Читать книгу Der Schrei des Phönix - Sabine Gräfin von Rothenfels - Страница 5
Kapitel 1 – Ex
ОглавлениеDieser verfluchte Mistkerl hat mir sieben Jahre gestohlen. Die besten Jahre. Als ich ihn kennenlernte war ich gerade süße 21 Jahre alt geworden. So jung. So naiv. Ich fiel auf diesen Blender rein. Er hat mir vorgemacht dass er der Beste und Zielstrebigste ist. Dass wir eine glitzernde Zukunft haben würden. Diese Mistmade!
Er hat mich betrogen mit dieser polnischen Hure! Und dann hat er auch noch beschlossen diese geldgierige Schlampe zu heiraten! Mann - muss die gut blasen. Ich hoffe sie nimmt ihn aus wie eine Weihnachtsgans!
Ich habe meinen Ex-Freund geliebt oder es wenigstens für Liebe gehalten. Immerhin habe ich Pläne gemacht für eine gemeinsame Zukunft. Er allerdings hat mich zum Schluss wie einen Gegenstand behandelt. Mich als selbstverständlich betrachtet aber nicht wichtig.
Er hat sich gern mit mir der hübschen, klugen, selbständigen Frau geschmückt wenn ihm danach war. Ansonsten hatte ich ruhig und bescheiden zu Hause zu sitzen während er seine Freiheit genoss.
Der sexuelle Teil hatte eigentlich immer zwischen uns gestimmt. Unsere körperliche Nähe war durchaus von Leidenschaft geprägt. Ich erinnere mich an eine Nacht in der wir tatsächlich sieben Mal (!) Sex hatten.
Freilich hatte ich nicht viele Erfahrungen in diesem Bereich, er war erst der zweite Mann für mich. Doch im Vergleich zu meinem ersten richtigen Freund schien mir unser Liebesleben sehr in Ordnung. Ich fühlte mich befriedigt und begehrt.
Ansonsten hat er mich nie wirklich ernst genommen. Er hat mir nie gesagt dass er mich liebt. Er hat auch nie vorgehabt mich zu heiraten, ein Haus zu bauen oder dergleichen - was man so als Zukunftspläne für ein Paar bezeichnet. Meine Wünsche und Gefühle waren ihm herzlich gleichgültig. Allein sein Wohlbefinden war in der Beziehung wichtig gewesen. Dann hatte er mich betrogen. Ich wusste es zuerst nicht, ich fühlte es nur. Ich konnte die andere förmlich an ihm riechen. Und das war absolut unverzeihlich. Etwas was ich nicht vergeben konnte und wollte.
Den Schlussstrich zog ich, zumindest geistig nur für mich, bei einer Sommerparty. Bei der Feier fungierte mein damaliger Freund als DJ und ignorierte mich den ganzen Abend total. Ich war wirklich total sauer über sein Verhalten. Ich hatte genug davon wie er sich aufführte. Genug von seiner Missachtung. Dazu kam dieses Gefühl nicht mehr die Einzige für ihn zu sein. Noch hatte ich keinen Beweis für seine Untreue doch konnte ich ihm nicht mehr vertrauen.
Da bin ich tatsächlich am Lagerfeuer mit ein paar netten Jungs ins Gespräch gekommen. Und diese jungen Männer nahmen mich gar nicht für selbstverständlich sondern durchaus für bemerkenswert. Besonders einer schien nicht nur nett und intelligent sondern auch sehr an mir interessiert zu sein.
Das war der entscheidende Punkt gewesen. Ich hatte erkannt dass es durchaus auch noch andere Männer gab. Männer die mich mit Respekt behandelten. Dass die Art und Weise wie mein Freund mit mir umging schlicht unakzeptabel war. Das war mir plötzlich ganz klar.
Bis ich dann tatsächlich den endgültigen Schlusspunkt setzte und meinen Wohnungsschlüssel von ihm zurück verlangte dauerte es noch fast zwei Wochen. In diesen Tagen kühlte die Beziehung, auch von seiner Seite aus, merklich ab. Er hatte so gut wie keine Zeit mehr für mich und das war mir mehr als recht.
