Читать книгу Biker Tales: Geliebte des Feindes - Sandra Binder - Страница 8
Interlude – Bad News
ОглавлениеEmma trommelte mit den Fingern auf der Theke, zog ihr Handy aus der Tasche und warf einen Blick aufs Display. Nichts. Scar hätte längst anrufen müssen, immerhin hatte er sie zur Arbeit fahren wollen. Um nicht zu spät zu kommen, war Emma schließlich selbst gefahren und hatte ihm geschrieben, dass er sich bei ihr melden solle. Aber ihr Freund war wie vom Erdboden verschluckt, und allmählich machte sie sich Sorgen.
Sie schaute sich im Courtroom um, musterte die Gesichter ihrer Freunde, die ausgelassen, teils angetrunken miteinander scherzten und diskutierten. Heute war Barabend, was bedeutete, dass die Gäste größtenteils aus Advocates und deren Anhängen bestanden. Nur einer fehlte mal wieder: Der stille, geheimnisvolle Typ, der Dinge gern allein regelte – automatisch verdrehte Emma die Augen bei dem Gedanken.
Ihr Blick fiel auf Pat, der zwischen den Prospects an einem Tisch saß und ebenfalls mit ernster Miene auf sein Handy starrte. Ob er irgendetwas wusste?
Gerade steckte Emma ihr Telefon in die Hosentasche und ging um die Theke herum, um den Iren auszufragen, da öffnete sich die Tür, und Scar betrat den Courtroom. Er grüßte seine Brüder mit einem Winken, ging jedoch zuerst auf Emma zu, die die Arme vor der Brust verschränkte.
»Wo bist du gewesen?« Sie musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Manchmal fühlte es sich an, als wären sie seit Ewigkeiten zusammen, wie ein altes Ehepaar.
Er legte eine Hand an ihre Taille und küsste sie zur Begrüßung sanft auf die Lippen. Das wiederum fühlte sich so gar nicht nach einem alten Ehepaar an.
»Tut mir leid, mir kam was dazwischen.«
Emma schauderte. War das etwa Besorgnis in seiner Miene? Oder projizierte sie nur ihre eigenen Gefühle auf ihn? In den vergangenen Wochen hatte er so viel gelächelt und war derart gelöst gewesen, dass sie vergessen hatte, wie ernst er dreinschauen konnte.
»Was ist los, Noah?«
Er ließ sich auf einem Barhocker nieder, und Emma stellte sich so dicht neben ihn, dass nur sie ihn hören konnte. Mit einer Handbewegung verscheuchte sie Woods, der eben auf sie zukommen wollte.
»Okay, nicht mein Business«, murmelte der dicke Prospect und machte mit erhobenen Händen auf dem Absatz kehrt. Von allen Kerlen hier besaß er wohl den schärfsten Instinkt, was Frauen anging. Oder den größten Überlebenstrieb, was war da schon der Unterschied?
»Flipp nicht aus, ja?«, bat Scar und versetzte allein mit diesen vier Wörtern und seinem vorsichtigen Blick Emmas Innerstes in Aufruhr. Wie konnte jemand annehmen, zu sagen, man solle nicht ausflippen, würde das Gegenüber tatsächlich daran hindern, es zu tun? »Ramirez wollte sich mit mir treffen.«
Emma sackte das Herz in die Knie. »Er will den Gefallen einfordern.«
Scar nickte lediglich.
»Sag mir bitte endlich, worum es dabei geht.«
Er seufzte. »Das werde ich nicht tun.« Als sie protestieren wollte, griff er nach ihrer Hand, und seine eisblauen Augen richteten sich durchdringend auf sie. »Du musst diese Sache mir überlassen, Em. Ich ziehe es durch, danach sind wir quitt und können die Scheiße hinter uns lassen. Es ist kein großes Ding.«
»Wieso machst du dann so ein Gesicht?«
Er wandte den Blick ab, nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber lange genug, um Emmas Verdacht zu bestätigen. Er war besorgt. »Irgendetwas ist da faul«, gab er schließlich zu. »Wie sich Ramirez verhalten hat, war merkwürdig.«
»Dann lass es sein.« Sie drückte seine Hand. »Was immer er verlangt, wenn du ein schlechtes Gefühl dabei hast, tu es nicht. Wir können es immer noch Syd beichten. Er steht hinter dir, das weiß ich.«
»Syd hasst Ramirez.« Scar schielte über die Schulter zum Pres, der am Dartautomat stand und eben über irgendetwas lachte, das Smitty zu ihm sagte. »Wenn er erfährt, dass wir den Bribones noch mehr schulden als ohnehin schon, macht er mich einen Kopf kürzer. Ich werde nicht mit ihm reden, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.«
Emma atmete tief durch. Genau vor dieser Situation hatte sie sich gefürchtet, seit der Schießerei mit Scars altem Boss in Accaciafield und dem darauffolgenden Handel mit Fernando Ramirez, um sich dessen Verschwiegenheit zu sichern. Sie hatte geahnt, dass sie nicht so leicht aus der Sache herauskommen würden.
