Читать книгу Der Weg nach Gawler - Samina Haye - Страница 7

Kapitel 4

Оглавление

Mittwoch, 28. September 2011

Die letzten Tage hatte Lina ziemlich viel Stress im Einkaufscenter gehabt, doch das tat ihr gut, denn so hatte sie keine Zeit, Gedanken an Pete zu verschwenden. Doch als sie heute Früh das Bett verließ, wäre es besser gewesen, einfach liegen zu bleiben.

Sie machte sich fertig für die Arbeit, trank noch einen Kaffee und überflog nochmals die Zeitung von gestern. Kurz darauf schnappte Lina sich ihre Tasche, schloss die Tür ab und begab sich zu ihrem Auto. Als sie dort ankam, erstarrte sie und schrie laut auf:

„Oh, mein Gott! Was ist denn hier passiert?“ Ihr stand die Angst ins Gesicht geschrieben, sie zitterte am ganzen Körper als sie um das Auto herum ging und sah, was hier vollbracht wurde.

Sie war entsetzt und kramte in ihrer Tasche, um das Telefon zu suchen, denn sie musste sofort die Polizei informieren. Das hatte nun nichts mehr mit Spaß zu tun.

Nach dem Telefonat mit dem Polizeibeamten rief Lina auch bei ihren Eltern an, die sich sofort auf den Weg zu ihr machten.

Lina ging kurz zurück ins Haus um in Ruhe ihren Chef anzurufen. Sie musste sich den heutigen Tag Urlaub nehmen.

Einige Zeit später kamen ihre Eltern die Einfahrt hochgefahren. Lina ging hinaus und als sie ihre Mutter sah, ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

„Mama, ich glaube, es war Pete“, sagte sie nur und fiel ihrer Mutter in die Arme.

„Ach, meine Liebe, komm, lass uns mal nachsehen gehen“, redete ihre Mutter sanft auf sie ein. Sie gingen gemeinsam zum Auto und dann sahen sie es. Linas Auto war von oben bis unten, von hinten bis vorne zerkratzt und demoliert worden. Weil das anscheinend noch nicht ausreichte, klebten auf dem ganzen Auto verteilt Nacktfotos von Lina.

Linas Vater rastete aus, als die Polizei herbei fuhr. Er ging auf das Polizeiauto zu und legte los.

„Guten Morgen. Bitte kommen Sie schnell mit, wir müssen Ihnen was zeigen“, sagte Paul in einem schroffen Ton zu den Beamten, die ihm sofort folgten.

Die Polizisten sahen sich das Auto minutenlang an, machten Fotos und nahmen die Beweisstücke unter Beschluss. Lina fühlte sich beschämt, betrogen und missbraucht. Fremde Menschen, wie die Polizisten, sahen sie jetzt nackt auf den ganzen Fotos. Nun fühlte sie sich auch tatsächlich „nackt“.

Danach schrieben sie sich die ganzen Personalien von Lina auf und begannen mit den Fragen.

„Frau Böhm, haben Sie eine Vermutung, wer das gewesen sein könnte?“, fragte der Polizist und wartete auf ihre Antwort. Lina sah zu ihren Eltern, die ihr zunickten und sie atmete nochmal tief durch.

„Ja, ich glaube ich weiß, wer das war“, sagte sie vorsichtig und der Beamte sah neugierig auf.

„Okay, dann erzählen Sie uns in Ruhe, welche Vermutungen sie haben“, erklärte der Polizist und Lina war sichtlich angespannt.

„Also, ich habe mich vor ein paar Wochen von meinem Ex-Freund getrennt und er kann irgendwie mit dieser Situation nicht so wirklich umgehen. Er bedrohte mich mit den Worten „Das wirst du noch bereuen“ und schrieb mir am Sonntag einen Brief, den er mit einer schwarzen Rose an meiner Haustüre befestigte“, erklärte sie und machte eine kurze Pause.

Der Polizeibeamte erhob das Wort.

„Können Sie uns diesen Brief geben, haben Sie diesen noch?“, fragte er und Lina antwortete sofort.

„Klar hab ich den noch. Moment, ich gehe kurz ins Haus um ihn zu holen“, sagte sie und ging hinein. Ihre Eltern sprachen weiter mit den Beamten und sahen sich das Auto nochmal genauer an.

Einige Zeit später überreichte Lina ihnen den Brief und teilte ihnen Petes Personaldaten mit.