Ich war noch nie sehr konfliktfreudig. Mir hatte vor der Auseinandersetzung gegraut. Schließlich wischt man mehr als sieben Jahre Beziehung nicht so einfach weg. Da schlug einfach mein stoisches norddeutsches Erbe durch.
Ich bin die Tochter einer Spanierin und eines echten Hamburgers.
Groß, blond und jene tiefgründigen dunkelblauen Augen. Blau wie die See. Meistens ruhig, manchmal aufbrausend. Unendliche Weite und Tiefe. So ist mein Vater. Er ist mein ideal für einen Mann.
Rein äußerlich würde uns niemand für Vater und Tochter halten doch unsere Seelen schwingen im gleichen Takt. Wir können nicht ohne Wasser. Ohne die salzige Seeluft und stets eine Handbreit Wasser unterm Kiel fühlen wir beide uns wie Fische auf dem Trockenen.
Meine Mutter Maria dagegen obwohl auf einer Insel aufgewachsen verabscheut das Meer zutiefst. Montanias, die Berge und trockenes südliches Klima, das ist nach dem Geschmack von Mama.
Hamburg war daher auch immer nur eine Übergangslösung für sie. Auch als sie dort ihre große Liebe fand war es nie eine Option für sie dauerhaft im kühlen, flachen Norden der Republik zu leben.
Wie es unsere kleine Familie dann schließlich in die Kleinstadt in der Nähe von München verschlagen hat konnten weder mein Vater noch ich wirklich beantworten. Meine Mutter war immer gut darin gewesen das Leben unserer Familie zu lenken und zu organisieren. Maria versteht es ihren Willen durchzusetzen. Als Bauingenieur kann Papa schließlich überall arbeiten. Irgendwie hatte sie eine Stelle für ihn nahe den bayrischen Alpen gefunden und uns dahin verfrachtet bevor wir dagegen protestieren konnten.
Mein Vater und ich machten das Beste aus der Situation. Der bayerische Süden hatte ja auch seine Reize. Jede freie Minute gingen wir schwimmen, segeln oder Motorbootfahren. Chiemsee, Ammersee oder Starnberger See boten zum Glück genügend Möglichkeiten für uns zwei Wasserratten. Nur der Ozean mit Wind und Wellen fehlte uns.
Meine Mutter schüttelte über diese Aktivitäten nur den Kopf. Sie genoss währenddessen die Museen, den spanischen Kulturclub oder die schicken Münchner Boutiquen. Mit den Jahren haben wir uns alle drei mit dem Leben in Bayern arrangiert, wir fühlen uns heimisch. Ich habe mein Abitur gemacht, die Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin abgeschlossen und dann habe ich meinen Ex-Freund kennengelernt.
Ich war in der kleinen Stadt inzwischen so verwurzelt dass es mir gar nicht in den Sinn kam wieder nach Hamburg zu gehen. Auch die Großstadt reizte mich nicht mehr. So nahm ich mir eine kleine Wohnung in der Nähe des Hauses meiner Eltern und lebte dort mehr oder weniger alleine. Mein damaliger Freund war gewöhnlich nur an den Wochenenden da.
Dann war auch das vorbei. Sein Rückzug kam mir sehr entgegen und ich traf mich immer häufiger mit meinen neuen Freunden von der Openair-Party.
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Ich hoffe Du hast die Hölle auf Erden!
Diese Frechheit! Mir vorzulügen du müsstest sie heiraten damit sie in Deutschland bleiben kann. Das arme Mädchen. Was geht dich diese Polin an? Du wolltest sie vögeln, so einfach ist das.
Du wolltest eine Sexsklavin für die du nicht zahlen musst. Eine die alles mitmacht. Fürs Puff bist du nämlich zu geizig.
Fick dich! Ich brauche dich nicht du Wurm! Für mich beginnt jetzt ein neues Leben!
