Читать книгу Davids geile Verwandlung - Sara Jacob - Страница 4
Der Vater
ОглавлениеIch bin dran mich Küchendienst. Und was mache ich? Ich sitze am Tisch und starre auf einen Zettel. Einen Zettel, der angeblich mein Leben verändern wird. Meine Zukunft. Der Geld bedeutet.
Ich weiß nicht.
Ich habe mich von Davids Mutter nicht in der Midlife Crisis getrennt, dazu war ich zehn Jahre zu jung gewesen. Aber ich hatte trotzdem gemerkt, dass ich ein anderes Leben führen musste. Ich war für die monogame Ehe nicht geschaffen, erst recht nicht für eine heterosexuelle. Als meine Söhne aus dem Gröbsten raus waren und der Streit mit Davids Mutter immer heftiger und regelmäßiger wurde, zog ich aus.
Sie sagte, ich habe sie im Stich gelassen. Ich fand, dass ich sie freigegeben hatte. Sie war mit mir nicht mehr glücklich gewesen. Ihr ganzes Leben hatte sie mit mir verbracht, wir kannten uns seit der Schulzeit. Ich meine – sie war erst Mitte 30, jung genug, um ein neues Leben zu beginnen. Sie war mit David schwanger gewesen, da war sie 19. Eine Schönheit. Wir hatten so viel Spaß beim Sex. Sie konnte einen Schwanz blasen, das war der Hammer. Ganz tief rein, bis ihre Nase gegen meinen Bauch stupste, und wenn ich kam, schluckte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Auch auf Analsex stand sie, das wusste ich, nicht nur, weil ich sie damals mit dem Italiener in den Dünen beobachtet hatte, nachdem wir uns gestritten hatten. Nie hatte ich ihr das vorgehalten, im Gegenteil. Eine Zeitlang, nach Davids Geburt, hatten wir mit einem anderen Pärchen Sex gehabt, und ich weiß, dass es meine Ex gefallen hatte, auch wenn ich die treibende Kraft gewesen war.
Aber dennoch war mir dieses Leben in einer kleinen Stadt aus Backsteinhäusern, mit einem geregelten Job, nie genug gewesen. Ich brauchte meine Freiheit. Dass ich damals Gerhard, Helene, Matthias und die anderen kennengelernt hatte, war ein Wink des Schicksals gewesen. Eine Kommune auf einem alten Bauernhof in Südfrankreich, vom Erwirtschafteten aus dem großen Garten leben, von der Kunst, der freien Liebe – das war für mich das Paradies, und jetzt, fünf Jahre später, bereue ich meine Entscheidung nicht eine Sekunde.
Man muss sich das Leben bei uns wie in einer großen WG vorstellen, nur besser. Jeder hat seine Aufgabe, Einnahmen werden nicht komplett geteilt, sondern anteilig. Es gibt Gemeinschaftseinkommen, das geht komplett in die Kasse der Kommune, und es gibt Privateinnahmen, von denen muss man die Hälfte abgeben. Wir sind insgesamt 22 Mitglieder. Maler, Schriftsteller, Lebenskünstler, Handwerker. Die meisten Männer, ein paar Frauen. Die einen fahren in die kleinen Städte und bieten den deutschen Touristen Führungen an, die anderen verkaufen ihre Bilder. Einer von uns ist tatsächlich Bestsellerautor. Er schreibt Krimis unter einem Pseudonym. Ihm macht es nichts aus, seine Tantiemen mit uns zu teilen. Er sagt, wenn er nicht mit uns zusammenleben würde, hätte er gar nicht die Muße zu schreiben. Und keine Muse.
Natürlich gibt es auch Probleme. Wer geht auf den Markt und verkauft unsere Produkte? Wer kümmert sich um die Küche, die Gemeinschaftsräume. Es ist wie in einer WG. Einer muss immer den Müll runterbringen. Aber manchmal dringt auch das alte Leben zu uns. Die Kinder, die Geschwister, die Ex-Frauen und Ex-Männer, sie alle tauchen ab und zu bei uns auf. Daraus entstehen Spannungen, weil jemand unser Leben hinterfragt und uns vorwirft, wir seien verantwortungslos. Es ist die alte Leier. Dem Aussteiger vorwerfen, er würde die Zusammenhänge im sozialen Gefüge ausblenden, seinen Verpflichtungen dem alten Leben gegenüber nicht nachkommen.
