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Das Grab

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Mo­na hat­te sich schmol­lend in ei­nes der Zel­te zurück­ge­zo­gen, wäh­rend To­bi­as und Se­ve­rin am La­ger­feu­er al­te Er­in­ne­run­gen aus­tausch­ten.

Die üb­ri­gen Leu­te aus dem Te­am mach­ten es sich mit Würst­chen und Kar­tof­fel­salat eben­falls beim La­ger­feu­er ge­müt­lich und der Pro­fes­sor war noch immer bei dem stein­er­nen Grab.

Als es dun­kel wur­de, hol­te er sich vom La­ger zwei Ak­kus­trah­ler und war wort­los wie­der ver­schwun­den.

Mo­na fühl­te die feuch­te Käl­te, die vom Boden aus­strahl­te in der küh­len April­nacht. Sie wi­ckel­te sich en­ger in ih­re De­cke.

Sie wür­den die­se Nacht an der Aus­gra­bungs­stät­te ver­brin­gen, ob­wohl ihr To­bi­as vor­ge­schla­gen hat­te in ei­nem Hotel in dem klei­nen Ort Ebers­hal­de, zu über­nach­ten.

Mo­na hat­te eige­ne Plä­ne.

Sie woll­te war­ten bis alle fest schlie­fen und sich dann allei­ne zu dem Grab schlei­chen um die Schrift­zeichen auf dem Tor zu stu­die­ren.

Falls die­ser ver­damm­te Pro­fes­sor über­haupt das Grab ver­las­sen wür­de!

Nicht zu glau­ben, dass sie sich an To­bi­as her­an­ge­macht hat­te, um die­sen Idio­ten ken­nen­zu­ler­nen, der sein Freund war. Bö­se starr­te sie in die Dun­kel­heit.

Nie­mand wuss­te, was sie tat­säch­lich vor­hat­te.

Schon lan­ge be­schäf­tig­te sie sich mit an­ti­ker Zau­be­rei und das war der eigent­li­che Grund, wa­rum sie ih­ren Be­ruf ge­wählt hat­te. Sie dach­te, da­bei ih­rer Lei­den­schaft nach­ge­hen zu kön­nen und Zu­gang zu den Aus­gra­bungs­stät­ten zu be­kom­men. Doch sie wur­de nie da­rum ge­be­ten an ei­ner der Aus­gra­bun­gen teil­zu­neh­men und fand nur we­ni­ge Freun­de in ih­rem Um­feld. So reif­te in ihr der Ent­schluss, sich an ei­nen der ver­trock­ne­ten Ge­lehr­ten her­an­zu­ma­chen um durch ihn zu den Aus­gra­bun­gen zu ge­lan­gen.

To­bi­as er­schien ihr am we­nigs­ten eke­lig und stell­te so­mit das klein­ste Übel dar. Der ar­me Kerl war völ­lig in sie ver­knallt.

Sie muss­te lä­cheln, als sie da­ran dach­te. Schließ­lich war ihr Plan nun schon nach we­ni­gen Mo­na­ten auf­ge­gan­gen. Sie war hier, an ei­ner Aus­gra­bungs­stät­te, an der ein sen­sa­tio­nel­ler Fund ge­macht wor­den war. Nie­mand wür­de sie auf­hal­ten, die­ses Tor mit sei­nen fas­zi­nie­ren­den Sym­bo­len zu un­ter­su­chen, auch kein ge­nia­ler, wi­der­li­cher, frett­chen­ge­sich­ti­ger Pro­fes­sor.

Wäh­rend Mo­na so ih­ren Ge­dan­ken nach­hing, lös­te sich die Grup­pe um das La­ger­feu­er lang­sam auf. Schließ­lich hör­te sie auch To­bi­as lei­se ins Zelt kom­men, doch sie tat, als wür­de sie fest schla­fen. Er strei­chel­te ihr über die Wan­ge und ku­schel­te sich an sie. Sie lausch­te sei­nen ru­hi­gen Atem­zü­gen, die ihr zeig­ten, dass er ein­ge­schla­fen war.

