Читать книгу Götterfunken - Sabine Claudia - Страница 3
1768, Dorian
ОглавлениеDie Schenke war gut besucht und voller Rauch. Es roch nach ranzigem Fett, ungewaschenen Körpern und säuerlichem Wein. Als Dorian eintrat, wurde er von den Anwesenden verstohlen gemustert, denn er trug feine Kleider, die ihn als Edlen kennzeichneten, während die übrigen Besucher eher einfache Leute waren. Es war kein Ort, an dem Dorian sich sonst aufhielt, er bevorzugte die feinen Salons seiner Freunde. Doch er war aus einem bestimmten Grund in diese Spelunke gekommen.
Die 24 Jahre seines Daseins, waren von Langeweile und Lebensüberdruss gekennzeichnet, wozu es absolut keinen Grund gab. Dorian sah blendend aus mit seinen dunklen Haaren und den hellen grünen Augen, war hochgewachsen, von schlanker Statur, gesund und stark. Er war privilegiert geboren, der einzige überlebende Sohn eines reichen Gutsbesitzers und somit sein Erbe. Doch sein Vater, der kalt und distanziert war, weigerte sich standhaft, ihn in die Geschäfte einzubeziehen, oder zu sterben, somit hatte Dorian nichts zu tun, als tagaus tagein sein Leben mit Sinnlosigkeit zu füllen.
Der einzige Mensch, an dem ihm etwas lag, seine Schwester Cordelia, hatte vor sechs Monaten ihre große Liebe geheiratet. Siegbert Swann, einen benachbarten Gutsbesitzer. So oft wie möglich, besuchte er die beiden, um der trostlosen Öde des großen Hauses und der Gesellschaft seines Vaters zu entgehen. Sein Schwager Siegbert, der eine Schwäche hatte für Zauberei und Übernatürliches, nahm ihn bei seinem letzten Besuch auf dessen Landgut, zur Seite und erzählte ihm von der Hexe, die in der Schenke Quartier bezogen hatte und den Leuten die Zukunft voraussagte.
Ungläubig lächelnd hatte er ihm zugehört und alles mit einem Kopfschütteln abgetan. Doch seine Frustration hatte ihn wieder eingeholt, als er alleine auf seinem Landsitz war und so entschied er sich doch dazu, die Hexe aufzusuchen.
Der Wirt kam katzbuckelnd auf ihn zu, pries ihm seine verschiedenen Gerichte an und versuchte ihn zu einem der Tische zu bugsieren.
Zwei Dirnen waren auf ihn aufmerksam geworden. Sie kamen mit tänzelnden Hüften und verführerischem Lächeln näher.
Dorian stoppte den eifrigen Gastwirt mit einer abwehrenden Handbewegung und fragte nach der weissagenden Hexe. Dieser verbarg seine Enttäuschung nur mangelhaft, doch er verbeugte sich ehrerbietig und geleitete ihn in ein stilles Hinterzimmer, in dem es stark nach Kräutern duftete.
Der schmale Raum war nur schwach von einigen Kerzen erleuchtet und Dorian sah vor sich einen kleinen runden Tisch mit zwei Stühlen.
Der Wirt bedeutete ihm, Platz zu nehmen. Als sich die Tür hinter ihm schloss, waren die Geräusche aus der Schenke nur noch gedämpft zu vernehmen.
Dorian setzte sich und maß mit gelangweiltem Blick, den spärlich eingerichteten Raum, während er wartete.
»Ihr seid gar nicht neugierig, mein Freund«, vernahm er eine dunkle Stimme, die aus dem hinteren Teil des Zimmers näher kam. Eine Frau mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen, trat zu dem erleuchteten Tisch. Sie nahm ihm gegenüber Platz und musterte ihn.
»Kommt darauf an, was ihr mir zu sagen habt«, antwortete er ihr ruhig und erwiderte ihren Blick.
»Den Hauch des Schicksals werdet ihr spüren bei meinen Worten und wenn ihr diesen Raum wieder verlasst, wird nichts mehr so sein, wie es war. Wollt ihr das?«
Dorian musterte sie verwundert, doch er musste sich eingestehen, dass sie nun seine Neugier geweckt hatte. Er nickte.
»Zuerst das Geschäftliche. Ihr habt das Geld doch dabei?«, sagte sie kühl. Wortlos griff er in seine Tasche und holte einen Beutel mit Münzen hervor, den er ihr gab.