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Mein neuer Freundeskreis hat sich noch um weitere Kumpels erweitert. Alle sind junge nette Männer. Sie werden von mir allgemein nur die „Band“ genannt. Sie waren ja auch einmal eine Schülerband. In den goldenen achtziger Jahren.
Alles liebe, hübsche Burschen in verschiedener Couleur. Bestimmt waren sie sehr angesagt gewesen. Damals. Doch seit dem Schulabschluss waren sie nicht mehr auf der Bühne gestanden. Sie kamen auch nur noch selten zusammen. Alle kamen nie mehr zusammen. Beim Abiball hatten die sechs Jungs zuletzt gespielt. Gefeierte Helden waren sie gewesen.
Damals kannte ich sie noch nicht, die Bandjungs waren zwei bis drei Jahre jünger als ich. Das spielt aber jetzt keine Rolle mehr. Damals natürlich schon, mit 15 beziehungsweise 18 sind drei Jahre Altersunterschied eine Ewigkeit. Mit 18 haben jüngere Jungs für mich nicht existiert und ich war für sie wohl kaum interessant. Die Band gab es bei meinem Abschluss auch noch nicht. Das kam dann erst später als ich schon nicht mehr zur Schule ging.
Der Bandleader und Sänger war Ali. Ein gutaussehender Junge mit dunklem Haar und schwarzen Augen. Er hatte am meisten gefeiert. Seinen Sieg über seinen Vater der wollte dass sein Sohn den Gemüseladen übernahm. Ali hatte mit einem Notendurchschnitt von 1,5 abgeschlossen, hatte seinen Studienplatz in Molekularbiologie sicher. Er hat die Bewunderung der Mädchen genossen. Er hatte getrunken. Viel. Zu viel.
Niemand hatte bemerkt wie er auf das Flachdach der Sporthalle geklettert war. Niemand hatte gemerkt als er in die Tiefe stürzte. Elf Meter. Seit dem war keiner der zurückgeblieben Bandmitglieder mehr auf eine Bühne gegangen. Es war vorbei.
Michi hat mir das erzählt. Allein, im Dunkeln. Ich konnte die Tränen in seinen Augen nicht sehen aber ich konnte sie spüren.
Nach Alis Tod hat sich alles verändert. Zwar waren sie noch Freunde doch jeder hatte sich in eine andere Richtung entwickelt. Sieben Jahre waren vergangen. Die Jungs waren zu Männern geworden, hatten studiert, gearbeitet, Freundinnen gehabt. Jedenfalls fast alle.
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Als ich sie kennenlernte war Stillstand eingetreten. Aus verschiedenen Gründen waren wir alle mehr oder weniger ungewollt Singles. Die Band und ich bildeten eine kleine Gemeinschaft von "Zwangsjunggesellen".
Eigentlich war ich ja froh meinen Ex los zu sein. Bevor er mir noch mehr Schmerz zufügen konnte. Bevor er mir noch mehr Lebenszeit stehlen konnte. Er war nicht das gewesen was er vorgegeben hatte.
Es ist Zeit ein neues, besseres Leben aufzunehmen. Ich will leben, ich will lieben, ich will geliebt werden!
Da ist Paul - der Stille. Der Schüchterne der es nie gewagt hätte eine Frau anzusprechen aber mich kennt er ja jetzt schon. Er hält sich für unattraktiv. Dabei kann man (ich auf jeden Fall) über seine Aknenarben durchaus hinwegsehen und seine blauen Augen sind einfach nur hübsch und er hat die schönsten Wimpern die ich je an einem Mann gesehen habe. Sie sind dicht und dunkel wie sein Haar. Ich finde den ehemaligen Keybordspieler super süß. Er strahlt etwas Sinnliches aus, ich möchte ihn einfach ständig berühren.
