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WIE DER POSTBOTE ZWEIMAL KLINGELT

FRANZISKA MACHT EINEN UNBEKANNTEN MANN GLÜCKLICH

Franziska hatte am Vorabend ihre erste Erasmusparty erlebt. Viele nannten solche Feste ja scherzhaft Orgasmuspartys, und warum dem so war, hatte sich Franziska schnell erklärt. Die Party fand in einer Kneipe im Zentrum von Rom statt, die eigentlich nichts Besonderes war. Im Grunde war die ganze Party nichts Besonderes: Es gab etwas verbilligten Alkohol, es ging vor allem darum, viel zu trinken, und dauernd wurde man, wenn man sich nicht versah, von irgendwelchen Leuten angequatscht. Dazu Blicke wie auf dem Fleischmarkt. Manche Jungs, so fühlte es Franziska, zogen sie mit ihren Blicken aus, vor allem zu fortgeschrittener Stunde. Sie hätte ja tatsächlich auch gerne ein paar Jungs kennengelernt, aber so dann auch wieder nicht.

Sie hatte schließlich mit ein paar Spaniern gequatscht, die eher unbeteiligt am Rande saßen und nicht jedem Rock hinterher schauten – mal auf Englisch, mal mit ihrem brüchigen Italienisch. Außerdem hatte Franziska eine Deutsche kennengelernt, worauf sie aber gar nicht sonderlich erpicht war, schließlich war sie nach Italien gekommen, um Italienisch zu lernen. Am Ende saß sie mit ein paar Engländern am Tisch, doch nachdem deren Alkoholkonsum den Ihrigen bei Weitem überschritten hatte, was sich hinderlich auf die Kommunikation auswirkte, und einer der Trunkenen Anstalten machte, mit ihr rumzuknutschen, beschloss sie, doch besser nach Hause zu gehen. Es war bereits nach drei, und für Franziska war es genug des wilden Lebens. Zum Glück kam gleich ein Bus an die Haltestelle. Müde fiel sie zu Hause in ihr Bett und kurz darauf in einen tiefen Schlaf.

Sie hätte Ohrenstöpsel kaufen sollen, war ihr erster Gedanke am Morgen. Die schrecklich schrille Türklingel hatte sie aus dem Schlaf gerissen, und was noch schlimmer war, das Schrillen hörte nicht auf. So ein Mist, gerade heute! Franziska ging zur Tür.

»Guten Tag, ich habe hier ein Einschreiben für Giulia Cecere.« Ein Postbote mit tiefer sonorer Stimme starrte sie an, jedenfalls kam Franziska die Stimme extrem kraftvoll vor.

»Non sono io«, antwortete Franziska, das bin ich nicht, und der Postbote starrte sie weiter an.

Wann Giulia denn wiederkomme, wollte der Postbote wissen. Mein Gott, warum gaffte der denn so, stimmte etwas mit ihrem Schlafanzug nicht? Franziska sah an sich hinunter – nein, alles okay.

Sie wisse nicht, wann Giulia wiederkomme, wollte Franziska gerade anfangen zu erklären, als sie hinter sich die Stimme von Giulia hörte. »Francesca, ich bin hier, warte kurz, ich komme gleich.«

»Un momento per favore«, sagte Franziska dem Postboten. Sie hätte am liebsten die Tür zugemacht, der Mann hatte etwas Aufdringliches. Aber das wäre unhöflich gewesen und hätte nicht zu ihrer Erziehung gepasst. Außerdem brachte der Postbote ihnen ja etwas.

»Danke«, sagte endlich Giulia hinter ihr, und Franziska ging in ihr Zimmer zurück und ließ sich auf ihr Bett fallen.

Was ist diesmal schiefgelaufen?

Es ist wieder das andere Verständnis, das Italiener von dem Privaten haben. In Italien öffnet man nicht jedem die Wohnung, weshalb manche Menschen die Post gar unten im Hausflur in Empfang nehmen. Gar so weit muss die Privatheit nicht reichen. Dass man jedoch in Schlafkleidung an der Tür steht, ist äußerst ungewöhnlich. Eine italienische Dame würde in einem solchen Fall durch die Tür erklären – auch das ist auffällig in Italien, dass Türen allgemein nicht so schnell geöffnet werden wie in Deutschland – sie würde also durch die geschlossene Tür erklären, dass es im Moment unpässlich sei und der Postbote anderswann wiederkommen oder eine Zeit lang warten solle. Und es ist gut möglich, dass er eine ganze Weile warten müsste, denn bis die Haare richtig sitzen und alles schön geschminkt ist, kann es lange dauern.

Was können Sie besser machen?

In diesem Fall hätte Franziska einen Mittelweg wählen können, also nicht im Schlafanzug und auch nicht in einen Bademantel gehüllt – das schickt sich ebenso wenig – die Tür öffnen. Besser ist es, sich kurz anziehen und dann die Post in Empfang nehmen.

Fettnäpfchenführer Italien

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