Читать книгу Koalamond - Sabine Korsukéwitz - Страница 5

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3.

Als ich von meiner Probefahrt zurückkam, stand in der Auffahrt ein schwarzer Holden Pickup. Auf der Ladefläche hockten vier Männer und rauchten.

Mike Stark, Snakes, Greg und Janet standen am Fuß der Treppe zusammen. Cindy hüpfte um sie herum wie ein aufgeregter kleiner Hund und war sichtlich wütend.

“Das waren keine Bonbons! Das waren keine Bonbons!”, schrie sie, ”Ich bin doch nicht bescheuert! Ich weiß wie Bonbons aussehen!”

“Cindy!” mahnte Janet.

“Mike, Mike!” Cindy zupfte Mr. Stark an seinem Lederblouson. ”Sie haben gesagt, wir würden hübsche Träume davon kriegen, tolle Sachen sehen, besser als im Kino und so was. Und das waren Pillen und keine Bonbons. Und Päckchen mit weißem Pulver hatten sie auch. Und sie wollten sie uns schenken - nicht verkaufen!”

“Okay, okay, wir glauben dir ja”, sagte jemand, aber es klang herablassend -zweifelnd.

”Fakt ist, Greg: Wir waren da, wir haben die Bude auf den Kopf gestellt, und wir haben nichts gefunden, kein Pulver, keine Pillen, keine Zigaretten - nicht mal Kaugummis!”

Der Sergeant trat den Stumpen aus, auf dem er gekaut hatte, und tätschelte Cindy den Kopf (als ich sechs war, habe ich dafür einem Kerl fast den Finger abgebissen).

“Wir haben auch ihren Wagen untersucht, gründlich Jane! Sie waren nicht gerade erfreut. Ich nehme an, sie sind ziemlich sauer auf euch. Ich weiß nicht, vielleicht war alles nur ein dummer Scherz. Ein Missverständnis. Ihr wisst doch, wie Kinder manchmal sind ... ”

Greg zuckte die Achseln, aber nicht Janet. Janet schwoll der Kamm.

“Mike Stark! Wenn meine Tochter sagt, sie haben ihr Pillen angeboten, dann haben sie ihr Pillen angeboten! Meine Tochter ist nicht dumm, und sie lügt niemals.”

“Ja Janet, ist ja gut, Janet...”

“Komm mir bloß nicht so!”

“Okay, also es war Rauschgift, nehmen wir mal an. Aber dann haben sie’s nicht im Haus oder unterm Haus oder irgendwo in der Nähe versteckt. Was sollen wir machen? Ihnen auf Verdacht die Rübe abhauen?”

Janet schnaubte verächtlich. Greg versuchte, die Stimmung in den Griff zu kriegen: ”Mike, Snakes, danke, dass ihr nach dem Rechten gesehen habt. Ich denke, wir sollten alle diese Leute im Auge behalten.”

Mike Stark reagierte sichtlich erleichtert - eine erboste Mutter kann gefährlicher werden als ein halbes Dutzend hungriger Dingos..

“Sicher, Greg, sicher. Ich sag meinen Leuten Bescheid, dass sie auch den Schulhof und die Bushaltestelle ein bisschen im Auge behalten, und wenn sie Ärger machen, dann ruft an. Jederzeit! “ Er tippte sich an den Hut - ein geringfügig ansehnlicheres Exemplar als üblich, ein offizieller Hut eben - ”Janet! Greg!”

Sie fuhren ab. Die Männer auf der Ladefläche winkten im Vorbeifahren Cindy zu und lachten. Die Kleine stapfte stinkwütend die Treppe hoch und knallte sich vor den Fernseher. Janet verschwand in ihre chaotische Küche, und wir hörten sie von dort schimpfen: ” ... Steuern zahlen ... wenn man .... braucht ... zu blöd .... ”

Sie steckte ihren Kopf aus der Tür: ”Wahrscheinlich hat Mike die Durchsuchung schriftlich angekündigt!” brüllte sie und verschwand wieder.

