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1. KAPITEL

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Vor zwei Tagen hatte ich meinen 20. Geburtstag gefeiert, jetzt saß ich in einem Flieger nach South Dakota, ohne zu ahnen, dass dies die aufregendsten Wochen meines Lebens werden sollten und ich schon bald ein uraltes Geheimnis ergründen würde, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können.

Die USA kannte ich bisher nur aus Dads Geschichten von seiner Kindheit und Jugend. Nun würde ich das Desert Spring mit eigenen Augen sehen. Endlich. Aber die Neugierde auf Dads Heimat war nicht das Einzige, was mich nach South Dakota zog. Seit ich in das Flugzeug gestiegen war, spürte ich eine große Freude, eine Euphorie, die über das normale Maß hinausging und die ich mir nicht erklären konnte. Vielleicht wusste ich schon damals, tief in meinem Inneren, dass ich eine Malhamota war.

Die Maschine machte Zwischenstopps in Amsterdam und Minneapolis. Von dort aus ging es direkt nach Rapid City, wo mich Tante Abigail erwartete, die ich zuletzt gesehen hatte, als sie meine Familie vor mehr als zehn Jahren in Berlin besucht hatte. Alles in allem würde ich über 17 Stunden unterwegs sein.

Ich schaute aus dem Fenster und beobachtete eine Weile die schnell an uns vorüberziehenden Wolken, ehe ich den Reiseführer aus meiner Tasche kramte. Ich hatte genügend Zeit, ihn genauestens zu studieren. Und bevor wir über den Atlantik flogen, hatte ich ihn bereits ausgelesen. Pennington County lautete mein Ziel. Um genauer zu sein, Calmwood, ein kleines Städtchen in der Nähe von Rapid City, irgendwo in den Black Hills.

Um 17 Uhr Ortszeit landeten wir auf dem Rapid City Regional-Airport, und ich fühlte mich wie gerädert, denn die Uhrzeit stimmte nicht mit meiner inneren Uhr überein. Ich hatte mehrere Zeitzonen hinter mir gelassen, und das Schlafen im Flugzeug hatte sich als deutlich schwieriger erwiesen, als ich angenommen hatte.

Nachdem ich mein Gepäck vom Rollband genommen hatte, betrat ich die Ankunftshalle und hoffte, ich würde Tante Abigail wiedererkennen. Sie musste groß, korpulent und außerdem Dad wie aus dem Gesicht geschnitten sein. Zu meinem Erstaunen war im Eingangsbereich nicht sonderlich viel Betrieb. Kein Vergleich zu dem Gedrängel am Flughafen Tegel. Auf der Anzeigentafel las ich, dass die nächste Maschine erst in einer Stunde erwartet wurde. Das sprach nicht gerade für ein reges Flugaufkommen.

Ich drehte mich einmal um mich selbst, ohne jemanden erspäht zu haben, der mir bekannt vorkam. Da fiel mir plötzlich eine Frau mit einem Pappschild in den Händen auf. Sie stand neben drei anderen Wartenden. Ihre ziemlich kräftigen Arme verrieten, dass sie hart zupacken konnte. Ein volles und sehr freundliches Gesicht milderte diesen Eindruck jedoch ab. Sie trug eine Jeanslatzhose und ein kariertes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Der Clou aber war der weiße Cowboyhut, unter dem eine dichte dunkelbraune Haarmähne hervorquoll.

Welcome Jorani!, stand auf dem Schild.

Tante Abigail sah anders aus, als ich es erwartet hatte. Die Erinnerung an eine dicke, hünenhafte Frau war offenbar nur ein Trugschluss, weil ich damals noch klein gewesen war.

Ich winkte ihr, um ihr ein Zeichen zu geben. Sofort kam sie auf mich zu, breitete die Arme aus und drückte mich an ihre Brust. Dann gab sie mir noch dicke Schmatzer auf beide Wangen.

»Willkommen in Amerika!«, begrüßte sie mich. »Wie schön, dich endlich mal wiederzusehen, meine Süße. Und wie groß du geworden bist. Lass dich mal anschauen.« Sie hielt mich an den Schultern fest und musterte mich von oben bis unten, während ich versuchte, mein Sprechen und Denken ganz auf Englisch umzuschalten.

Das fiel mir nicht allzu schwer. Dad war wegen Mom nach der Wende in Berlin geblieben und hatte dafür gesorgt, dass meine Geschwister und ich zweisprachig aufwuchsen. Wir nannten unsere Eltern auch nicht Mutti oder Vati, sondern Mom und Dad. Das klang in meinen Ohren viel vertrauter.