Unglücklicherweise hat er ziemlich große Ansprüche an seine Traumfrau die wie gewünscht wohl kaum existieren dürfte. Selbst wenn, dann müsste sie ihm schon von selbst auf den Schoß springen. Soweit ich das aus den Gesprächen herausgehört habe hatte er noch nie eine richtige Freundin.
Mein Seelenverwandter ist Andy. Zum Glück kein Mann in den ich mich verlieben könnte. Vom Verlieben habe ich vorerst die Nase voll.
Er ist etwas kleiner als ich und hat rotbraune Locken. Ich finde nur Männer attraktiv die größer als ich sind. Ich möchte zu meinem Partner aufschauen. Aber sonst verstehen wir uns echt prima. Er ist mir recht ähnlich im Wesen. Und er ist gern mit Frauen befreundet wie es aussieht. Wir mögen die gleiche Musik, die gleichen Leute und lachen viel zusammen.
Flori ist das Genie der Gruppe. Der Komponist und Bass-Spieler. Blond und schlaksig. Ein Tollpatsch. Immerzu muss man aufpassen dass er nicht fällt oder sich stößt. Er ist mit den Gedanken immerzu in den Wolken. Flori ist so eine Art verwirrter Professor.
Seine ein bisschen hilflose aber dabei immer hilfsbereite Art macht ihn so sympathisch. Seine rehbraunen Augen lachen jeden an. Immer hat er für andere ein offenes Ohr und einen guten Ratschlag.
Er weiß alles, kann vieles und jeder Mensch mag ihn einfach gerne. Das trifft allerdings auch auf die Frauen zu. Sie mögen ihn einfach aber sie verlieben sich nicht ihn. Das ist Floris Tragödie und das Einzige was ihn runter ziehen kann.
Schließlich ist da noch der kleine Michi, derjenige der mir seit dem ersten Treffen den Hof macht (sagt man das heute noch?) und so aufmerksam zu mir war.
Ich nenne ihn nicht klein weil Michi tatsächlich so klein ist, er hat durchaus Normalgröße. Er ist sogar irgendwie der Typ auf den ich so fliege. Mittelgroß, blond, babyblaue Augen und nett. Ich bezeichne ihn als klein weil er ungefähr so viel Lebenserfahrung hat wie ein Fünfjähriger. Er ist so naiv und hat einfach keinen Stil und keine Ausstrahlung. Unglücklicherweise ist er in mich verliebt. Und so sehr ich ihn auch mag als Mann kann ich ihn einfach nicht ernst nehmen.
Das also ist die kleine Gruppe mit der ich jetzt den größten Teil meiner Freizeit verbrachte.
Der beste Freund von Flori und Paul ist Richard. Auch ein ehemaliges Mitglied der „Wild Tigers“ wie die Schülerband sich genannt hatte. Allerdings ist er seltener mit seinen ehemaligen Schulkameraden unterwegs. Mit den Jahren hat er sich ziemlich „abgenabelt“.
Als wir uns kennenlernten waren wir uns auf Anhieb sympathisch. Richard ist so wie ich mir einen Mann vorstelle. Er ist so lustig und unterhaltsam. Der Schlagzeuger. Wild. Vom Aussehen her der Surfertyp, ein wenig wie mein Vater. Aber die Badboy-Version.
Sein Haar ist etwas zu lang, die Haut zu gebräunt, seine Augen schon fast violett statt blau. Seine Klamotten zu lässig. Er fährt Motorrad, flucht, raucht. Männlich eben.
Es dauerte gar nicht lang und wir waren die besten Freunde. Unternahmen viel zusammen. Freuten uns unserer Gesellschaft. Doch wie es so ist ich fühlte mehr als bloße Freundschaft. Es funkte ganz gewaltig. Knisternde Erotik wie man so schön sagt. Richard und ich waren wie zwei Kometen die durch das All aufeinander zurasen und explodieren. Ein gewaltiger Knall und dann Stille.
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Ein Schlag ins Gesicht hätte nicht schmerzvoller sein können als die Worte die er zu mir sprach als ich sein Haus, sein Bett, seine Arme verlassen hatte.