“Janet! Gib Ruhe! Was hätte Mike denn tun sollen?” Keine Antwort.

“Verbrenn‘ mein Steak nicht, hörst du?!”

Dann kam Rhonda. Mir fiel fast der Unterkiefer runter: steigt aus einem neuen Auto und lässt sich von einem Kerl umarmen. Arm in Arm kamen sie die Auffahrt hoch, ich konnt’s nicht glauben: mit so einem Affen geht sie? Von so einem lässt sie sich begrapschen? Es muss der Dorftrottel gewesen sein, zehn Zentimeter kleiner als sie, trug den Bauch über der Hose und hatte ein Gesicht wie eine pelzige Kartoffel.

Nein! Rhonda! Und dabei war ich der Meinung, so gut auszusehen wie nie: sonnengebräunt und total fit. Ich war fassungslos. (Später hat sie mir gesagt, dass es mein waidwunder Blick in diesem Augenblick war, der den Funken überspringen ließ).

Aber sie verabschiedete sich von der Kartoffel unsentimental vor der Türschwelle, “Hi gaby!” und ging zu ihrer Mutter in die Küche. Das Monster wechselte ein paar höfliche Worte mit Greg und verschwand.

Der Ärger musste Janets Kochkünste beflügelt haben, es gab einen wunderbaren Eintopf aus Lammfleisch, Möhren, Süßkartoffeln und dicken Stücken orange-farbenem Kürbis.

“Ich habe Sandwiches gemacht für nachher, fürs Koala spotting”, sagte Janet .

Oh yeah, dachte ich.

“Das hattest du doch vor, Greg?”

Oh no, dachte ich.

Greg verzog das Gesicht. ”Ja eigentlich, aber ich habe wieder solche Kopfschmerzen...”

“Oh, wenn es ihnen nicht gut geht, Mr. Stephens, es ist durchaus nicht nötig. Sie haben mir doch schon heute früh die Kängurus gezeigt. Bitte - keine Umstände meinetwegen.”

Aber Janet bestand darauf: ”Aber nicht doch, Gabriel, das machen wir immer mit unseren Gästen. Das steht auch in unserem Werbeblatt.”

Rhonda, das Biest, hatte die ganze Zeit über mit amüsiertem Gesichtsausdruck zugehört; jetzt schaltete sie sich endlich ein.

“Kein Problem, Pa. Geh du ruhig ins Bett. Ich übernehme das. Ich hab’s Gaby schon vorgestern versprochen, stimmt’s, Gaby?”

Ma Stephens war noch nicht überzeugt.

”Aber Rhonda, das wär nicht freundlich, wenn wir unseren Gast allein losschicken würden. Und wenn ich mitkomme?”

Mrs. Stephens, es könnte nichts Freundlicheres auf der Welt geben, als mich allein mit ihrer Tochter loszuschicken. Ich versuchte, Janet zu hypnotisieren: müde - müde - du wirst jetzt wahnsinnig müde ...... die Arme werden schwer ...... die Beine werden schwer ....

“Kommt nicht in Frage, Ma. Du und Pa, ihr ruht euch schön aus. Ich kann das übernehmen.”

Cindy sah uns beide sehr aufmerksam an, mit diesem fiesen Grinsen, das kleine Geschwister so an sich haben, und fragte dann: “Darf ich mitgehen, Ma?”

Rhonda muss sie unter dem Tisch getreten haben, sie schrie kurz auf, aber sie beharrte darauf:

”Ma, darf ich? Ich kenn’ die besten Stellen für Koalas! Ma?”

“Kommt nicht in Frage. Du hast morgen früh Schule.”