»Du siehst gut aus, echt gut. Und wenn du lächelst, dann sehe ich John vor mir«, sagte sie voller Anerkennung und strahlte über das ganze Gesicht. Sie schien sich ehrlich zu freuen, mich zu sehen. Ich war erleichtert, dass die Chemie zwischen uns auf Anhieb stimmte. »Danke. Du siehst aber auch toll aus.«

Tante Abigail strich sich mit einer Hand über den Bauch. »Das verdanke ich alles meinem Fitnesstrainer.«

Sie lachte leise, legte mir einen Arm um die Schultern und führte mich zum Parkplatz. »Komm. Mein Wagen steht gleich dort drüben. Du siehst müde aus.«

»Das bin ich auch. Ich konnte im Flieger einfach nicht schlafen. Und mein Kreislauf fängt schon an zu spinnen.«

»Dann beeilen wir uns besser. Ich habe dir das Gästezimmer eingerichtet. Das Bett ist bereits bezogen.«

Ich dankte dem lieben Gott für diese umsichtige Tante!

Wir gingen an einigen Wagen vorbei, und ich hoffte, dass wir jeden Moment stehen bleiben würden und ich mein Gepäck im Kofferraum verstauen konnte. Als wir dann aber endlich vor Tante Abigails Auto hielten, traute ich meinen Augen nicht.

Abigail schien mir meine Bedenken anzumerken und klopfte voller Zuversicht auf die gelbe Karosse ihres kleinen VW 1303 LS Cabriolets, dessen Baujahr irgendwann in den Siebzigern liegen musste. Das schwarze Verdeck war zurückgeklappt.

»Das Baby hier war mir viele Jahre treu und hält einiges aus. Wirf deine Sachen in den Kofferraum.«

Ich zog es vor, mein Handgepäck und die Tragetasche vorsichtig abzulegen. Nicht, weil ich etwas Zerbrechliches dabeihatte, sondern weil ich nicht dasselbe Vertrauen in den kleinen Wagen hatte wie sie.

Schließlich sagte ich mir, dass der Käfer es zum Airport geschafft hatte, also würde er es auch zurück nach Calmwood schaffen. Ich erwartete, dass der Motor mehrere Anläufe brauchen würde, ehe er startete, der Wagen stottern, knattern und dampfen würde, aber nichts dergleichen geschah. Er lief geschmeidig und brachte es auf eine ordentliche Geschwindigkeit. Ich blickte in den Rückspiegel. Das sandfarbene Flughafengebäude war nur noch ein verschwommener Fleck.

»Dort drüben ist der Dinosaurierpark«, erklärte Tante Abigail und deutete mit dem Finger nach rechts. Ich konnte tatsächlich eine Brontosaurusskulptur auf einer leichten Anhöhe erkennen, die von Bäumchen umringt war. »In die Richtung geht’s zum Mount Rushmore, und das hier ist das beste China-Restaurant weit und breit ...«

Ich war so müde, dass ich kaum etwas mitbekam und während der Fahrt einschlief. Als ich die Augen wieder aufschlug, hielten wir gerade vor einem Café mit roter Markise, auf der »Desert Spring – Café & Catering« stand. Das war es also. Das Haus, in dem Dad aufgewachsen war. Ein kleines, zweistöckiges Gebäude, das den Charme des Wilden Westens versprühte.

»Da wären wir«, verkündete Abigail und stieg aus. »Was hab ich dir gesagt, auf meine alte Rostlaube ist Verlass.« Dann holte sie mein Gepäck. An einem runden Tisch im Vorgarten saßen zwei junge Frauen und ein ebenso junger Mann, der einen schmutzigen Overall anhatte. Seine raspelkurzen Haare standen zu allen Seiten ab. Schwarze Flecken zierten seine Wangen. Und er roch nach Öl.

Die drei begrüßten Abigail freundlich. Mich hingegen musterten sie neugierig von oben bis unten. Das war mir unangenehm. Ich versuchte, es nicht zu beachten.

»Sieht genauso aus wie in Dads Fotoalbum«, stellte ich fest und nahm Abigail meine Tragetasche ab, hängte sie mir über die Schulter und folgte ihr ins Haus. Hinter mir begannen die drei zu tuscheln und zu lachen.

»Ja, es hat sich nicht viel verändert.«

Hinter der Theke, die an eine Bar aus einem Western erinnerte, stand eine ältere Dame mit kurzen grauen Haaren. Sie war sehr klein, drahtig und schien für ihre Größe viel zu lange Arme zu haben. Der Eindruck wurde durch ihren gebeugten Rücken noch verstärkt.

»Ich bin wieder da, Gladice«, rief Abigail ihr zu.

»Das sehe ich, meine Liebe.« Gladice kam hinter der Theke hervor und reichte mir die Hand. »Willkommen in unserer Wüstenquelle, dem schönsten Fleck in ganz Calmwood«, begrüßte sie mich mit einer rauen Stimme, die unerwartet männlich klang.

Ich war überrascht, wie kräftig ihr Händedruck war. Über ihrem Hemd und den Jeans trug sie eine hellblaue Schürze. In einer Hand hielt sie einen feuchten Lappen, von dem Spülwasser über ihren nackten Arm lief und auf den Boden tropfte.