All die Glückseligkeit die in diesem Moment in mir war wurde mit einem Satz vernichtet: "Es war ein Fehler."
Ich fühlte mich beschmutzt, benutzt. Wir waren Freunde gewesen und jetzt? Was waren wir jetzt? Gab es ein Wort für diesen Zustand? Wir waren mal Freunde, ich hatte gedacht wir könnten auch Liebende sein. Was waren wir jetzt?
Ich dachte nicht dass ich diesen Zustand ertragen könnte. Aber ich konnte es.
Wir bewegen uns aufeinander zu und wieder voneinander weg.
Wir benehmen uns als sei nie etwas gewesen.
Wie gute Freunde sitzen wir am Tisch und reden und lachen. Aber die Spannung ist fast nicht auszuhalten.
Ich bin ständig versucht ihn anzufassen. Meine Hände strecken sich ihm flehentlich entgegen und haben gleichzeitig Angst vor der Zurückweisung.
Meine Augen hängen an seinen Lippen die so sanft und doch so stürmisch meinen Körper liebkosen könnten.
Wir sind uns so oft so nah, küssen und umarmen uns gar. Ich kann die Leidenschaft fühlen die auch in ihm brennt doch er stößt mich immer wieder zurück. Läuft vor mir weg. Er hat scheinbar Angst vor mir.
Was könnte ich ihm schon tun? Ich bin doch ganz und gar in seiner Hand. So ziemlich alles würde ich für ihn tun. Bin so glücklich wenn ich nur in seiner Nähe sein darf und gleichzeitig quält es mich so.
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Mein Leben zieht einfach so vorüber. Es ist als würde ich es gar nicht selbst führen. So als ob ich nur ein unbeteiligter Zuschauer am Rande bin. Die Zeit verstreicht einfach so von Wochenende zu Wochenende. Von Treffen zu Treffen. Wenn er es nicht zulässt dass wir uns sehen ist mein Leben langweilig und einsam.
Manchmal ertrage ich es nicht mehr und gehe unter Leute. Aber ich fühle mich dann wie von einem anderen Stern. Ich stehe zwischen 120 Menschen und bin absolut allein! Ich höre und sehe was um mich herum geschieht aber ich nehme es nicht wahr. Es perlt an mir ab wie Regen von einer Plastikplane. Nichts dringt zu mir durch.
Allein seine Augen bringen Leben in mich. Ein Zustand von dem ich vermute dass ich ihn nicht mehr lang durchhalten werde. Ich bin wie besessen.
Er ist mein letzter Gedanke bevor ich einschlafe und der erste wenn ich aufstehe. Sein Name ist sogar das Passwort zu meinem PC. Gottlob habe ich wenigstens etwas Ablenkung durch die Arbeit in der Kanzlei. Es ist so viel los dass ich höchstens dreimal am Tag Zeit habe an ihn zu denken.
Der Gedanke an Urlaub ist mir verhasst. Ich würde ihn gern mit ihm, mit Richard, verbringen. Dabei weiß ich genau dass er das nie zulassen wird. Trotzdem ich sehne mich nach dieser gemeinsamen Zeit in der wir allein sind, weg vom Alltag.
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Vielleicht war ich nicht immer der beste Mensch auf der Welt. Es kann schon sein, dass ich auch noch einiges an den Männern gutzumachen hatte. Als Teenager habe ich manches Herz gebrochen aber nicht böswillig sondern im Gegenteil weil ich keinen der Jungen verletzten wollte. So war ich manchmal mit Zwei oder Dreien gleichzeitig zusammen.
Aber ich finde jetzt habe ich doch mal wieder etwas Glück in der Liebe verdient. Man geht doch viel sicherer durchs Leben wenn man einen Partner hat.
Er ist der erste Mann für den ich sogar ein Kind bekommen würde, wenn es ihn nur glücklich macht.