Und so zogen Rhonda und ich allein los, in eine samtweiche, sternglitzernde australische Nacht; mit Stablampen, Sandwiches und Decken. Rhonda vor mir her mit wehenden Haaren, eine Stunde lang über Feldwege und Weiden, leuchtete in die Kronen alter Eukalyptusbäume und behauptete bei jedem grauen Klumpen, der da oben irgendwo am Stamm klebte, das dort(!) sei ein Koala.

“Da oben, siehst du?!”

Ja, ich sah - sie - “süß!“ sagte ich, und hatte einen Steifen in der Hose, dass ich kaum noch laufen konnte.

Schließlich muss sie es gemerkt haben, denn sie machte die verdammte Stablampe aus und drehte sich zu mir um. Ihre Zähne schimmerten im Mondlicht, sie kam näher, roch nach Pferden und Moschus, ich nahm ihr Lächeln für ein Ja, ließ alles aus der Hand fallen und packte sie wie ein Oktopus.

Wir küssten uns, sie öffnete ihre Lippen sofort und steckte mir ihre Zunge in den Mund, biss mich in die Lippen, ich fand den Reißverschluss ihrer Jeans, sie zerrte bereits an meinem.

Mein Verstand muss komplett ausgeschaltet gewesen sein, ich weiß nicht, wie die Decken auf den Boden und wir auf die Decken gekommen sind, wir waren ein verschlungenes Gewirr von tastenden Händen und Armen. Ich hielt kurz ein, um sicherzugehen, dass sie auch wollte, was hier passierte; aber sie zog mich über sich, ich stieß zu, sie war heiß und feucht und wir kamen schnell und gleichzeitig, alle Nervenbahnen in Flammen und in meinem Kopf ging ein ganzer Meteoritenschwarm nieder. In zwei Minuten war alles vorbei.

“Sorry”, sagte ich heiser, als ich wieder Luft bekam. Schließlich habe ich beigebracht bekommen, dass Frauen es sanft und langsam wollen, mit Vorspiel und Nachspiel und was noch alles.

“Wofür”, fragte meine Königin und lachte leise. ”Für die komplizierteren Sachen haben wir noch die ganze Nacht.”

Sie hatte ihre eigene kleine Wohnung in einem Anbau am Farmhaus, und das war nur ein Glück, denn es war Herbst in Queensland, das heißt: sengende Sonne am Tag, aber empfindlich kalt in der Nacht.

Mein Bauch glühte und mein Rücken war durchgefroren.

Wir stiegen hastig in unsere Jeans, rollten die Decken zusammen, überließen die Sandwiches den Koalas und rannten fast zurück; zwischendurch immer wieder Pausen, um uns zu küssen, zu streicheln und neu anzuheizen.

Als wir ankamen, waren alle Fenster dunkel. Wir schlichen uns in Rhondas Zimmer und fielen von neuem über einander her. Diesmal hielt ich länger durch. Sie zerkratzte mir den Rücken und fauchte wie eine Katze, wenn ich mich mittendrin zurückzog, stöhnte - warte, warte, beweg dich nicht - um das Spiel zu verlängern, weinte, als sie wieder kam, und ich leckte die Tränen von ihrem Gesicht und den Schweiß zwischen ihren Brüsten auf.

Als ich dachte, dass ich leergepumpt sei und zu kaputt, um noch einen Muskel, geschweige denn d e n Muskel zu regen, brachte sie meinen Zauberstab mit ein paar geübten Griffen wieder zum Stehen. Sie hatte offenbar vor, alles aus der einen Nacht rauszuholen, was möglich war. Ich konnte es kaum glauben. Und alles in Stummfilmqualität - diese Holzhäuser sind so hellhörig ...

Sie weckte mich im Morgengrauen.

“He! Wach auf! Es wär’ besser, wenn Pa dich nachher aus deinem Zimmer kommen sieht.”

Ich küsste sie und murmelte: ”Verwandel‘ dich nicht in einen Frosch, wenn der Morgen kommt”, schlich in mein Gästezimmer und muss geschlafen haben wie ein Toter; keine Chance, dass mich ihr Vater oder sonst wer aus irgendeinem Zimmer kommen sah, weil sie alle längst bei der Arbeit waren, als mich das Gepolter von kleinen Hufen auf der Vordertreppe endlich weckte.