Mo­na spitz­te die Oh­ren, doch das La­ger war still ge­wor­den. Of­fen­bar schlie­fen alle. Sie zwang sich da­zu, noch ei­ne Wei­le ru­hig da­zu­lie­gen und zu war­ten. Als sie sich si­cher war, kei­ne Ge­räu­sche mehr zu hö­ren, lös­te sie sich vor­sich­tig aus To­bi­as Um­ar­mung und schlich aus dem Zelt.

Sie zit­ter­te in der kal­ten Nacht­luft. Doch sie press­te die Zäh­ne zu­sam­men und ver­ließ laut­los das Zelt­la­ger. In ei­ni­ger Ent­fer­nung schal­te­te sie die Stab­taschen­lam­pe, die sie mit­ge­nom­men hat­te ein und folg­te dem Wald­weg, der zu dem Stein­grab führ­te.

Als sie das Licht der Strah­ler er­ken­nen konn­te, die der Pro­fes­sor auf­ge­stellt hat­te, mach­te sie ih­re Taschen­lam­pe aus und schlich sich an das Grab he­ran.

Sie sah ihn auf den Stufen sit­zend. Er lehn­te, den Kopf auf der Brust an der Stein­mau­er. Of­fen­bar war er ein­ge­schla­fen.

Sie pirsch­te sich an ihn he­ran und kurz ent­schlos­sen zog sie ihm ih­re Taschen­lam­pe über den Schä­del. Er fiel wie ein Sack zur Sei­te und rühr­te sich nicht mehr.

Oh­ne zu zö­gern, lief sie die Trep­pe hin­un­ter zu dem Tor. Ehr­fürch­tig stri­chen ih­re Fin­ger über die ur­al­ten Sym­bo­le. Nach kur­zer In­spek­tion fand sie, wo­nach sie such­te.

Die Zeichen auf dem Tor er­zähl­ten ei­ne Ge­schich­te. Doch ih­re Kennt­nis­se der Schrift­zeichen waren un­zu­rei­chend.

Sie mal­te die Schrift­zeichen sorg­fäl­tig auf ein Blatt Papier ab, da sie ih­re Bü­cher brauch­te um sie ge­nau zu ent­schlüs­seln, als sie den Pro­fes­sor stöh­nen hör­te.

Sie muss­te hier ver­schwin­den.

Schnell ver­stau­te sie den Zet­tel in ih­rer Je­ans, sprang die Trep­pe hoch, vor­bei am Pro­fes­sor, der lang­sam wie­der zu sich kam. Un­be­merkt schlich sie sich ins Zelt zurück und ku­schel­te sich zu dem schla­fen­den To­bi­as. Sie konn­te es kaum er­war­ten die Zeichen zu ent­rät­seln.


Am näch­sten Mor­gen, schien die Son­ne als Mo­na die Augen auf­schlug.

Sie war allei­ne im Zelt.

Von drau­ßen waren Stim­men und das Ge­räusch vom Han­tie­ren mit Ge­gen­stän­den zu hö­ren, of­fen­bar war das gan­ze Te­am schon eif­rig an der Ar­beit.

Sie gähn­te, streck­te sich und stand frös­telnd auf. Die April­luft war trotz der Son­ne noch emp­find­lich kalt. Die näch­ste Nacht wür­de sie in ei­nem Hotel ver­brin­gen, sie hat­te, was sie woll­te.

Nach ei­nem Blick in ih­ren Taschen­spiegel kram­te sie den Zet­tel aus ih­rer Ho­sen­ta­sche. Da sie die Sym­bo­le nicht oh­ne ih­re ok­kul­ten Bü­cher ent­zif­fern konn­te, muss­te sie ei­ne Aus­re­de fin­den, um nach Ber­lin zurück­zu­fah­ren, in ih­re Woh­nung.

Sie hör­te, wie meh­re­re Autos beim La­ger an­ka­men. Die Leu­te re­de­ten auf­ge­regt durch­ein­an­der. Neu­gie­rig ver­ließ Mo­na das Zelt.

Bei der Wald­lich­tung stan­den meh­re­re Fahr­zeu­ge. Ein Bus mit ei­ner Fern­seh­schüs­sel war da­bei, aus dem eif­ri­ge Jour­na­lis­ten spran­gen. Sie ging nä­her an die Sze­ne he­ran und er­kann­te die schmäch­ti­ge Ge­stalt des Pro­fes­sors in­mit­ten der Re­por­ter, der ein In­ter­view gab. Ein Ka­me­ra­mann film­te es.