Was ich nicht ertrage, ist dieses Gejammer meiner Exfrau. Ich hätte den Kindern den Vater vorenthalten. Mein Vater ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, als ich neun war, und mich hat niemand gefragt, wie es war, ohne Vater aufzuwachsen. Meine Mutter hatte damals getrauert, allein. Was ich gedacht hatte, war nicht wichtig gewesen. Na und? Kinder kommen über sowas viel besser zurecht, als man denkt. Die sind hart im Nehmen, David auch. Und ich meine, ich lebe ja schließlich noch, also weiß ich gar nicht, woher dieses Drama kommt. Manchmal telefonierten wir wochenlang nicht. Er ruft nicht an. Ich rufe nicht an. Wusste nicht, ob er mich vielleicht absichtlich mied. Mit seinem jüngeren Bruder lief es nicht anders. Desinteresse. Er hätte mich ja mal fragen können, warum ich seine Mutter verlassen hatte, aber irgendwie hat ihn das nicht interessiert. Er hätte ja mal fragen können: warum hast du Mama verlassen, warum ist dir dein neues Leben wichtiger als das alte. Aber er war immer so passiv.
Doch plötzlich wurden die Anrufe häufiger. Wir haben ein Telefon für alle, viel telefoniert wird bei uns eh nicht. Dann muss immer der Empfänger ausgerufen werden. Wurde manchmal ganz schön teuer für den Anrufer. Deutschland nach Frankreich. Ferngespräch. Beim ersten Mal hatte ich Davids Stimme gar nicht erkannt. Er und sein Bruder hören sich so gleich an, und weil Jörg, unser Koch, mir den Hörer mit den Worten »Dein Sohn« hingehalten hat, hab ich natürlich nicht gewusst, welcher von beiden. Ich musste, nachdem er sagte: »Hallo Papa.« etwas unangenehm berührt fragen: »David oder Lars?«
»David. Unsere Stimmen klingen gleich, oder? Erst recht, wenn man sie nicht so häufig hört.«
Das war so souverän. Er klang auch ganz anders, wie ausgetauscht. Fragte, wie es mir so ginge, und was ich mache, er wollte mal hören, ob das mit der Kommune alles gut sei. Es fing oberflächlich an. Schönes Wetter. Gute Ernte. Was machen die anderen? Später gingen die Fragen tiefer. Ob ich manchmal an ihn und seinen Bruder denke und mich frage, ob ich mein Leben noch einmal so leben würde, die gleichen Entscheidungen treffen würde.
Diese Frage habe ich schon längst beantwortet. In dem Moment, in dem ich mich von Davids Mutter getrennt habe. Ist das mein Leben? Will ich so meine Zukunft gestalten? Ich habe die richtige Entscheidung getroffen, indem ich mich für meine Kommune entschieden habe. Es war nicht die neue Schicht Farbe auf einer bemalten Leinwand, sondern der Pinselstrich, der dem halbfertigen Bild ein ganz anderes Aussehen gegeben hat.
Hätte ich das nicht getan, würde ich mich im Alter fragen: Hast du die richtige Entscheidung getroffen? Hast du alles aus deinem Leben geholt, das drinsteckte? Wer seinem Leben im richtigen Moment den richtigen Impuls gibt, muss sich später nicht vorstellen, wie es wäre, wenn…
Vielleicht hat David diesen Moment auch gehabt. Er ändert etwas. Stellt die Weichen, malt sein Bild neu oder anders.
