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Mutter Erde, Vater Staat

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Die Wälder gehen den Menschen voran,

die Wüsten folgen ihnen.

Francois-René de Chateaubriand


Schon Anfang des neunzehnten Jahrhunderts sah ein französischer Schriftsteller es derart klar. Tief einatmend schlug ich das Buch der gesammelten Zitate zu und stellte es zurück in die Nische über meinem Bett. Die meisten Bücher waren leider dem Winter zum Opfer gefallen. Feuerholz war so rar geworden, dass man es sich als Normalsterblicher nicht mehr leisten konnte, und die Belieferung mit Öl oder Gas für Heizungen wurde schon vor langer Zeit eingestellt. So mussten wir im letzten, bitterkalten Winter eine Alternative finden, die gut brennbar war. Bücher bestanden nun einmal aus Holz und erfrieren mussten wir so wenigstens nicht. Traurig blickte ich die Handvoll Bücher an, welche ich gerettet hatte und bei denen ich es nicht übers Herz brachte, sie in die Flammen zu werfen. Ganz links zum Beispiel stand ein über hundert Jahre altes Buch. Es war ein Science-Fiction-Roman mit abenteuerlichem Inhalt. Fliegende Autos und Roboter, die jegliche Arbeit für den Menschen verrichteten. Immer wieder brachte es mich zum Schmunzeln. Es war schon putzig, wie die Menschen im frühen einundzwanzigsten Jahrhundert sich ihre Erde in hundert Jahren vorstellten.

Einen Blick aus dem Fenster wollte ich gar nicht wagen. Es war der gleiche Ausblick, der sich mir jeden Morgen bot. Die Wolken so trüb wie grau eingefärbte Zuckerwatte. Seit fast einem halben Jahr hatte ich die Sonne nicht mehr gesehen. Hin und wieder regnete es, doch der Rasen unseres großen Gartens war schon seit langer Zeit nach Helligkeit lechzend verdorrt.

Ich fühlte mich ähnlich.

Ganz in Gedanken versunken blickte ich auf meine Nachttischlampe. Sie funktionierte mit Tageslicht, das sie speicherte, um in der Nacht Licht zu spenden. Sämtlicher noch verfügbarer Strom, der von den alten Windrädern aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert stammte, wurde in die technischen Bereiche geleitet, die besonders wichtig waren. Nicht weit von hier gab es eine Fabrik zur Aufbereitung von Atemluft. Diese Fabriken übernahmen größtenteils die Arbeit, die früher Bäume und andere Pflanzen verrichteten. Das saftige Grün der Blätter war so selten geworden, dass die Kleinsten es oft nur noch aus Erzählungen kannten.

In einer der Fabriken arbeitete auch ich – als Maschinenprüferin, zusammen mit meiner besten Freundin Becky. Mit gerade mal neunzehn Jahren hatten wir beide schon so viel erlebt und überlebt, wie sonst mehrere Generationen, und das hatte uns zusammengeschweißt. Ich hatte keine Geschwister und doch eine Schwester.

Alles fing mit einem im Vorfeld als mehr oder weniger harmlos angekündigten Sturm im Jahre 2102 an. Ich war gerade fünf Jahre alt und interessierte mich noch mehr für Puppen und das Kinderprogramm im Fernsehen als für die Umwelt. Während unsere Stadt weitestgehend verschont blieb, wurde die nächste, die rund dreißig Kilometer entfernt lag, am Tag darauf vollkommen verwüstet. Hunderte Menschen starben alleine dort. Damals sagte meine Großmutter immer wieder, dass Mutter Natur nun genug erleiden musste. Sie würde sich wehren und das wäre nur der Anfang. Zu der Zeit verstand ich noch nicht, was sie meinte, doch schnell wurden mir die Augen geöffnet. Großmutter hatte den dritten und bis jetzt verheerendsten Weltkrieg überlebt und war im Naturschutz tätig. Sie wusste, wovon sie sprach. Leider verstarb sie vor zwei Jahren. Noch heute wünschte ich mir oft, sie könnte mir einen Rat geben.