Mein Zimmer lag direkt neben dem Haupteingang, und ich konnte hören, wie die zwei Schafe wieder in die Küche trabten. Es war niemand da, um sie bei ihrem Raubzug zu hindern. Ich grinste, räkelte mich unter der Decke und dachte: sollen sie doch auch ihren Spaß haben.

Cindy erwischte mich, als sie von der Schule - im Schulbus - nach Hause kam.

Vielleicht hatten ihr Pa und ihre Ma keine Augen im Kopf, aber s i e hatte, das ließ sie mich wissen.

“Habt ihr viele Koalas gesehen gestern Nacht? “ fragte sie schlau.

“Jede Menge”, sagte ich. Sie grinste unverschämt. Dann zeigte sie mir ihren privaten Zoo - “ ... damit du wenigstens ein paar Tiere zu sehen kriegst in Australien.”

Sie hatte im Garten einige Reptilien, zwei Schlangen, bunt und, wie sie mir versicherte, sehr, sehr giftig (!), einen kleinen Waran und zwei seltsame schwarze Echsen, die aussahen wie Tannenzapfen mit Beinen. Und ein halbzahmes Opossum, das tagsüber im Geräteschuppen schlief.

Während des Rundgangs feuerte sie ihre hinterlistigen kleinen Fragen ab:

”Liebst du Rhonda?” “Findest du sie hübsch?” “Ich werd mal viel hübscher, sagt Ma.”

Sie nahm tatsächlich meine Hand, sah mir in die Augen und sagte: ”Ich mag große dunkelhaarige Jungs wie dich.”

Eifersüchtig war sie. Ich hätte sie knuddeln können.

Liebte ich Rhonda? Ich weiß es nicht. Das war nicht die Frage, glaube ich; ganz sicher nicht für sie.

Tagsüber sahen wir uns kaum, aber Nacht für Nacht bumsten wir in ihrem kleinen Schlafzimmer, dass die Laken rauchten. Anschließend: zufriedene Leere, Watte im Kopf, tschüss Welt; weißes Rauschen auf dem Sender; meine Maschine flog mich an einen schattigen Ort, wo ich den Tag verdösen konnte, morgen gab’s nicht, nur immer die nächste Nacht. Ich war glücklich und dachte, sie wäre es auch.

Wie glücklich oder nicht wir auch zusammen oder jeder für sich waren - jemand in der näheren Umgebung war ganz und gar nicht glücklich - die “Hippies” hatten sich auf unnachweisbare Art für den Tipp gerächt: sie brauchten nichts weiter zu tun, als am frühen Morgen bei der Molkerei den Hund von der Leine zu lassen.

Die sogenannte Molkerei, eine etwas hochtrabende Bezeichnung, bestand aus einem flachen Gebäude, einer Kühlanlage und ein paar Viehboxen, in denen die Kühe festgebunden und an die Schläuche und Saugnäpfe des Melkautomaten angepfropft werden konnten. Außen am Gebäude waren zwei schmale Koppeln, eine für noch nicht und eine für fertig gemolkene Kühe. Ich war einmal dabei und es hat meine Abneigung gegen Milch nicht beheben können.

Ganz sicher haben die Stephens hier alles vorschriftsmäßig und hygienisch einwandfrei aufgezogen, aber am Ende war der Raum eben bis unters Dach vollgeschissen, es stank süßlich und warm, ein Schwein war eingedrungen und hatte einen Milcheimer umgeworfen; es schlabberte grunzend die Mischung aus Sahne und Scheiße vom Boden. Kein Zweifel: was in den Kühlbehälter gelangte, war sauber und genießbar, aber nicht für mich.