»Du hast doch bestimmt Hunger. Such dir was aus«, meinte Gladice und deutete zu der großen Tafel, die über der Theke hing. Es gab Sandwiches, Hotdogs und Kartoffelsalat.Aber mein Magen fühlte sich wie zugeschnürt an. Ich würde garantiert keinen Bissen herunterkriegen. »Ich bin nicht hungrig, tut mir leid.«

Abigail ging hinter die Theke und holte eine Tasse dampfenden Tees hervor. »Jorani ist sehr müde. Ihr könnt euch morgen gegenseitig beschnuppern.«

»Ach so. Na dann, gute Nacht.« Gladice lächelte schief und offenbarte eine große Zahnlücke, die ihr hexenartiges Kinn noch betonte. Just in dem Moment, in dem ich mich umdrehen wollte, betrat die Blondine vom Tisch im Vorgarten das Café und winkte mit ihrer Geldbörse. »Zahlen bitte.«

»Ich kümmere mich um Ira«, sagte Gladice und ging zur Kasse. »Macht sechs Dollar.«

Während sie in ihrer Börse nach Kleingeld suchte, musterte sie mich erneut und, wie sie wahrscheinlich glaubte, unauffällig. Dieses Mal starrte ich jedoch zurück, was sie sehr erschreckte und rasch das Weite suchen ließ.

»Nimm es den Leuten hier nicht übel. Wir sind einfach ein neugieriges Völkchen. Deine Ankunft hat sich schnell rumgesprochen«, flüsterte Abigail mir zu und führte mich eine hölzerne Treppe ins obere Stockwerk hinauf.

»In Calmwood passiert nicht viel. Wir haben nicht mal so viele Einwohner wie Hot Springs. Jeder kennt jeden. Und Neuigkeiten sprechen sich schneller rum, als einem manchmal lieb ist.«

Wir gingen einen langen Flur entlang. Die Dielen knarrten leise unter meinen Turnschuhen. Tante Abigail blieb vor der vorletzten Tür stehen und drückte die Klinke mit ihrem Ellbogen herunter. »Wegen Ira musst du dir keine Gedanken machen. Ist ein ganz nettes Mädchen.«

Ich war von dieser Aussage nicht sonderlich überzeugt, was man mir wohl ansah.

»Glaub es mir.«

»Na schön, wenn du es sagst.« Ein bisschen weniger Neugier hätte dieser Ira auch gut zu Gesicht gestanden.

»Hier ist es. Ich hoffe, du bist damit zufrieden?« Sie stellte die Teetasse auf einem kleinen Tisch in der Ecke ab.

Ich betrat den gemütlichen Raum, der fast genauso groß wie mein Zimmer zu Hause war, stellte mein Gepäck ab und spürte, wie mich wieder die Müdigkeit überfiel. Dieses Mal stärker als zuvor.

Es ist toll«, sagte ich und unterdrückte ein Gähnen.

»Freut mich. Hier kannst du deine Sachen unterbringen.« Tante Abigail zeigte auf den großen Eichenholzkleiderschrank, der fast bis zur Decke reichte.

»Ich glaube, das schaffe ich heute nicht mehr. Ich packe morgen aus.«

»In Ordnung. Falls etwas sein sollte oder du etwas brauchst, ich schlafe gleich nebenan. Bis zum Abend bin ich aber im Café. Das Bad ist gleich links neben deinem Zimmer. Wir haben Warmwasser.« Das war beruhigend.

»Ich freue mich, dass du da bist. Das wird eine ganz tolle Zeit«, fügte sie hinzu. »Aber jetzt lasse ich dich erst mal in Ruhe ankommen.« Ich nickte dankbar. Leise zog sie die Tür hinter sich zu.

Für mich war das alles sehr unwirklich. Ich hatte noch nicht realisiert, wie weit ich von zu Hause weg war. Dafür war ich viel zu müde. Ich wollte nur eins, nämlich schlafen. Erschöpft trank ich einen Schluck Zitronentee, ehe ich mich auf mein Bett fallen ließ. Die Matratze gab sacht unter mir nach, und ich schlief auf der Stelle ein. Gegen fünf Uhr morgens wachte ich auf.

Die Sonne war bereits aufgegangen und schien mir ins Gesicht, da kein Rollo vor dem Fenster war. Vergeblich suchte ich nach einer besseren Schlafposition, zog mir die Decke über den Kopf und vergrub mein Gesicht im Kissen. Eine Stunde später gab ich es auf und schleppte mich ins Bad. Die heiße Dusche weckte meine Lebensgeister, und ich fühlte mich wie neugeboren.

Da meine Tante noch schlief und das Desert Spring erst um 8.30 Uhr öffnete, beschloss ich, mich ein bisschen in Calmwood umzusehen.

Schnell hatte ich den Stadtrand erreicht. Eine weite Graslandschaft tat sich vor mir auf, die sich bis zum Horizont erstreckte. Einzelne Wolken standen am sommerblauen Himmel. In der Ferne sah ich einige Bäume und Felsen. Die Ausläufer der Black Hills.

