Читать книгу Davids geile Verwandlung - Sara Jacob - Страница 5
Der Großvater
ОглавлениеMeine Frau hat mich gefragt, was ich da mache. Ich schreibe, hab ich ihr gesagt. Was fragt sie auch so doof. Sieht sie doch. Ein Blatt Papier, ein Stift, geschriebene Zeilen.
Sie verdreht die Augen. Woran ich schreibe, fragt sie noch.
»An einem Schreiben, das mich schützt«, sage ich.
»Wovor?«, fragt sie. Vor ihr. Vor meiner Familie.
Familie, das war immer ein seltsam abstraktes Wort. Ich musste eine Familie ernähren. Ich musste sie irgendwie durchbringen. Ich bin Arbeiter. Das heißt, ich war es. Nah dem Krieg mussten wir häufig umziehen. Als Vertriebener waren wir nur dort willkommen, wo meine Arbeitskraft gefragt war. Erst in Wolfsburg bei Volkswagen, später schuftete ich bei Opel in Rüsselsheim und als wir nach Bayern zogen bei BMW.
Ich konnte nie ruhig an einem Ort leben. Etwas trieb mich.
Erst spät wurde mir bewusst, dass es meine Frau war, die mich antrieb, die unzufrieden war mit den Menschen in Wolfsburg, mit den Straßen in Rüsselsheim.
Erst in München, wo Davids Mutter zur Welt kam, als Nachzüglerin, Nesthäkchen, fanden Fuß. Aber zur Ruhe kamen wir dennoch nicht. Meine Frau war immer unzufrieden, und das wird sich auch nicht mehr ändern.
Unbewusst hat Brigitte, meine Tochter, Davids Mutter, das wohl gespürt. Sie machte ihren Realschulabschluss mit Ach und Krach, floh früh aus dem Haus, heiratete früh, bekam früh ihr Kind. Ihre Brüder waren anders. Studierten. Machten Karriere. Gut, sie waren zehn und zwölf Jahre älter. Brigitte ist anders aufgewachsen.
Was ich schade fand, war, dass sie uns David und Lars vorenthalten hat. Wir haben die beiden kaum gesehen, in den ersten Jahren, erst später, als sie sich vom Vater der beiden getrennt hat. Peter war für uns immer fremd geblieben. Er ist so ein verkopfter Typ, so‘n Künstler, naja, oder Lebemann. Dass er dann sein Leben so auf den Kopf stellt und seine Koffer packt – es hat mich überrascht, und dann wieder nicht. Wer bin ich schon. Ein alter Mann.
Auf jeden Fall war Brigitte mit beiden Kindern überfordert und bat uns, Lars zu nehmen. Er ist nach der Realschule direkt nach München gekommen, um hier seine Lehre zu machen. Unsere Wohnung ist groß genug, wir sind gesund. Und Lars war so ein süßer Junge. Wir hatten Glück. Eigentlich hätte Gitta, wie wir sie nannten, auch glücklich sein können. Zwei Jungs, die nicht viel anstellten, gehorchten. Hätten ja auch kriminell werden können. Ich meine, so mit Klauen und so. Dass sie sich nach der Trennung der Eltern so sehr gezofft und gehauen haben, naja. Wer will ihnen das verdenken.
Brigitte und David haben mich gerade erst im Sommer besucht. Nicht ganz freiwillig, so hatte ich das Gefühl gehabt. Wir sind alle nicht so familientauglich. Wie gesagt. David und ich, wir hatten nie viel miteinander geredet. Er war immer mitgelaufen, wenn meine Tochter mich besucht hatte, was sehr selten vorgekommen war. Der Besuch im Sommer war der erste nach einer langen Zeit. Ich war mir nicht sicher, was Brigitte wollte. Mir Vorwürfe machen, und damit lag ich ganz richtig.