Danach verabschiedeten sie sich bei Familie Böhm und verblieben damit, sich bei ihr zu melden, wenn es Neuigkeiten gibt.

Da Lina das Auto in den nächsten Tagen stehen lassen sollte, bis die Polizisten Genaueres wussten, rief sie in der Arbeit an und nahm sich den Rest der Woche frei. Ihre Eltern kamen noch mit hinein, um sie nicht alleine zu lassen. Paul nahm seine Tochter in den Arm.

„Schatz, wenn es dir lieber ist und du dich sicherer fühlst, komm doch die nächsten Tage mit zu uns nach Hause“, sagte er liebevoll und Lina gab ihm ein schwaches Lächeln.

„Ach Papa, Dankeschön. Aber ich schaffe das schon, so schlimm ist es nun auch nicht, war ja nur ein Blechschaden am Auto“, versuchte Lina ernst und ohne Angst an ihre Eltern zu vermitteln.

Doch ihre Mutter nahm ihr das nicht so ganz ab.

„Okay, aber vielleicht kommt Anne heute Abend zu dir, damit du nicht so alleine bist. Ruf sie doch mal an und frag sie.“

Sophie war besorgt und deswegen tat Lina ihr den Gefallen, Anne anzurufen.

Ein bisschen später, als sie das Telefonat mit ihrer Freundin beendete, war auch Lina etwas erleichtert darüber.

„Anne kommt heute sofort nach der Arbeit zu mir und übernachtet auch hier“, erklärte sie ihren Eltern, die nun beide etwas beruhigter wirkten.

„Es ist gut, dass du nicht alleine bist.“ Sie sprachen nochmal über das Geschehene und verstanden Petes Verhalten nicht.

Doch sie konnten nichts daran ändern, jeder Mensch ist, wie er ist und Pete hatte nun mal einen psychischen Knacks.

Als Linas Eltern nach Hause fuhren, sperrte sie alles gut ab und ließ sich eine heiße Wanne ein.

Den Tag verbrachte sie damit, sich über alles den Kopf zu zerbrechen. Über die Bedrohungen, den Brief mit der schwarzen Rose und nun das mit ihrem Auto.

Was sollte sie tun? Irgendwie wollte sie Zoe gerne eine Mail schreiben und ihr das alles berichten, aber war das so gut?

Nach einem ausgiebigen Frühstück und langem hin und her Überlegen, beschloss sie, ihrer Schwester zu schreiben.

Lina holte sich von oben ihren Laptop und machte es sich dann im Wohnzimmer auf dem weichen Schafteppich gemütlich.

Sie erwartete sowieso noch eine Rückantwort von Zoe, fiel ihr ein, als sie den Posteingang öffnete und eine ungelesene Nachricht ihrer Schwester sah, die sie rasch öffnete.

Hallo Schwesterherz!

Oh, oh, das hört sich nicht gut an. Doch was soll ich dazu sagen meine Liebe, ich hab dir von Anfang an gesagt, dass sich Pete nicht ändern kann.

Lina, ich kann dir nur so viel dazu sagen: Bitte weine und trauere nicht um ihn, denn er ist es auf keinen Fall wert. Sei froh, dass du ihn los bist und dass du diesmal so schnell dahinter gekommen bist, welch ein Vollidiot er ist.

Was sich in Roseworthy tut …?

Hm, wir haben derzeit sehr viel Arbeit mit den Getreideweiden, um diese fertig abzusähen. Doch sonst tut sich nicht viel. Meine Schüler sind die besten, die ich mir nur wünschen kann und mir geht es täglich besser.

Ich träume noch oft von Nick und rede auch mit ihm, das brauche ich und tut mir sehr gut. So, nun noch zu etwas anderem.

Doch Lina, du musst mir versprechen, dass diese Neuigkeit noch ein Geheimnis unter uns bleibt! :-) Riley und ich haben den Hochzeitstermin nun endgültig fest gemacht, aber wir senden allen Gästen eine wunderschöne Einladung, deswegen bitte ich dich, auch unseren Eltern noch nichts davon zu erzählen.

Aber dir, meine liebe Schwester, verrate ich es natürlich.

Unsere Hochzeit findet am Samstag, 05. November in der kleinen gemütlichen Kirche in Roseworthy statt. Aber es ist schon früher anzureisen, denn am Samstag, 29. Oktober ist der Junggesellinnenabschied zu feiern!