Einige Schritte von mir entfernt lag etwas im Gras. Doch ich konnte nicht ausmachen, was es war. Vielleicht eine Jacke oder eine zusammengerollte Decke, die jemand vergessen hatte. Ich ging näher heran und merkte schnell, dass ich mich irrte. Das Etwas war pelzig und merkwürdig eingedrückt. Dann erkannte ich Pfoten und wich instinktiv zurück.

Das war ein Tier.

Es sah übel zugerichtet aus. Ich konnte nicht erkennen, was für ein Tier es war. Dafür war es viel zu entstellt. Der Wind strich sanft über sein stumpfes Fell und bewegte es leicht.

»He, was machst du da?«

Erschrocken sah ich hoch und blickte in das schmale Gesicht eines jungen Mannes, der plötzlich vor mir stand.

Lange braune Haare umschmeichelten sein Gesicht, dunkle Augen funkelten wütend. Unverkennbar floss das Blut amerikanischer Ureinwohner in seinen Adern.

»Jemand muss es angefahren haben«, platzte ich heraus.

Er betrachtete mich abschätzend, was mir nicht sonderlich behagte. Seine Augen wirkten merkwürdig fern, so als besäßen sie eine unendliche Tiefe.

»Fass es besser nicht an«, sagte er. Er kniete sich hin, nahm seinen Rucksack ab und holte eine Decke heraus, in die er das Tier einwickeln wollte. Ich schloss daraus, dass es noch lebte.

»Soll ich ... einen Tierarzt holen?«, fragte ich aufgelöst. »Gibt es überhaupt einen in der Nähe?« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich einer in Calmwood niedergelassen hatte. Wahrscheinlich müssten wir nach Rapid City fahren. In Gedanken plante ich bereits, mir Abigails Käfer auszuleihen.

»Der Hund ist tot.«

Vorsichtig schlug er die Decke um das Tier und hob es hoch. Ganz behutsam, als hielte er einen kostbaren Schatz in den Händen.

»Trotzdem danke für das Angebot«, sagte er nun freundlicher, und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen.

»Tot?«

Er nickte und musterte mich wieder. Jetzt erst schien er mich richtig wahrzunehmen.

»Du bist nicht von hier, oder?«

Ich schüttelte den Kopf. Fasziniert blickte ich in seine Augen, die so dunkel waren, dass ich zwischen Iris und Pupille kaum unterscheiden konnte. »Ich bin seit gestern bei meiner Tante Abigail Stanford zu Besuch.« Ich ging davon aus, dass ihm zumindest ihr Name bekannt war. Schließlich kannte hier jeder jeden.

»Dein Englisch ist nicht schlecht, aber ich höre einen leichten Akzent.«

Ich war überrascht, hatte ich doch geglaubt, man könne mich aufgrund meines guten Sprachtrainings für eine Einheimische halten. Der junge Mann musste eine gute Beobachtungsgabe oder sehr feine Ohren haben.

»Ich bin Berlinerin«, klärte ich ihn auf.

»Willkommen in Calmwood. Tut mir leid, dass wir dir kein schöneres Begrüßungsgeschenk machen konnten.« Nun klang er sarkastisch.

»Rücksichtslose Autofahrer scheint es selbst in einem idyllischen Örtchen wie diesem zu geben«, meinte ich resignierend. Wie oft kam es vor, dass jemand ein Tier anfuhr und es schwer verletzt liegen ließ. Das konnte mich wirklich aufregen.

»Er ist nicht unter die Räder gekommen. Er wurde von Menschenhand getötet«, erwiderte der Fremde mit einer eigenartig monotonen Stimme und wandte sich um.

Getötet? Ich musste schlucken.

Er ging weiter, und ich folgte ihm unwillkürlich. Gab es in Calmwood tatsächlich Menschen, die zu so einer Grausamkeit fähig waren?

Der Fremde blieb an einer kleinen Mulde stehen, die er offenbar zuvor ausgehoben hatte, und legte das tote Tier hinein. Mit bloßen Händen schaufelte er die aufgeschüttete Erde auf die Decke.

»Unser Freund hat kein gnädiges Ende gefunden.« In seiner Stimme schwang grenzenlose Verachtung. Ich hingegen war viel zu geschockt, um etwas zu sagen. Zugleich war ich beeindruckt, dass der junge Mann sich des armen Tieres annahm. Ich hockte mich zu ihm und grub meine Finger in die warme Erde, um ihm zu helfen.

»Warum machst du das?«, wollte ich wissen.

