes Wahlrecht verwiesen. Etliche schwere Konflikte in den Abteien entstanden dadurch, dass vom Klosterherrn eingesetzte ortsfremde Äbte von den Mönchen vertrieben wurden oder sich gegen einen zweiten vom Konvent gewählten Klostervorsteher durchsetzen mussten. Obwohl dem Konvent des Klosters Tegernsee beispielsweise das Recht der freien Abtwahl 979 vom König selbst verbrieft worden war, sind die ersten freien Abtwahlen dort erst im 12. Jahrhundert belegt. Von König Friedrich Barbarossa hatten die Mönche 1155 aber noch die Vorgabe erhalten, aus ihren Reihen den zu wählen, „der uns angenehm und der Kirche nützlich ist“.2

Benedikt von Nursia hatte dem idealen Abt andere Qualitäten zugrunde gelegt. Ein liebender Vater sollte er sein und alle seine Mönche in gleicher Weise lieben. Stets sollte er den anderen in Demut und Befolgung der Regel vorangehen und ein Vorbild in Weisheit und Güte sein. Innerhalb des Klosters, so Benedikt, nimmt der Abt die Stelle Christi ein. Seine Aufgabe ist es, die Mönche in ihrem Streben nach geistiger Vollkommenheit liebevoll, bei Bedarf aber auch streng und sogar unter körperlicher Züchtigung anzuleiten. Der Abt ist für nichts Geringeres als das Seelenheil der ihm Untergebenen verantwortlich und muss sich dafür am Jüngsten Tag dem Urteil des Weltenrichters stellen.

Bei weitem nicht jeder Abt aber wurde den hohen Anforderungen gerecht, die die Benediktregel an ihn stellte. Die Quellen sind voll von Klagen über allzu strenge, aber auch unfähige Äbte. Von dem sonst hoch verehrten Abt Notker von St. Gallen ist überliefert, dass er dazu neigte, bei hereinbrechenden Schwierigkeiten die Nerven zu verlieren. Auch im Nonnenkloster auf dem Rupertsberg führte der eigenwillige Führungsstil der Äbtissin Hildegard von Bingen immer wieder zu schweren Spannungen. Als ungerecht empfanden viele Nonnen beispielsweise, wie offen Hildegard ihre Lieblingsschülerin und Vertraute Richardis bevorzugte. Sie verweigerte ihr sogar den Weggang nach Bassum, wo Richardis vom dortigen Nonnenkonvent kanonisch zur Äbtissin gewählt worden war. Unter schwersten Vorwürfen der berühmten Klostervorsteherin ging die junge Richardis trotzdem. Als Hildegard erfuhr, dass Richardis in Bassum schwer erkrankt und schließlich gestorben war, zeigte sie darüber in ihren Briefen weniger Trauer denn Genugtuung. Auch die Äbtissin Sophie von Gandersheim, eine Schwester Kaiser Ottos III., provozierte den Unmut ihres Konvents und einen reichsweiten Skandal, als sie jahrelang starrköpfig darauf beharrte, die Stiftskirche von Gandersheim dürfe nicht vom zuständigen Ortsbischof von Hildesheim, sondern nur vom Mainzer Erzbischof, in dessen Metropole Gandersheim lag, geweiht werden. In anderen Klöstern begegnen Äbte und Äbtissinnen weniger streitlustig, wenn auch nicht weniger menschlich. Abt Rupert von Tegernsee beispielsweise konnte wohl nicht vom Käse lassen, den er eigentlich nicht vertrug. Darüber hinaus aß er dann und wann wohl auch mehr, als ihm wirklich gut tat.

Obgleich Benedikt von Nursia dem Abt eine eigene Unterkunft gestattete, machten nicht alle Äbte von dieser Möglichkeit Gebrauch, viele schliefen mit ihren Mönchen im Dormitorium. Vor allem Benedikt von Aniane war es wichtig darauf hinzuweisen, dass ein Abt keine Sonderrechte für sich beanspruchen sollte:

Der Abt hat mit demselben Ausmaß von Seife, Trank, Schlaf und Kleidung zufrieden zu sein wie seine Mönche. Ebenso hat er mit ihnen die selben Arbeiten zu verrichten, wenn er nicht eben mit anderen nützlichen Dingen beschäftigt ist.3

Seit dem 12. Jahrhundert jedoch statteten sich die Äbte zunehmend mit Attributen aus, die ihre Sonderstellung zeigten. So durfte Abt Rupert von Tegernsee durch besonderes Privileg des Papstes als erster Klostervorsteher im Reich nördlich der Alpen Ring und Mitra tragen.

Dekan oder Prior?

Ganz allein war der Abt bei den ihm übertragenen Aufgaben freilich nicht. Schon die Benediktregel gesteht ihm zu, einige Ämter mit klugen und in ihrer Lebensführung vorbildlichen Brüdern zu besetzen, die später Klosteroffiziale genannt wurden. In allen wichtigen Entscheidungen sollte der Abt sie zu Rate ziehen.

