Читать книгу Verschollen in der Höllenschlucht - Sandy Palmer - Страница 6

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„Schatzerl, fesch schaust aus! Schöner wirst mit jedem Tag!“ Voller Liebe zog der Toni seine schöne Freundin in die Arme und busselte sie herzhaft ab.

„Geh, du alter Schmeichler, das sagst mir jedes Mal, wenn wir uns sehen“, lachte die Monika, doch sie konnte nicht verhehlen, dass sie sich über dieses Kompliment freute. Zärtlich lehnte sie dann den Kopf an seine Schulter, und eng umschlungen gingen sie den Weg zu dem großen Sonnwendfeuer hinüber, dessen Flammenschein die ganze Umgebung erhellte. Eine große Menschenmenge stand drumherum, meist waren es jüngere Leute, die älteren hatten es vorgezogen, im Wirtsgarten zu sitzen und sich von dort anzusehen, wie in der ganzen Umgebung die Feuer angezündet wurden.

Als sich Monika und Toni dem brennenden Holzstoß näherten, wurden sie von ihren Altersgenossen herzlich begrüßt.

„Na, Monika, hat die Mutter nix gespannt?“, erkundigte sich die Tannhofer Bärbel bei der Monika.

Bärbel wusste um die Probleme, die einen Schatten auf die Liebe von Moni und Toni warfen.

„Zum Glück nix“, antwortete das Mädchen lachend. „Die Gernhofer Resi hat mich daheim abgeholt, die Mutter denkt, ich bin mit euch zusammen.“

„Das ist ja net einmal gelogen“, lachte die Bärbel und hängte sich bei dem Oberberger Fritz ein, einem armen Knecht, der auf dem Hof ihres Vaters schaffte, mit dem sie aber befreundet sein durfte. Ihre Eltern waren da toleranter als der Bürgermeister und seine Frau. Sie hatten allerdings auch kein so großes Anwesen zu vererben, und so genügte es ihnen, dass ihre Einzige glücklich war.

Der Toni ließ sein Mädchen in den nächsten Minuten nicht los. Es schien, als habe er Angst davor, dass sie ihm im letzten Moment entwischen könnte. Doch nichts lag Monika ferner als das. Sie war froh und glücklich, seinen starken Arm um ihre Schultern zu fühlen, die Wärme seines Lodenjankers zu spüren und seine Haut zu riechen, die ein wenig nach Tabak und einem guten Rasierwasser duftete.

So arm der Toni auch war, er pflegte sich sehr, und immer, wenn er mit Monika ausging, hatte er ein frisches weißes Hemd an, das die Bräune seiner Haut vorteilhaft unterstrich.

„Wie ist es, Schatzerl“, erkundigte er sich jetzt und zog sie von der Freundin fort. „Hast es dir überlegt? Sollen wir springen? Oder scheust dich vor den Folgen?“

„Bei dir hab‘ ich keine Angst“, erwiderte das Mädchen mit strahlenden Augen. „Bei dir wird's mir immer gutgehen, dessen bin ich gewiss.“

„Gut zu dir sein und dich lieben werd‘ ich mein Leben lang, das kann ich dir versprechen“, sagte der Toni und küsste seine Liebste noch einmal. „Aber ob es dir bei mir jemals so gutgehen wird wie in der Bürgermeisterei, das weiß ich net. Du weißt doch, Reichtümer wirft der Beruf eines Bergsteigers net ab, und auch als Skilehrer werd‘ ich es nie zum Millionär bringen. Mein Häusl ist nur klein, aber wenn du dort einzögst, würde das Glück drin wohnen.“

Innig schmiegte sich die Monika in seine Arme.

„Ich hab‘ dich lieb, so, wie du bist“, sagte sie.

„Dann werden wir‘s wagen“, bestimmte der Toni, und seine Augen strahlten die Monika dabei so voller Liebe an, dass sie sicher war: Einen besseren Mann als ihn konnte sie nicht bekommen. Was zählten da Reichtum und Besitz, was ein großer Hof und ein Stall voller wertvoller Milchkühe? Wichtiger war, dass sie geliebt wurde und ihren Mann wiederliebte.