»Warum machst du das?«

»Ich hab zuerst gefragt.«

Er nickte. »Es ist besser, ihn zu vergraben. Sonst lockt er Aasfresser an.« Nicht weit von uns entfernt saßen zwei Krähen auf einem großen Stein. Sie plusterten ihr dunkles Gefieder und guckten interessiert zu uns herüber. »Du kennst dich gut aus. Bist du Tierarzt?«

Ich hörte ihn lachen und sah aus dem Augenwinkel, dass er den Kopf schüttelte. Dann war er sicher Farmer. Jedenfalls jemand, der Ahnung hatte. »Also, und warum hilfst du mir?« Er sah mich neugierig an.

Ich zuckte mit den Schultern. »Der Hund tut mir leid.«

Er sammelte faustgroße Steine und legte sie auf einen Haufen. Einen davon zeigte er mir. Er war rund und staubig. Als ich ihn kurz in die Hand nahm, merkte ich, wie schwer er war.

»Die kommen auf das Grab. Weißt du auch, wieso, Stadtmädchen?«

Ich hatte nicht die geringste Ahnung und hob hilflos die Schultern. Dann gab ich ihm den Stein zurück.

Er lächelte nachgiebig. »Dadurch verhindern wir, dass sich Raubtiere am Kadaver vergehen.«

Gewissenhaft verteilte er die Steine auf der lockeren Erde.

»Sieh hin, Stadtmädchen, ich lasse keinen Platz zwischen den Steinen. Ein hungriges Tier ist sehr erfinderisch und würde bei zu großen Lücken zu graben beginnen. Doch das Leichengift würde ihm nicht guttun.«

»Ich verstehe«, sagte ich. »Aber warum nennst du mich ständig Stadtmädchen?«

Er hielt inne und grinste mich unverfroren an. »Weil man dir anmerkt, dass du aus einer Großstadt kommst.« »Ach ja?«

»Du warst dir nicht mal sicher, ob der Hund noch lebt.« Er lachte leise.

»Hey, mach dich nicht lustig. Ich habe es nur gut gemeint. Außerdem wusste ich, dass er tot ist. Erst als du ihn wie ein Baby eingewickelt hast, bekam ich Zweifel.«

»Ich weiß. Aber deine Unsicherheit hat dich trotzdem verraten.« Sein Lachen wurde lauter.

»Das nenne ich Dankbarkeit«, sagte ich gereizt, denn ich fühlte mich von dem Kerl veralbert. »Das nächste Mal überlege ich es mir zweimal, ob ich helfe.«

Sacht hielt er mich am Arm zurück. »Sei nicht böse, Stadtmädchen. War nicht meine Absicht, dich zu kränken. Im Gegenteil. Ich bin dir wirklich dankbar.«

Er drückte mir den letzten Stein in die Hand und nickte mir aufmunternd zu. Ich legte ihn an die vorgesehene Stelle.

»Sehr gut«, lobte er mich und presste die Handflächen aneinander, als wollte er beten.

»Was soll das werden?«, fragte ich irritiert.

»Ich muss seinen Geist befreien.«

»Was?«

»Er steckt in seinem Körper fest, weil er einen grausamen Tod erfuhr. Wenn wir ihn nicht befreien, bleibt er für immer gefangen und findet niemals Frieden.«

Der Kerl meinte ernst, was er da sagte. Ich hingegen glaubte nicht an Übersinnliches. Unter normalen Umständen hätte ich ihn einfach machen lassen und wäre gegangen. Aber etwas an ihm faszinierte mich und hinderte mich daran zu gehen. Stattdessen beobachtete ich ihn sehr genau. Er holte ein Gebilde aus mehreren Federn, das an einen Traumfänger erinnerte, aus seinem Rucksack und legte es auf das Grab.

Dann senkte er den Kopf, so dass ihm die Haare ins Gesicht fielen, und konzentrierte sich. Reglos verharrte er vor dem Steinhaufen. Ich wagte nicht, mich zu bewegen oder zu sprechen.

Eine fast unheimliche Stille breitete sich über dem Feld aus. Der Wind bewegte die Federn, trieb sie plötzlich hinauf, bis sich das runde Gebilde um sich selbst drehte.

Es flog immer weiter, bevor es langsam wieder zu Boden segelte. Ungläubig verfolgte ich das Spiel. Neugierig und eingeschüchtert zugleich. War es der Geist des Hundes gewesen, der die Federn bewegt hatte? Ich traute mich nicht, den Fremden zu fragen.

Gerade als ich glaubte, er hätte sein Gebet beendet, ertönte eine kehlige Stimme, die so ganz anders klang als seine Sprechstimme. Andächtig lauschte ich dem angenehmen Klang.

»E’neya ... Mahitoka di Ti’tibrin, ta’ke di Mal. E’neya, Mahitoka di Ti’tibrin, ta’ke di Mal.«

Ein kräftiger Windstoß fegte das Federgebilde über das Feld, so weit, dass ich es nicht mehr sehen konnte. Die Stimme des Fremden vibrierte. Dann wurde er leiser, bis er nur noch flüsterte und schließlich ganz verstummte.