Um die herausragende Machtfülle des Abtes zu unterstreichen, sah Benedikt als seinen Stellvertreter nicht eine Person, sondern mehrere Dekane vor, die jeweils einer Gruppe von zehn Mönchen vorstehen sollten. Einen Prior (praepositus), den „Zweiten nach dem Abt“, lehnte er strikt ab. Zu sehr fürchtete er, ein solcher würde, von Stolz und Hochmut aufgebläht, in Wettbewerb mit dem Abt treten und schwere Konflikte heraufbeschwören. Zudem wurden Prioren zu Benedikts Zeiten oft vom Ortsbischof bestellt, was eine unerwünschte Einmischung von außen sein konnte.

Doch stellte es die Regel der Entscheidung der einzelnen Äbte anheim, ob sie zusätzlich einen Prior bestellen wollten oder nicht. Diese Frage nach der inneren Verfassung der Klöster führte gerade im frühen 9. Jahrhundert zu hitzigen Diskussionen. In Abteien wie Fulda, Reichenau und St. Gallen hatten – streng nach der Benediktregel – Dekane die Stellvertreterschaft des Abtes inne. Der einflussreiche Benedikt von Aniane hingegen hielt zwar an den Dekanen fest, ordnete aber den höchsten von ihnen, den senior decanus, einem Prior unter. Dieser hielt nun nach dem Abt alle Gewalt im Kloster in Händen, während der senior decanus an die dritte Stelle der Hierarchie rückte. Dieser Art der Verfassung folgten zunächst Abteien wie Kornelimünster, Corbie, Lorsch, Stablo und schließlich das lothringische Reformkloster Gorze sowie die meisten anderen Klöster, die sich dieser Reformrichtung anschlossen.

Die gorzisch-lothringische Klosterreform

Nicht nur im burgundischen Cluny, auch im lothringischen Gorze begann man sich im frühen 10. Jahrhundert über eine Erneuerung des benediktinischen Mönchtums Gedanken zu machen. Beeinflusst vom Reformwerk des Benedikt von Aniane versuchten die Brüder dort den Weg zurück zum strengen Leben nach der Benediktregel zu finden. Anders als in Cluny verzichtete man darauf, sich dem Einfluss des Ortsbischofs oder lokaler Adliger zu entziehen. Zudem bildete sich in Gorze kein Zentralismus heraus: Das Reformzentrum war mit den Klöstern, die die gorzischen Gewohnheiten übernahmen, geistig eng verbunden, ohne dass diese ihre Selbstständigkeit aufgaben. Im Unterschied zur cluniazensischen Reform, die hauptsächlich in Frankreich wirkte, entfaltete sich die gorzisch-lothringische Reform sehr stark im römisch-deutschen Reich. Im 11. Jahrhundert waren etwa 170 Klöster der Reform angeschlossen, unter ihnen St. Maximin in Trier, Niederalteich, St. Emmeran in Regensburg, Reichenau, Hersfeld und Tegernsee.

Ganz neue Wege ging hingegen das bedeutende Cluny. In der 910 in Burgund gegründeten Abtei schaffte man die Dekane ganz ab, während der Prior unangefochten der zweite Mann nach dem Abt blieb. Alle Klöster, die dem cluniazensischen Reformverband als Priorate angehörten, waren nicht nur dem Mutterkloster Cluny unterstellt, sie hatten auch keinen eigenen Abt. Vater ihrer Mönche war der Abt von Cluny, während die praktische Leitung dem Prior vor Ort oblag. Obwohl Hirsau und St. Blasien, die im späten 11. Jahrhundert entscheidende Impulse aus Cluny aufgriffen, an dessen Zentralismus nicht festhielten, verzichtete man dort und in anderen Klöstern, die von der jungcluniazensischen Reform beeinflusst waren, auch auf die Dekane und stärkte die Position des Priors.

Der Cellerar

So undurchsichtig und unterschiedlich die Leitung der verschiedenen Klöster organisiert sein konnte, so differenziert waren auch die übrigen Klosterämter. Nicht immer umschrieb ein- und dasselbe Amt die selbe Tätigkeit – zu sehr trugen die einzelnen Klöster doch den lokalen Gegebenheiten und ihrer monastischen Ausrichtung Rechnung.