»….wer­den wir uns erst ein Bild ma­chen müs­sen, in wel­che Epoche der Fund ein­zu­ord­nen ist. Doch als Ver­ant­wort­li­cher kann ich ih­nen ver­spre­chen, dass wir sämt­li­che Ge­heim­nis­se lüf­ten wer­den«, war die ho­he af­fek­tier­te Stim­me von Fre­de­rik Ah­rens zu ver­neh­men.

Mo­na schüt­tel­te ent­nervt den Kopf. Sie hät­te fes­ter zu­schla­gen sol­len.

Sie mach­te kehrt, um Se­ve­rin zu su­chen. Ihm wür­de es höch­stwahr­schein­lich auch nicht recht sein, dass sich der Pro­fes­sor hier sei­ne Aus­gra­bung un­ter den Na­gel riss.

Mo­na fand ihn auf dem Feld, wo er vor­sich­tig ein paar Pfeil­spit­zen von Er­de be­frei­te und in­te­res­siert be­gut­ach­te­te.

»Was, wirst du ge­gen Pro­fes­sor Frett­chen­ge­sicht un­ter­neh­men,« frag­te sie ihn un­ver­blümt.

Se­ve­rin sah er­staunt hoch zu ihr. »Dir auch ei­nen gu­ten Mor­gen«, sag­te er ir­ri­tiert. »Was soll ich ge­gen ihn un­ter­neh­men? Mir ist es egal, wenn er sich um das Grab küm­mert. Schließ­lich hat es nichts mit mei­ner eigent­li­chen Auf­ga­be hier zu tun«, mein­te er un­ge­hal­ten und ver­tief­te sich wie­der in die Be­trach­tung der Pfeil­spit­ze.

Was ging sie das an, was er tat? Er kann­te sie ge­ra­de mal fünf Mi­nu­ten und konn­te sie schon jetzt nicht lei­den. Sie war bloß die Freun­din sei­nes Freun­des.

Mo­na warf ihm ei­nen gif­ti­gen Blick zu und stapf­te da­von um To­bi­as zu su­chen. Sie fand ihn bei der Grup­pe um den Pro­fes­sor he­rum, der mitt­ler­wei­le sein In­ter­view be­en­det hat­te.

Mit ver­schränk­ten Ar­men pflanz­te sie sich vor ihm auf: »Was machst du hier, beim me­dien­gei­len Pro­fes­sor? Mit­na­schen am frü­hen Ruhm?«, frag­te sie leicht ver­är­gert.

To­bi­as lä­chel­te sie an und gab ihr ei­nen Kuss auf die Wan­ge. »Schön, dass du wach bist. Fre­de­rik hat mich ein­ge­laden, an sei­ner For­schungs­ar­beit teil­zu­neh­men.«

Mo­na schluck­te ih­ren Är­ger run­ter. Hier er­ga­ben sich viel­leicht weite­re Mög­lich­kei­ten für sie, in die Nä­he des Gra­bes zu ge­lan­gen.

»Das ist ja groß­ar­tig«, zwit­scher­te sie freund­lich, »Dann bleibst du gleich hier?«

»Nein, ich muss lei­der zu­erst noch nach Ber­lin zurück. Fre­de­rik hat mich ge­be­ten ei­ni­ge Auf­zeich­nun­gen aus sei­ner Biblio­thek zu ho­len, die er für die Er­for­schung des Gra­bes be­nö­tigt.«

Das lief ja aus­ge­zeich­net, dach­te Mo­na bei sich. »Ja, dann wo­rauf war­ten wir? Se­hen wir zu, dem Pro­fes­sor­chen alles Nö­ti­ge zu brin­gen«, träl­ler­te sie fröh­lich.

»Ja fahrt los, da­mit ich zu mei­nen Un­ter­lagen kom­me. Ich wer­de mich aus­ru­hen bis da­hin, da mich heu­te star­ke Kopf­schmer­zen quä­len«. Fre­de­rik stand ne­ben ih­nen. Sei­ne klei­nen Augen glit­zer­ten feind­se­lig hin­ter sei­ner di­cken Bril­le, als er Mo­na an­sah. Sie wich sei­nem Blick aus und strahl­te da­für To­bi­as an.

