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Interlude – Scars

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Emma stützte den Kopf in eine Hand, zog lustlos an dem Joint und blies den blauen Rauch langsam aus. Es war früher Nachmittag und der Courtroom war noch menschenleer, deshalb genehmigte sie sich eine Flasche Bier und ein bisschen Gras. Um runterzukommen, bevor die ersten Gäste auftauchten.

Sie hatte ein wenig übertrieben, als sie zu Bea sagte, die halbe Bar sei zertrümmert. In Wahrheit gingen lediglich ein Stuhl und ein Aschenbecher zu Bruch – aber reichte das nicht?

Emma war von Bs düsterem Gesichtsausdruck zutiefst erschrocken gewesen, als er in die Bar zurückkam. Sie hatte erfahren, dass er Bea vom Revier abholen würde und schon etwas Derartiges geahnt. Deswegen war sie morgens direkt hergekommen, um die Kühlschubladen neu zu befüllen. Nicht dass sie glaubte, er würde mit ihr über seine Gefühle reden wollen, geschweige denn, sie könnte ihm irgendetwas ausreden oder ihn aufhalten, aber sie wollte wenigstens da sein, um den Jungs die Höhe der Alarmstufe mitteilen zu können. Zehn auf einer Skala von zehn übrigens. Genauso wie gestern.

Noch nie hatte Emma den VP derart verzweifelt gesehen wie in dem Moment, als Bea mit dem Streifenwagen weggefahren wurde. Sobald die Cops abgezogen waren, hatte er sich aufs Bike gesetzt und war losgefahren, um die Sache für seine old Lady zu klären. Glücklicherweise war Pat ihm sofort gefolgt und hatte ihn aufgehalten, bevor B den Zeugen gefunden hatte. Beas Arbeitskollege wäre sonst nicht derart glimpflich davongekommen.

Pat überzeugte seinen VP, die Angelegenheit Smitty und Scar zu überlassen. Die beiden waren ohnehin das perfekte Paar für einen solchen Auftrag: Scar brachte jeden zum Reden, und Smitty war nervös und cholerisch genug, um so unberechenbar zu wirken, dass man lieber tat, was er verlangte. Der Unheimliche und der Irre …

B verbrachte die Nacht währenddessen schlaflos im Clubhaus, fuhr bei Morgengrauen zum Revier und stürmte einige Stunden später seine eigene Bar. Ohne ein Wort schmetterte er einen Stuhl gegen die Theke, marschierte ins Hinterzimmer, wo er in einer Schublade wühlte und über die Hintertür hinauf in seine Wohnung verschwand. Es dauerte nicht lange, da kam er wieder herunter und verließ das Haus genauso wortlos, wie er es betreten hatte. Emma hatte sofort Pat verständigt und hoffte seither, die Jungs fanden ihn, bevor er noch irgendwelche Dummheiten anstellte.

Emma schüttelte schnaubend den Kopf, ehe sie erneut an dem Joint zog und den rauen Geschmack mit einem Schluck Bier hinunterspülte. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass diese Frau Ärger bedeuten würde.

Nichts brachte B für gewöhnlich aus der Fassung. Er war der Ruhepol in diesem chaotischen Advocates-Haufen; derjenige, der seine Glock auf den Tisch legen und übers Wetter plaudern konnte, während seinem Gesprächspartner der Schweiß aus allen Poren brach. Niemand ging ihm jemals so nah, dass er nervös wurde. Bis auf sie.

Diese Frau bedeutete seinen Untergang, wenn sie sich weiterhin weigerte, sich selbst und ihre Gefühle zu akzeptieren. Das war das Problem mit tiefer Liebe – nur aus ihr konnte eine derart reißerische, selbstzerstörerische Wut entstehen, die die Welt in Schutt und Asche legte.