Wir müssen bald mal miteinander telefonieren um abzusprechen, wie die Kleider der Trauzeugin (also das, hoffe ich, bist du?!) und die der Brautjungfrauen (Anne & Emma) sein sollen.

Farbe, Länge, Schnitt und vieles mehr … :-)

Tja, aber vorab soll das mal an Informationen ausreichen.

Lina, Kopf hoch und bitte sei nicht mehr traurig wegen Pete. Stell dir vor, ich nehme dich jetzt ganz fest in den Arm und küss dich auf deine Wangen.

Sag unseren Eltern ganz liebe Grüße und gib ihnen ein Bussi von mir!

Denk an dich & vermisse dich.

Hab dich sehr lieb.“

Als Lina diese Zeilen ihrer Schwester las, wurde ihr ganz warm ums Herz. Sie vermisste Zoe ebenso sehr, doch nun bekam sie die Bestätigung dazu, dass sie die richtige Entscheidung bezüglich Pete getroffen hatte.

Lina holte sich ihren Kalender vom Büro, um sich sofort die Termine des Junggesellinnenabschieds und der Hochzeit einzutragen.

Die Vorfreude war schon so groß, dass Lina innerlich fast platzte.

Jetzt aber war sie an der Reihe, Zoe zurück zu schreiben. Wie sollte sie wohl am besten damit beginnen?

Sie schloss die Augen und schrieb darauf los.

Meine geliebte Schwester!

Du hast mich soeben wieder zu einem glücklicheren Menschen gemacht und dafür möchte ich dir von Herzen danken. Oh, die Termine wurden ganz groß und dick in meinen Kalender eingetragen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich heute schon darauf freue, dich und die McCains und auch Australien wieder zu sehen.

Und nein, ich sage unseren Eltern auf keinen Fall was von der Hochzeit, das ist eure Aufgabe!

ZOE, ich bitte darum und freue mich sehr deine Trauzeugin sein zu dürfen!? Haha, und wegen der Farbe der Kleider habe ich natürlich auch schon überlegt. Was hältst du von einem hellen Blau oder Kleider in einem hellen Lila-Ton?

Aber ja, du hast Recht, da müssen wir mal in Ruhe skypen und es besprechen! :-)

Doch Süße, ich muss dir auch noch was nicht so Schönes berichten, denn mir geht es seit heute gar nicht gut und die Angst gegenüber Pete ist zurückgekehrt.

Als ich heute Früh das Haus verließ um zur Arbeit zu fahren, erfasste mich an meinem Auto ein entsetzliches Erschrecken.

Mein Auto war rundherum zerkratzt und demoliert worden. Weil das anscheinend nicht ausreichte, klebten hinten überall verteilt Nacktfotos von mir.

Hm, wenn ich so darüber schreibe, kommen mir schon wieder die Tränen. Die Polizei war hier, hat alles aufgenommen, fotografiert und beschlagnahmt, unsere Eltern waren auch da und standen mir zur Seite.

Zoe, das war sicher Pete.

Das habe ich natürlich den Beamten auch erzählt, die vernehmen ihn heute noch auf dem Polizeipräsidium.

Nun habe ich Angst, dass er dafür Rache an mir ausüben wird. :-(

Aber heute Abend kommt Anne zu mir und bleibt über Nacht hier, damit ich nicht alleine bin.

Morgen fahre ich vielleicht zu Mama und Papa nach Hause, aber ich warte einfach mal ab, was passiert.

Warum kann er mich nicht endlich in Frieden lassen? Der soll sich eine Andere suchen und gut ist. Bitte lass das bald ein Ende finden!

Ja, das war mein Tag bis jetzt und ich kann nur hoffen, dass er besser wird.

Ich denke einfach an eure Hochzeit und daran, dass ich bald wieder auf Besuch nach Australien komme.

Ich drück dich ganz fest zurück!

Sag du auch allen liebe Grüße von mir!

Dicken Schmatz, deine Lina“

Lina las nochmal die Mail und klicke auf „Senden“. Nun hatte sie Zoe alles erzählt, ob das nun richtig oder falsch war, konnte sie nicht beurteilen. Aber sie musste doch mit irgendjemanden darüber reden, der sie auch blind verstand, weil sie sonst vor lauter Angst drohte, durchzudrehen. Sie blieb noch einige Minuten auf dem Teppichboden sitzen und machte sich über den bisherigen Tag erneut ihre Gedanken, ehe sie mit sich selber sprach.

