Читать книгу Kind der Drachen – Traum oder Wirklichkeit? - Sabine Hentschel - Страница 6
Kein Ende in Sicht
ОглавлениеTara stand direkt neben mir: »War es das jetzt?«
»Wir werden sehen! Jetzt können wir nur abwarten. Zieht euch erst einmal etwas Warmes an. Ihr seid doch bestimmt halb durchgefroren.«, sagte Niel zu uns, während er neben uns trat. Tara und ich nickten zustimmend und gingen gemeinsam nach oben. Ich war so angespannt, dass ich eine Weile brauchte, um mich wieder zu sammeln. Ich holte ein paar Mal tief Luft, um mich zu entspannen. Dann erst konnte ich mich zurückverwandeln. Während wir nach oben liefen, nahm Niel Kira zur Seite: »Du musst etwas für mich tun!«
Kira blickte ihn lächelnd an: »Ja. Was denn?«
Daraufhin blickte Niel erneut nach oben, um sicher zu gehen, dass wir im Schlafzimmer verschwunden waren:
»Oben in der Lounge liegt ein blauer Rucksack. Hol ihn dir und pack ein paar Sachen für Emma, Cara und mich ein.« Kiras Gesichtsausdruck änderte sich innerhalb einer Sekunde.
»Wieso?«, fragte sie aufgeregt.
»Niel hat Recht. Wir sollten vorbereitet sein.«, antwortete Osiris und strich ihr sanft über die Schulter.
Kira schüttelte daraufhin den Kopf: »Was meint ihr?«
»Wir haben gegen die Gesetze verstoßen. Sie werden kommen, um uns festzunehmen.«, fügte Niel an.
»Aber Marces?«, Kira wollte Niels Worte nicht hören.
Das konnte doch nicht wahr sein? Sollte nach der Schlacht nicht endlich alles vorbei sein?
»Marces wird nichts für uns tun. Er ist nur damit beschäftigt dafür zu sorgen, dass Cara in seinem Besitz bleibt. Es geht ihm nur um sich selbst!«, erklärte Niel ihr weiter, während er aus dem Augenwinkel Emma beobachtete, die gerade in der Küche saß und ihren Kakao trank: »Ich bringe Emma in Sicherheit. Anschließend ziehe ich mich in unser Versteck zurück.«
Danny, der noch neben Emma stand, weil er ihr den Kakao gemacht hatte, bemerkte Niels Blick und trat an die Drei heran.
Niel wandte sich daraufhin ihm zu: »Sorg dafür, dass sie ein Konzil einberufen. Nur dort können wir unsere Situation schildern. Das Gericht verurteilt uns, ohne das wir zu Wort kommen.«
»Das heißt, du willst immer noch alle Schuld auf dich nehmen, wenn sie hier auftauchen?«, hakte Danny nach. Niel nickte zustimmend.
»Aber wieso soll ich dann auch Sachen für Cara einpacken?«, erwiderte Kira.
»Falls sie Cara auch festnehmen wollen, nehme ich sie mit!«, antwortete Niel.
Kira wollte noch etwas anfügen, aber Danny deutete ihr an es dabei zu belassen. Woraufhin sie nach oben eilte, um die Sachen zusammen zu suchen.
Danny folgte ihr: »Ich brauche erst einmal was bequemeres!«
Elen und Le hatten sich bereits umgezogen und kamen im selben Moment wieder herunter. Die Stimmung war sichtlich angespannt. Deshalb dauerte es nicht lange bis Le die anderen verunsichert fragte: »Was ist los?«
Niel klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter: »Ich werde die Schuld auf mich nehmen und untertauchen.«
Le runzelte verwundert die Stirn und erwiderte: »Du bist also auch der Meinung, dass sie uns verhaften werden.«
Niel schmunzelte verhalten: »Ja. Wir haben in ihren Augen Unrecht getan. Das werden sie nicht auf sich beruhen lassen.«
Le seufzte leise: »Ich denke auch, dass sie uns befragen und bestrafen werden. Aber wir sollten uns ihnen stellen. Wenn du jetzt verschwindest, kommt das einem vollem Geständnis gleich. Wie willst du dann noch auf ihr Urteil Einfluss nehmen?«
»Das Urteil der Richter werden wir nicht ändern können, was wir brauchen ist ein Urteil aller Unsterblichen.«, erwiderte Niel entschlossen.
