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2. Die römische Politik zu Zeiten Sallusts
ОглавлениеIm ersten Jahrhundert v. Chr. kam es zu einer Zuspitzung der politischen Kämpfe, die unheilvolle Konsequenzen für das gemeine Volk der damaligen römischen Welt nach sich zog, die sich langsam von Gallien bis nach Ägypten ausbreitete. Kämpfe unter Politikern hat es immer gegeben und gibt es noch heute, doch die Rivalitäten, die scheinheiligen Allianzen und die offenen Kriege dieses Abschnitts der römischen Geschichte sind sprichwörtlich geworden und bilden den Stoff für Berge von Literatur (egal ob gelehrt oder populär). Wer hat nicht von den Auseinandersetzungen zwischen Marius und Sulla, zwischen Caesar und Pompeius, zwischen Antonius und Octavian gehört? Aber auch weniger kriegerische Gestalten, zum Beispiel Schriftsteller wie Cicero und Sallust, haben sich in Form von heftigen verbalen Attacken, Verleumdungen und Intrigen an diesen Konflikten beteiligt: Cicero gegen Caesar, Cicero gegen Antonius, Sallust gegen Cicero und Sallust an der Seite von Caesar.
Wie kann man sich in der Politik durchsetzen? Das Rezept lautet – damals wie heute: mithilfe von Geld und Allianzen. Wer über ein gewisses Familienvermögen verfügte, konnte sich glücklich schätzen. Doch auch der Mangel an eigenem Geld konnte den ehrgeizigen Politiker in spe nicht bremsen, Lösungen gab es immer: Man konnte versuchen, eine reiche Frau zu heiraten, oder aber Schulden machen. Im antiken Rom war die Finanzbranche schon weit entwickelt; aufgrund der immensen Reichtümer, die aus den Provinzen nach Rom eintrudelten, fehlte es nicht an finanziellen Mitteln, die nach einer Verwendung suchten.
Rom konnte sein inzwischen enorm gewachsenes Territorium nicht allein mithilfe von Soldaten beherrschen. Eine glänzende Leistung der römischen Politik war die Einbindung der lokalen Herrscher in die Kontrolle ihrer Völker. Die römischen Historiker (inklusive Sallust) versuchen gerne, den Eindruck zu erwecken, als hätten sich die Völker des Mittelmeeres und des Orients nichts anderes gewünscht, als Untertanen von Rom zu werden. Wahr ist, dass der Ruhm der römischen Kultur eine gewaltige Anziehungskraft auf diese Völker ausübte, aber letztlich war es das handfestere Argument der militärischen Überlegenheit, das die lokalen Könige zur Kooperation bewegte. Am Ende war es für beide Seiten ein guter Deal: Die Könige konnten ihre Autorität als Spiegelung der römischen Macht weiter ausüben, solange die Römer von den Reichtümern ihrer Länder profitieren konnten, entweder in Form von Goldminen oder von Steuern. Gewöhnlich rühmt man die Römer für ihr militärisches Können und für ihre Leistungen im Ingenieurbereich (Aquädukte, Straßenbau!), doch eine Kunst, in der die Römer wahre Meister waren, war das Eintreiben von Steuern aus den Taschen der besiegten Völker. Schon damals hatte der Staat die Vorteile der Privatisierung entdeckt: Anstatt eine umfassende Bürokratie aufzubauen, überließ man das Eintreiben von Steuern dem privaten Sektor. Pachtverträge wurden öffentlich versteigert, Scharen von Geschäftsleuten boten sich für diese lukrative Tätigkeit an. Um die Effizienz zu steigern, haben sich diese Publicani in Finanzkonzernen organisiert (Societates publicanorum). Die Provinzbewohner wurden erbarmungslos geschröpft; insbesondere im Orient war die Quelle des Reichtums unversiegbar. Plutarch berichtet über die Provinz Asien, die
von unsäglichem und unglaublichem Leid heimgesucht war, indem sie von den Steuerpächtern und Wucherern ausgeräubert und geknechtet wurde. Die einzelnen Bürger wurden gezwungen, wohlerzogene Söhne und jungfräuliche Töchter, die Gemeinden Weihgeschenke, Gemälde und Götterstatuen zu verkaufen. 4