Ja tatsächlich, auf einmal ist der Gedanke zu heiraten und eine Familie zu gründen gar nicht mehr so abwegig. Immerhin bin ich kein junges Mädchen mehr. Und er ist eben genau das was ich mir immer gewünscht habe.
Gut aussehend, klug, zärtlich, leidenschaftlich, humorvoll und nicht mal ein armer Schlucker, sogar mit eigenem Haus. Meine Eltern wären sicher begeistert.
Dabei darf ich es niemand sagen, erst muss Klarheit herrschen. Kein Mensch darf erfahren wie verzweifelt ich Richard liebe.
Ich kann mir nicht erklären was seine Faszination auf mich ausmacht. Mein Unvermögen seine gefühlmäßige Ablehnung zu akzeptieren. Bisher war ich über jeden Verflossenen gut hinweggekommen, allerdings war normalerweise auch ich diejenige die die Beziehung beendete. Ich fühle mich so unendlich wohl in seiner Nähe. Am liebsten würde ich in ihn hinein kriechen, so eng will ich bei Richard sein.
Nie verspürte ich vorher ein derart intensives Gefühl der Sicherheit. Auch das größte Abenteuer wäre ich bereit zu wagen, an seiner Seite kenne ich keine Angst. Er ist wie die Sonne nach einer dunklen Nacht.
Alles was er sagt ist so amüsant. Ich selbst habe mich immer nur als nichtssagend empfunden.
Ist er bei mir, blühe ich auf, lebe intensiver und werde selbst interessanter.
Es ist schwer zu erklären. Ohne ihn fühle ich mich irgendwie nicht ganz komplett.
Heißt das Sprichwort nicht „jeder Topf findet seinen Deckel“? Er ist wohl mein Gegenstück.
Gespräche mit anderen langweilen mich. Ohne ihn sehe ich mich immer nur suchend um als müsste er gleich zur Tür hereinkommen.
In mir ist Ratlosigkeit. Wie könnte ich mich nur an den Gedanken gewöhnen ohne ihn zurechtzukommen? Was soll ich tun? Ich kann mich ja schlecht in die Grube legen und warten dass jemand zuschüttet.
Ich war schon öfter verliebt, meistens nur Strohfeuer und wenn ernsthaft dann immer in die falschen Männer. Es ist wohl mein Schicksal dass ich nur auf schwierige Typen fliege. Eine einfache nette Beziehung reizt mich nicht. Wenn ich daran denke was die Beziehung vor Richard mich Nerven gekostet hat. Viel Schmerz und Enttäuschung war darin und doch hatte ich lange daran festgehalten als gäbe es nichts anderes.
Die Welt ist voll von Männern, wieso kann ich eigentlich niemals den richtigen treffen? Wieso kann der den ich für den richtigen halte nicht dasselbe für mich empfinden?
Mein Leben war schon immer kompliziert, ein wenig außerhalb der Bahn, abnormal. Aber so schlimm wie jetzt war es nie. Ich litt immer an Selbstmitleid, hielt mich für den Dreh- und Angelpunkt der Welt. Vielleicht das Einzelkindsyndrom.
Wahrscheinlich habe ich jetzt einfach den Punkt in meinem Leben erreicht wo ich doch ganz gern ein "normales" Leben führen würde. Ich bin es leid immer gegen den Strom zu schwimmen. Immer schon hatte ich andere Ziele als andere Menschen. Ich war noch nie ein Herdentier. Ich hatte immer meinen eigenen Stil.
Am wohlsten fühle ich mich immer allein oder zu zweit. Auf Partys beispielsweise komme ich mir vor wie ein Fremdkörper. Es sei denn es sind lauter Männer dort dann fühle ich mich wohl wie die Made im Speck.
Überhaupt kann ich mit den meisten Frauen nichts anfangen. Schon als Kind habe ich immer mit Jungs gespielt.
Ich hatte immer den Ehrgeiz schneller, mutiger und klüger als alle zusammen zu sein. Damit die Jungs mich bewunderten, als zugehörig betrachten. Mit Männern kann ich reden, mit Frauen nur Small talk machen.