Der Pro­fes­sor konn­te un­mög­lich wis­sen, dass sie ihn nie­der­ge­schla­gen hat­te und er ihr sei­ne Kopf­schmer­zen ver­dank­te, doch sie fühl­te sich er­tappt.

Mo­na folg­te To­bi­as, der sich mit ei­ner Hand­be­we­gung von Fre­de­rik ver­ab­schie­de­te und zu ih­rem Auto ging.

»Lass sie in Ber­lin, wenn du bei der Aus­gra­bung da­bei sein willst«, rief ih­nen Fre­de­rik nach. »Ich kann sie nicht aus­ste­hen«, füg­te er lei­se mur­melnd hin­zu.

To­bi­as grins­te ihn bloß über die Schul­ter weg an und nahm Mo­na in den Arm, wäh­rend sie zum Auto gin­gen. To­bi­as wuss­te, dass Mo­na nicht gut an­kam bei sei­nen Freun­den. Aber er war ver­liebt in sie, al­so zur Höl­le mit der Mei­nung der An­de­ren!


Am sel­ben Abend in Ber­lin sah sich ei­ne hüb­sche blon­de Frau eher bei­läu­fig die Nach­rich­ten an.

Sie spitz­te die Oh­ren, als der Spre­cher von ei­nem sen­sa­tio­nel­len ar­chäo­lo­gi­schen Fund am Harz­horn be­rich­te­te.

Man hat­te dort ein an­ti­kes Grab ge­fun­den, ei­ne Art Gruft, die mit ei­ner di­cken Stein­plat­te ver­schlos­sen war. Als es ein­ge­blen­det wur­de, konn­te sie flüch­tig Sym­bo­le in Keil­schrift da­rauf ent­de­cken.

Die In­for­ma­tion ließ sie nach­denk­lich wer­den. Sie hat­te in ok­kul­ten Krei­sen von sol­chen Grä­bern ge­hört, die mit ei­nem be­son­de­ren Zau­ber ver­schlos­sen waren.

Man­che von ih­nen schütz­ten ein Por­tal zur Vor­welt, Höl­le oder wo­ran immer man sei­ner Re­li­gi­on ent­spre­chend glau­ben woll­te. Dem Zu­gang zum Reich der Dä­mo­nen. Sie hoff­te, dass es sich bei dem Stein­grab um ein sol­ches Por­tal han­deln wür­de, denn sie such­te schon lan­ge nach ei­nem Zu­gang zur Vor­welt.

Sie saß in ih­re Über­le­gun­gen ver­sun­ken, als die Tür sich öff­ne­te und ihr Bru­der her­ein­kam und sie fra­gend an­sah. »Was ist pas­siert?« Sie lä­chel­te und sah ihn mun­ter an. »Zeit, ei­nen klei­nen Aus­flug zu ma­chen.«

»Wo­hin soll es denn ge­hen?«, frag­te er.

»Zum Harz­horn«, ant­wort­ete sie und er­zähl­te ihm von dem Bei­trag, den sie eben an­ge­se­hen hat­te.


Als sie nach drei-stün­di­ger Fahrt in Ber­lin an­ka­men, setz­te Mo­na To­bi­as an der Woh­nung von Fre­de­rik Ah­rens ab und fuhr weiter zu ihr nach Hau­se.

To­bi­as wür­de die Un­ter­lagen zu­sam­men­su­chen und dann zu ihr kom­men. Am näch­sten Tag woll­ten sie ge­mein­sam zum Harz­horn zurück­fah­ren.

Mo­na zog sich nur Schu­he und Ja­cke aus und ver­lor kei­ne Zeit, die Schrift­zeichen auf ih­rem Zet­tel zu ent­schlüs­seln. Sie hol­te ei­ne Men­ge al­ter Bü­cher aus ih­rem Ver­steck im Wand­schrank, wo sie die­se vor neu­gie­ri­gen Bli­cken si­cher auf­be­wahr­te.

Die ur­al­ten Zeichen waren su­me­risch, so viel hat­te sie her­aus­ge­fun­den. Lei­der ver­füg­te sie nur über we­ni­ge Bü­cher, in de­nen die­se ur­al­ten Sym­bo­le de­fi­niert wur­den.