Zwei Monate nach dem großen Sturm erschütterte ein Erdbeben der Stärke acht die gesamte Nordhalbkugel. Es folgten Tsunamis, die ganze Küstenregionen auslöschten. Da unsere Stadt weit im Inland lag, wurden wir erneut davon verschont. Lediglich die Eruption hatte Risse in der Fassade des Hauses verursacht.

Vater verschloss sie, so gut es ging. Mittlerweile glich unser Haus aber eher einem Flickenteppich, als einem Heim. In zwei Fenstern im Erdgeschoss fehlten Scheiben. Mutter und ich hatten sie mit Brettern zugenagelt.

Irgendwann, als ich etwas älter war, fand ich ihren Schulatlas und verglich ihn mit aktuellen Aufnahmen der Erde. Ganze Inseln waren zwischenzeitlich geschluckt und Millionen Menschen einfach ausradiert worden. Unzählige Wissenschaftler stellten die abenteuerlichsten Thesen dazu auf, doch ich erinnerte mich an Großmutters Worte.

Der Mensch war über Jahrhunderte derart zerstörerisch zugange und irgendwann half es auch nicht mehr, dass eine Handvoll Gutmenschen anfing, Bäume zu umarmen und Plastiktüten zu vermeiden. Schon als unsere Gattung begann, Tiere zu jagen, die sie gar nicht mehr zum Überleben benötigte, sondern nur für Trophäen tötete, hätte man ihr biblische Plagen schicken sollen. Sie hätte in vom Himmel fallenden Kröten ersticken müssen.

Was waren wir doch für eine abstruse Lebensform?

Ich begriff, dass Mutter Erde unsere Population ausdünnen musste, damit sie weiter als Lebensraum aller Wesen fortbestehen konnte. Unterschiede konnte sie dabei nicht machen. Mittlerweile harrten wir einfach nur noch aus und warteten auf das nächste Desaster. Heute waren nur noch meine Mutter und ich übrig. Vater verließ vor drei Monaten die Stadt, um nach einem besseren Ort zu suchen, an dem man leben konnte. Seitdem hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Immer wieder träumte ich von ihm, wie er die kaum überwindbare und von bis zu den Zähnen bewaffneten Männern bewachte Stadtgrenze zu durchqueren versuchte. Ich machte mir solche Sorgen.

Das war das nächste Problem der heutigen Zeit. Die Stadt wurde regelrecht isoliert. Zum Schutz und zur Abwendung weiterer Katastrophen, sagte der Bürgermeister. Nachrichten erfuhr man nur, nachdem sie durch etliche Raster gelaufen waren und geändert wurden, bis nur noch belanglose Dinge die breite Masse erreichen konnten. Hauptsache man kam nicht auf die Idee, den eigenen Kopf zu benutzen. Was war, wenn nicht nur die Umwelt schuld, sondern die Oberhäupter aus den eigenen Reihen eine wahre Plage waren? Ich kannte niemanden, der in der letzten Zeit die Stadt verlassen oder sie bereist hatte. War es auch so außerhalb der Stadtgrenze? Wie würde ein so unbedeutend kleiner Mensch wie ich das je erfahren können?

„Julia?“ Durch das gekippte Fenster drang Beckys Stimme. Ich trat heran, um nachzuschauen. Ihr Fahrrad gegen einen Laternenmast gelehnt, stand sie auf der Straße und winkte mir lächelnd zu.

„Ich komme runter“, nickte ich der Frohnatur zu und griff sogleich nach meiner Tasche, die auf der Fensterbank lag.

Nachdem ich mich von meiner Mutter verabschiedet hatte, nahm ich mein Fahrrad aus dem Schuppen und machte mich zusammen mit Becky auf den Weg zur Arbeit.

„Hast du nach der Arbeit noch etwas Zeit?“, fragte sie zögerlich, als wir das wuchtige Tor des Fabrikgeländes erreichten.

Nickend schob ich den rechten Ärmel meines Pullovers hoch und hielt die Innenseite meines Handgelenks an den Scanner. Nichts passierte. „Verdammt“, knurrte ich und Becky sah über mich hinweg auf das Gerät.