Es gab genug für alle: die Eintreiber, die römischen Verwalter und die Senatoren in Rom, die ein Auge zudrückten; alle bedienten sich aus ein und demselben Topf. Aber manchmal trafen die geschundenen Völker auf einen einsichtigen Herrscher, wie Lukullus, der einen „Schuldenschnitt“ verordnete:
Erstlich durfte nur ein Prozent und nicht mehr auf die monatlichen Zinsen berechnet werden. Zweitens annullierte er die das Kapital übersteigenden Zinsen; und die dritte und wichtigste Bestimmung war, dass der Gläubiger nur den vierten Teil der Einkünfte des Schuldners in Anspruch nehmen dürfe.5
Es waren hauptsächlich die Völker des Orients, von denen das meiste Gold eingetrieben wurde. Ab und an aber wurde es den lokalen Königen doch zu viel, woraufhin sie jede sich bietende Gelegenheit ergriffen, um es den Römern heimzuzahlen. Einer dieser Herrscher, dem irgendwann der Kragen platzte, war Mithridates, König von Pontos. Er lässt uns klar und deutlich in einem von Sallust zitierten Brief wissen:
Die Römer haben einen einzigen Grund, um auf alle Nationen und Könige Krieg zu bringen, nämlich eine unersättliche Gier nach Macht und Reichtümern. Sie schmeicheln erst den Königen mit ihrer Freundschaft, machen sie zu Wächtern der eigenen Völker und dann degradieren sie sie mit ihren Erniedrigungen und Steuertreibereien, sodass aus Königen die elendsten Sklaven werden.6
Rom musste sich mit diesem Herrn in drei Kriegen auseinandersetzen, bis es Pompeius (im Jahr 63 v. Chr.) schließlich gelang, mit ihm definitiv Schluss zu machen. Im zweiten Krieg allerdings brachte Mithridates den römischen Gesandten Manius Aquillius in seine Gewalt, woraufhin er sich eine anschauliche Unterrichtsstunde für die römische Öffentlichkeit ausdachte, die unter der Überschrift Ohne Worte stand. Er ließ den armen Aquillius unter dem Gejohle der Zuschauer durch die Straßen von Pergamon schleifen und ihm im Anschluss daran, sozusagen als Krönung der Veranstaltung, geschmolzenes Gold in den Rachen gießen. Aquillius erstickte also regelrecht an Gold.7
Es ist erstaunlich, wie sehr die römische historische Literatur von Schuldenaffären geprägt ist: junge Männer mit glänzenden Aussichten, die in die Hände von Kredithaien gelangen; Selbstmorde infolge zu hoher Schulden; Rausschmiss aus schmackhaften Ämtern wegen – tatsächlicher oder vermuteter – Überschuldung. In der Geschichte der Wahlen für die römischen Ämter spielt die Bestechung derjenigen, die bis zum Hals in Schulden steckten, eine wichtige Rolle. Sallust selbst hatte ebenfalls mit Schuldenproblemen zu kämpfen.
Aber in der Politik kann man ohne solide Allianzen nichts bewegen. Heute ist die quantitative Komponente vielleicht wichtiger geworden: Auch ein Politiker, der nicht in allen „richtigen“ Kreisen zu Hause ist, kann, sofern er in den Kommunikationskünsten bewandert ist, mithilfe des Internets Millionen von Menschen dazu bewegen, zur Wahl zu gehen oder durch die Straßen zu marschieren. Aber damals war die Qualität der Unterstützer besonders wichtig: Sie mussten reich sein und am besten aus einer angesehenen Familie stammen, die schon ein paar Konsuln hervorgebracht hatte und ausreichend Klienten mobilisieren konnte, sprich: eine Partei organisieren konnte. Ein Meister der Parteibildung war, ohne Zweifel, Caesar.
In den kritischen Jahrzehnten zwischen Sulla und Augustus (circa 80 bis 30 v. Chr.) waren Pompeius, Cato, Antonius, Caesar und Cicero die Hauptakteure der römischen Politik; Sallust hat nur eine Nebenrolle gespielt und hauptsächlich mit den beiden Letzten zu tun gehabt, zumindest wenn wir uns an die spärlichen noch erhaltenen Berichte der Historiker halten. Werfen wir also einen Blick auf diese drei Männer, die sehr unterschiedliche Rollen in der römischen Politik gespielt haben.