Nach ei­ni­gen Stun­den mü­he­vol­len Rät­sel­ra­tens fand sie et­was her­aus, dass sie vor Auf­re­gung ganz krib­be­lig mach­te.

Das Grab, war of­fen­bar ver­schlos­sen wor­den, um et­was oder je­man­dem den Weg zu ver­sper­ren. Die Sym­bo­le, die sie von der Stein­plat­te ab­ge­malt hat­te, ver­rie­ten of­fen­bar ein Ri­tu­al, mit dem es ver­sie­gelt wor­den war.

Die Wor­te, die sie über­set­zen konn­te, waren: »Son­ne, Rauch, Göt­ter, Mond­licht und Blut ei­nes Nicht-To­ten. Die Wor­te von Uruk bin­den …«

Die­se Bruch­stü­cke, die Mo­na ent­schlüs­selt hat­te, waren oh­ne Zu­sam­men­hang und er­ga­ben für sie nicht wirk­lich ei­nen Sinn.

Ver­dammt! Sie wuss­te ein­fach nicht ge­nug über die al­ten su­me­ri­schen Sym­bo­le. Ih­re Bü­cher bo­ten ihr nicht ge­nug In­for­ma­tio­nen.

Sie brauch­te ei­nen Spe­zi­a­lis­ten.

Der füh­ren­de Ex­per­te auf die­sem Ge­biet, war aber Pro­fes­sor Fre­de­rik Ah­rens und der konn­te sie nicht lei­den.

Si­cher wür­de er schnell her­aus­fin­den, was die Wor­te be­deu­te­ten. Doch sie zwei­fel­te da­ran, dass er ihr et­was da­von ver­ra­ten wür­de. Sie woll­te je­doch un­be­dingt, das Grab öff­nen. Sie wür­de sich auf kei­nen Fall ab­schüt­teln las­sen, auch wenn sie der Pro­fes­sor noch so läs­tig fand.

Als To­bi­as zu ihr kam, hat­te sie sich so­weit be­ru­higt, sich ih­re Ver­är­ge­rung nicht an­mer­ken zu las­sen. Wie üb­lich war er in ro­man­ti­scher Stim­mung und sie spiel­te mit, ob­wohl ihr nicht nach dem Aus­tausch von Zärt­lich­kei­ten zu­mu­te war. Doch sie woll­te wie­der mit zum Harz­horn fah­ren und so um­garn­te sie To­bi­as und tat ganz auf lie­ben­de Freun­din.

Na­tür­lich nahm er sie am näch­sten Mor­gen wie­der mit, zu der Aus­gra­bungs­stät­te.


Als sie dort an­ka­men, war das Grab weit­flä­chig ab­ge­sperrt und Si­cher­heits­leu­te, waren ent­lang der Ab­sper­rung po­stiert. Ei­ner von ih­nen bau­te sich gries­grä­mig vor To­bi­as auf.

»Ich brin­ge not­wen­di­ge Un­ter­lagen für Pro­fes­sor Ah­rens«, stamm­el­te To­bi­as ein we­nig ein­ge­schüch­tert von dem vier­schrö­ti­gen Kerl, der ihm dem Weg ver­sperr­te.

Der wand­te sich um und brüll­te: »He Pro­fes­sor! Da ist ein Kerl mit ei­ner Men­ge Bü­chern, und ei­ne hüb­sche Klei­ne!«

»Der Kerl darf durch, die Klei­ne bleibt drau­ßen«, rief Fre­de­rik mit sei­ner schril­len Stim­me.

Mo­na sah To­bi­as ein­dring­lich an.

Der zog den Kopf ein. »Was soll ich denn ma­chen Mo­na? Er will dich nun mal nicht da­bei ha­ben!«, mein­te er klein­laut.

»Das gibts doch nicht! Bist du sein Schoß­hund?«, frag­te sie und stam­pfte wü­tend mit dem Fuß auf.

To­bi­as moch­te kei­ne Kon­fron­ta­tio­nen. Er zuck­te ent­schul­di­gend die Ach­seln und be­eil­te sich zu Fre­de­rik zu kom­men.