„Stimmt was nicht?“ Wortlos streckte ich ihr mein Handgelenk entgegen und sie zog zischend die Luft ein. „Was hast du gemacht?“

„Mich am Ofen verbrannt. Am Wochenende“, antwortete ich kleinlaut und rieb mir mit der linken Hand über den von einer Brandnarbe zur Hälfte unkenntlich gemachte QR-Code. Mein gesamter Alltag wurde dadurch lahmgelegt.

Diese Codes waren der neueste Streich des Landesaufsichtsamtes. Jeder Mensch des Landes wurde durch ihn gekennzeichnet und alle wichtigen Informationen konnten damit abgerufen werden. Er war eine Kombination aus der Weiterentwicklung eines Personalausweises und vielen anderen Dingen. Man konnte damit bezahlen und es wurde gespeichert, was man damit bezahlte. Das Bargeld wurde schon vor Jahrzehnten abgeschafft und man war so gläsern wie ein Wintergarten. Alles wurde überwacht.

Das erste Mal, als mir dies bewusst auffiel, war, als mein Kollege und guter Freund Daryl sich in das System des Aufsichtsamtes hackte und mir zeigte, was diese tätowierten Codes eigentlich taten. Die Tinte, welche in einem aufwendigen Verfahren hergestellt wurde und eine streng geheime Zusammensetzung hatte, wurde auch Ortungstinte genannt. Beim Stechen des Codes konnte man diesen also gleichzeitig einer Person zuweisen und sie ständig überwachen. Wo man im einundzwanzigsten Jahrhundert noch GPS-Geräte benötigte, waren diese jetzt vollkommen veraltet. Und mir war es schon vor Daryls Aktion schleierhaft vorgekommen, wie Straftäter und vermisste Personen neuerdings so schnell aufgespürt werden konnten. Ich schwor ihm, niemandem davon zu erzählen. Zwei Tage später erschien er nicht mehr bei der Arbeit und bis heute blieb er verschollen. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, dass wir alle in einem Käfig steckten.

Big Brother is watching you.

Becky beugte sich über mich hinweg und hielt ihren Arm an den Scanner. Ein tiefer Ton erklang und das wuchtige Tor bewegte sich. Schnell stiegen wir von den Rädern und hielten den riesigen Schornsteinen entgegen, die angeblich frischen Sauerstoff in die Atmosphäre pumpten.

„Um sechs vor dem Tor, okay?“, lächelte Becky, als sich unsere Wege trennten.

Nickend erwiderte ich ihr Lächeln. In Gedanken war ich neugierig, was sie mir erzählen wollte, und sorgte mich gleichzeitig, denn schon bald würde das Aufsichtsamt bemerken, dass mein Code nicht funktionierte und mich erneut tätowieren wollen. Der Allmächtige wusste, was passieren würde, wenn ich mich widersetzte. Jede Faser meines Körpers war dagegen, doch wie sollte ich mich wehren? Weder wollte ich meine Familie und Freunde in Gefahr bringen noch mich selbst.

Der Arbeitstag verlief ohne große Zwischenfälle. Eine Maschine fiel kurzzeitig aus, doch ich hatte schnell die Ursache gefunden und konnte sie beseitigen. Um sechs Uhr tippte ich schließlich meine Arbeitszeit manuell in den kleinen lichtbetriebenen Computer, den wir alle bei der Arbeit am Gürtel trugen, und verließ schließlich die Fabrik.

Becky stand bereits mit ihrem Fahrrad am Tor, als ich an meinem gerade das Schloss entfernte. „Komm mit“, flüsterte sie schon fast und trat in die Pedale. Meiner Mutter hatte ich bereits mittags eine Nachricht geschickt, dass es heute spät werden würde, und so folgte ich meiner Freundin. Wir fuhren durch ein Viertel, das ich sonst nie durchquerte. Erst als wir in einer menschenleeren Straße ankamen, stoppte sie und ich hielt neben ihr an.

„Da vorne steht ein alter Fernseher. Siehst du ihn?“

Ich folgte ihrem Finger und sah in eine Sackgasse. „Ja“, antwortete ich. „Was ist damit?“

„Es gibt eine Untergrundbewegung“, grinste sie verschwörerisch. „Sie nennt sich 1984. Es sind ein paar Dutzend Leute. Ich weiß das von meinem Bruder.“

„Und?“, fragte ich erwartungsvoll.