Sie wog ihn kurz in der Hand, warf einen Blick hinein und nickte lächelnd. »Ihr wisst nicht, warum ihr hier seid und damit meine ich nicht diese Schenke, sondern euer gesamtes Leben. Nichts macht euch wirklich Freude oder erscheint euch von Wert, sodass es sich zu leben lohnt«, begann sie und ihre Augen hielten seinen Blick fest.
Es erstaunte ihn, dass sie seinen Gemütszustand so deutlich erkannte, doch er ließ es sich nicht anmerken und behielt seine undurchdringliche Miene bei.
Sie schenkte ihm ein sparsames Lächeln, denn sie konnte seine Anspannung fühlen. »Der Grund eures Desinteresses liegt darin, dass ihr nicht wisst, wonach ihr sucht.«
»Wisst ihr es denn?«, fragte er knapp.
»Vielleicht ja. Doch findet ihr es nicht seltsam, diese Frage einer Fremden zu stellen?«
»Nicht, wenn sie eine Hexe ist, oder vorgibt eine zu sein.« Ein Anflug von Spott schwang in seiner Stimme.
Ihr Lächeln war verschwunden. Stolz hob sie das Kinn an und sprach weiter, während ihre schwarzen Augen sich in seinen Kopf bohrten. »Du suchst die, die du vor undenklichen Zeiten verloren hast, deine einzig wahre Liebe. Dies ist der einzige Grund, warum du hier bist, und weil es den Göttern gefällt, Schicksal zu spielen.«
Dorian wollte lachen, aufstehen und das Gerede der Hexe spöttisch abtun. Doch er blieb wie angewurzelt auf seinem Stuhl sitzen, während sich ein prickelndes Gefühl in ihm ausbreitete. Er fühlte in seinem tiefsten Inneren einen seltsamen Widerhall ihrer Worte, so als hätten sie den Grund seiner Seele berührt. Er musste sich räuspern, bevor er sprechen konnte. »Wenn dem so ist, dann erzähl mir mehr davon.«
Voller Genugtuung lachte sie auf. »Du hast dieses Wissen in deiner Seele. Die Erinnerung an die Liebe zu der einen Frau, die du niemals hättest lieben dürfen und wofür du mit deinem Leben bezahlt hast. Niemals solltest du sie wiedersehen, doch die Götter haben eine Schwäche für aussichtslose Fälle. Wenn du dir klar geworden bist, ob du sie wiederfinden willst, dann komm erneut zu mir und ich werde dir den Weg dazu zeigen. Doch sei gewarnt! Es wird ein bitterer Weg sein, von dem es kein zurück gibt.«
Sie war aufgestanden und an ihn herangetreten. Sanft nahm sie seine Hände, zog ihn von seinem Stuhl und schob ihn zur Tür hinaus.
Bevor er sich versah, stand er wieder in der lauten muffigen Schänke. Die Tür zu dem Hinterzimmer war geschlossen. Kurz überlegte er, noch einmal hineinzugehen um ihr weitere Fragen zu stellen, doch er fühlte sich seltsam aufgewühlt, wollte alleine sein und über ihre Worte nachdenken.
Er ließ den Wirt eine Kutsche holen und während er in ihr dahin schaukelte, dachte er über die seltsamen Worte der Hexe nach.
Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, dass er auf der Suche war, nach der Liebe einer Frau, die er vor langer Zeit verloren hatte. Er konnte sich nicht über mangelndes Interesse des weiblichen Geschlechts an seiner Person beschweren. Zuweilen waren ihm die Annäherungsversuche der Frauen und Mädchen, denen er begegnete geradezu lästig. Konnte es wirklich sein, dass er in einem anderen Leben eine Frau so sehr geliebt hatte, dass er für sie gestorben war?
Er fand diesen Gedanken absurd, doch sein Gefühl ließ ihn ahnen, dass es so war. Die Fahrt aus dem Dorf zu dem Gut wo er zuhause war, dauerte lange und er döste ein, eingelullt durch das Schaukeln der Kutsche.
Bilder stiegen vor seinem inneren Auge auf. Er sah eine große steinerne Halle mit Kohlebecken und Fackeln an den Wänden. Vor sich erblickte er eine Frau in einem weißen Kleid. Sie trug goldene Spangen um Hals und Arme. Auch ihr Gürtel war aus Gold. Sie hatte langes schwarzes Haar und stand mit dem Rücken zu ihm. Er sah, dass sie ein Gefäß mit beiden Händen in die Höhe hielt und hörte sie seltsame Worte in einer unbekannten Sprache murmeln. In seinem Traum ging er auf sie zu und fasste nach ihrer Schulter um sie umzudrehen, denn er wollte ihr Gesicht sehen. In dem Moment da er sie berührte, sah er einen grellen Blitz aufzucken, der ihn zu Boden schleuderte.