Für alle waren jedoch die Dienste eines Kellermeisters (Cellerar) unentbehrlich. Er war dem senior decanus oder, in Cluny, dem Prior direkt untergeordnet. Die Benediktregel stellte hohe charakterliche Anforderungen an ihn, zu entscheidend war nämlich seine Aufgabe im Kloster. Der Cellerar war für die Gerätschaften und die Beschaffung, Aufbewahrung und Zubereitung der Nahrungsmittel zuständig. Auf keinen Fall durfte er diese verschwenden, sondern hatte sie mit Maß und Ziel zu verwalten und zu mehren. Zudem oblagen ihm Organisation und Aufsicht der Bediensteten des Klosters. Für den Tegernseer Mönch Wigo, der im verarmten Feuchtwangen nominell Abt war, faktisch aber auch das Amt des Cellerars ausübte, erwies sich die Last seiner Aufgaben als beinahe zu groß. In einem Brief klagte er sein Leid:

Von keinem Bruder erfahren wir Trost oder Erleichterung bei den fortwährend über uns hereinbrechenden mannigfachen Beschwernissen, weil der eine durch Kränklichkeit, der andere aber durch einen anderen Dienst verhindert ist. […] Ich selbst trage an einem scheppernden Gürtel alle Schlüssel des Klosters. Darüber hinaus muss ich sehr umsichtig für die klösterliche Ordnung Sorge tragen, hier mich um die Lebensmittel kümmern, dort den Köchen befehligen, und soll stets den Hausgästen drinnen als auch allen ankommenden Gästen draußen zu Diensten sein.4

In einer größeren Abtei hatte der Cellerar in der Regel mehrere Helfer, die ihm bei seiner Tätigkeit unter die Arme griffen. In cluniazensischen Klöstern unterstanden dem Cellerar der Gärtner (Hortulanus) und der Getreidemeister (Granatarius), der über das Getreide und das Brot wachte. Der Speisemeister (Refectorarius) wiederum verteilte mit wöchentlich wechselnden Helfern vor den Mahlzeiten Mundtücher, Löffel, Schüsseln und Brote auf die Tische und trug die Speisen auf. Ihm oblag auch die Sauberhaltung des Refektoriums, das er abends verschloss.

Kämmerer und andere Ämter

Gingen die Vorräte der im Kloster produzierten Nahrungsmittel zur Neige, kontaktierte der Cellerar den Kämmerer (Camerarius), der das Notwendige aus den Besitzungen des Klosters herbeischaffte oder kaufte. Das Amt des Kämmerers ist in der Benediktregel nicht erwähnt, begegnet seit dem 9. Jahrhundert aber bereits regelmäßig. Er wachte insbesondere über die klösterliche Kleiderkammer (Vestiarium) und verteilte deren Inhalt streng nach der Regel an die Mönche. Fehlte etwas, ließ er es herstellen oder kaufen. Verschlissene Kleidung, die die Brüder nicht mehr selbst flicken konnten, überbrachte er den Schneidern.

Wie unwirsch war Froumund von Tegernsee, als ihm im eisigen Winter vom Kämmerer oder dessen Gehilfen ein wärmeres Gewand vorenthalten wurde. „Ich wollte, Du wärst ein Schwein, dass, könnte ich dich nur fassen, ich dir gewaltsam das Fell abzöge, das Schlachtmesser unter der Gurgel ins Fleisch dir stöße, meine Beine einfettete, die von der Kälte aufreißen, und die unansehnliche Schwarte zu einem Pelz mir machte“, dichtete er in drastischen Bildern.5

Innerhalb der klösterlichen Hierarchie machte der Kämmerer bis zum 12. Jahrhundert sicherlich die größte Karriere durch. Ursprünglich nur Verwalter der Kleiderkammer und der Nahrungsmittel, wachte er bald über alle klösterlichen Einkünfte und Finanzen.

Neben diesen bedeutenden und hoch angesehenen Ämtern gab es noch viele weitere kleinere Tätigkeiten, für die einzelne Mönche verantwortlich waren. Etliche Klöster betrauten einen Sakristan mit der Pflege der liturgischen Geräte und Gewänder, aber auch mit der Sorge um den Kirchenschmuck oder der Beschaffung der Altarkerzen. Klöster mit einem großen Buchbestand erfreuten sich der Dienste eines Bibliothekars (Armarius), der zuweilen auch die Schreibstube (Skriptorium) überwachte. Die kranken und alten Brüder betreute der Infirmarius (Krankenmeister) im von den Konventsgebäuden abgesonderten Krankenhaus (Infirmarium). Größten Wert hatte bereits Benedikt von Nursia auf den Pförtner (Portarius) gelegt. An der Schaltstelle zwischen der Welt draußen und der klösterlichen Ruhe drinnen sollte am besten ein älterer Bruder mit Weisheit und Erfahrung sitzen, „den seine Reife daran hindert, sich herumzutreiben“.6 Gefürchtet und nicht wirklich beliebt war schließlich der Zirkator (lat. circari = umhergehen), der schon seit dem 8. Jahrhundert in den Klöstern belegt ist. Von so manchem schwatzhaften Mönch als Spitzel missbilligt, wachte er nämlich streng über die Einhaltung des Schweigegebots und die allgemeine Aufrechterhaltung der mönchischen Disziplin. Abt Wilhelm von Hirsau formulierte es eindeutig: Die Zirkatoren sollten beständig im Kloster herumlaufen und die Mönche Tag und Nacht beobachten, damit sie sich „zu keiner Zeit und an keinem Ort sicher fühlen“.7

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