Der Wach­mann grins­te sie un­ver­schämt an.

Mo­na mach­te kehrt, ging ein Stück des Wald­we­ges zurück und setz­te sich auf ei­nen ge­fäll­ten Baum, der dort lag. Sie war­te­te, dass To­bi­as wie­der zurück­kam, doch das war nicht der Fall.

Nach ei­ni­ger Zeit wur­de ihr klar, dass er wohl mit dem Pro­fes­sor ganz mit der Ent­schlüs­se­lung der Zeichen auf der Stein­plat­te am Grab be­schäf­tigt war und so schnell nicht wie­der­kom­men wür­de.

Sie wä­re am liebs­ten wie­der nach Ber­lin zurück­ge­fah­ren, doch es in­te­res­sier­te sie bren­nend, was die bei­den raus­fin­den wür­den.

Schließ­lich ging sie zu dem Mann zurück, der die Ab­sper­rung be­wach­te.

Sie ig­no­rier­te sein hä­mi­sches Grin­sen, mit dem er sie emp­fing. »Sa­gen sie To­bi­as, ich bin ins Hotel ge­fah­ren, nach Ebers­hal­de und war­te dort auf ihn«, sag­te sie schnip­pisch. Sie war­te­te sei­ne Ant­wort nicht ab, ließ ihn ste­hen und mar­schier­te zu ih­rem Auto.

Sie wür­de sich in dem Kaff ein halb­wegs an­stän­di­ges Zim­mer su­chen und freu­te sich bei dem Ge­dan­ken, wie To­bi­as wohl alle Hotels ab­such­te, da sie ja selbst noch nicht wuss­te, wo sie ab­stei­gen wür­de.


Ver­är­gert stell­te Mo­na fest, dass Ebers­hal­de nur ein Hotel hat­te. Das war da­zu noch recht ein­fach, eher ei­ne grö­ße­re Pen­si­on, denn ein Hotel.

Der Tag wur­de immer bes­ser! Sie check­te ein, ging auf ihr Zim­mer und schmiss ih­ren Kof­fer aufs Bett. Dann mach­te sie sich ein we­nig frisch und ging hin­un­ter in die Hotel­bar.

Sie brauch­te ein­deu­tig et­was zu trin­ken.

Mo­na be­stell­te sich Wod­ka mit Eis, leer­te ihn run­ter und be­stell­te noch ei­nen.

Es war erst nach­mit­tags und die Bar war kaum be­sucht. In ei­ner Ecke lehn­ten zwei länd­lich wir­ken­de Bur­schen, mit ei­nem Bier in der Hand, die sie neu­gie­rig an­starr­ten.

Mo­na ig­no­rier­te sie. Sie ließ ih­ren Blick weiter durch den Raum schwei­fen und sah ei­nen Mann an ei­nem klei­nen Tisch sit­zen, der sie ru­hig be­ob­ach­te­te.

»Wow«, dach­te sie, »der sieht ver­dammt gut aus.«

Als hät­te er ih­re Ge­dan­ken ge­hört, nick­te er ihr leicht zu und lä­chel­te.

Mo­na lä­chel­te zurück und be­müh­te sich dann wo­an­ders hin­zu­schau­en, doch ihr Blick fiel nur auf die bei­den Land-Jun­ker und das Lä­cheln ver­ging ihr.

Sie hat­te das Ge­fühl, als wür­de sie der gut aus­se­hen­de Frem­de an­star­ren, sie konn­te sei­ne Bli­cke in ih­rem Na­cken ge­ra­de­zu füh­len. Sie zwang sich da­zu, sich nicht nach ihm um­zu­se­hen, und starr­te kon­zen­triert in ihr Glas.

»Wod­ka, so früh? Schön das ich nicht der Ein­zi­ge bin, der Hoch­pro­zen­ti­ges schon am Tag trinkt.« Er stand direkt ne­ben ihr.

Sei­ne Stim­me war dun­kel wie sein Haar und sie konn­te sein her­bes Par­füm rie­chen.

Als sie auf­blick­te, sah sie in hell­grü­ne, Augen, die sie selbst­si­cher be­trach­te­ten. »Hm, manch­mal muss das sein«, ant­wort­ete sie ein we­nig ver­le­gen. Er mach­te sie ner­vös, sei­ne Er­schei­nung war fas­zi­nie­rend.