Er kam sogar im Sommer darauf bei uns in der Kommune vorbei. Mit seinen Freunden. Ihre Namen hatte ich mir nicht merken können. Sein bester Kumpel und dessen Freundin und Davids kleine Freundin. Sie waren auf Interrailtour, einmal quer durch Europa. Sie hatten schon Amsterdam, Brüssel, Madrid und Lissabon hinter sich und waren auf dem Rückweg. Die vier waren echt niedlich. Haben drei Tage bei uns gewohnt und wir haben sie alle ins Herz geschlossen. Sie haben uns ein bisschen bei Arbeiten geholfen, wir haben zusammen gekocht. Mit dieser Kleinen hat David wohl einen Glücksgriff getan. Sie hat uns erzählt, dass sie nicht wirklich wüsste, was aus David einen neuen Menschen gemacht habe, aber dieser neue David würde ihr super gefallen. Da haben sich zwei Menschen gefunden. Die waren ein Herz und eine Seele.
Ich hab sie in der ersten Nacht beim Ficken im Garten erwischt. Die haben tatsächlich im Mondschein zwischen den Olivenbäumen gevögelt. Ich hatte mit meinen Kollegen noch die dritte oder vierte Flasche geleert und wollte dann in die Rabatten pinkeln, das spart Wasser, wenn man nicht wegen jedem Bisschen die Spülung betätigt, und da hab ich dieses Seufzen und Jammern gehört. Erst dachte ich, da streiten sich entweder zwei Katzen oder da liegt ein Tier im Sterben, aber dann kam ich näher. Die Wiese ist da leicht abschüssig und läuft in den Olivenbäumen aus, so dass man an einer Stelle nicht vom Haus aus sehen kann, wenn da jemand liegt.
Die Kleine hat vor ihm auf der Wiese gekniet und sich es richtig besorgen lassen. Im Mondlicht konnte man das super erkennen. Der Junge hat ja so einen riesigen Schwanz, den hat er von mir, den konnte man richtig glänzen sehen, wie der da von hinten in das Mädel rein und raus fährt, und er hat sie schön mit beiden Händen am Hintern gepackt und fickt sie, und sie geht ab wie eine Rakete.
Die war nackt, ich meine, es war total warm noch, kein Wunder, dass die nicht schlafen konnten, und im Mondlicht konnte man schön ihre Titten wackeln sehen, und die Haut glänzte, das war so geil, dass ich nicht anders konnte. Ich wollte ja eigentlich pissen, aber plötzlich stand er mir wie eine Eins und ich blieb im Schatten eines Baumes stehen, starrte da auf die beiden Teenager und hab erstmal meinen Schwanz aus der Hose geholt.
»Komm, schieb ihn mir nochmal hinten rein«, hörte ich sie flüstern, so nah war ich.
David zog seinen Schwanz aus ihr und ich konnte sehen, dass er einiges von mir geerbt hatte, nicht nur die Lust, sondern auch das passende Werkzeug, und setzte ihn ein kleines Stückchen höher wieder an.
»Mhhh«, stöhnt sie und fängt an, jeden Stoß zu erwidern, als hätte sie nichts anderes gemacht in ihrem Leben.
Die Kleine hätte ich auch gefickt. Ich konnte ihn gut verstehen, meinen Herrn Sohn. Ich hab in der Nacht ziemlich schnell abgespritzt, aber eine Sekunde lang hab ich gedacht: Ob die wohl auf einen Dreier Bock gehabt hätte?
Immerhin hatte sie ja kein Problem damit, sich im Freien ficken zu lassen. Seine erste richtige Freundin. Da muss man immer aufpassen. Die erste Freundin sollte man nicht heiraten. Den Fehler habe ich bei Davids Mutter gemacht. Wenn ich meinem Sohn einen Rat geben konnte, dann den: Heirate nie die erste Freundin. Du weißt nicht, was du verpasst.
Das habe ich ihm auch in einer ruhigen Minute gesagt. So unter uns.
»Weißt du, was stimmen muss? Im Bett. Ein Mann denkt immer nur mit dem Schwanz, das ist leider so. Für einen Mann ist nichts frustrierender, als wenn er seine Sexualität nicht ausleben kann.«
Bei Davids Mutter bin ich mit meiner offenen Art immer angeeckt, obwohl sie längst nicht so verklemmt war, wie sie manchmal tat. Die war eigentlich immer offen für alles. Aber eines hat sie nicht kapiert: dass zwei Seelen in meiner Brust schlugen. Dass ich nur mit einer Frau nicht glücklich sein konnte. Und dass meine Lust auf Freiheit zu groß war. Ich war einfach kein Familienmensch, und vor allem kein Mann für eine Frau.
