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2. KAPITEL

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Den musst du unbedingt probieren.« Ira reichte mir einen Erdbeer-Bananen-Shake und setzte sich auf die Wiese vor dem Denkmal. Ihren eigenen Pappbecher hatte sie zwischen ihre Beine gestellt. Ich nahm einen Schluck und gesellte mich zu ihr.

»Mmh. Sehr gut.« Cremig und dickflüssig, wie ich es liebte. »Ich hätte nicht gedacht, dass mitten in Amerika tatsächlich ein Originalteil der Berliner Mauer ausgestellt werden würde.«

»Hast du den Fall der Mauer eigentlich miterlebt?«

»Nicht wirklich. Ich bin in dem Jahr geboren, in dem die Mauer fiel.«

»Wann war das?«

Ich deutete zu der kleinen Tafel, auf der das Datum stand.

»Oh. 1989. Ist auch mein Geburtsjahr. Was ist dein Sternzeichen?«

»Löwe.«

»Löwe? Das hätte ich mir denken können.« Sie lachte und steckte sich den Strohhalm in den Mund. »Ach ja? Und wieso?«

Sie ließ sich mit dem Trinken Zeit. Ich konnte sehen, wie sich die zähe Creme durch den Strohhalm nach oben schob.

»Weil du die passende Frisur hast.« Sie grinste und schnappte sich eine meiner dicken Locken, an der sie verspielt zupfte. Ich liebte meine Haare, die ich von Moms Seite der Familie geerbt hatte, war stolz auf sie und nahm Ira den Vergleich nicht übel. Immerhin hatten sie mir schon oft Bewunderung eingebracht.

»Ist das alles Natur?«, wollte sie wissen und ließ die Strähne los.

»Ja. Meistens ist es super, aber das Haarewaschen ist wirklich schwierig.«

»Das glaub ich gern.«

Wir genossen die wohltuende Wärme der Sonne und die kühlen Shakes und plauderten über Belangloses. Kurze Zeit später machten wir uns auf den Weg zu Roys »Souvenirs & More«.

Der Laden war sehr klein. Das Schaufenster kam mir aber im Vergleich dazu überdimensional vor. Hinter der Scheibe entdeckte ich neben zahlreichen Tassen in verschiedenen Größen und Formen auch eine Vielzahl an Kappen, Stickern und Anstecknadeln mit dem Wappen South Dakotas. Friedenspfeifen und verschiedener Federschmuck lagen ebenfalls aus.

Vor der Tür saß ein Mann in einem Liegestuhl, neben ihm befand sich ein Verkaufstisch mit Souvenirs. Er hatte seinen Cowboyhut tief ins Gesicht gezogen, und eine Zigarette ragte unter der Hutkrempe hervor. Seine Hose war aus hellem Wildleder und hatte überall Fransen. Die Cowboystiefel hatten auffällig hohe Absätze.

»Hey, Pete«, sagte Ira und ging auf ihn zu.

Der Mann nahm den Hut ab. Ein äußerst verschlafen wirkendes Gesicht kam zum Vorschein. So, wie er aussah, hätte ich ihn über sechzig geschätzt. Da der Rest seines Körpers athletischer wirkte, vermutete ich, dass er in Wahrheit um einiges jünger war. Die Haut war sonnengebräunt und tief gegerbt, die Augen dunkel und freundlich.

»Ira, schön, dich zu sehen. Was treibt dich denn in die Stadt?«

Pete richtete sich mühevoll auf und drückte die Zigarette im Aschenbecher auf seinem Schoß aus. Er musterte mich nur kurz, ehe er wieder Ira ansah.

»Ich wollte Jorani den Laden zeigen. Ist Roy nicht da?«

»Roy trifft sich heute mit diesem Holzschnitzer und kommt erst am Nachmittag nach Rapid City. Isaac und ich vertreten ihn so lange. Schaut euch ruhig drinnen um, wir haben wieder ein paar tolle Schmuckstücke aus dem Reservat«, forderte uns Pete auf.

Als wir eintraten, erklang ein leises Glöckchen, das uns willkommen hieß. Ira hatte nicht zu viel versprochen. Roys Shop war ein Paradies für jeden Souvenirjäger. Neben den Artikeln, die auch schon im Schaufenster auslagen, entdeckte ich eine Postkartensammlung, noch mehr Kappen, Cowboyhosen, Stiefel, Hüte und eine Reihe von Süßigkeiten, Zigaretten und Zeitschriften.

»Das ist neu«, meinte Ira plötzlich und deutete zu einer Überwachungskamera, die sie an der Decke ausgemacht hatte. In dem Moment kam ein junger Mann aus dem Hinterraum und stellte sich hinter den Ladentisch. Er hatte kurzes dunkles Haar und eine leicht gebräunte Haut. »Die hat sich mein Dad einiges kosten lassen.«

Als er mich entdeckte, streckte er mir die Hand entgegen. »Ich bin Isaac Wright, Roys Sohn.«

»Jorani Wittlach.«

»Seit wann ist Roy so ein Sicherheitsfanatiker?«, wollte Ira wissen. »Seit ihn ein paar Jungs aus der Gegend ausgeraubt haben.« »Was?« Ihr klappte die Kinnlade herunter.