»Neh­men sie noch ei­nen?«, frag­te er und deu­te­te auf ihr Glas.

Sie fand ih­re Si­cher­heit wie­der. »Ger­ne«, ant­wort­ete sie lä­chelnd.

Er be­stell­te und sie pro­ste­ten sich zu. »Sind sie ge­schäft­lich oder zum Ver­gnü­gen in der Stadt?«, frag­te er an­züg­lich.

»Nun, das weiß ich gar nicht so ge­nau. Hier in der Nä­he ist ei­ne Aus­gra­bung, ich bin Ar­chäo­lo­gin« , prahl­te sie, und tat als wür­de sie an der Aus­gra­bung teil­neh­men.

»In­te­res­sant«, mein­te er spöt­tisch, so als wis­se er, dass sie flun­ker­te.

Mo­na käm­pfte da­rum, die Rö­te, die ihr ins Ge­sicht ge­stie­gen war, zu ig­no­rie­ren. Sie war noch nie ei­nem Mann, mit ei­ner der­ar­ti­gen Aus­strah­lung be­geg­net.

Die Tür flog auf, und ein be­sorg­ter To­bi­as such­te mit sei­nen Bli­cken die Bar ab.

Als er Mo­na ent­deck­te, zeig­te sei­ne Mie­ne kur­ze Freu­de, um sich gleich zu ver­düs­tern, als er sah, dass sie nicht allei­ne war. »Ich ha­be dich ge­sucht Mo­na«, sag­te er und sah sie stirn­run­zelnd an.

Mo­na lä­chel­te über­le­gen. »Du hast mich ge­fun­den.«

Der Dun­kel­haa­ri­ge mus­ter­te die Bei­den amü­siert. Ihm war die Span­nung zwi­schen ih­nen nicht ent­gan­gen.

Just in dem Mo­ment öff­ne­te sich wie­der die Tür und Se­ve­rin kam her­ein mit ei­ner hüb­schen Blon­di­ne.

Der fas­zi­nie­ren­de Frem­de wid­me­te den bei­den sei­ne Auf­merk­sam­keit und wand­te sich dann an Mo­na und To­bi­as. »Ich darf mich ent­schul­di­gen und über­las­se sie nun ih­rem Freund. Si­cher ha­ben sie ei­ne Men­ge zu be­spre­chen.«

To­bi­as sah ihn bö­se an, doch der Dun­kel­haa­ri­ge lä­chel­te nur nach­sich­tig. Er ging zu Se­ve­rin und der Blon­den.

Mo­na ver­spür­te ein selt­sa­mes Be­dau­ern. Sie ig­no­rier­te To­bi­as eifer­süch­ti­ge Bli­cke und rief ihm nach: »Ich weiß nicht ein­mal ih­ren Na­men!«

Er dreh­te sich noch ein­mal zu ihr um. Sei­ne Augen glit­zer­ten spöt­tisch. »Ich bin Do­ri­an.« Da­bei wand­te er sich um und gab Se­ve­rin die Hand zur Be­grü­ßung. »Wie ich se­he, ha­ben sie Cor­de­lia schon ken­nen­ge­lernt. Ich darf mich doch set­zen?« Oh­ne ei­ne Ant­wort ab­zu­war­ten, setz­te er sich zu Se­ve­rin und sei­ner Be­gleit­erin.

Mo­na starr­te ihm nach und To­bi­as stups­te sie an der Schul­ter. »Wa­rum bist du ein­fach ver­schwun­den?«

»Das fragst du noch?«, brau­ste Mo­na auf. »Du hast mich dort am Grab wie ei­ne Idio­tin ste­hen las­sen und bist zu dei­nem Pro­fes­sor ge­eilt.«

To­bi­as sah schuld­be­wusst aus. »Ja, das tut mir auch leid, doch Fre­de­rik ist nun ein­mal eigen. Es ist sei­ne Aus­gra­bung, er be­stimmt, wer da­bei sein darf.«

Mo­na sah ihn ver­ächt­lich an, trank ihr Glas leer und ging. Den ver­dutz­ten To­bi­as ließ sie ein­fach ste­hen.

Götterfunken

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