Blaze und Bea hatten nur zwei Möglichkeiten für ihr gemeinsames Leben: Sie zogen an zwei verschiedene Enden der Erde und litten auf ewig Herzschmerzen – oder sie verbrachten jede Sekunde Seite an Seite. Ein Dazwischen gab es in ihrem Fall nicht. Denn ein Teil vom einen würde immer in der Seele des anderen wohnen. Das konnte selbst Emma deutlich erkennen.

Sie hörte die Tür klacken, spürte einen Luftzug und zuckte zusammen. Als sie sich umdrehte, sah sie Scar auf sich zukommen. Der Prospect trug seine übliche schwarze Kleidung – Lederschuhe, Jeans, Hemd und Kutte –, dazu eine Panzerkette und seine riesige Mag Lite am Gürtel.

Die meisten Leute gingen ihm instinktiv aus dem Weg. Kein Wunder, bei einem 1,90 Meter großen Kerl, der kein Gramm Fett am Körper hatte, sondern nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen schien. Außerdem schreckte die Narbe ab, die quer über sein Gesicht lief, sowie der unheimliche Kontrast dieser eisblauen Augen zu seinem pechschwarzen Haar. Dass er sich dazu auch noch beinahe lautlos bewegte, erinnerte durchaus etwas an einen Geist.

Emma musste zugeben, dass sie anfangs ebenfalls ein wenig eingeschüchtert von ihm gewesen war. Heute fragte sie sich allerdings, wieso. Scar wirkte auf den ersten Blick zwar unnahbar und gefährlich, aber allmählich konnte Emma diesen scheinbar undurchdringlichen Gesichtsausdruck recht gut deuten. Momentan schien er besorgt zu sein, weshalb sie sich sofort aufsetzte und ihn erwartungsvoll ansah.

»Ist was passiert? Hat Blaze Ärger?«

Scars Mundwinkel zuckte, was bei ihm fast einem Lachen gleichkam. »Wie kommst du darauf?«

»Du siehst aus, als wär irgendwas.«

»Ist ja auch immer irgendwas.« Er setzte sich neben sie an die Bar, nahm ihr den Joint aus der Hand und zog kräftig daran, bevor er ihn ihr zurückgab. »Wieso sitzt du hier?«

»Ich arbeite hier«, antwortete sie, ohne ihn anzusehen. Ein letztes Mal inhalierte sie den berauschenden Rauch, ehe sie den Stummel im Aschenbecher vor sich ausdrückte.

»Was ist los, Em?« Seine leise Stimme war immer irgendwie samtig, aber mit einem Mal lag etwas ungewohnt Sanftes darin. »Worüber ärgerst du dich?«

Seufzend massierte sie sich die Schläfe und erwiderte seinen Blick. Eine von Scars besten Eigenschaften war wohl, dass ein Freund ihm alles erzählen konnte und er sich eher einen Arm abhacken ließ, als es auszuplaudern. Deshalb vertraute ihm Emma, bevor sie es sich versah, immer wieder Dinge an, die sie sonst niemandem je erzählen würde. Deswegen, und weil sie bei ihm nie das Gefühl hatte, auf ihre Worte achten zu müssen oder verurteilt zu werden.

»Ich verstehe Bea einfach nicht«, räumte sie schließlich ein. »Sie weiß gar nicht, wie glücklich sie sich schätzen kann, und was manche Leute dafür geben würden, so sehr geliebt zu werden. Sie will einen Mann verlassen, dem sie alles auf der Welt bedeutet – um mit Leuten zusammen zu sein, die sie noch nicht einmal kennt und vielleicht niemals finden wird.« Sie schüttelte den Kopf und presste kurz die Lippen zusammen, als sie bemerkte, wie stark sie bebten. »Das ist nicht richtig.«

Überraschend streckte Scar eine Hand aus und berührte Emma an der Wange. Kurz nur, doch für den scheuen Prospect, der sonst jeglichen Körperkontakt vermied, mehr als ungewöhnlich. Auf seinem Zeigefinger entdeckte sie einen glitzernden Tropfen. Scar hatte eine Träne fortgewischt.