Wieder einmal, und ich hatte ihr Geld gegeben, sie sagte, ich würde mir damit nur ihr Schweigen erkaufen. Ja, was auch immer. Das war zu erwarten gewesen. Aber ich war ganz schön erschrocken, als ich David so gesehen habe. Er wirkte vollkommen verunsichert und irgendwie fett. Ein großer, schwerer Junge, gerade 18 oder 19 geworden, aber er benahm sich ein bisschen wie ein kleines Kind, das sich immerzu verstecken wollte.
Die beiden Brüder konnten nicht viel miteinander anfangen. Sie verzogen sich zwar in Lars‘ Zimmer, aber nach kurzer Zeit kam David wieder raus, setzte sich in eine Ecke des Wohnzimmers und begann zu lesen. Das hat er immer viel getan: lesen. Daran kann ich mich erinnern. Ich glaube, David sagte, er könne die Musik von Lars nicht ertragen. Lars hört gerne diese laute Musik, deshalb haben wir ihm zum Geburtstag auch Kopfhörer geschenkt. Abgesehen von der Musik ist Lars echt ein lieber Kerl. Seine Noten sind gut und besser, ich glaube, der macht später mal Karriere. Bei BMW suchen sie immer gute Leute, die übernehmen ihn bestimmt nach der Lehre. Lars hat schon gesagt, dass er sich das vorstellen kann.
David hingegen – ich weiß nicht. Als sie im Sommer bei uns waren, wollte er unbedingt in die Bavaria-Filmstudios, da wo sie diesen Kriegsfilm über das U-Boot gedreht haben. Und diesen Kinderfilm. Ich war nie da, das interessiert mich nicht. Wie ich verstanden habe, will David auch was beim Film machen. Davids Oma, also meine Frau, hat gelacht, als David erzählte, dass er Regisseur werden will. Traumtänzer. Wie sein Vater. Aber vielleicht hat er auch was von mir in seinem Blut gehabt. Von beiden.
Ich weiß, dass Davids Vater einer von diesen warmen Brüdern ist, in seiner Kommune da soll es ja heiß hergehen, so mit Orgien, wo Männer und Frauen, aber wohl vor allem Männer mit Männern rumvögeln. Das wäre auch was für mich gewesen – so eine Kommune. So wie in den 60ern in Amerika, ein abgelegener Hof für Familien, die sich anderen Menschen öffnen wollen, und dann freie Liebe. Für alle.
Kann mir vorstellen, dass dieser David, der im Sommer bei mir war, auch ständig an sowas dachte. Der kriegt bestimmt nicht die Mädels ab, von denen er träumt. So deppert wie er daherkam.
Da fragt mich dieser David in einer ruhigen Minute doch, wo ich denn meine Pornos aufheben würde. Meine Pornos. Das konnte er nicht wissen. Vor Lars hatte ich sie damals verstecken müssen, nachdem der Junge sie in meinem Schrank gefunden hatte.
Ob die beiden sich darüber ausgetauscht hatten?
Verbotene Pornos. Sie liegen in meinem Keller, gut versteckt. Pornohefte, die ich in den 60ern und 70ern gekauft und aufgehoben hatte. Pornos aus Skandinavien, zu Dutzenden habe ich sie gehortet. Nudisten, Sonnenfreunde, Jung und Frei, Color Climax und sowas. Hefte, für die man heute bestraft wird Das weiß ich. Hefte, über die ich nicht sprechen darf, vor allem nicht mit meinem Enkel.
»Gertrud hat alles, was ich hatte, beim letzten Großputz weggeworfen. Und jetzt bin ich zu alt, weißt du, ich habe auch das Interesse verloren«, hatte ich gesagt und gehofft, er würde mir glauben.
Meine Frau hat kein Verständnis, ihre Leidenschaft für Sex ist längst erloschen. Allerdings war sie nie genug für mich, auch als sie jünger war. Um ihr Kinder zu machen, sie richtig schön zu schwängern, hat die Geilheit gereicht. Ich will es immer härter. Auch früher schon. Und immer noch. Das hat sie nicht verstanden. Wir sind zusammengeblieben. Oft habe ich davon geträumt, auszubrechen, woanders anzufangen. Ja, ich bin fremdgegangen. Oft. Aber auch das war mir irgendwann nicht genug. Die Hefte haben mich früh darauf gebracht, dass die jungen Dinger was für alte Papas sind. Diese frische Haut, diese glatten Punzen.