Sallust und Cicero vereint ein ziemlich ähnlicher Lebenslauf. Beide stammten aus unbekannten Familien und haben sich nur durch ihre eigenen Qualitäten eine herausragende Position in der römischen Gesellschaft erkämpft. Beide sind heute für ihr literarisches Werk bekannt, hätten sich aber mit Sicherheit gewünscht, auch aufgrund irgendwelcher Heldentaten zur Rettung des Staates Berühmtheit zu erlangen. Cicero wurde nach der Catilina-Affäre zwar als Retter der Republik bejubelt, danach jedoch ging er dem jeweils aktuellen Herrscher (sei es Caesar oder Octavian) nur auf die Nerven. Ein Held waren weder Sallust noch Cicero, auch wenn Sallust in der Armee Caesars gekämpft hat. Sie setzten ihre rhetorische Begabung ein, doch sobald es um das Thema Machtergreifung ging, mussten sie vor den wahren politischen Füchsen die Waffen strecken.
Auch Cicero kam aus einer bergigen, abseits von Rom gelegenen Gegend. Er wurde in Arpino geboren, einem Städtchen in der heutigen Ciociaria. Diese südöstlich von Rom gelegene Gegend, aus der auch meine Mutter stammte, hat ihren Namen von dem Schuhwerk erhalten, das die Bauern dort noch vor fünfzig Jahren trugen, von der sogenannten cioce, bestehend aus einer Ledersohle (oder Stücken von Autoreifen), die mithilfe von Schnüren direkt am Fuß befestigt war. Cicero kämpfte sein Leben lang für das klassische Ideal der römischen Republik, einer Republik, die sich viele Römer erträumt haben, die aber nie wirklich existiert hat. Seine politischen Ambitionen haben ihm zwar zeitweise zu hohen Positionen verholfen, einen dauerhaften Einfluss auf die römische Politik hat er jedoch niemals ausüben können.
Caesar kam aus einer anderen Welt. Er stammte aus der Familie der Julier, einem alten Patriziergeschlecht, das seinen Ursprung vermutlich in dem Trojaner Aeneas hatte. Caesars politischer Instinkt und Skrupellosigkeit waren einzigartig; schon am Anfang seiner politischen Karriere hatte er die zwei Schlüssel der Macht für sich entdeckt: Soldaten und Geld. Bei jeder seiner politischen Aktionen oder militärischen Kampagnen ging es ihm immer um die Aufstellung einer schlagkräftigen und bis in den Tod loyalen Armee sowie um die Eintreibung von so viel Geld und Vermögen wie möglich. Er brauchte immense Summen, um sich die Loyalität seiner Truppe zu sichern und um die Räder in Rom zu schmieren. Der Historiker Cassius Dio8 analysiert die Machtphilosophie Caesars im Detail wie folgt:
Doch tat er dies alles nicht in böser Absicht, er hatte vielmehr zahllose Ausgaben zu bestreiten und wollte außerdem noch viel mehr für seine Legionen und Triumphe und all das andere aufwenden, womit er seinen Stolz befriedigen konnte. Kurz gesagt, er entwickelte sich zu einem Geldraffer; erklärte er doch, es gebe zwei Dinge, welche die Herrschaften begründeten, bewahren und wachsen ließen, Soldaten und Geld, und beide hingen voneinander ab: denn eine gute Versorgung halte die Truppe zusammen und werde durch die Waffen gesichert. Fehle eines von beiden, dann werde sich gleichzeitig auch das andere auflösen.
