Читать книгу Von Dolomiten im Vorgarten und anderen Herausforderungen - Sabine Zinkernagel - Страница 17

1. März 1995

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Lieber Jacob,

die Ärzte überlegen immer noch, ob sie deinen Wasserkopf operieren müssen. Als sie nicht mehr mit dem Ultraschall durch die Fontanelle in deinen Kopf schauen konnten, hat der Neurologe sogar einen kleinen Apparat konstruiert, mit dem man am Rest der Fontanelle den Hirndruck messen kann!

Der Druck auf dein Gehirn ist etwas höher als normal, aber noch deutlich unter der Grenze, ab der es gefährlich für dich werden würde. Das Problem ist, dass er ganz langsam zunimmt. Deshalb muss jetzt allmählich eine Entscheidung fallen, ob du ein Ventil brauchst oder nicht.

Für mich ist dabei etwas ganz anderes wichtig: Bis jetzt muss ich alle drei Tage mit dir ins Krankenhaus kommen und deinen Hirndruck kontrollieren lassen. Außerdem soll ich mit dir zum Augenarzt, und die normalen Untersuchungen beim Kinderarzt muss ich ja auch machen lassen.

Das heißt jedes Mal: Dich wecken, warm anziehen, dich und deinen Kinderwagen ins Auto packen, ins Krankenhaus fahren, dabei öfter mal viel zu lange im Stau stehen, am Ziel erst mal keinen Parkplatz finden, dann dich wieder wecken und samt Kinderwagen aus dem Auto holen, rein in die Klinik und warten, bis du dran bist. Wenn man zwei Mal geweckt wird, bekommt man Hunger; da machst du keine Ausnahme. Dafür nehme ich immer ein Fläschchen mit Milchpulver und eine Thermoskanne mit heißem Wasser mit. Aber manchmal bist du schon wieder eingeschlafen, bevor ich dein Fläschchen fertig habe. Also muss ich dich wieder wecken und versuchen, ein völlig verschlafenes Kind zu füttern. Das kann ja nicht wirklich gut gehen! Bis wir zum Arzt hinein dürfen, bist du nicht nur müde und knatschig, sondern auch noch hungrig, weil deine Milch kalt geworden ist, bevor du sie ausgetrunken hast. Und auch ich bin alles andere als gut gelaunt.

Der Arzt untersucht dich dann, zieht die Stirn in Falten, überlegt, ruft einen Kollegen an, um sich mit ihm zu beraten. Und dann sagt er, dass man heute noch nichts entscheiden kann. Wir sollen in drei Tagen wiederkommen.

Diese ganze Fahrerei und Warterei, für die ich dich ständig aus dem Schlaf reißen und durch nasskalten Nieselregen tragen muss, dieses ganze Geschlabber mit der Milch – das geht mir inzwischen ziemlich auf die Nerven. Wie sollen wir bei alledem die Ruhe bekommen, die wir so dringend brauchten? Und einen einigermaßen geregelten Tagesablauf finden?

Aber keine Angst, ich werde trotzdem weiterhin brav alles tun, was die Ärzte von mir wollen. Es soll dir ja auf keinen Fall etwas passieren.

Ich wäre nur froh, wenn die ganze Unsicherheit und diese ständigen ärztlichen Kontrollen irgendwann vorbei wären.

Deine Mama

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