Das mit Brigitte hat Trudi auch nie verstanden. Ein Mann hat halt so seine Bedürfnisse. Das müssen die Frauen eben wissen. Solange sie den Mund halten. Über manche Sachen redet man nicht. Ich nicht. Meine Frau nicht. Und Brigitte auch nicht. Ich glaube auch nicht, dass es ihr geschadet hat.
Der Mensch ist eben hart, ich habe im Krieg auch einiges ausgehalten. Und bin nicht zerbrochen. Was ich gesehen habe, will niemand sehen, und hat es mich gebrochen? Nein. Dazu braucht es mehr. Die Hand an der Waffe, das ist es, was zählt, und ich meine, die Waffe eines Mannes ist am Ende sein Schwanz. Und solange ich noch einen hochkriege, bin ich nicht gebrochen.
Bei David, diesem Schlappschwanz, war ich mir nicht so sicher. Als ich sagte, Oma Trudi hätte die Hefte weggeworfen, sah ich sowas wie Enttäuschung auf seinem Gesicht. Das habe ich früher oft gesehen, damals in Russland, im Lager, mehr als einmal. Beim Blick in den leeren Blechnapf vor allem. Genau so sah David aus, im Sommer, wie ein Landser, der im Kriegsgefangenenlager in den leeren Blechnapf guckt und seine Enttäuschung verbergen will, um Stärke zu zeigen.
Aber je ausgehungerter man ist, umso weniger kann man seine Enttäuschung verbergen. David war verdammt ausgehungert. Dick, aber ausgehungert. Weil er keine Freundin hatte, weil er nicht ficken konnte, weil seine Waffe eine Ladehemmung hatte. Nimm einem Mann die Möglichkeit, seinen Saft in eine Frau zu schießen, und du machst ihn zu einer Memme.
Als ich ein Junge war, wurde ich zum Mann, weil mein Vater aus Verdun nicht zurückgekommen war, er und der Mann von Frau Gschwendtner, die bei uns wohnte, weil sie ihre Miete nicht mehr hatte bezahlen können. Es war ein heißer Sommer, damals, und draußen dräute ein Gewitter. Die Bäume rauschten, bogen sich im heißen Sturm. Das Tageslicht war verschwunden, die Wolken schwarz. Unser Fenster war sperrangelweit geöffnet. Der Junge lag auf dem Rücken in der Mitte des Ehebettes, das er mit Frau Gschwendtner teilte, weil seine Mutter nicht mit einer anderen Frau in einem Lager schlafen wollte. Die Mutter des Jungen verachtete Frau Gschwendtner, aber nur ein bisschen, weil sie ihren Teil der Miete zahlte und weil ihre beiden Männer nicht nach Hause gekommen waren.
Frau Gschwendtner stand neben dem Bett, nackt, erregt. Ihre schweren Brüste knetete sie mit beiden Händen, zwirbelte die Nippel. Er starrte abwechselnd auf sie und auf seinen jugendloch aufgerichtete Penis.
Er wusste, dass es in dieser Nacht soweit war, weil Frau Gschwendtner seit Wochen schon nachts an ihm herumgefummelt und in sein Ohr geflüstert hatte, er sei jetzt der Mann im Hause, und eine Frau bräuchte ab und zu ein gesundes Stück Fleisch zwischen den Beinen, eines, das hart und ausdauernd war, nicht wie das der kriegsversehrten Invaliden, die impotent im Kopf waren.
Frau Gschwendtner hatte ihm morgens, wenn er mit einer Wasserlatte aufgewacht war, lüstern zwischen die Beine gegriffen, bewundert sein hartes Rohr massiert und gefragt, ob er denn schon etwas damit anzufangen wüsste, und er hatte verschämt verneint, so dass sie ihn in Ruhe gelassen hatte.