»Einer von denen hat ihn abgelenkt, die anderen haben die Tabakkisten leer geräumt. Dad hat’s viel zu spät gemerkt.« »Mist. Tut mir leid für euch.«

Isaac zuckte mit den Schultern. »Kann man nichts machen. Aber das nächste Mal haben wir dann Beweise.« Er zeigte mit den Daumen auf die Kamera.

»Kann ich euch helfen? Sucht ihr was Bestimmtes?«

Ich entdeckte auf der linken Seite der Kasse einen Glaskasten mit Rins Schnitzereien. »Ach, hier sind diese Sh ... ir ... Shr ...«

»Shi-ru’u«, half mir Isaac und trat neben mich. Er drehte den Kasten, um mir die verschiedenen Medaillons zu zeigen.

»Das ist ein alter Glaube aus der Zeit unserer Vorfahren. Man dachte, dass die Geister über das Schicksal der Menschen entscheiden. Entsprechend machte jeder kenntlich, was er sich am meisten wünschte.«

Zum ersten Mal bemerkte ich, dass der Federschmuck jedes Medaillons eine andere Farbe besaß.

»Rote Federn sollen Ruhm bringen. Gelbe Reichtum.«

»Ich hab grüne.«

»Lass mal sehen.« Er nahm die Legende aus dem Kasten und suchte nach der entsprechenden Farbe.

»Schutz. Es handelt sich um den Shi-ru’u des Schutzes. Der Träger soll vor Gefahren gewarnt werden. Böse Geister dürfen ihm nicht zu nahe kommen.«

»Kling doch gut«, sagte ich und strich die grünen Federn meines Anhängers glatt. Zwar glaubte ich nicht an solche Dinge, aber irgendwie war es doch beruhigend, einen kleinen Aufpasser bei sich zu haben.

»Derjenige, der dir den Shi-ru’u geschenkt hat, ist offenbar um deine Sicherheit besorgt.«

»Ihr glaubt doch nicht wirklich an diesen Quatsch«, mischte sich Ira ein.

»Man weiß nie, welche Kräfte zwischen Himmel und Erde wirken«, erwiderte Isaac und legte die Legende in den Schaukasten zurück.

Nachdem sich Ira ausführlich den neuen Schmuck aus dem Reservat angesehen hatte, verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Heimweg.

»Roy scheint nicht sehr beliebt zu sein«, stellte ich sachlich fest, nachdem ich mich angeschnallt hatte. »Wie kommst du denn darauf?«

»Na ja, erst wird sein Geschäft überfallen und dann sein Hund getötet.«

»Er hat zwar eine raue Schale, aber einen weichen Kern. Jeder hat ihn gern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er Feinde hat.«

»Irgendwer hat es aber offenbar auf ihn abgesehen. Oder glaubst du an Zufall?«

Sie seufzte. »Ich kann mir schon denken, wer dahintersteckt.« »Ach ja?« Nun war ich wirklich neugierig. Zuvor hatte sie doch nicht den geringsten Verdacht äußern wollen. »Sid.« »Und wer ist das?«

»Ein Typ, der Ärger magisch anzieht und immer Dreck am Stecken hat. Ich glaube nicht, dass er sich auf Roy eingeschossen hat. Er macht jedem Ärger, der ihm über den Weg läuft.«

»Scheint ein echter Psychopath zu sein.«

»Na ja, vor allem ist er mein Ex.«

Nun war ich tatsächlich entsetzt. Wenn dieser Sid so ein Mistkerl war, warum hatte Ira sich dann auf ihn eingelassen? Aber war es nicht immer so? Die schönsten Mädchen suchten sich immer die miesesten Kerle aus.

»Das ist lange her«, erklärte sie hastig. »Damals war er anders.«

»Und was hat ihn verändert?«

»Keine Ahnung. Als ich noch mit ihm zusammen war, sagte er immer, dass das Leben in South Dakota todlangweilig wäre und man endlich mal für Action sorgen müsste.«

»Das hat er dann wahr gemacht.«

»Scheint so.«

Ich blickte aus dem Seitenfenster und entdeckte einen Mann, der durch das hohe Gras ritt. Schweif und Mähne seines Pferdes wehten im Wind. Kraftvoll stieß sich das Tier vom Boden ab, als wollte es mit uns mithalten. Doch der Camaro war schneller. Es dauerte nicht lange, bis der Reiter hinter uns zurückblieb. Im Rückspiegel erkannte ich sein Gesicht. Es war Rin.

»Du kannst mich hier schon rauslassen«, sagte ich spontan.

»Hier? Hier ist doch nichts, außer der alten McDonald-Farm.« Sie hielt dennoch an.