Ich genieße es wenn ich allein dadurch eine Frau zu sein im Mittelpunkt stehe. Es ist so eine Wohltat wenn gleich mehrere Augenpaare mir sagen dass ich gut aussehe. Das ist purer Balsam für die Seele.
Ich flirte für mein Leben gern. Typisch für im Sternzeichen Waage geborene.
Wahre Freundschaft, so denke ich, kann mich nur mit einem Mann verbinden. Obwohl das furchtbar schwierig ist. Entweder will der Kerl was von mir oder umgekehrt, so läuft es meistens früher oder später.
So ist es doch auch mit Richard. Wir hätten ganz gut nur Freunde sein können wenn es nicht so gefunkt hätte. Aber nach dem ersten Kuss gab es kein Zurück mehr, ich hatte Blut geleckt.
Damals war ich auch schon eine Weile auf Zärtlichkeitsentzug. Schließlich habe ich auch Bedürfnisse, gelegentlich kommt eben doch so was wie das spanische Temperament meiner Mutter in mir hoch.
Ich habe in meinem Leben schon viele Männer geküsst, aber dieser Mann ist wie ein Magnet. Ich komme nicht mehr von ihm los.
Es blieb auch nicht bei dieser einen näheren Begegnung. Wir haben immer wieder geknutscht und gekuschelt und immer wieder hat er mir gesagt dass er mich nicht liebt (also so nicht direkt gesagt).
Ich will trotzdem mit ihm zusammen sein. Ich würde es auch akzeptieren ausschließlich auf freundschaftlicher Basis Zeit mit ihm zu verbringen doch er kann seine Hände nicht von mir lassen und ich habe nicht die Stärke es nicht zu genießen.
Es ist eine Tragödie ersten Ranges!
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So viele Male habe ich vergeblich auf seinen Anruf gewartet und genauso oft habe ich mir geschworen nicht wieder schwach zu werden.
Es ist schwer aber schließlich versuche ich es durchzuhalten. Ich weiß ihm nachzulaufen ist das verkehrteste was ich tun kann. Ich habe es satt mich noch mehr zum Narren zu machen. Wenn es denn sein soll werde ich die Zähne zusammenbeißen und ihn vergessen.
Ich vergehe fast vor Sehnsucht. Ich gehe mit der Band aus und denke dabei immer nur an Richard.
Zu allem Übel versucht der kleine Michi wieder anzubändeln aber ich habe ganz andere Probleme. Ich mag ihn ja gerne aber erotisch gesehen spielt sich da Null ab. Für mich gibt es nur Richard. Mein Herz, meine Sehnsucht ist immer bei Richard.
Obwohl mir ganz klar ist dass er nicht kommen wird quäle ich mich selbst mit der Hoffnung dass er doch plötzlich vor meiner Türe steht oder seine Stimme auf dem Anrufbeantworter ist. Einmal war ich ganz nah dran ihn anzurufen.
Es war so traumhaftes Wetter und ich hatte so gar nichts zu tun. Was hätte schöner sein können als mit ihm eine Motorradtour zu machen? Ich hätte IHM ganz nah sein können, mein Leben in seiner Hand.
Oh Gott! Es ist so schwer, ich drehe fast durch. Ich will nicht an ihn denken, nicht kapitulieren. Es heißt, was uns nicht umbringt macht uns härter. Der Ablösungsprozess ist schmerzhaft. Ich fluche, ich schimpfe.
Er tut mir so viel an mit seiner Nichtbeachtung. Wie kann er mich einfach ignorieren? So als wäre nie ein Gefühl zwischen uns gewesen. Habe ich mich so getäuscht? So viel Leidenschaft, diese Zärtlichkeit kann man sich doch nicht einbilden.
Wieso ruft er mich nicht an? Ein einziger kleiner Anruf wenigstens um mir zu sagen weshalb denn nichts aus uns werden kann.