Erschrocken fuhr er hoch und erwachte aus seinem Traum.
Die Kutsche hatte mit einem Ruckeln vor seinem Zuhause gehalten. Nachdenklich und noch benommen von seinem kurzen Schlaf ging er in seine Räume. Er legte seine Kleider ab und warf sich nackt auf sein Bett. Der Traum hatte dieses eigenartige Gefühl in ihm verstärkt.
Was hatte die Hexe gesagt? Die Erinnerung und das Wissen wären in ihm.
Dorian schloss die Augen und rief sich das Bild der Frau, die er nur von hinten gesehen hatte, ins Gedächtnis. Was war da noch gewesen? Er konnte sich an einen schwachen Duft von Rosenblättern und Weihrauch erinnern. Der Geruch war für ihn verbunden mit einem tiefen Schmerz, der ihm das Herz zerriss.
Doch er kannte die Ursache dieses Schmerzes nicht. Wieder schlief er ein über seinen Grübeleien.
Er fühlte die kühlen Laken auf seiner nackten Haut. Jemand saß bei ihm, es war die Frau aus seinem Traum, doch ihr Gesicht lag im Dunkeln verborgen. Er versuchte, sich zu bewegen, doch er konnte sich nicht rühren. Bleischwer lag sein Körper auf dem Bett. Er fühlte die Berührung ihrer Hand, als sie ihm sanft über das Gesicht strich und hörte sie zärtliche Worte murmeln, doch er verstand die Sprache nicht.
Er wurde von seinen Gefühlen überwältigt. Plötzlich empfand er Liebe, wie er sie noch nie verspürt hatte, die wie eine Woge über ihn hereinbrach und ihn mitriss und gleichzeitig einen so scharfen Schmerz der Trauer, in seinem Inneren, dass er das Gefühl hatte daran zu sterben.
Er rang nach Atem, die Luft wurde ihm knapp und Panik überfiel ihn, als er meinte er würde ersticken.
Entsetzt erwachte er aus seinem Traum. Sein Herz schlug wie wild in seiner Brust und er lag schwer atmend da mit weit aufgerissenen Augen.
War das die Erinnerung gewesen, welche die Hexe gemeint hatte?
Es musste so sein, denn er hatte noch nie so empfunden.
Ruhelos stand er auf, wickelte sich in einen Morgenrock und öffnete ein Fenster. Die kühle Nachtluft trocknete den Schweiß auf seinem Körper und sein Atem wurde ruhiger. Er fragte sich, ob ihn die Hexe mit einem Fluch belegt hatte, doch er konnte keinen Grund dafür finden.
Tief in seinem Inneren wusste er bereits, das sie die Wahrheit gesprochen hatte, und er sich in seinen Träumen an ein vergangenes Leben, erinnert hatte.
Er konnte noch immer die Intensität, dieser überwältigenden Liebe fühlen und ihm war bewusst, er wollte wieder so fühlen, so lieben. Er wollte diese eine Frau wiederhaben, für die er so empfunden hatte. Die Hexe hatte ihm gesagt, wenn er das wollte, so würde sie ihm den Weg dazu zeigen.
Am Horizont sah er die Sonne aufgehen.
Er schloss das Fenster und schlüpfte in seine Kleider vom Vortag. Im Stall ließ er sich ein Pferd satteln und ritt in scharfem Galopp den langen Weg zum Dorf hinunter.
An der Schenke angekommen, sah er eine Gruppe von Leuten, in deren Mitte der Pastor stand. Sie diskutierten aufgeregt. Dorian trat zu ihnen und der Pastor richtete das Wort an ihn. »Ah, gut dass ihr hier seid junger Herr, wir haben vor, eine Hexe der Gerichtsbarkeit auszuliefern«.
Dorian erschrak bei seinen Worten, doch er ließ sich nichts anmerken und lächelte den Pastor freundlich an.