»Macht nichts. Danke fürs Mitnehmen.«

»Aber wie willst du denn nach Hause kommen?«

»Fährt hier kein Bus?«

»Ja, schon. Aber nur alle vier Stunden.«

»Dann nehme ich den Bus.« Ich winkte.

»Okay, wenn du meinst.« Sie warf einen Blick in den Rückspiegel und entdeckte Rin. »Verstehe. Du gibst nicht so schnell auf, was?«

»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte ich und zwinkerte ihr zu.

»Viel Glück. Ich melde mich bei dir wegen der Eröffnungsfeier im Cobra Club.«

»Mach das.«

Ich schlug die Wagentür zu, und Ira brauste davon. Erst als sie außer Sichtweite war, drehte ich mich um und lief gemütlich den Weg zurück, die Hände in den Taschen meiner Jeans vergraben. Auf halber Strecke blieb ich stehen und wartete, bis Rin mich eingeholt hatte.

Der hob überrascht eine Augenbraue, als er mich erkannte.

»So sieht man sich wieder«, sagte ich und wich aus Respekt vor dem anmutigen Tier einen Schritt zurück.

Rin saß ab, nahm die Zügel in die Hand und sah mich erstaunt an. »In der Tat, eine Überraschung.« Er klopfte dem Pferd auf den Hals, das zufrieden schnaubte. »Was führt dich hierher, Stadtmädchen?«

»Ich heiße Jorani.«

»Rin.« Er gab mir die Hand und schüttelte sie. Was für ein kräftiger Händedruck. Das Holzfällerhemd hatte er sich um die Hüften gebunden. Jetzt trug er nur noch ein weißes Unterhemd, unter dem sich seine Brustmuskeln verführerisch abzeichneten.

»Ich war neugierig, was du hier machst«, klärte ich ihn auf.

»Ich verschaffe Roys Pferd Auslauf.«

»Alles dreht sich um Roy«, merkte ich amüsiert an. »Wie kommst du darauf?«

»Ach, nicht so wichtig.« Ich winkte ab. Er konnte ja nicht ahnen, dass ich gerade in Roys Souvenirshop gewesen war.

»Er hat mich vorhin darum gebeten, weil er in letzter Zeit viel zu tun hat und es nicht schafft, sich um Larki zu kümmern. Aber Larki braucht Bewegung und den Wind der Freiheit, der ihm um die Nüstern weht.«

»Wie kommt es, dass Roy ein eigenes Pferd hat?«

»Das ist hier nichts Ungewöhnliches. Es ist im Stall der McDonalds untergebracht.«

Liebevoll strich er über die Blesse des Hengstes, der daraufhin den Kopf leicht hob, als wollte er Rins Worten zustimmen. Ich hatte nie zuvor einen Menschen so sanft mit einem Tier umgehen sehen. Rin behandelte es so behutsam wie einen engen Freund.

»Ich nehme an, ihr habt in der Großstadt keine Pferde.« Er betrachtete mich eingehend. Doch nicht nur er. Das Pferd wandte den Kopf zur Seite und blickte mich aus einem dunklen, unergründlich schwarzen Auge an. Es war unendlich sanft und zugleich wild.

»Doch. In Berlin gibt’s auch Ställe. Aber ich muss gestehen, dass ich keines dieser Mädchen war, die für Pferde und Reiten schwärmen.«

»Und warum nicht?«

Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich hatte Angst.« Er lachte. »Wovor?«

»Keine Ahnung. Vielleicht davor, abgeworfen oder getreten zu werden?« »Larki würde so etwas nie tun. Vorausgesetzt, du genießt sein Vertrauen.«

»Das habe ich bestimmt nicht.«

»Was macht dich da so sicher?« Er kraulte Larki hinter dem Ohr, strich ihm die Mähne nach hinten. Das Pferd schnaubte leise.

»Ich habe keinen besonders guten Draht zu Tieren. Ich mag sie, sie mögen mich, und dennoch gehen wir uns aus dem Weg.«

»Weil ihr nicht dieselbe Sprache sprecht.«

»Ja, vielleicht. Meine Vorfahrin war eine Lakota, und Dad sagte oft, sie hätte es verstanden, mit Tieren zu sprechen. Nicht mit der Stimme, sondern durch Gesten, durch ihre Zuneigung. Aber ich habe ihre Fähigkeit nicht geerbt.« Es war eine Gabe, die nun einmal nicht jeder besitzen konnte. Rin hatte sie, da war ich mir sicher.

»Sie muss eine weise Frau gewesen sein. Aber etwas von ihr ist auch in dir. Du solltest es versuchen.«

Er ließ plötzlich die Zügel los, und Larki kam auf mich zu. Instinktiv wich ich zurück. Rin lachte erneut. »Stadtmädchen, hab Vertrauen. Keine Angst. Das Pferd ist ein Freund, ein Gefährte, kein wildes Raubtier.«

Das war leichter gesagt als getan. Larki war im Vergleich zu mir riesig. Wenn er nach mir trat, würde ich bestimmt mehrere Meter durch die Luft fliegen. Hinzu kam, dass ich nichts von der Körpersprache der Pferde verstand, also auch nicht gewarnt wäre, falls es auf einmal brenzlig werden würde.