Draußen grenzten an die Molkerei und die Koppeln noch ein paar Schweinekoben und Schuppen, und in dem dazwischen entstandenen Innenhof liefen eine Menge Hühner und ein paar Pfaue herum. Ein gefleckter Hirtenhund war ständig an den einzigen schattenspendenden Baum gebunden, wenn er nicht gerade von Greg zum Viehtreiben mitgenommen wurde.

Diesen Hund hatte jemand einfach von der Leine befreit, und dann brauchte der Jemand nur noch wegzusehen und wegzuhören. Der Hund, an sich nicht bösartig, begann nun ein bisschen zum Spaß das Federvieh zu jagen, und als es lärmend und flatternd vor ihm herlief, da bekam er Lust, mal so zuzuzwicken, und als er Blut schmeckte, da erwachte in ihm das alte Fieber, und am Ende, als er sich müde in den Schatten unter seinem Baum sinken ließ, da lagen drei kopflose Pfauen im Staub, sechs gute Leghühner hatten ihr Herzblut quer über den Hof verkleckert, die friedliebenden Kühe hatten vor dem Gemetzel erschreckt das Weite gesucht, und Greg brauchte einen halben Tag, um sie alle wieder einzufangen. Janet heulte wegen der guten Hühner und weil sie so zugerichtet waren, dass man sie nicht einmal mehr kochen konnte.

Und auch der Hund hatte Schaden genommen: Er war von einem der Schweine, vermutlich einer Muttersau, lahm gebissen worden und würde ein paar Wochen zum Viehtreiben nicht zu gebrauchen sein. Er winselte, selbst über seinen Blutrausch zerknirscht, aber niemand schimpfte mit ihm, er konnte ja gar nichts dafür.

Wer dafür konnte, war nicht nachzuweisen, aber ziemlich klar; es wohnte im Umkreis von 16 Kilometern kein Mensch, und wer außer den Untermietern hätte Grund und Lust gehabt, mitten in der Nacht aufzustehen und so weit zu fahren, nur um Greg Stephens‘ Hund sauber von der Leine und auf die Hühner loszulassen.

Ich war dabei, als Greg den beiden Schuldigen die Kündigung überreichte. Bei der Gelegenheit bekam ich sie das erste Mal zu sehen.

Er, ein gewisser Jim, etwas kleiner noch als Rhonda, ein schmales Hemd und irgendwie schmierig mit seinen glänzenden schwarzen Locken, auf jeden Fall für die Umgebung viel zu gestylt: Lederhose, Hawaiihemd, ein silbernes Kreuz baumelte vom linken Ohrläppchen; sie, Holly, sah verdammt gut aus, aber sie war die Art von Frau, die mich, wenn’s drauf ankommt, doch mehr abstößt als anzieht: raffiniert, mit dem gewissen Glitzern in den Augen und dem hey-sieh-mich-an-Hüftschwung; kurze, hennagefärbte Haare, Igelschnitt, schwarze Leggins, knappes Mieder und kiloweise Afroschmuck.

Janet muss wirklich tiefste Ebbe in der Kasse gehabt haben, um sich so was als Untermieter in den Pelz zu setzen. Da wo ich herkomme, laufen solche Typen zwar zu Hunderten rum und die meisten sind völlig in Ordnung, aber diese zwei sahen schon von weitem nach Ärger aus.

Sie saßen auf der offenen Veranda; er die Arschpiekerstiefeletten auf der Brüstung, sie lackierte sich die Fingernägel. Sie machten sich nicht die Mühe aufzustehen, als wir herankamen. Er nahm lässig den Brief entgegen - ließ Greg bis zu sich heraufsteigen und streckte ihm nur die Hand entgegen - und knüllte das Papier in die Hosentasche, ohne es zu lesen. Sie schaukelte auf zwei Stuhlbeinen und sah Greg herausfordernd an.

”Die Kündigung, ja? Ordnungsgemäß un’ schriftlich? Warum wolln Se’n uns rausschmeißen, Mister, wir könns nich gewesen sein, wir warn nämlich gar nicht da. Warn in Brisbane, sind heute Mittag erst wiedergekommen.”