.... er raffte viel Geld zusammen, teils als Geschenk, teils als „Anleihen“, wie er es nannte. Diese Bezeichnung „leihen“ verwendete er nämlich bei solchen Geldtreibungen, für die es sonst keinen wohlklingenden Vorwand gab …. denn er habe – so lautete seine Erklärung – sein Privatvermögen für das Wohl der Allgemeinheit aufgewendet und müsse deshalb auch borgen. Aus diesem Grunde gab er, als das Volk einen Schuldenerlass verlangte, ebenfalls nicht nach, sondern meinte: „Ich habe auch selbst viele Schulden.“
Sallust ist wegen seiner historischen Werke Die Verschwörung des Catilina und Der Krieg gegen Jugurtha berühmt geworden. Über sich selbst hat er darin nur sehr wenig erzählt. Im Gegensatz dazu hat sein Gegner Cicero mit seinen über 900 Briefen und unzähligen Reden eine breite Spur von Informationen hinterlassen, nicht nur über die politischen Ereignisse des ersten Jahrhunderts v. Chr., sondern auch über sein Leben und seine Gefühle, beispielsweise über die Ausstattung seines Hauses auf Tusculum und der darin befindlichen Bibliothek oder seine Sorgen um seine geliebte Tochter Tullia und seinen Bruder Quintus. Die Biografen des Sallust haben es viel schwerer, auch weil viele Informationen über das Leben und die Taten des Historikers aus Werken stammen, die wahrscheinlich Fälschungen sind. Eine Schmährede („Invektive“) gegen Sallust wurde zunächst Cicero als eine Rede im römischen Senat zugeschrieben, ist aber mit großer Wahrscheinlichkeit eine Fälschung, weswegen der unbekannte Autor mittlerweile Pseudo-Cicero genannt wird. Für geschickte Rhetoriker war es zur damaligen Zeit nicht unüblich, zu Übungszwecken eine Rede so zu verfassen, als stamme sie von irgendeinem berühmten Anwalt, zum Beispiel von Cicero. Die Invektive gegen Sallust ist vermeintlich eine Antwort auf eine andere Invektive, diesmal von Sallust gegen Cicero.9 Das Vertrackte daran ist, dass einige Fakten, die in den besagten Reden zur Sprache kommen, mit gesicherten Tatsachen übereinstimmen, sodass man davon ausgehen muss, dass diese Quellen ein Gesamtbild von Sallust liefern, auch wenn dieses nicht hundertprozentig zuverlässig ist.
Andere biografische Brocken können wir den Schriften der späteren Historiker entnehmen, zum Beispiel denen von Cassius, Appianus, Asconius und den Kirchenvätern Eusebius sowie Hieronymus. Aus allen diesen Quellen erfahren wir, dass Sallust ein Sabiner war, d. h., dass er aus einer bergigen Gegend stammte, wo der Rummel und der Glanz der Weltstadt Rom nur in ziemlich abgedämpfter Form ankamen. Seine Werke sind voll von moralisierenden Idealen, doch es ist fraglich, ob er sich selbst immer daran gehalten hat. Er selbst schreibt – wenn auch etwas verklausuliert – dass er in der lasterhaften Umgebung der römischen Politik nicht immer standfest blieb. Vom Pseudo-Cicero erfahren wir, dass sein Verhalten in der Jugend nicht gerade beispielhaft war und er das Haus seines noch lebenden Vaters verkaufte, um seine Schulden begleichen zu können.
Schon bald schloss er sich an der Seite von Julius Caesar der Partei der Populares an und befand sich infolgedessen in einem ständigen Konflikt mit Cicero, der auf der Seite der Optimates stand. In den Jahren zwischen 62 und 52 v. Chr. wurde die römische Politik von der Fehde zwischen Cicero und dem Tribun Clodius geprägt; Sallust fand sich als Vertreter der Populares oft an der Seite des Clodius wieder und stellte sich damit gegen Cicero. Die Feindschaft zwischen Publius Clodius Pulcher (aus der Familie der Pulchri, der Schönen) und Cicero nahm ihren Anfang im Jahr 62 v. Chr., als Clodius sich in Frauenkleidern in das Haus Caesars einschlich, wo die römischen Matronen unter der Leitung von dessen Mutter die Mysterien der Bona Dea zelebrierten.10 Zu diesem Ritus waren nur Frauen zugelassen, wodurch er eine Art Gegenstück zum Kult des Herkules bei der Ara maxima darstellte, an dem nur Männer teilnehmen durften. Der „feministische“ Eifer ging so weit, dass man sogar die Bilder von männlichen Tieren verhüllte.11 Clodius hatte angeblich ein Verhältnis mit Caesars Frau oder wollte sich einfach nur einen Scherz erlauben, wurde jedoch letztlich von einer Dienerin entlarvt.12 Der darauf folgende Skandal war groß, unter anderem deshalb, weil Caesar zu diesem Zeitpunkt das höchste religiöse Amt, das des Pontifex maximus, bekleidete. Es kam zu einem Verfahren gegen Clodius, in dem Cicero gegen ihn Stellung bezog, doch Clodius ließ das Gericht von seinen bewaffneten Banden umzingeln, woraufhin der Richterspruch um zwei Tage verschoben werden musste. Dank einer finanziellen Unterstützung durch Crassus konnten die zuständigen Richter bestochen werden, sodass Clodius am Ende frei kam. Cicero berichtet:13
Dann wurden aber auch – mein Gott, was für Zustände! – die Nächte bei gewissen Frauenzimmern sowie die Zuführung adliger Jüngelchen für manchen Geschworenen der Höhepunkt des Sündenlohns.