Plötzlich trat Rin hinter mich und hielt mich an den Schultern fest, so dass ich nicht weiter zurückweichen konnte. Sein warmer Atem kitzelte meinen Nacken. Ich kicherte leise. Verdammt, das fühlte sich gut an.

»Hab Vertrauen, Stadtmädchen. In dich und in Larki. Öffne deine Hand.«

Er griff nach meinem Handgelenk und führte mich. Obwohl ich normalerweise sehr stur sein konnte, wenn ich etkonnte. Sein warmer Atemwas nicht wollte, ließ ich es geschehen und tat, was er verlangte. Das war ganz und gar nicht typisch für mich. Vor allem, da ich immer noch schreckliche Angst vor dem Pferd hatte.

»So ist es gut«, flüsterte Rin. Ich genoss es, seine Lippen so dicht an meinem Ohr zu spüren, und vergaß beinahe, warum ich die Hand öffnen sollte. Das leise Vibrieren, das sein Atem an meiner Haut verursachte, glich einem Streicheln, einer Liebkosung. Ich hätte mich in dem Gefühl verlieren können.

Plötzlich legte er mir eine Karotte, die er aus der Tasche seiner Jeanslatzhose geholt hatte, auf die Handfläche.

Larki verstand das als Einladung. Sein weiches Maul strich mir über die Finger. Geschickt nahm er mir die Karotte ab und zermalmte sie zwischen den Zähnen.

Rin führte meine Hand näher an das Tier heran.

»Schließ die Augen, und vertraue«, sagte er leise.

Ich atmete tief durch, befolgte seine Anweisung und versuchte, mich zu entspannen. Was alles andere als einfach war. Meine Hand glitt durch die Luft, bis ich Larkis Blesse unter ihr spürte. Sein Fell fühlte sich warm an.

»Siehst du, du kannst es.«

Allmählich verstand ich, worauf es ankam. Ruhe und Selbstvertrauen. Meine Sicherheit übertrug sich auf Larki. Rin ließ mein Handgelenk los, und ich hatte wieder die volle Kontrolle. Vorsichtig fuhr meine Hand über Larkis Maul. Zu meinem Erstaunen blieb der Hengst ruhig. Ich hatte sogar das Gefühl, er würde die Streicheleinheit genießen.

»Unglaublich, du bist ein Zauberer. Niemand hat mich je dazu gebracht, so dicht an ein Pferd heranzugehen.«

Rin lächelte und beobachtete meine Bewegungen sowie Larkis Reaktionen darauf.

»Gut, das machst du sehr gut«, lobte er mich.

»Hast du vielleicht noch eine Karotte?«

Er griff in seine Tasche und gab mir eine Rübe. Auch die nahm Larki dankbar an. »Der ist wirklich brav«, freute ich mich.

»Er spürt, dass du es gut mit ihm meinst. Nun prägt er sich deinen Geruch ein und bringt Positives damit in Verbindung.«

»Das fühlt sich gut an«, sagte ich leise, doch ich meinte nicht die warmen Nüstern, die meine inzwischen leere Handfläche nach etwas Fressbarem abtasteten, sondern Rins Nähe. Sein Körper berührte meinen, schmiegte sich an ihn. Er strahlte Wärme aus.

Nachdem Larki festgestellt hatte, dass ich ihm nichts weiter anbieten konnte, wandte er sich ab und fing an zu grasen.

»Eines Tages wirst du ihn reiten können«, prophezeite Rin und setzte sich ins Gras. Wie er es schon am Morgen getan hatte, zupfte er einen Halm ab und steckte ihn sich in den Mund.

»Das glaube ich nicht«, erwiderte ich und ließ mich neben ihm nieder. Die Sonne brannte heiß auf uns nieder, und ich wünschte, ich hätte einen Cowboyhut dabeigehabt.

»In dir steckt mehr, als du glaubst.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Mag sein.« Trotzdem hatte ich Schwierigkeiten, mir vorzustellen, jemals auf einem Pferd zu sitzen. Dad hatte mich früher zu einer Tierfarm mitgenommen. Damals hatte ich noch reiten wollen, doch nachdem eines der Pferde nach mir geschnappt hatte, war das sofort vorbei gewesen.

Rin löste ein Taschenmesser von seinem Gürtel und bearbeitete ein Holzstück, das er gefunden hatte.

»Schnitzt du neue Shi ... Sih ...« »Shi-ru’u.« Er lächelte.