»Keine Sorge. Sie lässt sich sogar in den Arsch ficken«, sagte David und sah mir dabei sogar in die Augen. Mein Gott, was war er groß geworden. Ich war überrascht von dieser Offenheit. Insgeheim spürte ich die Provokation in seinen Worten. Ich weiß, dass ich früher nicht zimperlich gewesen war, als ich mit meinen Söhnen über Frauen, Männer und schwulen Sex gesprochen habe. Sie sollten verstehen, warum ich sie verlassen hatte. Kann sein, dass es zu früh gewesen war. Daher ahnte ich, woher der Wind wehte, als David die gleichen Worte benutzte wie ich damals.
»Ich bin dir vermutlich ähnlicher als du denkst. Und ähnlicher, als Mama wahrhaben will. Ich kann dir sagen, dass ich anders leben wollte als du. Nicht mit dem Schwanz denken. Und genau dieser Versuch hat mich unglücklich gemacht. Daher werde ich ab sofort alles anders machen. Kompromisse eingehen, um ficken zu können gehört dazu.«
»Und bei deiner Freundin bist du Kompromisse eingegangen?«
Er legte den Kopf schief. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich bin offen. Könnte ja sein, dass sich ein vermeintlicher Kompromiss später als das Optimum erweist.«
Unser Gespräch fand an diesem Abend ein jähes Ende, und bis zur Abreise, als David mir einen Zettel auf den Tisch legte, konnten wir es nicht in Ruhe wieder aufnehmen. Wir hatten uns in der Gemeinschaftsküche über die Jobperspektiven nach dem Abitur unterhalten, und irgendwann fragte mich David, ob ich glaube, dass ein Mensch sich verändern würde, wenn er plötzlich viel Geld habe. Was würde passieren, wenn ein Mensch, der mit wenig Geld zurechtkäme, auf niedrigem Niveau, auf einmal sehr reich würde. So wie ein Lottogewinner. Ob das aus ihm einen anderen Menschen machen würde? Ob er sein Leben von Grund auf ändern würde?
»Stell dir vor, du würdest einen netten Menschen kennen, und plötzlich würde dieser Mensch, sagen wir mal, durch Spekulationen an der Börse, sehr reich. Würde er noch der nette Mensch bleiben?«
Ich musste lachen. »Ein netter Mensch würde nicht an der Börse spekulieren.«
David senkte verlegen den Blick.
»Auch nicht, wenn du wüsstest, welche Aktien sich gut entwickeln werden und dass du mit dem Geld, das du dabei machst, karitative Projekte unterstützen könntest?«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Woher soll ich wissen, was sich gut entwickelt?«
David lehnte ich auf seinem Stuhl zurück. »Weil du ein Gespür dafür hast. Oder einem Tipp vertraust.«
Ich musterte ihn. Worauf wollte er hinaus?
»Ich müsste ja schon viel Geld haben, um reich zu werden, auch durch Spekulation, oder?«
»Nicht, wenn du sehr, sehr niedrig einsteigst und am Höhepunkt aussteigst.«
In diesem Moment beendete seine Freunde das Gespräch. Sie wollten mit dem Nachtzug nach Strasbourg. Es war Zeit, zu gehen. Ich würde sie mit dem klapprigen Bus zum Bahnhof bringen.
David stand auf und schob mir einen Zettel über den Esstisch.
Darauf standen verschiedene Namen, die ich noch nie gehört hatte. Microsoft, Nokia, Apple. Ein plötzliches Unbehagen wummerte in meinem Magen.
»Was soll ich damit?«
»Habe ich dir eigentlich mal gesagt, dass ich dich verstehe? Dass ich zwar nicht akzeptieren kann, dass du Mama verlassen hast, aber dass ich verstehe, dass man kein richtiges Leben im Falschen leben kann? Und dass du immer mein Vater bleiben wirst, egal, was passiert ist? Vielleicht ist der Moment gekommen, die Vergangenheit ruhen zu lassen.«
Meine Irritation musste offensichtlich gewesen sein, denn David hob beschwichtigend die Hände.