Vielleicht wäre ich dann leichter damit fertig geworden. Immerzu quälten mich Fragen um Ihn:
"Wo bist du gerade? zu Hause? Unterwegs?
Lieber Gott, mach dass er mich anruft. Ein Abend, mehr verlange ich gar nicht. Ein Gespräch, ein Kuss, eine Nacht. Eine Nacht könnte alles ändern. Oh bitte mach dass er mich anruft, bitte!"
So dachte ich damals.
Wenn Richard nur einsehen würde dass ich die richtige Frau für ihn bin würde das zwei Menschen auf dieser Welt glücklich machen.
Er könnte alles erreichen, mit mir an seiner Seite. Ich wäre alles was er sich immer gewünscht hätte. Ich weiß ich würde ihn sehr glücklich machen.
An diesem Nachmittag ist dann natürlich gar nichts mehr passiert.
Es ist ein Samstag und ich habe keine Lust mit den anderen loszuziehen.
Im Fernseher läuft gerade ein alberner Schlager. Der Text passt auf mich. So ziemlich jeder Lovesong passt zu meiner Situation. Ich fühle mich allein gelassen - voll Sehnsucht nach meinem Liebsten.
Gott wie kitschig. Ich muss aufhören solchen Käse zu denken.
Eine Sonntagnacht zwei Wochen später.
Noch immer habe ich nichts von Richard gehört. Der einzige der mich dauernd anruft ist der kleine Michi. Ich nehme mir fest vor etwas dagegen zu tun, der arme Junge hat sich völlig in die Idee verrannt mit mir was anzufangen. Aber ich finde irgendwie nicht die richtigen Worte, so beschränke ich mich darauf ihm auszuweichen.
Ich fühle mich allein, absolut beschissen. So viel Mühe ich mir auch gebe, Richard geistert weiter durch meine Gedanken. Was soll ich nur tun? Ratlosigkeit, Leere, Angst.
Ich brauche dich!
Jedes Mal wenn ich ein Motorrad sehe oder höre macht mein Herz einen Sprung. Wieso quäle ich mich so? Ich weiß doch genau dass er es nicht ist der dort vorüber fährt.
Im Namen der Liebe, ruf mich an, ich vermisse dich so! Deine Augen, unsere Gespräche, das Lachen. Ich möchte wieder lächeln können wenn ich an dich denke.
Dicke Tränen kullern über meine Wangen. Mach dass ich wieder lachen kann.
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Die Zeit verrinnt. Mein Leben bleibt leer und einsam. Ich habe das Gefühl das nichts wichtiges mehr geschieht.
So gut wie nichts berührt mich mehr. Ich dachte es würde leichter je mehr Zeit vergeht. Aber es wird immer schwerer.
Ich fühle mich schwerelos. Als würde ich ohne Anker und ohne Antrieb durchs All treiben. Wie lange soll das noch so weitergehen? Ich wünsche mir endlich einen neuen Sinn in meinem Leben entdecken zu können.
Es gab mal eine Zeit da habe ich Spaß gehabt, war fröhlich und ausgelassen. Das ist 1000 Jahre her.
Ich laufe nur noch rum wie ein Trauerkloß. Sogar in Gesellschaft sitze ich meist nur stumm da und bedauere mich. Es scheint als hätte ich es verlernt mich zu unterhalten, locker zu sein. So kann es nicht weitergehen.
Einmal will ich noch einen Versuch starten, ein wenig fröhlicher sein, keinesfalls vor drei Uhr früh nach Hause gehen. Wenn es nicht anders geht werde ich auch allein los ziehen.
Eventuell lerne ich ja endlich neue Leute kennen. Schließlich soll man die Hoffnung nicht aufgeben. Auch ein blindes Huhn... und so weiter.
Mein eigentlicher Antrieb dabei ist natürlich Richard zu begegnen. Ich würde es nie zugeben aber ich kann mich nicht selbst belügen.
Ich hoffe einfach auf den großen Zufall ihm zu begegnen und eine Chance zu haben.