»Genau, die meine ich.« Ich nahm sein Amulett in die Hand und strich über die grünen Federn, die mich beschützen sollten. »Ich weiß noch nicht, was es wird.«

Ich beobachtete ihn eine Weile, bis ich die ersten Konturen eines Gesichts zu erkennen meinte. »Glaubst du daran?« »Woran?«

»Dass die Shi-ru’u Glück bringen?«

Er schien einen Moment zu überlegen, nickte dann aber vorsichtig. »Ja, ich denke, das tun sie.«

Larki wieherte leise und schlug mit seinem Schweif eine lästige Krähe in die Flucht. Die setzte sich auf einen Felsen und blickte neugierig zu uns herüber. Rin schnalzte mit der Zunge, woraufhin das Tier aufflog und aus unserer Reichweite verschwand.

»Mansagt«, begann er schließlich, während er konzentriert weiterschnitzte, »dass die Zorwaya einen Körper suchen, in den sie einkehren können. Doch es muss ein Körper sein, der ihnen freiwillig zur Verfügung gestellt wird und den sie jederzeit wieder verlassen können.«

»Warte. Ich komme nicht ganz mit. Was bedeutet Zorwaya?«

»Zorwaya sind«, er suchte nach den richtigen Worten und unterbrach das Schnitzen für einen Augenblick, »kleine Geister. Schutzgeister sozusagen.«

»Das klingt ja gruselig.«

»Ist es aber nicht. Es sind gute Geister.«

»Mmh.«

Er lachte über meinen skeptischen Gesichtsausdruck. »Nicht schlimm, wenn du nicht daran glaubst.«

»Ich schließe nichts aus«, lenkte ich ein. Wenn ich ehrlich war, faszinierte mich seine Welt immer mehr. Ich war erstaunt, wie viel er über Geister und Tiere wusste. Und das machte mich noch neugieriger auf ihn.

»Es ist spät«, sagte er plötzlich und deutete zum Stand der Sonne. »Ich bringe Larki besser zurück.«

»Schade.«

Das Holzstück verstaute er in seinem Rucksack. Mit einem Handgriff befestigte er das Taschenmesser an seinem Gürtel. Daran hingen außerdem silberne Ketten mit hölzernen Kugeln, die genau wie mein Shi-ru’u mit Federn geschmückt waren.

Rin erhob sich, steckte Daumen und Zeigefinger in den Mund und erzeugte einen schrillen Pfeifton, der Larki anlocken sollte.

Artig kam Larki angetrabt und blieb vor Rin stehen, der ihm sanft auf den Hals klopfte. »So, Akpatok, so.« Er ordnete das Zaumzeug, doch bevor er sich auf den sattellosen Rücken des Pferdes schwang, drehte er sich zu mir um.

»Und wie kommst du nach Calmwood zurück?« »Ich fürchte, ich muss auf den Bus warten.« »Aber der kommt nur ...«

»Alle vier Stunden, ich weiß.« Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Am besten gehe ich einfach immer gerade aus die Straße runter. Irgendwann komme ich schon an.«

»Daran hättest du vorher denken sollen, Stadtmädchen. Komm, steig auf, Larki und ich bringen dich nach Hause.«

Ich hob abwehrend die Hände. »Auf diesen Rücken bekommen mich keine zehn Pferde.«

»Ich halte dich fest, versprochen.«

Er reichte mir die Hand. Sein Blick verriet, dass er keine Widerrede duldete. Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, gab ich doch nach und nahm sie an. Er führte mich zu Larki und ließ den Hengst an mir schnuppern, damit er meinen Geruch wiedererkannte.

»Jaknura, Larki«, flüsterte er beruhigend, während die Lippen des Pferdes an meinem T-Shirt zupften.

»He, lass das«, sagte ich und lachte.

»Larki wird dir vertrauen, nun musst auch du ihm vertrauen.«

Rin saß auf und reichte mir die Hand. Ich ergriff sie zögerlich. Im Nu zog er mich hoch und ließ mich vor sich sitzen. Sanft hielt er mich fest und schnappte sich die Zügel.

»Hast du noch Angst?«

»Ja«, gab ich zu.

»Die brauchst du nicht haben. Ich bin hier.«

Ich atmete tief durch und hielt mich vorsichtig an Larkis Mähne fest. Als sich das Pferd in Bewegung setzte, stieß ich vor Schreck einen leisen Schrei aus, der Rin zum Lachen brachte. »Vertrauen, Stadtmädchen.«

Ich ärgerte mich über mich selbst. Rin hatte durch unsere erste Begegnung wahrscheinlich sowieso schon ein verzerrtes Bild von Großstadtmenschen bekommen, und jetzt lieferte ich ihm neuen Stoff, indem ich mich wie eine dumme Gans anstellte. Noch mal würde mir das nicht passieren.

»Wir gehen nun in leichten Trab über«, erklärte er.

Ich krallte mich in seinen Arm, der fest um meine Taille lag. »Trab« klang nach Geschwindigkeit. Und davor hatte ich panische Angst.

»Bleib ganz locker«, redete Rin mir gut zu.