Schnell hob sie die Hände und bedeutete mir, leiser zu sein. Fast schon ängstlich sah sie sich um. „Diese Leute kämpfen gegen den obersten Rat und die Bewachung der Bürger. Sie wollen einen neuen Lebensraum aufbauen. Das willst du doch auch, oder?“

„Sicher“, meinte ich und schaute sie verwirrt an. „Wo sind die Leute?“

Erneut zeigte Becky auf den alten, scheinbar wahllos abgeladenen Fernseher. „Da ist ein Störsender drin, der eine Ortung der Tinte verhindert. Obwohl ich denke, dass du momentan gar nicht geortet werden kannst. Auf dem Boden ist ein Kanaldeckel. Angeblich kann man da hinunter, durch ein Kanalsystem, das aus der Stadt führt und in einen anderen Ort jenseits des Gebiets des Aufsichtsamtes. Dort versuchen die Menschen, unsere Umwelt wieder aufzubauen und die Ländereien wieder bewohnbar zu machen.“

„Du machst Witze!“, lachte ich auf und konnte ihren Worten kaum Glauben schenken. Energisch schüttelte sie den Kopf. „Du willst mir ernsthaft erzählen, dass es einen Bereich gibt, den sie nicht kontrollieren? Abgesehen davon, dass wir die Stadtgrenze durchqueren, ohne dass jemand etwas merkt?“ Nachdrücklich zeigte ich auf den Gullydeckel.

Nun nickte Becky. Meine Freundin war durchaus ein abenteuerlustiger Mensch, der des Öfteren mal in Schwierigkeiten geriet, aber angelogen hatte sie mich noch nie. Im Gegenteil – sie war stets absolut ehrlich zu mir und das mochte ich besonders an ihr.

„Nun“, flüsterte ich und sprang von meinem Rad ab. „Sehen wir mal, ob dein Bruder recht hat.“

Die Räder versteckten wir in einem alten, verlassenen Hausflur, dessen Fronttür offen stand. Nachdem wir uns erneut vergewissert hatten, dass uns niemand gefolgt war, hoben wir gemeinsam den Kanaldeckel an, kletterten nacheinander hinunter in die Dunkelheit und schlossen ihn wieder. Für Sekunden war es stockdunkel, bis unter mir ein Lichtkegel erschien. Der kleine Wirbelwind hatte doch glatt an eine Taschenlampe gedacht.

Über eine Dreiviertelstunde schlichen wir durch die Stille, folgten winzigen Zeichen, die jemand in Steine geritzt hatte, bis schließlich ein schwaches Licht am Ende des Tunnels zu sehen war.

„Hier müssen wir hoch“, wisperte Becky und steckte die Taschenlampe weg, damit sie die Streben besser greifen konnte. Mühevoll schoben wir den löchrigen Gullydeckel beiseite, krabbelten hinaus und sahen uns um. Offenbar befanden wir uns in einer großen Lagerhalle. Überall standen Fässer und Kisten.

Gerade wollte ich den Mund aufmachen, da brüllte eine männliche Stimme hinter uns: „Stehen bleiben! Hände über den Kopf!“

Becky sah mich fassungslos an und gehorchte, wie auch ich. Hinter den Kisten kamen fünf bewaffnete und vermummte Männer hervor, die allesamt auf uns zielten. Man hatte uns auf der Flucht vor dem Aufsichtsamt erwischt, das war mein erster Gedanke, und ich wollte mir kaum ausmalen, was jetzt mit uns geschehen würde.

„Becky? Bist du es wirklich?“, fragte einer der Männer plötzlich, senkte seine Waffe und zog seine Sturmmaske vom Kopf. Es war ihr Bruder.

„Adrian“, keuchte sie und fasste sich erleichtert ans Herz, bevor sie losstürzte, um ihn zu umarmen. Nun senkten auch die anderen Männer die Waffen und zogen die Masken ab.

Zuerst erkannte ich einen alten Freund. „Daryl?“ Ohne es zu wollen, traten mir Tränen in die Augen. „Ich dachte, man hätte dich ...“

Lachend trat er auf mich zu und umarmte mich. „Beseitigt? Sie waren kurz davor. Meine Jungs haben mich aus der Zelle geholt.“

„Ich habe niemandem etwas erzählt!“, wisperte ich und klammerte mich an meinen tot geglaubten Freund.