»Eine Hexe sagt ihr Hochwürden, wer glaubt denn an so etwas.« Das Gesicht des Pastors war ernst. »Leider ja, es gibt sie und meine Aufgabe ist es harmlose Menschen vor Kreaturen der Dunkelheit zu bewahren.«
Dorian hob beschwichtigend die Hände. »Hexerei ist eine schwerwiegende Anschuldigung, das muss sorgfältig geprüft werden. Wo ist denn diese vermeintliche Hexe?«
»Sie hat sich hier in der Schänke eingenistet«, antwortete der Geistliche.
»Nun dann werde ich sie mitnehmen auf Gut Hohenberg, während ihr nach Beweisen für ihre Schuld sucht.« Dorian lächelte überheblich. Seinem Vater stand als Gutsherr die oberste Gerichtsbarkeit im Dorf zu.
Der Pastor zeigte sich wenig erfreut über die Aussicht, die Hexe nicht selbst in Gewahrsam nehmen zu können und sie, wie er vorgehabt hatte, in den feuchten Kerker bei den Gewölben unter seiner Kirche zu werfen, der noch aus der Zeit der Inquisition stammte. »Das ist zu gefährlich junger Herr«, wandte er schwach ein.
Dorians Lächeln wurde breiter. »Aber nicht doch. Es gibt gewiss ein paar kräftige Burschen hier im Dorf, die mich und die Gefangene begleiten werden, auf meinem Weg zum Gutshof.«
Der Pastor verbeugte sich knapp mit sichtlicher Verärgerung.
Gemeinsam betraten sie das Hinterzimmer der Schenke, wo die Frau sie ruhig erwartete. Der Pastor wollte sie grob von ihrem Stuhl zerren, doch Dorian wehrte ihn ab und sah ihn warnend an. »Wir behandeln sie zuvorkommend, bis wir Beweise für ihre Schuld haben«, sagte er kühl zu dem Geistlichen. Sanft nahm er ihren Arm und sie folgte ihm zu der wartenden Kutsche vor der Schenke. Er war ihr beim Einsteigen behilflich und setzte sich ihr gegenüber in den Wagen. Die zwei kräftigen jungen Burschen aus dem Dorf verwies er, auf dem Kutschbock Platz zu nehmen.
Dorian klopfte gegen die Tür der Kutsche und gab dem Fahrer das Signal loszufahren. Der Pastor blieb mit wütender Miene zurück und Dorian winkte ihm grinsend zu.
Als sie aus dem Dorf heraus fuhren, sah er die Frau mit ernstem Gesicht an. »Ich habe dich gerettet, das ist dir doch bewusst, nicht wahr?«
Die Frau lächelte ihm überlegen zu. »Ja, warum wohl, habt ihr das getan?« Ihre Stimme troff vor Sarkasmus.
»Das weißt du bereits«, gab er knapp zurück.
Sie lehnte sich entspannt in die weichen Polster der Kutsche. »Ich will einen Beutel Gold und das schnellste Pferd, das ihr im Stall habt«, merkte sie an.
»Und eure Freiheit, wie ich annehme«, ergänzte Dorian lächelnd.
Sie erwiderte sein Lächeln und nickte. »Und meine Freiheit.«
Dorian sah aus dem Fenster auf die Landschaft, die an ihnen vorüberzog.
»Du hast dich erinnert, nicht wahr«, fragte sie ihn mit leiser Stimme.
Er nickte, ohne sie anzusehen.
»Ich kann die Liebe und den Schmerz in deinen Augen sehen. Ich nehme an, du willst sie wiederhaben?«
Dorian wendete ihr sein Gesicht zu und sah sie an. »Du hast gesagt, es gibt einen Weg.«
»Den gibt es. Doch ich sagte auch, dass es ein bitterer Weg ist, ohne Wiederkehr.«
»Muss ich dafür sterben, um sie in einer anderen Welt wiederzusehen?« Er sah sie fragend an.
Die Hexe genoss die Überlegenheit ihres Wissens offensichtlich. »In gewisser Weise wirst du sterben, doch du wirst sie in dieser Welt wiedersehen.«
Dorian wurde nicht schlau aus ihren Worten. »Das verstehe ich nicht«, antwortete er ihr.
»Ich werde es dir erklären, nachdem ich mein Gold und das Pferd habe.«
Dorian waren Gold und Pferde gleichgültig, er besaß genug von Beiden.
Er zügelte seine Ungeduld und sah wieder aus dem Fenster. Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend.
Als sie beim Gutshof ankamen, lud Dorian die Burschen und den Kutscher ein, sich in der Gesindeküche verköstigen zu lassen, und sie stimmten erfreut zu.