Tatsächlich merkte ich schnell, dass alles nur halb so schlimm war. Er hielt mich, und wenn ich doch zur Seite zu rutschten drohte, brachte er mich schnell in meine Ausgangsposition zurück. Allmählich gewöhnte ich mich an das Ruckeln.

»Das ist wahre Freiheit.« Er zeigte auf einen Adler, der mit ausgebreiteten Schwingen über uns durch die Luft segelte. »Den holen wir ein«, versprach er. »Heyyaaah!« Er drückte seine Fersen sanft in Larkis Flanken und trieb das Pferd damit zu seiner Höchstgeschwindigkeit an. Das Wettrennen mit dem Adler hatte offenbar seinen Kampfgeist geweckt.

Ich hingegen warf meine guten Vorsätze über Bord und schrie laut auf. Gleich würde ich die Balance verlieren und runterstürzen. Ich klammerte mich an ihm fest.

»Lass mich bitte vorher absteigen!«

Rin zog behutsam an Larkis Zügeln. Er wechselte von Galopp in Trab und von Trab in Schritt. Eine Hand tätschelte liebevoll meinen Kopf. »Ach, Stadtmädchen. Du hast es bald überstanden.«

Ich war heilfroh, als das Ortsschild von Calmwood in Sicht kam. Rin brachte das Pferd zum Stehen.

»Weiter können wir dich nicht begleiten, Jorani. Aber von hier findest du den Weg selber.«

Als ein Auto vorbeifuhr, erschreckte sich Larki so heftig, dass er nervös auf der Stelle tippelte und laut schnaubte. »Sssht, ruhig, Jaknuri.« Rins Zuspruch half.

»Hab ich mich gerade verhört, oder nennst du mich endlich Jorani?« Ich freute mich, denn »Stadtmädchen« hatte immer ein bisschen abfällig geklungen. Die Art, wie er meinen Namen aussprach, gefiel mir. Es klang sanft und melodisch.

»Du heißt doch Jorani, oder nicht?«, scherzte er. »Ja, schon, aber ...«

Rin saß ab und half mir herunter, indem er mich auffing und auf die Füße stellte. Meine Beine gaben unter mir nach. Sie zitterten vor Anstrengung. Rin stützte mich. »Vorsicht, deine Muskeln müssen sich erst ans Reiten gewöhnen.«

»Besser nicht.« Ich hatte nicht vor, in absehbarer Zeit nochmals auf ein Pferd zu steigen.

»Geht schon«, sagte ich und schüttelte meine Beine aus. Sie fühlten sich wie eingeschlafen an. Tausend kleine Ameisen schienen an meinen Waden hochzukrabbeln.

Rin saß wieder auf und wendete.

»Sehen wir uns wieder?«, fragte ich eilig, noch bevor er verschwinden konnte.

»Calmwood ist klein«, erwiderte er.

»Ich meine das ernst. Mir hat es heute viel Spaß gemacht. Auch wenn du mir das nicht glaubst.« Er hob skeptisch eine Augenbraue.

»Du kannst ja einfach mal ins Desert Spring kommen. Ich würde mich freuen.«

Er nickte. »Ja, vielleicht mache ich das.«

Im Desert Spring erfuhr ich, dass Gladice von der Leiter gestürzt war, als sie die Preise über der Theke korrigieren wollte, und sich den Arm gebrochen hatte. Roger war so nett gewesen, sie nach Rapid City ins Krankenhaus zu fahren. Meine Tante hatte nun alle Hände voll zu tun.

»Kann ich dir helfen?«, fragte ich, nachdem ich mit meiner Mutter telefoniert und ihr ausführlich von meiner Ankunft berichtet hatte. Abigail schüttelte lachend den Kopf. »Du machst doch hier Urlaub. Genieß ihn.«

Sie trug gleich mehrere Teller zur Spüle, es klapperte bedenklich, so, als würde ihr das Geschirr jeden Moment aus den Händen rutschen. Ich konnte das nicht mit ansehen.

»Ist doch egal. Ich habe schon mal gekellnert, und das hat Spaß gemacht. Außerdem würde ich sonst nur den ganzen Nachmittag rumsitzen.«

Abigail krempelte die Ärmel hoch und ließ Wasser ins Spülbecken ein. »Na schön. Heute ist hier wirklich die Hölle los. Wenn du die Tische im Garten übernehmen könntest, wäre ich dir sehr dankbar.«

Ich salutierte und lachte. »Wird gemacht, Ma’am.«

« Ich band mir Gladice’ Schürze um und ging in den Garten. An einem Tisch saßen drei junge Männer, die ausgiebig die Karte studierten. »Haben Sie schon gewählt?«

Sie waren ein bisschen jünger als ich. Das erkannte ich an den teilweise noch kindlichen Gesichtszügen. Einer hatte eine Igelfrisur, der andere versteckte sein Gesicht unter einem tief heruntergezogenen Basecap mit dem Logo eines lokalen Baseballteams, und der Dritte hatte seine Haare zu einem schmierigen blonden Zopf gebunden. Auf seiner Stirn hatte sich Akne breitgemacht.