Le grummelte vor sich hin: »Das gefällt mir nicht. Ich finde das nicht gut. Wir sollten zusammenbleiben. Vielleicht kann Marces uns helfen.«
»Marces hat nie auch nur einen Gedanken an uns verschwendet.«, antwortete Niel böse.
Le kratzte sich daraufhin am Kopf: »Ich muss zugeben, seine Abwesenheit lässt darauf schließen, dass es nur um Cara geht.«
Dann seufzte er abermals: »Ich bin nicht zufrieden damit, aber gut. Geh. Bring dich in Sicherheit. Wir kümmern uns um den Rest. Sturkopf.«
Niel klopfte ihm dankend auf die Schulter: »Danke. Emma und Cara werde ich mitnehmen. Zur Sicherheit!«
»Glaubst du wirklich, er würde zulassen, dass man sie festnimmt?«, erwiderte Le Stirn runzelnd.
»Das nicht. Aber soll ich sie einfach bei ihm lassen?«, Niel blickte Le mit einem durchdringenden Blick an: »Er ist nicht gut für sie. Jetzt habe ich die Chance ihr das zu zeigen!«
»Es ist immer noch ihre Entscheidung!«, erwiderte Le. Er war sichtlich hin- und hergerissen.
»Darum geht es nicht. Ich will nur wissen, wie stark sein Einfluss auf sie ist.«, fügte Niel beschwichtigend an.
Le grummelte leise, beließ es aber dabei. Er hätte Niel so oder so nicht vom Gegenteil überzeugen können.
Stattdessen ging er zu Emma, die sich mittlerweile mit Elen ins Esszimmer verzogen hatte.
Osiris bekräftigte Niel: »Du tust das Richtige!«
Während er versuchte Niel Mut zu machen, kamen Danny und Kira zurück. Kira übergab Niel den gepackten Rucksack, ohne ein weiteres Wort zu verlieren und trat dann ins Esszimmer zu den anderen.
Sie drückte Emma fest an sich. In der stillen Hoffnung sie doch nicht wieder hergeben zu müssen. Danny blieb bei Niel und Osiris.
»Was ist mit den anderen?«, fragte er die beiden.
Niel wandte sich abermals Osiris zu: »Sollte es schwieriger werden als gedacht, sie davon zu überzeugen, dass ich die Verantwortung trage, taucht Osiris mit Le und Kira unter. Ich denke, Elen wird dir keine Sekunde mehr von der Seite weichen. Sonst würde ich vorschlagen du schickst sie zu Freunden.«, antwortete Niel Danny.
»Schaffst du das?«, fügte Osiris an.
Danny blickte zu Elen, die ihn keine Sekunde aus den Augen ließ: »Ihr könnt euch auf mich verlassen. Bevor wir kein Konzil einberufen haben, werde ich euch nicht verständigen.«
Daraufhin gab er ihnen einen Handschlag, um es zu besiegeln. Plötzlich wurden sie still.
»Riecht ihr das!«, sagte Osiris.
»Wir bekommen Gesellschaft!«, fügte Danny an.
»Sie sind schneller, als ich dachte!«, antwortete Niel.
Im selben Moment liefen Tara und ich wieder hinunter zu den anderen. Zu meiner Überraschung hatten sich die anderen bereits alle wieder unten versammelt und zurückverwandelt. Elen, Danny und Le hatten sich bereits umgezogen. Kira und Osiris trugen wie immer noch ihre Schuppen-Klamotten. Niel seltsamerweise auch. Er stand sichtlich angespannt im Flur und unterhielt sich mit Danny und Osiris. Kira, Elen, Le und Emma saßen im Esszimmer.
Als Niel uns bemerkte, reagierte er sofort: »Geht bitte ins Esszimmer!«
»Wieso?«, hakte ich nach.
Tara und ich standen noch immer auf der Treppe.
»Tut, was ich sage!«, antwortete Niel energisch.
Er wollte noch etwas anfügen, aber die Türklingel unterbrach ihn. Alle starrten auf die Tür.
Ich hoffte inständig, dass es Marces war oder Partu mit einer Nachricht. Niel gab Osiris ein Zeichen, die Tür zu öffnen. Die Tür quietschte laut und da stand sie.
»Lilly!«, flüsterte ich erschrocken.