Unauffällig schielte sie zu Syd hinüber. Er war kein großer Mann, aber recht bullig, besaß graues Haar, das in wilden Locken auf seine Schultern fiel, und stechende, türkisgrüne Augen. Sein Äußeres erinnerte ein wenig an einen Wolf. Sein Spitzname lautete Vicious, bösartig, wobei Emma ihn als zwar aufbrausenden, aber fairen und herzlichen Mann kannte. Wieso er die Bribones und vor allem Fernando so innig hasste, hatte er nie erzählt, sie wusste nur, dass Fernandos Vater irgendetwas mit den Brandnarben an Syds rechtem Arm sowie der rechten Wange und dem Ohr zu tun hatte.
Der Waffenstillstand mit den Bribones war eine Clubentscheidung gewesen, das hatte Benny ihr einmal erzählt. Und auch, dass Syd dagegen gestimmt hatte. Aber bisher hatte Emma angenommen, dass Fernando voll und ganz dahinterstand und alles daransetzte, den Frieden zu wahren. Vielleicht hatte er einfach allmählich die Nase voll davon, ständig Ärger mit dem Nachbarclub zu haben.
Den Bribones unterlagen die Drogengeschäfte in der Gegend. Nachdem sich das Wolfville-Chapter der Advocates hier eingerichtet hatte, fiel ihr größtes Meth-Labor plötzlich in feindliches Gebiet. Die Clubs einigten sich darauf, dass die Bribones dort weiter produzieren dürften, wenn sie die Advocates im Gegenzug für Schutztransporte ihrer Ware durch deren Gebiet bezahlten. Das stank den Mexikanern verständlicherweise, doch sie stimmten zu. Dann kam die Aktion mit Sonny und JJ, den beiden Ratten, die Bea entführt und ihre ehemaligen Brüder verarscht hatten, um mit den Bribones ins Geschäft zu kommen. Ramirez hatte bei der Sache einen Mann verloren, wie Emma erst später erfahren hatte. Kürzlich dann das Herlocken eines gefährlichen Chicagoer Drogenkartells in sein Gebiet. Und das waren nur die Dinge, die Emma wusste. Es würde sie nicht überraschen, wenn der Pres der Bribones das Wolfville-Chapter der Advocates loshaben wollte.
»Lass dich von ihm nicht zu einem Teil seines Plans machen, uns zu verdrängen«, raunte Emma ihm zu.
Scar hob einen Mundwinkel. »Du solltest das nicht überbewerten. Ramirez hat uns nie einen Grund gegeben, ihm zu misstrauen.«
»Bis heute.« Emma durchbohrte ihn beinahe mit ihrem Blick und drückte erneut seine Hand. »Wir müssen es Syd sagen. Ernsthaft, das wird sonst böse enden. Das fühle ich.«
Er löste seine Finger aus ihrem Klammergriff und legte sie stattdessen an ihre Wange. Liebevoll streichelte er mit dem Daumen über ihre Haut. »Alles wird gut, vertrau mir, Em. Ich regle das.«
»Das habe ich schon einmal gehört.« Sie verengte ihre Augen zu zornigen Schlitzen. »Und dann bist du losgefahren, um dich umbringen zu lassen.«
Er lachte leise. »Ich sagte doch, du sollst nicht ausflippen.«
»Und habe ich jemals getan, was du gesagt hast?«
Sanft küsste er sie auf die Lippen, wohl um das Gespräch zu beenden. Emma wollte eben protestieren, da fühlte sie, wie sich eine große Hand auf ihre Schulter legte.
»Na, ihr Turteltäubchen.« Chick klopfte Scar auf den Rücken und ließ sich neben ihm auf einen Barhocker fallen. »Ich hab mir da gerade was überlegt.« Er grinste bis über beide Segelohren. »Wir feiern eine Doppelhochzeit im Clubhaus.«
Emma war noch derart in ihrem vorherigen Gespräch gefangen, dass sie verwirrt erwiderte: »Du brauchst trotzdem zwei Torten.«
Scar sah sie fragend an, ehe er sich an Chick wandte: »Wer heiratet?«
»Na, Blaze und Bea und ihr zwei.« Er nickte, als sei das bereits beschlossene Sache. »Ich könnte mir so eine Lizenz aus dem Internet besorgen und euch alle trauen. Wär das nicht cool? Und danach betrinken wir uns ganz gepflegt. Also wie sonst, nur schön aufgerüscht.«
Emma blinzelte ihn lediglich an, und wie sie im Augenwinkel erkannte, tat Scar es ihr gleich.