Wieder blitzte und donnerte es, lauter noch, und plötzlich fielen die ersten Tropfen, flatterte der Vorhang, prasselte es, und kühler Wind wehte herein auf ihre schweißnassen Körper.
Ihre Augen waren weit offen. Sie stieg auf das Bett, hob das linke Bein über seinen Kopf und hockte sich auf seinen Bauch, bevor sie das rechte Bein nachzog. Ihr Po war kühl. Ihre Brüste hingen vor seinem Mund, doch sie versagte ihm, danach zu haschen.
Stattdessen rutschte sie höher, hob ihren Hintern über seine Brust, glitt mit den Knien an seinen Schultern vorbei. Immer näher kam ihr Geschlecht, immer deutlicher sah er im Licht der Blitze die Feuchtigkeit glitzern, die Falten, hinter denen die Tiefe lag, in die ein Mann so gerne hinabstieg.
Höher, höher, bis ihre Möse seinen Mund erreichte.
Die Jungen auf der Straße hatten davon berichtet, wie sie mit den älteren Mädchen im Keller gespielt, sich gegenseitig gezeigt hatten, was man als Erwachsener macht.
Der Junge wusste Bescheid. Und dann hatte ihn am Morgen Frau Gschwendtner dabei erwischt, wie er mit Marianne, der Tochter des Fleischers, auf dem Dachboden, wo die Wäsche hing, gefummelt hatte, und sie hatte geschimpft und ihm auf dem Weg in die Wohnung gesagt, dass das Gör doch viel zu jung dafür sei, aber wenn er unbedingt wolle, könne er gerne mal von einer richtigen Frau lernen, was es hieße, ein Mann zu sein.
»Streck die Zunge heraus«, kommandierte sie und er gehorchte. »Leck meine Fotze.«
Auch das tat er ohne Widerrede. Er tat alles, was sie von ihm wollte, leckte den salzigen Saft aus der faltigen Rinne, war jetzt der Mann im Haus.
Der Regen trommelte auf das Fensterbrett, durch das offene Fenster, gegen Scheiben. Man hörte ihn auf die Blätter vor dem Haus rauschen, auf die Straße und die Dächer prasseln. Blitz und Donner wechselten sich in immer schnellerer Folge ab, während die Frau ihre Möse über seine Nase und seinen Mund rieb, ihre Lustwunde auf seine Lippen presste und er seine Zunge tief hineinbohrte.
»Leck mich richtig schön, leck meine Fotze«, keuchte sie und er versuchte, ihren Blick zu erhaschen, von unten zwischen den riesigen Titten hindurch nach oben zu starren, doch immer wieder nahm ihm der Körper, grell aufleuchtend im fahlen Licht der Blitze, die Sicht, und er hoffte, betete, dass sie endlich kam, damit sie ihm die Erleichterung verschaffen konnte, nach der sein Schwanz, der hart irgendwo hinter ihrem Körper in die stickige Luft ragte, sehnsüchtig verlangte.
»Du machst das so gut, Bub«, jammerte sie, presste ihre Möse wieder und wieder fest auf seine bohrende, leckende, forschende Zunge. Seine Stirn, Wangen, Nase klebten. Tiefer rieb ihre Möse in sein Gesicht, seine Nase tippte an ihren Kitzler. Sie benutzte ihn, um ihre Lust zu stillen, weil er jetzt der einzige gesunde Mann im Hause war.
Es donnerte so laut, dass der Junge dachte, der Blitz hätte im Haus eingeschlagen.
Irgendwann kam sie das erste Mal, presste ihre Schenkel so fest an seine Ohren, dass er das Blut in den Ohren rauschen hörte und Angst bekam, zu ersticken. Sie jammerte und man konnte kaum sehen, wie sie sich die Titten rieb und versuchte, mit ihren spitzen Lustschreien den Donner zu übertönen.