»Das wird ein Nachspiel haben!«, sagte sie wütend.
Dann trat sie energisch mit drei Begleitern in den Flur und stieß dabei Osiris unsanft zur Seite.
»Wer bist du? Und was willst du hier?«, fragte Niel energisch, während er sich ihr entschlossen entgegenstellte.
Lilly lachte laut: »Ich bin Lilly. Die zweite Stellvertreterin des Hüters und Mitglied des Gerichts der Unsterblichen. Eure Taten werden nicht ungestraft bleiben.«
»Was wirft man uns vor?«, erwiderte Niel.
»Ihr habt Carl und seine Kinder getötet und da steht der Beweis!«, sagte sie und deutete auf das Schwert.
Woraufhin es einer ihrer Begleiter sofort an sich nahm.
»Ich ganz allein habe das zu verantworten. Sonst keiner!«, rief Niel sofort.
Lilly runzelte die Stirn: »Du übernimmst die volle Verantwortung für diese Morde?«
Niel nickte: »Ja. Ich habe sie getötet. Alle samt. Sonst war keiner beteiligt.«
Daraufhin lachte Lilly laut: »Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Aber gut, ich verschone die anderen. Bis zum Prozess wirst du für sie alle ins Gefängnis wandern.«
Niel antwortete nicht. Er wusste, jedes Widerwort würde die anderen in Gefahr bringen.
»Was ist mit Emma?«, hakte Danny nach.
Lilly blickte an ihm vorbei ins Esszimmer: »Die Kleine nehme ich auch mit. Die königliche Vampirfamilie wird sich um sie kümmern. Ich hoffe, sie hat einen Nutzen für sie. Ansonsten …«
Sie ließ den Satz unbeendet und grinste stattdessen höhnisch. Keiner von uns mochte sich vorstellen, was sie mit ihr machen würden. Osiris wollte daraufhin etwas erwidern, aber Danny hielt ihn sofort zurück.
Er gab ihm zu verstehen, dass er besser den Mund hielt.
»Und weil wir gerade dabei sind.«, fügte Lilly plötzlich an: »Dich nehme ich auch mit, Cara.«
»Was?«, Tara sah mich entsetzt an.
»Wieso?«, erwiderte ich wütend.
»Weil du gegen das Gesetz verstoßen hast, Drache!«, antwortete Lilly mir mit einem schadenfrohen Unterton.
Wer hätte gedacht, dass sie mich einmal einsperren durfte. Sie schien Gefallen an dem Gedanken gefunden zu haben.
»Aber Marces hat gesagt …«, entgegnete Osiris.
Lilly ließ sich nicht davon abbringen und unterbrach ihn: »Befehl ist Befehl! Das Gericht wird entscheiden!«
»Ich wusste es!«, antwortete Niel und schüttelte den Kopf. Lilly wog sich bereits in Sicherheit.
Keiner von uns schien sich gegen die Festnahme zu wehren. Bis jetzt. Im selben Moment wandte sich Niel mit einer abfälligen Handgeste von ihr ab, um ins Esszimmer zu gehen und Emma zu holen. Doch dann wirbelte er sichtlich entschlossen herum, packte erst Lilly, dann ihre drei Begleiter an den Schultern und ließ sie gemeinsam zu einem großen Eisblock erstarren.
»Das wird nicht lange halten! Tara, du gehst zu den anderen ins Esszimmer. Cara, du kommst mit mir.«, rief er uns zu, während er mit dem Rucksack in der Hand ins Esszimmer lief.
»Was hast du vor?«, hakte ich nach, während ich ihm folgte.
»Ich bringe euch in Sicherheit. Emma, komm zu mir!«, antwortete er, ohne sich zu mir umzudrehen. Er setzte Emma den Rucksack auf.
Kira nahm mich in den Arm: »Vertrau ihm.«
Ich blickte sie verwundert an. Was hatte er vor? Was sollte das werden?
»Wenn Marces die Sache mit dir geregelt hat, sag ich ihm, wo du bist.«, fügte Danny an.
Dann packte mich Niel an der Hand und zog mich nach draußen. Emma hatte er bereits Huckepack genommen.
»Viel Glück!«, riefen uns Kira und Danny hinterher.
Ich hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken, ob ich das Richtige tat. Ich lief einfach nur. Mitten durch den Wald. In einer rasenden Geschwindigkeit vorbei an den Bäumen und Sträuchern.