….Und trotzdem zeigten sich fünfundzwanzig Geschworene so mutig, dass sie trotz höchster Gefahr lieber selbst ihr Leben lassen als alles verloren gehen wollten. Nur einunddreißig waren es, die sich mehr vom Hunger als von ihrer Ehre leiten ließen.
Caesar war darauf aus, dass die ganze Angelegenheit in Vergessenheit geriet, und so äußerte er sich im Verlauf des Verfahrens kein einziges Mal. Er ließ sich aber von seiner Frau scheiden.14 Auf diesem Anlass basiert der Spruch: Caesars Frau muss über jeden Verdacht erhaben sein. Natürlich dachte Caesar, dass sein Ruhm, der schon erheblich ramponiert war, keine zusätzliche Belastung wegen seiner Frau benötigte.
Im Jahr 59 v. Chr. verzichtete Clodius auf seinen Patrizierstatus und ließ sich von einem Plebejer adoptieren, weil er nur so zum Volkstribun gewählt werden konnte, was ihm wiederum die Möglichkeit gab, einen größeren Einfluss auf das Volk auszuüben. Er entwickelte sich in der Folge zu einem Intriganten, der, gestützt auf seine Beliebtheit beim Volk, seine eigene Politik betreiben wollte.15 Es gelang ihm, Cicero ins Exil zu jagen, unter dem Vorwand, dass dieser die Verschwörer um Catilina, ohne ihnen einen richtigen Prozess gemacht zu haben, zum Tode verurteilen ließ. Clodiusʼ Banden brannten Ciceros Haus nieder, als dieser Rom verlassen hatte, ohne auf die endgültige Verbannung zu warten.16 Clodius ließ auch auf Ciceros Grundstück eine Statue der Libertas aufstellen, so dass Cicero auf „geweihtem“ Grund kein Haus mehr errichten konnte.17 Im Jahr 57 v. Chr. schlug einer der Tribunen die Rückkehr Ciceros vor, aber Clodius tat alles, um dies zu verhindern. Mit seinen Gladiatorenbanden behinderte er die Sitzungen des Senats und Ende Januar verübte er ein furchtbares Gemetzel im Forum. Bei dieser Gelegenheit kam Quintus, Ciceros Bruder, um Haaresbreite davon, indem er sich unter den Leichen versteckte. Cicero zeichnet ein düsteres Bild:
Der Tiber füllte sich mit Leichen, die Kloaken waren verstopft und man reinigte das Forum mit Schwämmen vom Blut. 18
Cicero konnte indes auf die Unterstützung der Tribunen Publius Sextius und Titus Annius Milo zählen, die sich derselben Methoden bedienten wie Clodius und bewaffnete Banden organisierten, die diesen in Schach hielten. Letzten Endes kehrte Cicero aus dem Exil heim, und wurde am 4. September in Rom vom Volk begeistert gefeiert.
Im Jahr 55 v. Chr. wurde Sallust Quästor und nahm damit eine Stelle in der Verwaltung ein, mit der junge Römer ihre Ämterlaufbahn starteten. Am 18. Januar des Jahres 52 v. Chr. erschütterte ein Mord die römische Gesellschaft, der gleichzeitig der Endpunkt des Krieges zwischen den beiden Hitzköpfen Clodius Pulcher und Titus Annius Milo war. Auf der Via Appia trafen sich, vermutlich zufällig, die beiden Männer, jeweils in Begleitung ihrer Banden. In dem daraufhin stattfindenden Kampf wurde Clodius getötet. Im April begann der Prozess gegen Milo. Details aus dem Verfahren kennen wir aus der Rede von Cicero (Die Verteidigung Milos) und aus dem Kommentar von Asconius. Dieser gibt uns einen Einblick in die Feindschaft zwischen Sallust und Cicero:19
….die Tribunen Quintus Pompeius Rufus, Gaius Sallustius Crispus und Titus Munatius Plancus waren die ersten, die Volksversammlungen hielten, die extrem feindlich für Milo waren und Animosität gegen Cicero schüren sollten.