Die Körperhaltung der Jungen verriet Anspannung, vielleicht sogar Aggression.

»Ich nehme den Apfelkuchen«, sagte der Stachelkopf.

»Ja, der soll ja ausgezeichnet schmecken. Ich hätte auch gern ein Stück.«

»Tut mir leid, Apfelkuchen ist leider aus. Darf ’s etwas anderes sein?«

»Kein Apfelkuchen? Sehr schade. In dem Fall muss ich mich wohl mit diesen beiden hübschen Äpfeln begnügen.«

Im ersten Moment wusste ich nicht, worauf er anspielte. Als er auf meine Brüste deutete, fingen die Jungen an zu lachen. Offenbar steckten sie mitten in der Pubertät.

»Möchten Sie nun etwas bestellen oder nicht?«, fragte ich deutlich gereizter als gewollt.

»Hab ich nicht grade was bestellt?« Der Stachelkopf rückte mit seinem Stuhl zurück und klopfte mit beiden Händen auf seinen Schoß, als wollte er mich auffordern, dort Platz zu nehmen.

»Was soll das hier? Hatte ich euch nicht Hausverbot erteilt, weil ihr meine Gäste belästigt habt?«, fuhr Tante Abigail dazwischen, die in den Vorgarten gekommen war.

»Das müssen andere Jungs gewesen sein, wir sind zum ersten Mal hier.«

»Lügt mich nicht an. Ich habe mir eure Gesichter gemerkt. Und jetzt macht, dass ihr hier wegkommt.« Sie war ziemlich wütend. Ihre Stimme klang laut und kräftig. Selbst Dad wäre nicht gegen sie angekommen, und der hatte ein Organ wie ein Opernsänger. Abigail hätte sicher einen iA- Feldwebel bei der US Army abgegeben. Jedenfalls erzielte ihre Stimme den gewünschten Effekt. Die Jungs schienen so beeindruckt, dass sie tatsächlich den Rückzug antraten.

»Schon gut, jetzt regen Sie sich mal nicht so auf«, stammelte der Stachelkopf im Gehen. Und so schnell, wie diese Bande gekommen war, so schnell war sie auch wieder verschwunden.

»Gut gemacht«, meinte ein älterer Herr vom Nachbartisch, und Abigail wischte sich die Hände an der Schürze ab, so, als wären sie schmutzig. Sie nickte nur zustimmend und ging wieder hinein.

Nach Ladenschluss half ich Abigail, die Stühle hochzustellen, das Geschirr abzuwaschen und den Boden zu wischen.

»Ohne dich würde ich hier noch bis nach Mitternacht sitzen«, sagte sie dankbar.

»Kein Problem. Ich helfe dir auch in den nächsten Tagen.« »Das ist lieb von dir. Roger will mir auch helfen. Gemeinsam kriegen wir das schon hin.«

»Dieser Roger ist ein Netter, stimmt’s?« Ich musterte sie sehr genau. Neugierig, ob sie ihn gern hatte. Dass Roger ein Auge auf meine Tante geworfen hatte, war mir schon heute Morgen nicht entgangen. Doch zu meiner Überraschung blieb Abigail ganz ungerührt.

»Ja. Sicher. Wieso?«

»Ach, ich hatte den Eindruck, dass er dich mag.« Abigail, die gerade den Lappen auswrang, hielt in ihrer Bewegung inne. Abrupt fing sie zu lachen an. »Du hast eine Fantasie, Mädel.« »Ich meinte das ernst.«

»Roger ist Witwer. Seine Frau ist vor anderthalb Jahren gestorben. Es war sehr schwer für ihn. Ich glaube kaum, dass er über den Verlust hinweg ist.«

Kopfschüttelnd schloss sie die Kasse ab.

Die Uhr zeigte halb zwölf, als wir endlich mit allem fertig waren.

Abigail verschwand im Bad und ich in meinem Zimmer, wo ein Teller mit Kuchen für mich bereitstand. Nach der kleinen Stärkung ging auch ich unter die Dusche, machte mich dann bettfertig und schlüpfte unter die Decke. Ich ließ meinen Tag Revue passieren, an dem sich so viel ereignet hatte, dass ich meinte, seit mindestens einer Woche hier zu sein. Unglaublich, wie schnell man sich einlebte.

Schläfrig rollte ich mich zur Seite und fiel fast augenblicklich in eine Art Dämmerschlaf, halb wach, halb schlafend. Ein Zustand, in dem man glaubte, fast zu schweben. Ich fühlte mich rundum wohl und kuschelte mich in meine Decke, als ich direkt über mir ein Pochen vernahm, das immer lauter und energischer wurde.