“Was gewesen?” fragte Greg.

“Na das mit Ihren Hühnern, warn wir nich, ehrlich. Gehört ham wir schon davon, is ja rum, nich?”

“Genau”, sagte dieser Jim, ”aber wenn irgendwas is, dann müssen es ja wir gewesen sein, stimmts? Wir sind anders. Ein Kerl mit langen Haaren und ‘nem Kreuz am Ohr und ‘ne Stadt-Tussi mit Punkerfrisur. Wenn irgendwas kocht, dann warns die, so denkt ihr doch.”

“Ihre kleine Tochter, die hat wohln bisschen viel Fantasie”, sagte sie noch.

Greg lief rot an: “Meine Tochter lügt nicht.”

“Klar, ihre Tochter ist ein kleiner Goldengel, wir wissens. Und wir sind die bösen Kinderverderber. Wir stehlen, wir dealen, das sieht doch jeder. Okay, okay Opa, reg dich ab, wir ziehen aus.“

Holly stand auf und lehnte sich über das Geländer, so dass ihre Titten richtig schön zur Geltung kamen. Klassetitten übrigens. Sie sah Greg direkt in die Augen und gurrte:

“Aber wir müssen nicht auf der Straße schlafen, oder, Mister? Wir dürfen uns doch wenigstens erst ne andere Bleibe suchen?”

Greg fühlte sich sichtlich unwohl unter dem Blick und mit der Aussicht. Er drehte sich brüsk um und stiefelte davon.

“Lasst euch nicht zu lange Zeit!” knurrte er über die Schulter.

“Jawohl Sir!” Sie lachten .

Greg sagte nichts mehr, bis wir oben an der Farm waren; dann: ”Danke, dass du mitgekommen bist, son, ich brauchte einen unabhängigen Zeugen.”

Ich hatte ihn richtig gern. Ich hätte vieles für ihn getan, wenn er auf diese Art son zu mir sagte und ich hoffte inständig, dass er nicht wusste, dass ich jede Nacht seine Tochter fickte.

Der Hund, die Hühner und der dämliche Polizeichef waren zwei Tage lang das Gesprächsthema , dann ging es normal weiter.

Bei mir hatte der ganz große Schub an Sexualhormonen etwas nachgelassen, und ich begann mich wieder mehr für meine weitere Umgebung zu interessieren.

Eines Nachmittags erinnerte ich mich an den alten Goldgräber Heathrow. Ich beschloss, ihm einen Besuch abzustatten.

Unterwegs bekam ich Hunger und ich kaufte in der Teestube eine Tüte Kringel mit Zimt. Dann fuhr ich langsam rüber zu dem kleinen rosa Haus - er war nicht zu sehen - parkte meine Maschine im Schatten unter dem Unterstand mit dem Schleifstein, und klopfte an.

“Kommen Sie rein!” rief er von drinnen. Ich öffnete die Tür, trat ein und befand mich in einem Raum mit gestampftem Lehmboden, einer kurzen Ladentheke, Regalen voller Steine, Tischen und Tischchen voller Steine und Körben mit Steinen. Der Alte stand an der Theke und polierte etwas mit einen weichen Tuch.

Er hielt es mir entgegen: ein flaches Stück Achat, weiß, blond und rötlich-braun gemasert, Rhondas Farben; es erinnerte mich sofort an sie.

“Schön - verkaufen Sie ihn mir?”

Er lachte freundlich: ”So war das nicht gemeint; du musst nichts kaufen - schau dich erst mal um”, aber als ich darauf bestand, knöpfte er mir mit zufriedenem Grinsen fünf Dollar ab. Er nahm mir die Tüte mit dem Gebäck ab und setzte auf einem Kanonenofen Kaffee auf.