Cicero seinerseits bemerkt:20
Einige .… haben behauptet, der Mord sei zwar von Milos Hand verübt worden, jedoch auf Anstiftung eines Mächtigeren. Offensichtlich suchten sie mich als Banditen und Mörder hinzustellen – diese verworfenen, abscheulichen Menschen.
Für diejenigen, die nicht wussten, von wem Cicero sprach, liefert Asconius die Namen:21
Gemeint waren die Tribunen Quintus Pompeius Rufus und Gaius Sallustius.
Milo wurde am Ende verurteilt und ging ins Exil.
Das Nächste, was wir über Sallust erfahren, stammt aus der Feder von Cassius Dio: Sallust wird im Jahre 50 v. Chr. aus dem Senat geworfen,22 angeblich wegen seines unsittlichen Lebenswandels. Bekannt war, dass Sallust zu einem früheren Zeitpunkt eine Affäre mit Fausta, der Tochter von Sulla, unterhalten hatte und die beiden einmal von Faustas Ehemann Milo ertappt worden waren. Erst nach einer gehörigen Portion Schläge und der Bezahlung einer „Reparatur“-Summe konnte Sallust fliehen.23 Um das Bild abzurunden, meldete sich auch Lenaeus, ein Grammatiker und Freigelassener des Pompeius, der, vielleicht als Vergeltung für die feindliche Einstellung des Sallust gegenüber Pompeius, den Historiker mit „Schuft, Schlemmer und liederlichem Individuum“ betitelte.24 Die Tatsache, dass Sallust ein Parteigänger von Caesar war, hat sicher bei seinem Rauswurf eine Rolle gespielt und außerdem die Optimates wollten sich für ihre Niederlage im Fall Milo rächen. Im Jahr 49 v. Chr. machte Caesar ihn erneut zum Quästor, sodass Sallust in den Senat zurückkehren konnte.25 Mit dem Beginn des Bürgerkrieges zwischen Caesar und Pompeius finden wir Sallust an der Seite von Caesar als Befehlshaber einer Legion, die in Illyrien engagiert war, am Ende jedoch von den Pompeianern geschlagen wurde.26
Die nächste militärische „Operation“ von Sallust verlief auch nicht erfolgreicher: Caesars Truppen waren im Jahr 47 v. Chr. in Kampanien stationiert, wo sie sich auf ihre nächste Kampagne in Afrika vorbereiteten. Diesmal konnte Caesar die großzügigen Versprechungen, die er seiner Truppe gegeben hatte, nicht in vollem Umfang erfüllen, weswegen es zu einer Meuterei kam. Caesar schickte Sallust nach Kampanien, um die Gemüter zu beruhigen, doch, so berichtet Cassius Dio:27
Diese Leute hätten den Sallust .... beinahe umgebracht. Als er dann ihren Händen glücklich entronnen, zwecks Berichterstattung über die Vorfälle nach Rom zu Caesar eilte, folgten ihm viele Rebellen, die niemanden auf ihrem Wege schonten und neben anderen, denen sie begegneten, auch zwei Senatoren ermordeten.
In Rom angekommen, wollten die Rebellen mit Caesar sprechen; sie beklagten sich über all die Strapazen und Gefahren, die sie für ihn auf sich nehmen mussten, und verlangten zusätzlich zu der ihnen bereits versprochenen Belohnung, dass er sie aus seinem Dienst entlasse. Cassius Dio schreibt in diesem Zusammenhang:
….sie wollten nicht wirklich ins Privatleben zurückkehren – dies lag ihnen ja durchaus fern, da sie schon lange an die Vorteile des Kriegerlebens gewöhnt waren – sondern weil sie meinten, auf solche Weise Caesar einschüchtern und alle erdenklichen Wünsche durchsetzen zu können: er stand ja unmittelbar vor dem Feldzug nach Afrika.