Als ich den Kopf hob, entdeckte ich eine Krähe an meinem Fenster, die mit ihrem Schnabel gegen die Scheibe klopfte. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Vorsichtig öffnete ich das Fenster, aber sie flog weg.

Und in dem Moment hörte ich das Klirren von Glas. Jemand hatte unsere Scheibe eingeschlagen!

Ich stürzte in den Flur und stieß fast mit meiner Tante zusammen. Die trug ein Blumennachthemd, eine Art Schlafmütze auf dem Kopf und hatte zu meinem Entsetzen eine Schrotflinte in der Hand.

»Um Gottes willen, was hast du damit vor?«, fuhr ich sie an.

Tante Abigail legte den Zeigefinger auf die Lippen. Wir lauschten ins Dunkel, aber ich konnte nichts hören.

Abigail winkte mich mit sich und schlich durch den Flur, der mir unendlich lang vorkam. Ich bemühte mich, keinen Ton von mir zu geben und nach Möglichkeit auch keine Diele zum Knarren zu bringen, was bei dem alten Holz nicht gerade leicht war. Irgendwie schafften wir es, geräuscharm zur Treppe zu gelangen.

»Warte kurz«, flüsterte sie und spähte nach unten.

Mein Herz klopfte so laut, dass ich fürchtete, ein möglicher Einbrecher würde es hören. Ganz vorsichtig stieg Abigail zwei Stufen hinunter und richtete die Waffe in den unter ihr liegenden Raum.

»Wer ist da?«, brüllte sie mit ihrer tiefen Stimme, die fast wie die eines Mannes klang. Ich erschrak derart, dass ich ungewollt einen leisen Schrei ausstieß.

Abigail lief schnell nach unten. Mir blieb vor Angst um sie fast das Herz stehen. Aber dann sagte sie plötzlich ganz gelassen: »Du kannst runterkommen«, und knipste das Licht an.

Misstrauisch blickte ich mich um, sah in jeder Ecke und Nische nach, um erleichtert festzustellen, dass Gott sei Dank tatsächlich keine Menschenseele hier war. Von meiner Tante und mir mal abgesehen.

Das Fenster war zertrümmert. Vereinzelte Glaszacken hingen noch im Rahmen. Die restlichen Splitter lagen auf dem Boden und den Tischen verstreut. Ich entdeckte einen etwa faustgroßen Stein, der neben einem Stuhlbein lag.

»Das wird teuer«, stellte Abigail nüchtern fest.

Plötzlich bemerkte ich eine Bewegung im Garten. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit, und ich erkannte einen Schatten, der sich zum Tor hin bewegte.

Ich weiß nicht, was in diesem Moment in mich fuhr, aber ohne großartig nachzudenken, lief ich nach draußen, in der wahnwitzigen Absicht, den Steinewerfer zu schnappen. Ich bewegte mich so schnell und gewandt wie eine Raubkatze auf den Schatten zu, der menschliche Formen annahm. Es war ein Mann. Ich streckte die Hand nach ihm aus und packte ihn am Arm.

»Hier geblieben!«

Der Fremde drehte sich erschrocken zu mir um. Das Licht der Straßenlaterne fiel auf sein Gesicht, und ich erkannte Rin. »Du?« Ich konnte es nicht glauben. Ausgerechnet Rin! »Es ist nicht so, wie du denkst.« Ich schüttelte fassungslos den Kopf.

»Das mit dem Fenster, das war ich nicht«, redete er auf mich ein und nickte zum Desert Spring.

»Rin ... wieso?« Ich war völlig durcheinander.

»Glaub mir, Jorani.« Seine Hände krallten sich in meine Schultern. Ich spürte seine Finger durch meinen Schlafanzug hindurch.

Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Sein Atem ging rasch. »Ich war das nicht«, wiederholte er eindringlich.

»Okay, okay. Aber wer war es dann, und was machst du eigentlich hier?«

In dem Moment hörte ich, wie Tante Abigail herauskam. Rin wich instinktiv zurück. »Ich erkläre es dir morgen.«

»Warte doch.«

Mit einem leichtfüßigen Satz über den Zaun war er im Dunkeln verschwunden.

»Bleib stehen«, brüllte Abigail ihm nach. Gott sei Dank hatte sie ihre Schrotflinte drinnen gelassen. Entschlossen rannte sie auf die Straße, doch sie war nicht bei bester Kondition und musste bereits nach wenigen Schritten aufgeben. Atemlos kam sie zu mir zurück.

»Dieser Mistkerl. Wenn ich den in die Finger kriege!«, sagte sie und keuchte so heftig wie eine Asthmakranke. Sie beugte sich vor und stützte sich auf den Knien ab. Langsam kam sie wieder zu Atem.

»Die haben sich gerächt. Das war einer von den Jungs«, war sie überzeugt. »Der Sheriff wird von mir hören. Hast du den Täter erkannt?«

Mechanisch schüttelte ich den Kopf. Ich hasste es, meine Tante anzulügen, aber ich wollte Rin schützen.

Schattenreiter

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