Ohne ein weiteres Wort erhob er sich, klopfte sich den Sand von den Jeans und zupfte einen Grashalm ab, den er sich in den Mund steckte.

»Ist der Geist befreit?«, fragte ich verunsichert. Er nickte lediglich und ordnete zwei der aufgestapelten Steine neu an.

»Du gehörst zu den Sioux, oder?« Ich hatte in meinem Reiseführer gelesen, dass South Dakota einst ihr Territorium gewesen war. Doch zu meiner Überraschung schüttelte er den Kopf, allerdings ohne mir zu verraten, welchem Stamm er stattdessen angehörte.

Langsam gingen wir zur Straße zurück. In dem Moment fiel mir ein, dass ich ihn unbedingt etwas fragen wollte.

»Woher wusstest du, dass er gezielt getötet und nicht einfach nur überfahren wurde?«

»Ihr Stadtmenschen habt Augen und könnt doch nicht sehen.« Dieses Mal hörte ich sein Bedauern, vielleicht sogar Mitleid.

»Ich kann sehen«, beharrte ich.

»Das glaubst du. Hast du die Wunde an seinem Hals bemerkt? Sie wurde ihm mit großer Wahrscheinlichkeit durch ein Messer zugefügt.«

Ich schüttelte entsetzt den Kopf. Nein, das war mir tatsächlich entgangen. Und darüber war ich sogar froh, denn ich konnte kein Blut sehen. Selbst wenn es getrocknet war.

»Wer macht nur so was?«

Mit zügigen Schritten ging er vor mir her. Ich versuchte, zu ihm aufzuschließen. An der Straße angekommen, drehte er sich um. »Ich weiß es nicht.« Doch seine zusammengezogenen Brauen sagten etwas anderes.

Er richtete den Rucksack, der an einem Träger über seiner Schulter hing, und deutete die Straße hinunter zur Stadt. »Ich muss dort entlang.«

»Wir sollten es der Polizei melden«, sagte ich entschlossen.

»Ohne einen Beweis können die nichts machen. Leider.«

»Wir müssen zumindest den Besitzer verständigen. Weißt du, wem der Hund gehört hat?«

»Roy. Zu dem gehe ich jetzt.« Er klopfte auf seinen Rucksack, aus dem ein merkwürdiges Gesicht aus Holz lugte, das nicht viel größer als der Deckel eines Senfglases und ebenso rund war.

Er holte das Holzstück aus dem Rucksack und zeigte es mir. »Gefällt dir der Shi-ru’u?«, wollte er wissen und grinste.

»Shi ... Shi ... was?«

»Shi-ru’u. Ein Glücksbringer.«

Ich nickte unentschlossen. Zumindest wollte ich es mir gern näher ansehen.

»Ich schenke ihn dir, weil du mir geholfen hast.« Zum ersten Mal hörte ich auch in seiner Stimme einen leisen Akzent, der sehr warm und angenehm klang.

Ich nahm das Holzstück entgegen, betrachtete es von allen Seiten und stellte fest, dass es sich um ein Amulett handelte. Es hing an einem Lederband und war mit grünen Federn versehen. »Danke.« Ich hängte es mir um.

»Bitte. Mach’s gut, und genieß deinen Urlaub«, sagte er und hob die Hand, bevor er sich umdrehte und davonging.

»Ciao«, rief ich ihm nach und schaute mich weiter in der Gegend um. Viel gab es jedoch nicht mehr zu entdecken. Calmwood lag inmitten einer weitläufigen Gras- und Waldlandschaft, die sich bis zum Horizont erstreckte.

Als ich zum Desert Spring zurückkehrte, war es bereits 9 Uhr. Der Duft von Ei und Speck lag in der Luft.

»Guten Morgen«, rief Abigail mir zu. Ich setzte mich an die Theke. »Hast du dir die Stadt angesehen?« Sie stellte eine Tasse dampfenden Kaffees vor mich hin.

»Ja. Ich bin früh wach geworden und wusste nichts mit mir anzufangen«, gab ich zu.

»Und wie gefällt dir Calmwood? Möchtest du was essen? Ich wette, du hast einen Bärenhunger.«

Ich überlegte kurz und entschied mich für Rührei mit Speck und Lauchzwiebeln. Bärenhunger war allerdings übertrieben. Nach dem morgendlichen Schockerlebnis war mir ein bisschen der Appetit vergangen. Ich war nach wie vor wegen des Hundes aufgelöst und wollte mit meiner Tante darüber sprechen, die allerdings im Moment keine Zeit dafür hatte.

»Eine gute Wahl«, meinte ein älterer Herr neben mir, der seine Stirnglatze mit einer langen grauen Haarsträhne zu kaschieren versuchte. Ich schätzte ihn auf Ende sechzig. »Abigails Rühreier sind die besten, die ich je gegessen habe.«

Meine Tante kehrte mit zwei leeren Tellern hinter die Theke zurück und lachte herzlich. »Du übertreibst wie immer, Roger.« Sie begann, die Teller abzuspülen.