Aber Caesar kannte seine Leute: Er tat so, als ob er einverstanden wäre:
„Nun, meine Mitbürger, ihr habt recht, ihr seid natürlich erschöpft und wundenbedeckt!“ Dann entließ er sie alle auf der Stelle, wie wenn er offensichtlich ihrer Hilfe nicht mehr bedürfe.
Auf diese Wendung waren die Soldaten nicht vorbereitet. Besonders erschüttert waren sie, weil er sie Bürger und nicht Soldaten genannt hatte. Am Ende entschließen sich daraufhin doch die meisten dafür, im Dienste Caesars weiterzukämpfen. Caesar setzte nach Afrika über, wo er seine Kontrahenten nach ersten Schwierigkeiten schließlich besiegen konnte. Im Rahmen dieser Kampagne gewann er für Rom die Provinz Numidien (ein Teil des heutigen Algeriens und Tunesiens), die den Name Africa nova erhielt. Sallust kämpfte in diesem Krieg an der Seite Caesars und es wird berichtet, dass er große Mengen an Getreide für das Heer Caesars von der Insel Cercina (heute Kerkenna) holen konnte. Dafür wurde Sallust reichlich belohnt; Cassius schreibt:28
….[Caesar] machte die Numidier zu Untertanen und überließ sie dem Sallust, angeblich um sie zu beherrschen, in Wirklichkeit aber, um sie gründlich auszuplündern. Jedenfalls nahm dieser Mann so viele Bestechungsgelder entgegen und ließ sich derartige Räubereien zuschulden kommen, dass er angeklagt wurde und schwerste Schande auf sich lud; denn nachdem er solche Schriften, wie er sie verfasst und darin zahlreiche bittere Bemerkungen über die Blutsauger gemacht hatte, handelte er nicht seinen Worten entsprechend.
Es war natürlich nicht unüblich, dass sich die Prokonsuln auf Kosten ihrer Provinzen bereicherten, aber offensichtlich gab es im römischen Senat doch noch einen Rest von Anstand, sodass die zurückkehrenden Herrscher oftmals vor Gericht gestellt wurden. Im Fall von Sallust wissen wir aus mehreren Quellen, dass ihm im Jahr 45 v. Chr. der Prozess gemacht wurde, aber auch, dass Caesar, mittlerweile der absolute Herrscher in Rom, seine schützende Hand über ihn hielt, wahrscheinlich gegen einen entsprechenden „Kick-back“.29 Ein Jahr später wurde Caesar ermordet. Nach seinem Tod sah Sallust keine Möglichkeit mehr, sich im römischen Politikdschungel zu bewähren, und zog sich in seine Villa zurück. Er selbst berichtet:30
Als ich daher nach vielen Leiden und Widerwärtigkeiten wieder zur Ruhe gekommen und fest entschlossen war, den Rest meines Lebens fern von Staatsgeschäften zu verbringen, da war es nicht meine Absicht, in sorglosem Nichtstun die schöne Muße zu vergeuden oder gar mein Leben lang mit Ackerbau oder Jagd mich zu beschäftigen, wie es die Sklaven tun. Nein, ich wandte mich der früheren Liebhaberei wieder zu, von der mich einst die leidige Ehrsucht ferngehalten hatte, und beschloß, die Geschichte des römischen Volkes in Auswahl darzustellen …
Im Gegensatz zu Sallust sah Cicero nach der Ermordung Caesars seine große Chance gekommen, von Neuem eine wichtige Rolle in der römischen Politik zu spielen. Er versuchte, den jungen Octavian zum Krieg gegen Antonius zu bewegen, und hielt mehrere Hetzreden (Philippiken) gegen Letzteren. Cicero provozierte Antonius so lange, bis dieser seine Schergen auf ihn ansetzte. Der junge Octavian, noch nicht Augustus, hatte sich inzwischen mit Antonius versöhnt und tat nichts, um Cicero zu schützen, der daraufhin versuchte, sich in den Hafen von Gaeta zu flüchten. Als er jedoch von seinen Verfolgern eingeholt wurde, ließ er die Sänfte, in der er saß, auf dem Boden absetzen und streckte seinen Kopf heraus, den ihm Antoniusʼ Schergen daraufhin abschlugen.31