Während das Wasser heiß wurde, führte er mich durch sein Haus, was schnell ging, denn es hatte nur zwei Räume: den Verkaufsraum und ein Schlafzimmer.

Und er zeigte mir seine Steinsammlung, was erheblich länger dauerte, denn die war beachtlich.

“Davon lebe ich jetzt”, sagte er, als wir auf einer Bank saßen und Kaffee schlürften und fettige Kringel aßen. “Ich bekomme eine kleine Rente für die Zeit, in der ich bei der Minengesellschaft gearbeitet habe, statt auf eigene Tasche. Dazu verkaufe ich hübsche Steine an Touristen. Wenn man sein Leben lang Gold gesucht hat, dann lernt man einiges über Mineralien.”

“Haben Sie denn viel Gold gefunden, Mr. Heathrow?” wollte ich wissen.

Eine Mischung aus Husten und Lachen schüttelte ihn.

“Nenn mich Tom, Junge, mein Name ist nicht Heathrow. So nennen sie mich bloß, weil ich mir nur einmal in den 60 Jahren, die ich jetzt in Australien lebe, einen Flug nach Hause leisten konnte. London -Heathrow, verstehst du jetzt?”

Er hustete und lachte und freute sich wie über einen richtig guten Witz.

“Und das beantwortet auch schon deine Frage. Mehr war nicht drin: ein Flug in die Heimat und zurück. Ja, ich habe vom Gold gelebt, und wenn der Goldpreis damals so gewesen wäre wie heute, dann wär ich jetzt ein reicher Mann. Aber es hat Spaß gemacht.”

Mit Dreiundzwanzig, so erzählte er, hatte er seine Lehrerausbildung abgebrochen und war nach Australien ausgewandert, 1933. Er war quer durch die Halbwüsten des Großen Südlands gezogen, hatte eine Zeitlang am Goldrausch von Gympie teilgenommen und später in Coolgardie als Minenarbeiter geschuftet. Die Westküste sei inzwischen völlig versaut, meinte er. Die Landschaft verwüstet vom Tagebau, und ein einfacher kleiner digger müsse bis in die Great Sandy Desert laufen, um noch ein Stück Land zu finden, wo er auf eigene Rechnung schürfen könne.

Es hatte ihn immer wieder zurückgezogen nach Queensland, dessen grüne Weiden ihn an den guten Teil von England erinnerten - “besonders im Regen”, kicherte er, und was ihm am alten England nicht gefallen hatte, das hatte er zurückgelassen.

“Es gibt ein bisschen von allem hier in Oz und eine Menge mehr obendrauf.”

Er begutachtete meine Goldpfanne und ließ sich in einem Trog im Garten meine Technik vorführen.

“Nicht schlecht, gar nicht übel - jetzt musst du nur noch Gold finden.” Er gab wieder sein hustendes Altmännerlachen von sich.

”Am besten, du streichst die Pfanne innen schwarz an, dann siehst du die Goldstäubchen besser und kannst sie mit der Pinzette herausangeln.”

Na ja, ich hatte mehr in Nuggets gedacht als in Stäubchen, aber das war in Ordnung. Die Hauptsache war für mich der Spaß, ein bisschen Nervenkitzel, obwohl ich nichts dagegen gehabt hätte, schnell reich zu werden.

“Die Zeiten sind vorbei”, sagte Tom, “Obwohl ... haben sie dir eigentlich erzählt, dass man hier in der Gegend wirklich einmal Gold gefunden hat? Nicht? Dachte ich mir!”

Er hustete und lächelte boshaft. “Sie hoffen alle, dass doch noch mal einer von ihnen herausfindet, wo’s her war. Sie haben das arme Schwein erschlagen, bevor er was sagen konnte. Ja - aber wenn es von hier gewesen wäre, dann hätte ich es gefunden. Ich kenne jeden Quadratmeter im Umkreis von zehn Tagemärschen in der Umgebung von Birds Nest.”