»Ich sage nur, was ich denke. Und das sind, so wahr ich hier sitze, die besten Rühreier von Pennington County, wenn nicht sogar von ganz South Dakota!«

Tante Abigail schüttelte amüsiert den Kopf.

In dem Moment betrat die Blondine vom Tag zuvor das Café. »Morgen, Abigail«, grüßte sie meine Tante und kam zielstrebig auf mich zu. »Morgen, Jorani.«

Ich wunderte mich, dass sie meinen Namen wusste. Aber dann fiel mir ein, dass hier jeder jeden kannte.

»Hast du Lust mitzukommen? Ich fahre nach Rapid City.«

Ihre Einladung kam überraschend. Wir hatten ja bisher keine Gelegenheit gehabt, uns kennenzulernen. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich sie gestern nicht mal sonderlich sympathisch gefunden. Das sollte sich im nächsten Augenblick aber ändern.

»Und was willst du da machen?«

»Dir was zeigen, das du aus deiner Heimat kennst. Die Berliner Mauer.« Sie zwinkerte mir zu.

»Oh, die ist wirklich eine Sehenswürdigkeit«, sagte Roger. Auch Tante Abigail fand die Idee großartig. »Ich habe die Mauer damals mit eigenen Augen gesehen, als ich John besuchte. Wir sahen uns das Brandenburger Tor aus der Ferne an, konnten aber nicht hinüber. Unglaublich, wie lange das alles inzwischen her ist.«

»Haben wir dich jetzt neugierig gemacht?«, fragte Ira.

»Ja, ziemlich. Ich bin gespannt, was es damit auf sich hat.«

»Okay, dann komm mal mit.«

Sie führte mich zu ihrem blauen Camaro, den sie vor dem Gartentor des Desert Spring geparkt hatte.

Ich stieg kurz entschlossen ein. Ira setzte sich ans Steuer. Kraftvoll trat sie aufs Gas und ließ den Motor schnurren.

Die Dixie Chicks dröhnten aus den Boxen. Iras Kopf wippte im Takt mit. »Ich bin übrigens Ira McLaine«, erklärte sie und reichte mir die Hand.

»Jorani Wittlach.«

»Wittlach? Ich dachte, du wärst eine Stanford.« »Meine Eltern haben nie geheiratet.« »Ach so?« »Ja.«

Ira zuckte mit den Schultern. Das Thema schien sie nicht weiter zu interessieren.

»Hat dein Name irgendeine Bedeutung?«

»Jorani meinst du? Mein Dad hat ihn ausgesucht. Er steht auf außergewöhnliche Namen. Meine Ururgroßmutter soll eine Lakota gewesen sein. Nach ihr wurde ich benannt. Zu meiner Mom, die den Namen anfangs nicht so toll fand, hat er gesagt, dass die Geburt eines Kindes etwas Besonderes ist, daher sollte es auch einen besonderen Namen tragen.« Das war so typisch Dad.

»Ich meinte Wittlach. Das klingt sehr deutsch.«

»Oh ... ähm ... nicht, dass ich wüsste.« Es war Moms Nachname.

Ira drehte das Radio leiser.

»Ich hoffe, es ist okay, dass ich dich so überfallen habe? Meine Mom hat mich auf die Idee gebracht, dir ein bisschen die Gegend zu zeigen.«

»Danke, sehr nett.« Ich musterte Iras Profil. Sie war hübsch. Die blonden Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, und ihre Haut war so makellos wie bei einem Make-up-Model aus der Werbung.

»Wie lange bleibst du denn in Calmwood?«

»Zweieinhalb Wochen sind geplant. Die Reise war ein Geburtstagsgeschenk meiner Eltern.«

»Cool. Aber ich sage dir, die Zeit vergeht schnell, wenn du erst meine Freunde kennengelernt hast.« Das klang vielversprechend.

»Du meinst sicher die beiden, die gestern mit dir im Café saßen.«

»Ja, genau. Linda und Pway. Wir nennen ihn Pway, aber eigentlich heißt er Ben Pwayton. In Rapid City eröffnet am Freitag ein neuer Club. Vielleicht hast du Lust, mit uns hinzufahren?«

»Klingt gut.«

»Find ich auch.« Ira bemerkte das Amulett um meinen Hals. Sie nahm es in die Hand und zog es zu sich heran. »Das hast du von Rin, oder?« »Rin?«

»Braune Haare, markante Wangenknochen, dunkler Blick ... schüchtern.«

»So heißt er also«, sagte ich leise. »Die Bescheibung passt jedenfalls auf ihn.« Bis auf das »schüchtern« vielleicht.

»Stehst du auf solche Sachen?« Ira ließ den Anhänger los, und er schlug sacht gegen meine Brust.