„Ah, verdammt noch mal. Jetzt ist aber Schluss mit dem verrückten Kopfkino, nun wird geputzt“, schrie sie sich schon fast aus der Seele, stand auf und begann das ganze Haus von oben bis unten durch zu putzen.

Ein paar Stunden später, als Lina gerade mit dem letzten Zimmer fertig wurde, klingelte es an der Tür und sie zuckte zusammen.

Wer konnte das wohl sein? Pete? Sie ging zur Tür und spähte vorsichtig durch das Guckloch, und als sie Anne dort stehen sah, fiel ihr ein Stein vom Herzen.

Lina öffnete ihr sofort die Tür und Anne gab ihr zur Begrüßung links und rechts ein Küsschen.

„Hallo, Lina. Na, was ist denn los bei dir, hm?“, fragte sie liebevoll.

„Hi. Komm mal rein, dann mach ich uns einen Kaffee und erzähl dir alles in Ruhe“, gab sie ihrer Freundin zur Antwort und ging ihr voraus in die Küche.

Als der Kaffee fertig war und sie an der Küchenbar Platz nahmen, erzählte Lina ihr von dem schlimmen Vorfall heute Früh. Anne konnte es kaum glauben.

„Das ist doch wohl nicht dein Ernst?“, fragte sie schockiert und Lina sah zu Boden.

„Doch, leider schon. Hast du das Auto nicht angesehen, als du zur Haustür kamst?“ Anne schüttelte verneinend den Kopf.

„Okay, komm mit, ich zeige es dir“, sagte sie und begab sich nach draußen zum Auto. Sobald Anne das Auto zu Gesicht bekam, entfuhr ihr ein Schrei.

„Oh mein Gott, das kann doch nicht wahr sein, was für ein Idiot war das denn?“, sah sie Lina fragend an.

„Pete?“ Lina drehte sich um und ging wieder zum Haus.

„Ja, ich vermute ganz stark, dass es Pete war, das sagte ich auch der Polizei. Denn nach seinem Brief vom Sonntag würde das zu ihm passen und ich wüsste nicht, wer mir sonst so etwas antun würde“, sagte sie an Anne gerichtet, die immer noch sprachlos war, sich aber bald fasste.

„Da könntest du Recht haben, denn ich kann mir auch keinen Anderen vorstellen“, erwiderte sie darauf und sprach weiter.

„Lina, ich werde in den nächsten Tag bei dir übernachten, damit du nicht alleine bist und ich für dich da sein kann, falls dieser kranke Typ nochmal auftauchen sollte“, sagte sie und Lina nahm sie in den Arm.

„Dankeschön, das freut mich sehr, das kann ich echt gut gebrauchen.“ Die beiden kochten gemeinsam Spaghetti und machten sich einen gemütlichen Abend.

Zum Glück passierte an diesem Tag nichts Sonderbares mehr.

**


In der Nacht hatte Pete sich an Linas Auto zu schaffen gemacht. Es war eine Genugtuung gewesen und es hatte ihm gefallen, diesen Schaden anzurichten.

Das komplette Auto demolieren, aber sehr leise, damit es ja niemand hören kann.

Zum Glück hatte Lina das Schlafzimmerfenster genau auf die andere Seite hinaus.

Doch die Demolierung war nicht das Beste an der ganzen Geschichte gewesen, nein, das waren die Nacktfotos gewesen, die er heimlich von seiner Verflossenen geknipst hatte.

Die hatte er am gesamten Auto befestigt, begleitet von einer fiesen Grimasse im Gesicht.

Nun sollte Lina am eigenen Leibe spüren, wie es sich anfühlt, wenn man vor allen Leuten bloß gestellt wird.

„Meine Lina, das hast du davon. Ich sagte doch, du wirst es bereuen und zu spüren bekommen, mich verlassen zu haben. Doch das Gute an diesem Spiel ist, du kannst niemandem beweisen, nein, auch nicht der Polizei, dass ich es war und hinter alledem stecke“, hatte er sich gesagt und war zurück zu seinem Auto gegangen, wo er die Nacht verbringen wollte.

**


Der Weg nach Gawler

Подняться наверх