Der Regen peitschte, trommelte, brauste, brodelte. Blitze flackerten. Sie drehte sich um, wortlos, schwang sich wieder über ihn, und ihre Möse legte sich, als wäre sie dafür geschaffen, über seinen Mund, so dass er den Schamhügel zwischen die Lippen nehmen konnte. Sekunden später spürte er ihren Mund an seinem Schwanz, spürte, wie sie ihn über die harte Stange stülpte und sie in feuchte, heiße Enge gleiten ließ, bis zum Anschlag, bis er ihren heißen Atem an seinen Hoden fühlen konnte.
Er leckte und lutschte und schlürfte und spürte Regentropfen auf seine Schultern spritzen.
Ihr Po spaltete sich vor seinen Augen, die Möse lag weit offen. Der Länge nach schob er seine Zunge in den Spalt und fickte sie damit wie mit einem Schwanz. Seine Nase stupste gegen ihren After.
»Ja, du machst das gut, mein Bub, leck mich, steck mir deine Zunge tief in mein nasses Loch«, kommandierte sie wieder, und er konnte nicht anders, weil sie ihm einen runterholte, wie es noch keine nie getan hatte, und er war so geil und so erregt, dass er alles für sie getan hätte, weil sie aufeinander angewiesen waren, so ganz allein.
Er zog seine Zunge durch ihre Möse, leckte sich über die Lippen, dachte nicht weiter nach und suchte den Widerstand, brach ihn, drang ein, schob alles beiseite, was der Lust im Weg stand.
Wer hungrig ist, stellt keine Fragen. Wer hungrig ist, nimmt alles.
Tief bohrte er seine Zunge in den Schlitz, kitzelte sie, bis Frau Gschwendtner es vor Geilheit nicht mehr aushielt. Sie kreischte in den Donner, hob den Kopf ins Blitzlicht und kam mit den Regentropfen.
»Ich komme«, zischte sie, rieb ihren Arsch und ihre Möse über sein Gesicht, nässte es mit ihrem Saft, bis er das Gefühl hatte zu ertrinken.
Ihre Hand wichste ihn, und während sie kam und immer wieder ihre Möse gegen seine verzweifelt nach ihrem Orgasmus wühlende Zunge presste, dachte der Junge, dass es vielleicht ganz gut war, dass ihr Mann in Verdun geblieben war, und spritzte ab.
Das lustvolle Kreischen von Frau Gschwendtner verstummte, er spürte wieder ihre Lippen an seinem Schwanz, kam ihr in den Mund und spritzte, spritzte, spritzte.
So wurde der Junge erwachsen. Seitdem weiß ich, wie es ist, ein Mann zu sein und diese Rolle einzunehmen.
Und dann kommt David plötzlich nach München, fast unangekündigt. Nur ein Telefonanruf ist seinem Besuch vorausgegangen. Ob wir Zeit hätten. Es war ein anderer David, der da vor unserer Wohnungstür stand. Er sah gesünder aus. Nicht mehr so teigig, so aufgedunsen, so unsicher. Er sah mich an, begrüßte mich, umarmte mich, als hätte er mich Jahre nicht gesehen, und auch Lars bekam zu spüren, dass David anders war als sonst.
Später, als David wieder abgereist war, unterhielt ich mich mit Lars über seinen Bruder. Und wir waren der Meinung, dass irgendetwas passiert sein musste.
»Er hat bestimmt eine Freundin«, sagte Lars. »Das hat ihn doch am meisten gewurmt.«
Lars erzählte mir, dass sie sich über Musik unterhalten hatten. Dieses ganze neumodische Zeugs, für das David sich plötzlich begeistern konnte. Er gab Lars ein paar Tipps. Konzerte und so. Was man sich noch anhören müsste, bevor sich der Sänger umbringt. Und er gab ihm Tipps für Geldanlagen, dass er in Aktien investieren müsse. Aber da kenne ich mich nicht aus. Am meisten war Lars aufgefallen, dass David sich ehrlich zu freuen schien, ihn zu sehen. Die beiden Brüder. Es ginge nichts über Familie. Sie müssten zusammenhalten. Sie hätten doch nur sich, niemand sonst sei ihnen so nah, abgesehen von Vater und Mutter, aber nicht einmal die.