»Keine Ahnung. Gekauft hätte ich ihn mir vermutlich nicht.«

»Das wird Roy nicht gern hören.«

Einen Roy hatte Rin vorhin auch erwähnt. Ihm gehörte der tote Hund. »Und wer ist dieser Roy?«

»Der Besitzer eines Souvenirshops. Für den stellt Rin auch diese Glücksbringer her. Alles feinste Handarbeit.«

Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Roy damit einen großen Gewinn erzielte. Gewiss kamen nur wenige Touristen nach Calmwood. Aber Ira klärte mich schnell auf, dass Roys Shop in Rapid City war, und schlug vor, ihn bei Gelegenheit aufzusuchen. Aber im Moment interessierte mich etwas anderes viel brennender.

»Du kennst doch die Leute in Calmwood ganz gut, oder?«

»Ich denke schon. Warum?«

»Ich habe vorhin mit Rin einen toten Hund gefunden. Sah aus, als hätte man den getötet.«

»Getötet? Bist du sicher?« Ich nickte.

»Und du denkst, das war einer aus Calmwood?« »Das weiß ich ja eben nicht.«

»Ganz ehrlich, ich traue das keinem zu.« Sie überlegte einen Moment und knabberte dabei an einem Fingernagel, ehe sie energisch den Kopf schüttelte, so dass ihr Zopf dabei hin- und herflog. »Keinem«, wiederholte sie.

Ich glaubte ihr. Vielleicht war es jemand von außerhalb gewesen. »Sind solche Dinge schon öfter passiert?«

»Ich erinnere mich an keinen Vorfall. Die Leute von Calmwood sind gute Leute, für die ich meine Hand jederzeit ins Feuer legen würde. Anständige Bürger, keine Tierquäler. Oder hat Rin etwas anderes behauptet?«

»Nein! Ganz und gar nicht.«

»Na bitte.«

Sie drehte das Radio wieder lauter. Das Thema war für sie offenbar beendet, und ich wollte nicht weiter nachbohren. Vor allem, weil ich etwas anderes noch viel dringlicher erfahren wollte.

»Was macht dieser Rin eigentlich so?« Ich war mir sicher, dass er entweder auf einer Farm arbeitete oder woanders mit Tieren zu tun hatte.

Ira biss sich auf die Unterlippe. »Warum willst du das wissen?«

»Einfach nur so.«

Sie lachte und sah mich an, als wäre ich für sie ein offenes Buch. »Er sieht gut aus, stimmt’s? Das finden viele. Aber mach dir keine Hoffnung, Mädel, nur weil er dir einen hübschen Anhänger geschenkt hat.«

Das hörte sich an, als würde Ira aus Erfahrung sprechen. Unterschwellig meinte ich, verletzten Stolz herauszuhören.

»Rin lässt niemanden an sich ran. Weder dich, mich noch den Bürgermeister. Keiner von uns weiß etwas Genaues über ihn.«

»Ich mache mir doch gar keine Hoffnungen«, erwiderte ich empört. Wohl wissend, dass ich nicht sonderlich glaubwürdig klang. »Wie dem auch sei, ich dachte, hier sind alle bestens übereinander informiert?«

»Rin ist eine Ausnahme. Er ist ein netter Kerl, doch er leidet am ›Einsamer-Wolf-Syndrom‹. Man sieht ihn nicht, man hört ihn nicht. Er ist wie ein Gespenst, ein Phantom. Schwer zu greifen. Ganz einfach anders als du und ich, wenn du verstehst, was ich meine?«

Ich nickte und erinnerte mich an die außergewöhnliche Bestattung.

»Man weiß nicht, woher er kommt oder wer seine Eltern sind. Vielleicht stammt er aus einem der Reservate? Von einem Tag auf den anderen war er plötzlich da. Doch er nimmt nie an gesellschaftlichen Ereignissen teil, bleibt immer für sich, spricht kaum mit jemandem. Wir wissen nicht mal, wo genau er wohnt. Aber hin und wieder kommt er in die Stadt, erledigt Einkäufe oder kümmert sich um die Tiere.«

In einer Großstadt wie Berlin würde sich niemand Gedanken über jemanden wie Rin machen, aber in einem Ort wie Calmwood musste es schon etwas Besonderes sein, wenn ein Mann unter den Leuten lebte, über den man nichts wusste. Ira, auch wenn sie es sicher nicht zugeben würde, interessierte Rins Hintergrund. Zumindest schien sie sich ausführlich damit beschäftigt zu haben.

»Er treibt sich viel in den Wäldern herum. Wenn ein verletztes Tier gefunden wird, bringt man es zu Rin. Der pflegt es gesund. Und die Tiere vertrauen ihm. Er ist sehr naturverbunden.«

Wir fuhren durch ein Schlagloch und wurden durchgeschüttelt. Ich stieß vor Schreck einen leisen Schrei aus. Ira sah mich überrascht an, und wir mussten beide lachen.

Ich sank in meinen Sitz zurück, schloss die Augen und lauschte den Rest der Fahrt den Dixie Chicks.

Schattenreiter

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