»Ich glaube, du hast viel falsch gemacht, auch mit Mama, vor allem hast du mich mit ihr allein gelassen. Aber du bist mein Vater. Ich habe keinen anderen. Und ich glaube, du bist ein guter Mensch…« Er unterbrach sich, um zu schlucken, als müsste er Tränen zurückhalten. In diesem Moment bekam ich Angst. Er redete wie jemand, der auf etwas zurückblickte. Auf ein Leben. Auf sein Leben. Nahm er Abschied?
»Du bist doch nicht etwa krank, oder?«
David wischte sich über das Gesicht und winkte ab. »So kann man das nicht nennen«, sagte er mit einer Spur Ironie.
»Aber sowas Ähnliches, oder?«
David atmete tief aus und sah dabei an mir vorbei durch das Fenster nach draußen.
»Ihr könnt nicht ewig Oliven ernten und Bilder verkaufen, auch wenn ich euch das wünschen würde. Tut euch zusammen und legt zurück, was ihr entbehren könnt, je früher, umso besser. Mindestens aber 1000 Euro.«
Ich glaubte, mich verhört zu haben. »1000 was?«
David wirkte regelrecht erschrocken, als er sich korrigierte. »Mark, ich meine D-Mark, sorry. Ich habe ... einen Artikel gelesen über Europa und dass es vielleicht eine gemeinsame Währung geben soll. Hast du davon gehört? Das war die Voraussetzung der Franzosen für die deutsche Wiedervereinigung.«
Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste so wenig von David, von meinem Sohn, den ich so lange vernachlässigt hatte. Und ich würde es jetzt auch nicht mehr lernen.
»Woher weißt du so viel über Aktien?«
»Ich habe mir was angelesen. Vielleicht bist du dann ein wenig stolz auf mich, wenn die Aktien gestiegen sind.«
»Und wenn sie fallen?«
»Werden sie nicht.«
»Warum bist du dir da so sicher?«
»Ich bin es. Vertrau mir.«
»Und du investierst auch?«
Er nickte. »Alles, was ich auf dem Konto habe. Opa hatte vor Jahren Bundesschatzbriefe gekauft, die sind jetzt zuteilungsreif. Für das Geld kaufe ich jetzt auch Aktien. Glaub mir – darin steckt eine Menge Potenzial.«
Zusammengefaltet schob ich den Zettel in die Brusttasche meines weißen Hemdes. »Danke für den Tipp.«
David stand auf. Es war Zeit, zu gehen. Jetzt endlich wusste ich, was er von mir gewollt hatte. Er wollte sich rächen. Dafür, dass ich ihn verlassen hatte. Dass ich nie dagewesen war. Dass mir ein anders Leben ohne ihn und seinen Bruder und vor allem seine Mutter wichtiger gewesen war.
Jetzt wollte er, dass ich mein Geld und das meiner Kommune investierte und Pleite ging.
Ich brachte die vier noch zum Bahnhof. Der Abschied fiel überschwänglich aus und fühlte sich falsch an. Zu viele Jahre waren vergangen, an unserer Distanz hatten auch die Telefonate nichts geändert.
Ich weiß, warum ich keine Familie mehr haben will. Es ist mir zu anstrengend.
Ich drehe den Zettel mit den Börsentipps noch einmal in der Hand. Seit ich die vier zum Bahnhof gebracht habe, sitze ich hier.
Börse. Das ist Spekulation. Das ist Risiko. Das ist Gewinn und Verlust. Das kann unsere Existenz gefährden.
Langsam zerknülle ich den Zettel. Im hohen Bogen landet er im Müll. Ich denke nicht daran, mein Geld, oder besser: das Geld meiner Kommune in Aktien zu investieren, die mir mein rachsüchtiger Sohn nach einem Erweckungserlebnis auf einen Zettel geschrieben hat.