David musste ziemlich anders und sehr überzeugend gesprochen haben. Lars war sonst nie zu mir gekommen, um über seinen Bruder zu reden. In den zwei Jahren, seit er bei uns wohnt, haben die beiden wenig Kontakt gehabt. Ich weiß, die haben sich oft gestritten, als sie noch unter einem Dach gewohnt hatten. Und manchmal sind Brüder sich eben fremd. Seine beiden Onkel hatten auch nie viel miteinander anfangen können, eher noch mit ihrer kleinen Schwester.
Am Abend zuvor hatten David und ich geredet. Gertrud war schon ins Bett gegangen und Lars lernte für eine Klassenarbeit. Ich hatte David nie so offen erlebt.
»Glaubst du, man kann alles, was man verpasst hat, noch einmal nachholen? Wenn man Mitte 40 ist und Kinder hat – und sich dann trennt. Glaubst du, dass man dann noch einmal alles aufholen kann?«
»Wie meinst du das? Was soll man mit 40 verpasst haben?«
Ich war etwas überrascht, weil ich nicht wusste, worauf er hinauswollte. Ich war in Rente. Mich konnte er nicht meinen.
»Was ein Mann in der Midlife Crisis halt so verpasst. Junge Hühner ins Bett kriegen und unabhängig sein, reisen, was auch immer. Aber man ist dabei jung, so jung wie damals, als man all die Sachen nicht gemacht hat, die man machen wollte und an die man immer zurückdenkt, immer, dauernd. Immer denkst du: ach, hätte ich doch damals das Mädchen geküsst, oder hätte ich doch das ausprobiert und das. Stell dir vor, du würdest mit Mitte 40 eines Tages in deinem eigenen Körper wieder aufwachen. Als junger Mensch, mit 18 oder 19. Aber mit dem Wissen eines 45jährigen. Wäre das was für dich?«
So ein verrückter Quatsch. Zeitreise im eigenen Körper. Aber jetzt ahne ich, worauf er hinauswill. Er will wissen, ob ich anders mit seiner Mutter umgegangen wäre. Also hat sie ihm doch was erzählt.
»Was sollte ich anders machen? In Bezug auf deine Mutter?«
David neigt den Kopf. »Ja, vielleicht. Du weißt, dass sie und die Männer… ich meine, sie hat einen kleinen Hass auf Männer entwickelt, oder?«
Also hat sie mit David über mich geredet. Dieses blöde Stück. Dabei hatte ich ihr ziemlich viel Geld gegeben. Und ihr gesagt, ihre Mutter würde es nicht überleben, wenn sie davon erfuhr. Mir wird schwindelig. Doch als David weiterspricht, wird mir klar, dass die Aufregung umsonst gewesen ist.
»Sie hat die Trennung von Papa nicht verkraftet. Sie ist immer noch sauer auf Männer. Sie trägt diese Kränkung mit sich herum, seit Jahren. Aber sie weigert sich, darüber zu sprechen. So wie Oma. Die redet auch nicht, oder?«
Gertrud und reden? Die doch nicht. Mein Puls beruhigt sich etwas. Sein Vater also ist es.
»Und was hat Brigittes Hass auf deinen Vater mit mir zu tun?«
»Nun, du bist der erste Mann in ihrem Leben. Und Omas auch. Ich kann mir vorstellen, dass die beiden…«
Er redet nicht weiter. Mir wird wieder unwohl. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mehr weiß, als gut für mich ist.
»Hast du schon mal über eine Patientenverfügung nachgedacht?«
Davon hatte ich noch nie gehört.
»Erklär mir das bitte.«
»Die ist ein bisschen wie ein Testament. Da steht drin, was die Ärzte machen dürfen, um dich am Leben zu halten. Wenn du nicht mehr über dein Leben bestimmen kannst, weil du im Koma liegst. Stell dir vor, du ziehst dir eine Infektion zu, sagen wir, weil du mal fremdgegangen bist mit einer Prostituierten.«
Beinahe hätte ich vor Überraschung laut aufgeschrien. Woher wusste er das? Vor einem halben Jahr war David noch an meiner Pornosammlung interessiert, die es nicht geben durfte und die ich verleugnete, und jetzt ahnte er von meinen geheimen Treffen?