Einfach neben Niel her, der meine Hand nicht losließ. Er sagte nichts. Aber seine Anspannung war ihm ins Gesicht geschrieben. Nur weg von hier. Weit weg. Wo uns keiner finden konnte. Ich denke, dass waren seine Gedanken.
»Halt!«, sagte ich und blieb einen kurzen Moment stehen: »Ich brauche eine Pause.«
Niel schaute mich an. Er sagte nichts, nickte aber kurz und blickte sich derweil um. Meine Hand ließ er immer noch nicht los.
»Glaubst du, sie folgen uns?«, flüsterte Emma leise.
Niel lauschte in die Ferne: »Ich bin mir nicht sicher.«
Er drehte sich zu mir: »Wir müssen weiter!«
Ich holte tief Luft: »Wo sollen wir denn hin?«
»Vertrau mir, bitte! Ich weiß, wo wir sicher sind!«, antwortete er. Emma klammerte sich fester an ihn, womit sie ihr vollstes Vertrauen zu ihm ausdrückte. Ich zögerte. Eigentlich wollte ich nur noch zu Marces. Aber der war nicht da. Er hatte mich allein gelassen. Was sollte nun werden? Was sollte ich tun? Niel drückte meine Hand an seine Brust: »Bitte! Vertrau mir!«
Ich nickte schließlich. Irgendetwas sagte mir, dass ich ihm vertrauen sollte. Wir liefen also weiter. Durch den Wald hinunter in die Stadt. Niel blickte sich immer wieder unauffällig um. Er wollte kein Risiko eingehen. An jeder Ecke könnten sie lauern und nach uns suchen.
»Wartet kurz!«, Niel blieb am Durchgang zwischen dem Campus-Gelände und der Straße zum großen Eichplatz stehen.
»Was hast du?«, fragte ich ihn, während ich mich nervös zu allen Seiten umblickte.
»Nichts. Es ist keiner zu sehen.«, antwortete er, als er sich zu mir umdrehte: »Wir müssen uns jetzt beeilen. Verstanden. Wir gehen so schnell wir können die Straße hinunter, steigen dort in ein Taxi und fahren zum Flugplatz. Ich bringe uns von hier weg. Habt keine Angst!«
»Ich habe keine Angst!«, erwiderte Emma.
»Natürlich nicht!«, fügte er schmunzelnd an: »Fertig?«
»Fertig!« erwiderten wir gleichzeitig.
Dann liefen wir so schnell wir konnten die Straße entlang, hinunter zu den Taxis. Dort angekommen setzte Niel Emma wieder ab und während er mit dem Fahrer sprach, nahmen sie und ich hinten im Auto Platz. Niel setzte sich dann nach vorn. Er deutete dem Fahrer an sich zu beeilen. Dafür würde er eine kleine extra Belohnung erhalten. Die er natürlich unbedingt haben wollte. Wir brauchten dementsprechend auch keine fünfzehn Minuten, bis wir am Flughafen waren. Die Maschine stand bereits auf dem Rollfeld zum Start bereit.
Ein Mitarbeiter lief uns entgegen: »Es ist alles vorbereitet.« Niel bezahlte unser Taxi, während Emma und ich bereits ins Flugzeug einstiegen.
Emma war sichtlich erstaunt: »Wow! Ist der ganze Platz nur für uns?«
Ich schmunzelte sie an: »Ja. Das ist alles für uns. Du kannst also alle Plätze ausprobieren, wenn du möchtest.« Emma grinste mich an: »Toll!«
Dann hüpfte sie quasi auf einen der Plätze.
Niel trat wenig später ins Flugzeug: »Ok. Ich habe alles vorbereitet. Wir kriegen gleich die Startfreigabe. Ich werde mich dann mal ins Cockpit verziehen. Wenn ihr wollt, könnt ihr mir nachher Gesellschaft leisten.«
»Unbedingt!«, rief ihm Emma entgegen.
Niel grinste sie an, dann verschwand er ins Cockpit. Emma und ich setzten uns zum Start nach hinten. Sie zappelte wie ein kleiner Wirbelwind auf ihrem Platz umher. War sie glücklich? Hatte sie Angst?
Ich blickte aus dem Fenster in die Ferne. Wie sollte es nur weitergehen?