Wir aßen jeder noch einen Kringel und tranken Kaffee, und er erzählte mir eine abenteuerliche Geschichte.

“Es muss in den Zwanzigern gewesen sein, da lebte da draußen im Busch ein alter Kauz, ein richtiger Buschmann, Andrzej Dudek, ursprünglich ein Pole. Er war am Ende so scheu, dass er überhaupt nicht mehr in den Ort gekommen ist. Wollte keinen Menschen sehen. Außer den Aboriginals. Mit den Schwarzen hat er sich prächtig verstanden.

Er hatte eine Rindenhütte, da, wo jetzt das Reservat anfängt. Vor knapp 20 Jahren hat Canberra den Schwarzen ein Stück von ihrem eigenen Land großzügig zurückgegeben. Das hat der Andrzej nicht mehr erlebt. Schade, hätt ihn gefreut.

Die Aboriginals haben ihm aus dem Ort mitgebracht, was er brauchte, oder ein Ranger hat ihm was besorgt. Er hatte so seine eigene Art klarzumachen, was er wollte. Wenn er ‘ne neue Hose wollte, dann hat er einfach die alte in den Strauch vor seiner Hütte gehängt; oder seine Teekanne - das hieß dann, dass er Tee haben will. Und er hat immer einen kleinen Beutel mit Goldstaub dazu gelegt. Damit sollte bezahlt werden.

Na und dann, eines Tages ist er plötzlich doch noch mal in die Stadt gekommen. War ganz außer sich. Ist schnurstracks in den Pub gerannt, hat seinen teabilly auf die Theke geknallt, und der Kessel war randvoll mit Nuggets. So hat man’s mir erzählt. Ich war ja noch nicht in Australien, als das passiert ist.

Ja und dann, dann hat er sich planmäßig zugesoffen, hat gar keinen frohen Eindruck gemacht, wie man’s erwarten sollte von einem, der gerade reich geworden ist. Er soll auch reichlich zugeknöpft gewesen sein, hat keinem gesagt, wo er’s gefunden hat, das Gold. Vielleicht hätten sie ihn ja doch zum Sprechen gekriegt, später. Aber er ist wieder gegangen. Und als er nach Hause gewankt ist, aus dem Pub, da hat ihn irgendeiner überfallen, ihm sein Gold weggenommen und ihn erschlagen. Armes Schwein!”

“Vielleicht haben die, die ihn erschlagen haben, vorher aus ihm rausgeprügelt, wo es her war?”

“Glaub ich nicht. Sie haben gesagt, er wär nicht verprügelt oder gefoltert worden. Einfach nur - batsch! - von hinten der Schädel eingeschlagen.”

Tom schwieg eine Weile.

“Nein, er hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen. Jahrelang hinterher haben hier alle fieberhaft gesucht. Jeder hat gehofft, er würde derjenige sein, der es findet.”

“Und?”

“Nichts bis heute - das heißt: etwas Merkwürdiges ist passiert. Eine Weile lang haben plötzlich alle Gold gefunden - hier ein paar Krümel, dort ein, zwei Nuggets, da welche... an völlig verrückten Stellen, wo’s nie hätte welches geben dürfen. Fast so, als ob einer die Leute an der Nase herumführen wollte. Aber wer macht so was? Wer findet Gold und verteilt es dann, schmeißt es in die Gegend, als wären Nuggets Samen und könnten mehr Gold wachsen lassen?”

“Vielleicht Andrzej Dudeks Geist.” Ich fand meine Bemerkung komisch, er nicht.

“Geist! Du hast keinen Respekt, junger Mann, keinen Respekt!” Er ließ mich sitzen wo ich war und ging wieder an seine Arbeit.

Als ich eingesehen hatte, dass ihm keine weiteren Informationen mehr zu entlocken waren, bedankte ich mich für die Tipps und die Geschichte und ging. Er winkte mir ganz freundlich zu, schien aber in Gedanken ganz woanders zu sein.

Koalamond

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