»Wie meinst du das?«
»Nur rein theoretisch. Stell dir vor, du wirst im Krankenhaus behandelt und steckst dich dort mit einem viel fieseren Keim an, dein Hirn wird dadurch angegriffen, dein Gesundheitszustand verschlechtert sich rapide, du fällst in eine Art Koma und wirst in kurzer Zeit unfähig, selbst zu atmen. Dann wird man dich an ein Gerät anschließen und am Leben erhalten, aber du wachst aus diesem Koma nicht mehr aus. Dein Hirn ist tot, dein Körper lebt. Du kannst aber nicht sterben.«
Ein Ende im Krankenbett, zwischen Tod und Leben, war eine schreckliche Vorstellung. Dahinvegetieren. Was ist das? Eine versteckte Drohung? Eine Ahnung? Eine Strafe für meine perversen Neigungen? Mich kann doch nur bestrafen, wer davon wusste.
»Das ist ja grausam«, sage ich nur. David trinkt von seinem Bier. »Was kann ich dagegen machen?«
Gegen die Vorstellung, zwei Frauen ausgeliefert zu sein, die sich an mir rächen wollen.
»Schreib eine Patientenverfügung, deine Tochter wird dich sonst nicht gehen lassen. Sie will keinen Mann mehr gehen lassen, ohne dass sie die Kontrolle hat. Und Oma, keine Ahnung, die wird sich wahrscheinlich einfach nicht durchsetzen können. Vielleicht hast du zu wenig abgewaschen? Bist du am Ende mehr als einmal fremdgegangen? Aber vielleicht will Oma dich auch aus Liebe nicht gehen lassen.«
Fremdgehen. Wenn es nur das wäre. David hat ja keine Ahnung. Und das ist auch gut so. Er spekuliert. Vielleicht weil sein Vater auch fremdgegangen ist. Oder seine Mutter, die kleine Schlampe. Weil er ebenso mit dem Schwanz denkt wie jeder Mann. Sind doch alle wie wir. Und die Frauen sind nur eifersüchtig, dass sie nicht ewig jung bleiben können und wir Männer nicht auf alte Frauen stehen.
»Du meinst, wenn ich über eine diese Verfügungen klarmache, dass ich nicht gegen meinen Willen am Leben gehalten werden will, dann schaltet ein Arzt die Maschine ab?«
»Die wird gar nicht erst angeschaltet«, sagt David und trinkt sein Bier aus. »Ich kann dir sagen: Es ist kein schöner Anblick, jemanden so dahinvegetieren zu sehen.«
Es ist schon spät. Ich habe wieder mehr getrunken als gut für mich ist. Ich glaube, ich gehe noch eben in den Keller und blättere durch ein paar Hefte. Ich habe mir hinter die Regale einen Sessel gestellt. Vom Gang aus kann man nichts sehen, wenn ich dort sitze und genieße. Diese ganze nackte Haut, diese gespreizten Schenkel, und daran denke, wie es früher war, als meine Tochter noch bei uns gewohnt hat und wie es sein wird, wenn wir uns im Kreise Gleichgesinnter wieder treffen.
»Woher weißt du das alles? Das mit dieser Verfügung?«
»Ich habe mich ein bisschen mit der Zukunft unserer Familie beschäftigt. Mit dem Alter.«
»Und wieso glaubst du, dass mich das treffen könnte?«
Was für ein merkwürdiger Junge, sein Bruder ist so anders. Aber vielleicht hat er einfach auch endlich nur mal richtig gevögelt. Das Mädchen, das ihm den Kopf gewaschen hat, würde ich gerne mal kennenlernen.
Vielleicht finde ich im Keller eines in den Heften, das ihr ähnlich sieht. Aber vorher muss ich noch dieses Schreiben fertigmachen. Diese Vollmacht. Nur zur Sicherheit.