Er stellte mit Erleichterung fest, dass sein Vater auf die Jagd gegangen war. So konnte er, ohne lästige Fragen beantworten zu müssen, die Hexe in seine Räumlichkeiten bringen. Er schickte eine Magd um Essen und Getränke.
Die Frau setzte sich, trank einen Becher Wein auf einen Zug und knabberte an dem kalten Wildbret. Dorian holte aus einem Sekretär einen Beutel mit Goldmünzen und gab ihn ihr.
Sie wischte sich die fettigen Hände an ihrem Rock ab, warf einen Blick in den Beutel und sah ihn mit zufriedenem Lächeln an.
Dorian klingelte nach einem Diener und trug ihm auf, ein Pferd satteln zu lassen. Dann lehnte er sich bequem in einen gepolsterten Stuhl.
Die Frau hatte ihn nicht aus den Augen gelassen.
»Du bist dran, ich habe meinen Teil erfüllt. Erzähle mir nun, was ich wissen muss.«
Die Hexe stand auf schritt zum Fenster, sah kurz hinaus und wandte sich dann zu ihm um. »Einiges hast du schon herausgefunden. Ihr habt euch geliebt und du bist für sie gestorben. Die Wächter des Schicksals waren gegen eure Verbindung. Doch die Götter wollten, dass ihr eine zweite Chance bekommt, darum wurdest du wiedergeboren.« Sie hielt kurz inne, schenkte sich Wein ein und trank einen Schluck.
»Heißt das, dass auch sie wiedergeboren wurde?« Dorian sah sie gespannt an.
Sie lächelte und stellte ihren Becher ab. »Nicht ganz. Sie ist noch nicht wieder auf dieser Welt. Die Wächter wollten euch endgültig entzweien, und haben eine Zeitverzögerung eingefügt, um eure erneute Zusammenkunft zu verhindern.«
Verblüfft sah Dorian sie an. »Wie soll ich sie dann wiederbekommen? Wie lange wird es dauern, bis sie wiedergeboren wird?«
Sie sah ihn ernst an. »Ein paar Jahrzehnte, ein paar Jahrhunderte, wer weiß das schon.«
Dorian lehnte sich zurück. Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Dann bin ich längst tot«, sagte er hoffnungslos.
»Es gibt einen Weg, wie ich schon sagte, doch du musst dir darüber klar sein, ob du ihn wirklich gehen willst.« Ernst sah sie ihn an.
»Erkläre mir wie, dann kann ich entscheiden, ob es mir das wert ist«, flüsterte er mit einem schiefen Lächeln.
»Du wirst zu einem Wesen der Nacht werden, zu einem Vampir, der sich vom Blut seiner Mitmenschen ernährt.«
Er sah sie fassungslos an.
»Du wirst so lange leben, solange du Menschenblut trinkst. Das einzige das dich töten kann, wird ein hölzerner Pfahl sein, den man dir ins Herz stößt.«
Dorian starrte sie mit offenem Mund an. Schließlich schluckte er und fragte: »Wie soll ich zu einem solchen Wesen werden?«
»Du wirst ein Elixier trinken. Dann wirst du sterben müssen. Denn dein menschlicher Tod ist die Voraussetzung dafür, dass du zu einem Vampir wirst.«
Dorian lehnte sich zurück und blickte in die Ferne. Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte, seine Gedanken wirbelten in seinem Kopf.
Die Hexe beobachtete ihn. Schließlich kramte sie aus dem kleinen Beutel, der an ihrem Gürtel hing, eine Phiole hervor. Sie trat vor ihn und lächelte wissend. »Hier, für dich, das Elixier. Wähle mit Bedacht. Ich muss gehen, bevor die Schergen des Klerus einen Grund finden, mich doch noch in den Kerker zu werfen.«
Er wollte nicht, dass sie ging, denn in ihm brannten so viele Fragen.
Dorian ergriff ihre Hand mit dem Elixier und hielt sie fest. »Wo kann ich dich finden, wenn ich Fragen habe?«
Sie zuckte die Achseln, ließ die Phiole in seine Hand gleiten und befreite sich aus seinem Griff. »Antworten auf deine Fragen, werden dir deine Entscheidung nicht abnehmen.«
Sie nahm den Beutel mit dem Gold und befestigte ihn am Gürtel. Dann nickte sie zum Abschied und verließ ihn. Er saß lange da und starrte wie betäubt auf die kleine Phiole in seiner Hand.
Sie hatte recht behalten, nichts war mehr so wie am Tag zuvor.