»Ich musste mal eben flüchten.« Pat setzte sich neben Chick und klopfte mit den Knöcheln auf die Theke. »Die reden da drüben über … na ja, lassen wir das. Was ist hier Thema?«
Chick drehte sich zu ihm um. »Die Hochzeit der beiden.«
Pat lehnte sich mit einem Arm auf die Theke und schaute die drei abwechselnd mit großen Augen an. Dann deutete er mit dem Daumen auf Emma, sprach jedoch mit Scar: »Du hast ihr einen Antrag gemacht?«
Scar hob die linke Braue, ohne eine Miene zu verziehen.
»Und sie hat ja zu dir gesagt?«
Nun hob er die zweite Braue.
Halb lachend, halb schnaubend beendete Emma das Thema mit einer resoluten Handbewegung. »Okay, Jungs, genug jetzt.« Sie spazierte hinter die Theke und blieb vor Chick stehen. »Wieso gehst du nicht und erzählst Bea deine tolle Idee? Ich bin sehr gespannt, was sie dazu sagt.«
»Ich hatte gehofft, du übernimmst das.« Er grinste sie derart verschmitzt an, dass Emma lachen musste.
»Du bist vielleicht ein Feigling.« Es war zugegebenermaßen süß, wie sich Chick über das Glück seiner besten Freunde freute, auch wenn er etwas übers Ziel hinausschoss. Emma war einfach nur froh, dass sie wieder miteinander auskamen. Sie deutete auf die leere Bierflasche, die vor ihm auf der Theke stand. »Willst du ein neues?«
Nachdem Chick genickt hatte, wandte sie sich an Pat, der etwas abgelenkt schien. Wie so oft in den vergangenen Tagen. Er zog sein Handy aus der Innentasche seiner Kutte, warf einen Blick aufs Display und legte es dann vor sich auf die Theke.
Emma klopfte mit der flachen Hand auf die Stelle neben dem Telefon. »Hey, Mister Wichtig, was ist mit dir? Wartest du auf einen Anruf von deinem Börsenmakler?«
»Ähm, nein. Auf den meines Agenten. Hab mich für die Hauptrolle in einem Porno vorgestellt.« Er zwinkerte ihr zwar zu, aber der Scherz kam dennoch nur halbherzig rüber.
Irgendetwas beschäftigte ihn. Hoffentlich war es nur so etwas wie eine Magenverstimmung und nicht auch noch irgendein Problem, das mit den Bribones zu tun hatte …
»Was willst du trinken? Bier?«, hakte sie nach.
»Whisky«, antwortete er.
Der harte Stoff also. Emma nickte. Demnach plagte ihn tatsächlich etwas. Sie fragte nicht weiter nach, sondern zielte stattdessen mit einem Finger auf Scar. »Und wir beide unterhalten uns noch.«
Chick knuffte Scar mit dem Ellbogen in die Seite. »Sie findet meine Idee gut.«
»Ich brauche auch einen Whisky«, rief Scar ihr nach, als sie davon marschierte.
Während Emma die Gläser befüllte, schielte sie zu den Männern hinüber. Neben Chick, der völlig gelöst plauderte und gut gelaunt lachte, sahen Scar und Pat aus wie zwei ernste Figuren aus einem alten Westernfilm. Der Anblick bescherte ihr eine eisige Gänsehaut.
Sie hoffte nur, dass sie ihren Freund zur Vernunft brachte. Syd musste alles erfahren, bevor Scar etwas Dummes tat und in eine Scheiße hineinschlitterte, aus der er nicht mehr allein heraus kam. Wenn Fernando Ramirez tatsächlich einen Plan verfolgte, der gegen die Advocates abzielte, dann war es ihre Pflicht, den Club zu warnen.
Unauffällig schielte sie zu Pat hinüber. Was ihm über die Leber gelaufen war, war ihr ein Rätsel. Er schien meilenweit entfernt, dabei brauchte ihn Emma momentan dringend hier an ihrer Seite. Wenn sie zu Scar durchdringen wollte, musste Pat sie dabei unterstützen.
Sie beschloss, so bald wie möglich mit ihm zu sprechen.