Flüchtig ging ihr der Peter Huber durch den Kopf, der junge Sägewerkbesitzer, dessen Vater vor einem halben Jahr verstorben war und der nun das große Werk schon in jungen Jahren leitete. Der Peter war schon seit zwei Jahren hinter ihr her, aber sie konnte ihn nicht leiden. Getan hatte er ihr nie etwas, er war ihr auch noch nie zu nahe getreten, doch seine verbindliche Art, die er wohl den Städtern abgeschaut hatte, stieß sie ab.

Was sollte sie mit fadenscheinigen Komplimenten anfangen, was mit gedrechselten Reden, wenn ihr das Mannsbild, das ihr solche Artigkeiten sagte, nicht gefiel? Da half es auch nicht, dass der alte Anzenberger den Peter bei jeder Gelegenheit in den höchsten Tönen lobte und ihn seiner Tochter als Hochzeiter schmackhaft machen wollte. Die Monika interessierte es nicht, ob Besitz zu Besitz kam und ob sie nach der Hochzeit eine der reichsten Frauen im Tal sein würde. Sie liebte den Peter Huber nun mal nicht, und damit war die Sache für sie abgetan.

Sie wurde aus ihren Gedanken aufgeschreckt, als die ersten jungen Burschen über das Feuer sprangen, das noch recht hoch loderte. Aber so war es der Brauch: Zunächst sprang die Dorfjugend, und dann, wenn der Holzstoß schon etwas herabgebrannt war, die Pärchen, die sich versprochen hatten.

Fest umklammerte der Toni Monikas Hand, so, als wolle er sie nie wieder loslassen. Und sie erwiderte seinen kräftigen Druck sacht. Dabei blickte sie sich um in der Gegend, und sie sagte leise: „Schau doch nur, Toni, wie viele Feuer in diesem Jahr brennen! Es scheint fast so, als hätten die Burschen der Umgebung in jedem Dorf mehrere Feuer entzündet.“

„Ich glaub's auch fast“, antwortete der Bursch. „So viele wie heut waren es noch nie. Und da ...“ Er wies in die Richtung, aus der der Bergbach geflossen kam. „Sieh nur, sie haben sogar Blechkanister mit Öl gefüllt, das entzündet und diese Boote auf dem Bach schwimmen lassen!“

„Wunderschön sieht es aus“, schwärmte Monika.

Doch dann schauten sie wieder ihr eigenes Sonnwendfeuer an, und plötzlich sagte der Toni: „Jetzt packen wir's! Komm, mein Schatz!“

Und Monika griff, ohne zu zögern, nach seiner ausgestreckten Rechten, legte voller Vertrauen ihre Finger hinein, und dann liefen sie unter den anfeuernden Rufen der übrigen Dorfjugend auf das Feuer zu, machten einen großen Satz und sprangen hinüber. Auf der anderen Seite des Holzstoßes angekommen, nahm der Toni seine Liebste, die ein wenig außer Atem war, fest in den Arm, gab ihr einen Kuss und raunte ihr ins Ohr: „Jetzt sind wir versprochen, nun kann uns nix mehr trennen!“

„Ich werd’ immer zu dir stehen, Toni“, versprach Monika, und es klang wie ein Schwur.

Drüben, auf der anderen Seite des Sonnwendfeuers, sagte die Bärbel zu ihrem Schatz: „Hoffentlich geht's gut mit den beiden, ich wünsch es der Monika von Herzen.“

„Und ich dem Toni“, stimmte ihr der Oberberger Fritz zu. „Der Toni ist ein feiner Kerl, ehrlich und aufrichtig. Und fleißig ist er obendrein noch. Wenn er net im Berg ist, dann arbeitet er an seinem Häusl, richtet alles her und baut einen Stadl an.“

„Er richtet schon alles für den Einzug der Moni“, sagte Bärbel. „Hoffentlich hat er sich net zu früh gefreut. Der Anzenberger ist noch eine Klippe, die umschifft werden muss.“

„Der Toni wird's schon schaffen“, sagte der Fritz, und auch Bärbel wünschte es den beiden von Herzen, dass sie ebenso glücklich werden würden wie sie mit ihrem armen Knecht, der ihr lieber war als der reichste Bauernsohn.

Verschollen in der Höllenschlucht

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