„Ich weiß“, antwortete er und strich mir behutsam über das Haar. Dann hielt er mir seine rechte Hand vor. „Dieses teuflische Ding war es.“

Ich sah sein Handgelenk. Es sah aus, als hätte man das Tattoo mit einer Säure weggeätzt. „Um ihm zu entkommen, reicht es nicht aus, es zu lasern. Allerdings lohnt es sich“, lächelte er und deutete auf die anderen Männer. „Das sind Gregor, Sammy, Fuchs und Beckys Bruder Adrian.“ Nacheinander grüßten mich die Jungs artig, ich nickte ihnen zu.

Gregor erklärte uns, dass ständig jemand in der Halle wachen würde, sollte man im Aufsichtsamt von diesem Ort erfahren und ihn zerstören wollen, um die Kontrolle über seine Schäfchen zu behalten. Es war der einzige Zugangspunkt dieses Ortes.

Ich konnte das kaum glauben.

„Bestimmt wollt ihr unser Projekt sehen, oder?“, fragte Adrian und führte uns zu einem großen Tor, das er mittels eines Schalters und einer Tastenkombination bediente. Der scheinbar tonnenschwere Rollladen des Tors verschwand Stück für Stück nach oben und ließ ein grelles Licht hinein. Geblendet blinzelte ich hinaus, der Sonne entgegen.

„Das kann nicht sein!“ Langsam, als wollte ich nicht fallen, trat ich, einen Fuß vor den anderen setzend, hinaus. Da waren Bäume, mit grünen Blättern. Sie waren noch klein, doch sie lebten. Genau wie das saftig grüne Gras unter meinen Füßen. Ich konnte durch die Bäume hindurch über Felder bis auf eine kleine Siedlung sehen.

„Wie ist das möglich?“

„Durch harte Arbeit kombiniert mit unserem heutigen Wissen und der aktuellen Technik“, antwortete Daryl, der nun neben mir stand. Ein Geräusch über mir ließ mich erschrocken zusammenzucken. „Was war das?“

Daryl lachte auf. „Das war ein Vogel. Die fühlen sich hier sehr wohl. In der Stadt hat man ja seit Jahren keinen mehr gesichtet.“ Er hielt mir eine große, rote Blüte vor das Gesicht. Vorsichtig roch ich an ihr, bevor er sie mir ins Haar steckte. „Wir müssen ganz von vorne anfangen, um die Erde von uns kurieren zu können“, meinte Daryl. „Jeden Tag gewinnen wir mit viel Geduld und Liebe ein paar Meter zurück und was sich einmal erholt hat, kann uns der Aufsichtsrat nicht mehr wegnehmen. Bald werden wir genug Leute sein, um uns zur Wehr setzen zu können. Dann befreien wir die Stadt von dieser Zwangsjacke und können neu anfangen. Zusammen.“ Er lächelte mich an. Dann verschwamm sein Gesicht.

Ein lautes Geräusch riss mich aus dem Schlaf und ließ mich im Bett hochfahren. Noch immer lagen Schatten der hellen Sonnenstrahlen auf meinen Augen. So real hatte ich noch nie geträumt. Erneut ertönte das Klackern und nun realisierte ich, dass es Steinchen waren, die jemand gegen mein Fenster warf. Hastig sprang ich aus dem Bett, lief zur Scheibe und blickte hinaus in das trostlose Grau. Unten stand Becky. „Ich komme runter“, rief ich und schaute auf meinen Lichtwecker. Es war früh am Morgen, Zeit, zur Arbeit zu gehen. Rasch griff ich mir in die Haare, um das Gewirr zu richten. Rote Blütenblätter rieselten zu Boden.

Heute war ein guter Tag. Es würde der Tag werden, an dem ich meine Mutter und meine beste Freundin mitnehmen würde. Dann würde ich Vater finden und auch mitnehmen. Alles, was ich hatte. Durch jenen dunklen Tunnel, in ein neues Leben.

Von Stubenfliegen und Osterhasen

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