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Einführung

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Am 2. September 31 v. Chr. trafen zum ersten und letzten Mal in der Geschichte zwei Supermächte im direkten Kampf aufeinander: die uralte, mythenbeladene, mystisch-religiös geprägte Zivilisation der Ägypter und das pragmatische, effiziente und in jüngster Zeit immer brutaler gewordene Militärregime von Rom. Das Ergebnis der Schlacht von Actium sollte den Lauf der Geschichte ändern und zur Gründung des römischen Kaiserreichs führen. Für den Sieger Octavian (den späteren Kaiser Augustus) und seinen Stab von Mitarbeitern, die man heute vielleicht als „Imageberater“ bezeichnen würde, bot sich die Gelegenheit, den Ruf der besiegten Gegner, des römischen Feldherrn Antonius und der ägyptischen Königin Kleopatra, für immer zu zerstören.

Es war ein Prozess der Propaganda, der bereits vor Actium begann, nach dem Tod von Antonius und Kleopatra an Tempo zunahm und sich wie eine Wolke über jeden Bericht gelegt hat, der diese Zeit beschreibt. Wie es so oft der Fall ist, gehörte zu den ersten Opfern des Regimewechsels die Wahrheit. Dazu trug bei, dass aus der Geschichte des Todes von Antonius und Kleopatra schnell der Stoff für eine romantisch-verklärende Legende wurde, einer „tatsächlichen“ Parallele zum Mythos von Pyramus und Thisbe (siehe S. 164), einem Vorläufer der Tragödie von Romeo und Julia – und so ist es bis heute. Bücher, Gemälde, Theaterstücke und Filme haben der todgeweihten Leidenschaft dieser beiden extravaganten Liebenden eine geradezu ikonische Note verliehen.

In gleichem Maße, wie der exotische Glamour des Liebesgeschichte die harten Fakten der Historie ablöste und trotz der Hinweise auf Münzporträts und Beschreibungen zeitgenössischer Autoren sind (vorwiegend männliche) Historiker geradezu Amok gelaufen, was die Vorstellungen von Kleopatras Schönheit betrifft – bis sie selbst und ihre Leser von ihrem Reiz ebenso fasziniert waren, wie Augustus’ Propaganda es damals von Antonius behauptete.

Das Ergebnis: Schriftsteller und Gelehrte, die vom Leben und der Liebe übergangen waren, haben zahlreiche Bücher über Kleopatra verfasst, in denen jeder Hauch von Sex und Leidenschaft die Selbstanklagen einer in abgedunkelten Schlafsälen verbrachten Kindheit weckt – mit Kleopatra als „ guilty pleasure“, als geheimem Avatar einer verbotenen Herrin, ganz so, als ob ihre Autoren (wenn sie es nur könnten) sie gerne in die Realität holen würden, um mit ihr das von Büchern übersäte eigene Bett zu teilen. Sie phantasieren über die Farbe ihrer Augen, ihre Haarstruktur, die geschwungene Linie ihrer Nase, ihre vollen Lippen, ihre getönte Haut und zweifellos über anderes mehr, über das zu schreiben sie nicht über sich bringen.


Shakespeare’sches Liebespaar: Steingutliese mit Antonius und Kleopatra, von John Moyr-Smith, um 1875 15×15 cm. British Museum, 2000,1102.1, Schenkung

