Читать книгу Himmel - Sandra Newman - Страница 7
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ОглавлениеIn dem Traum schlief Kate.
Sie schlief, aber nicht dort, wo sie eingeschlafen war. Der Ort unterschied sich von allen Orten, die sie je gesehen hatte, obwohl er ihr im Traum vertraut war. Sie kannte das Bett, das Haus, die große Stadt. Sie musste nicht überlegen, wo sie sich befanden. Doch es war nicht Kate, die all das kannte. Es war die Person, als die sie schlief.
Oft träumte sie im Traum – oder die Person, als die sie schlief träumte. In diesen Träumen kamen meistens Pferde vor, auf denen sie ritt, die buckelten und drohten, sie abzuwerfen, oder die unheimlich in den Himmel aufstiegen; manchmal spielte sie ein Saiteninstrument, dessen Saiten rissen und gegen ihre Finger peitschten. Einmal schien sie zu wissen, dass ein Mann in ihrem Traum-im-Traum ihr Vater war, doch sein Gesicht blieb verschwommen; natürlich hätte sie ohnehin wissen müssen, wie ihr Vater aussah. Da es aber nicht Kates Vater war, wusste sie es nicht. Sie hatte nie erfahren, wie er aussah; sie verfügte nur über das vage Wissen, dass er tot war.
Manchmal näherte sie sich dem Aufwachen als diese andere Person an diesem anderen Ort, und ihr wurde bewusst, dass sie nackt unter schweren Decken lag, die Luft angenehm kühl auf ihrem Gesicht. Etwas juckte sie. Da war eine gewisse Enge – das Bett schien von irgendetwas umschlossen –, und eine Vielfalt von Gerüchen. Irgendwo erklang das Gurren einer Taube und bescherte ihr müßige, zusammenhangslose Träume von Kuchen. Dann kämpfte Kate gegen den Schlaf an, doch die Person war müde, todmüde, wie von schwerer körperlicher Arbeit, erschöpft, wie Kate selbst es niemals war. Also konnte sie nicht anders, als selig wieder in einen tiefen Schlaf zu verfallen.
In dem Traum war Kate von einer zauberhaften Freude ergriffen. Die Person fühlte Furcht, Ärger und Sorge, aber selbst sie waren ein Wunderland der Empfindungen, wie eine Reihe schöner Farben. Wenn Kate erwachte, hielt dieses Gefühl auch im wahren Leben noch ein paar Minuten an.
Kate hatte den Traum zum ersten Mal geträumt, als sie noch ein Kind gewesen war. Anfangs träumte sie ihn nur einige Male im Jahr, nun aber kam er fast jede Nacht. An jedem Morgen, nachdem sie den Traum geträumt hatte, fühlte sie eine besondere, erhabene Wichtigkeit – als wäre der Traum eine geheime Mission, von dem das Schicksal von Millionen Menschen abhinge; als läge in ihm der Schlüssel zur Rettung der Welt verborgen.