Schnaubend fuhr sie mit den Fingern über ihr Gesicht. »Was ist nur los mit mir?«

Bereits bei ihrem Gespräch mit Bea war ihr diese Gefühlsduselei peinlich gewesen. Sonst heulte sie auch nicht so herum – wo kam das auf einmal her?

»Sie hat das, wonach du dich sehnst und erkennt dessen Wert nicht«, fasste Scar zusammen und wischte den Finger an seiner Jeans ab.

Emma schüttelte den Kopf. »Ich habe kein Interesse an B.«

»Von ihm habe ich nicht gesprochen.« Er warf einen Blick zur Tür, um zu prüfen, ob sich jemand heimlich anschlich und sie belauschte. Dann musterte er den Aschenbecher, auf dem eine kleine Säge abgebildet war. SAW – so nannten sich die Satan’s Advocates des Wolfville-Chapters. »Ist bestimmt hart für dich, dass Chick zurück ist.«

Er sah vorsichtig zu ihr auf, als wüsste er nicht, ob er mit der Bemerkung eine empfindliche Grenze überschritt. Daher setzte Emma ein Lächeln auf, wenn es vermutlich auch eher traurig wirkte.

»Nein, eigentlich nicht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Es war sogar ganz gut, dass er mir wieder klargemacht hat, wo mein Platz ist. Ich bin nun einmal nur eine Freundin des Clubs, kein Member, keine old Lady … Ich habe mir zu viel eingebildet.« Sie hob wie automatisch eine Hand an die Wange, doch dieses Mal blieben ihre Augen trocken. »Jemand wie ich darf eben nicht zu viel erwarten.« Denn im Gegensatz zu Bea war sie für niemanden die Welt und würde es niemals sein.

Scar machte ein merkwürdig brummendes Geräusch und zog die Brauen zusammen. Anscheinend stimmte er ihr nicht zu.

Sie war ihm dankbar für sein Mitgefühl, aber es war nicht nötig. Sie war zufrieden mit dem Leben, das sie führte. Diese seltsame Sensibilität war nur vorübergehend – bis die Sache mit B ausgestanden war. Da war sie sich sicher.

Scar holte Luft, doch bevor er etwas erwidern konnte, klingelte sein Handy. Hastig zog er es aus der Innentasche seiner Kutte, warf einen Blick auf das Display und nahm den Anruf daraufhin augenblicklich entgegen.

»Ja«, sagte er bloß, ehe er denjenigen auf der anderen Seite der Leitung sprechen ließ. Schließlich klappte er das Telefon mit einem knappen »bin gleich da« wieder zu.

Emma setzte sich alarmiert auf. »Was ist passiert?«

Er steckte das Handy zurück, erhob sich und legte die Finger wie instinktiv an die Mag Lite an seinem Gürtel. »Sieht so aus, als hätte unser VP den Ärger gefunden, den er so dringend gesucht hat.«

»Scheiße. Gib Bescheid, falls ich etwas tun kann.«

Zögerlich nickte er, warf ihr einen langen Blick zu und sagte schließlich: »Lass die Sorgen der anderen einfach mal die Sorgen der anderen sein, Em.«

Sie konnte nicht anders, als Scar anzulächeln, was er mit einem erhobenen Mundwinkel beantwortete. Dann marschierte er zum Ausgang und schloss leise die Tür hinter sich.

Emma trank den letzten Schluck ihres Biers und lauschte dem blechernen Geräusch des kaputten Auspuffs an Scars Bike, ehe sie sich ebenfalls erhob.

Sie liebte diese Jungs. Sie waren ihre Familie, deren Sorgen immer die ihren sein würden. Das ließ sich nicht einfach abstellen.

Biker Tales: Gefangen im Feuer

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