Eine weitere heimliche Freude bereitet ihnen dabei die scheinbare Unmoral der wichtigsten Akteure dieser Geschichte. Es mag durchaus sein, dass Antonius, überschwänglich, skrupellos, in seinen eigenen Augen die Verkörperung des Dionysos, sich sofort der Philosophie des Alexis Sorbas in Kazantzakis’ gleichnamigem Roman angeschlossen hätte, der sagt: „Die größte Sünde des Mannes ist, wenn eine Frau ihn in ihr Bett ruft und er nicht gehen will. “ Sicherlich trifft es ebenso zu, dass Kleopatra diversen Männern, mit denen sie nicht verheiratet war, Kinder gebar. Aber obwohl ein solches Verhalten frühere Generationen dazu gebracht haben mag, auszurufen: „How unlike, how very unlike, the home life of our own dear Queen“, so eine berühmt gewordene empörte Reaktion auf eine Aufführung von Shakespeares Antony and Cleopatra zur Zeit Königin Victorias, so hilft uns doch eine solche Reaktion nicht weiter, wenn wir verstehen wollen, was die mächtigsten Politiker ihrer Zeit dazu trieb, zu tun, was sie taten. Tatsächlich müssen wir uns stark vom Blickwinkel der späteren prüden christlichen Ethik lösen, bevor wir über das Privatleben irgendeines beliebigen Menschen der Antike urteilen können; wenn die Fakten aber noch zusätzlich durch die augusteische Propaganda verzerrt sind, wird jedes moralische Urteil irrelevant.

Tatsächlich ist es ziemlich unklar, inwieweit die Beziehung von Antonius und Kleopatra auf Liebe basierte („was auch immer “, wie einer der Royals kürzlich sinnierte, „Liebe bedeuten mag“). Keiner von beiden war so naiv zu glauben, dass „ die Liebe“, um mit den Worten eines von Augustus’ Hofdichtern zu sprechen, „alles besiegt“; beide waren erfahren genug zu wissen, dass in der Politik nüchterne Entscheidungen immer über emotionalen Reaktionen stehen müssen, wie attraktiv diese auch sein mögen.

Aus diesem Grund haben wir uns bewusst dazu entschlossen, jeden Bezug zur „Liebe“ als treibende Kraft in Antonius’ und Kleopatras politischer Partnerschaft zu vermeiden. Dies soll nicht bedeuten, dass wir leugnen wollen, es habe irgendeine Art emotionaler Bindung zwischen den beiden gegeben, sondern einfach nur, dass wir die wahre Natur dieser Bindung nicht kennen (und niemals kennenlernen werden). Stattdessen haben wir versucht, die Ereignisse wiederzugeben, die zu jener schicksalhaften – wenn auch ziemlich schmutzig geführten – Schlacht in der Bucht von Actium führten, die Persönlichkeiten, die daran Anteil hatten, zu beschreiben sowie die unerbittlichen Kräfte, die sie antrieben, und zu deuten, wie der Sieger, Augustus, die Wahrheit manipuliert, wenn nicht gar völlig verfälscht hat.

Im gesamten Buch haben wir versucht, die Geschichte aus der Sicht von Alexandria erzählen, dieser außergewöhnlichen griechischen Stadt, die an der Nordküste Ägyptens aus dem Boden gestampft worden war; in der fast 300 Jahre lang Kultur und Hedonismus nebeneinander blühten und der en Zivilisation Rom deutlich in den Schatten stellte (weswegen die meisten Römer sie beneideten und auf bösartige Weise verunglimpften).

Wie das restliche Ägypten war Alexandria in seiner Nahrungsmittelversorgung von den alljährlichen Überschwemmungen des Nil abhängig – ein Umstand, den völlig außerhalb seiner eigenen Kontrolle lag. Wie die Stadt auf die An- oder Abwesenheit von Niederschlägen Hunderte von Kilometern südlich reagierte, hatte zum großen Teil ihre vergangenen Er folge bestimmt, denn es hatte dafür gesorgt, dass ihre Herrscher schlau mit dem Wechselspiel des Zufalls umzugehen wussten. Und niemand konnte dies besser als Kleopatra. Denn ihr Schicksal und das von Alexandria waren miteinander verflochten, und es ist diese bemerkenswerte Stadt, in der unser Bericht seinen Anfang nimmt.


Alexandria, showing Canopic Street looking west von J. P. Golvin. Aquarell, nach Alexandria (London 1998), S. 47.

31 v. Chr.

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